OGH vom 18.12.2014, 2Ob199/14z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. E. Solé als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Nowotny und Dr. Rassi als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen M***** F*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Betroffenen, vertreten durch Dr. Markus Sorger, Rechtsanwalt in Gleisdorf, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 1 R 147/14s 250, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gleisdorf vom , GZ 2 P 16/07d 236, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Text
Begründung:
Für die Betroffene wurde mit Beschluss vom ein Sachwalter bestellt, dessen Wirkungskreis die Vertretung vor Ämtern und Behörden, die Besorgung der finanziellen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten und die Vertretung bei Rechtsgeschäften größeren Umfangs umfasste (ON 9). Mit Beschluss vom wurde der Kreis der vom Sachwalter zu besorgenden Angelegenheiten um die Bestimmung des Wohnorts erweitert (ON 213).
Seit wird die Sachwalterschaft vom VertretungsNetz-Sachwalterschaft ausgeübt (ON 110). Mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft war seit damals Mag. (FH) B***** S***** betraut (ON 113).
Am stellte die Betroffene beim Erstgericht den Protokollarantrag „auf Enthebung und Umbestellung des Sachwalters“. Sie brachte vor, mit der Person der Sachwalterin nicht einverstanden zu sein, da sich diese nicht um ihr Wohl kümmere und zB neue Anschaffungen nicht bewillige. Sie hätte gerne einen anderen Sachwalter unter Beibehaltung des bisherigen Wirkungskreises (ON 232).
Das Erstgericht wies den Antrag ab.
Wie schon bei den früheren Umbestellungsanträgen lägen auch diesmal keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die Sachwalterin ihr Amt zum Nachteil der Betroffenen ausüben würde.
Das von der Betroffenen angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 278 Abs 1 ABGB seien nicht vorhanden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen mit dem Antrag den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass dem Erstgericht die Umbestellung des Sachwalters aufgetragen werde. Inhaltlich wird geltend gemacht, dass sich zwischen der Betroffenen und der Sachwalterin ein tiefgreifendes Misstrauen entwickelt habe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig:
1. Sachwalter der Betroffenen ist das VertretungsNetz-Sachwalterschaft, also ein „geeigneter Verein“ iSd § 279 Abs 3 ABGB. Gemäß § 3 Abs 2 Vereinssachwalter- Patientenanwalts- und Bewohnervertretergesetz (VSPBG) idF BGBl I 2006/92 obliegt es dem Verein , der zum Sachwalter bestellt wurde, dem Gericht die mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft betraute Person (Vereinssachwalter) bekannt zu geben. Nach Abs 3 dieser Bestimmung kann der Verein die Bekanntmachung aus wichtigen Gründen widerrufen. Widerruft der Verein die Bekanntmachung eines Vereinssachwalters, so hat er dem Gericht eine andere mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft betraute Person bekannt zu geben und dieser eine Urkunde über ihre Betrauung auszustellen. Die Mitwirkung des Gerichts ist weder bei der Betrauung der physischen Person noch beim Widerruf der Bekanntmachung und der Betrauung einer anderen Person iSd § 3 Abs 2 und 3 VSPBG gesetzlich vorgesehen. Nach den Gesetzesmaterialien soll die Betrauung einer anderen Person mit der Ausübung des Amtes grundsätzlich im Ermessen des Vereins liegen (vgl ErläutRV 1420 BlgNR XXII. GP 17; Weitzenböck in Schwimann , ABGB 4 I § 279 Rz 9 und 11; Tschugguel in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.01 § 279 Rz 9).
2. Weitzenböck (aaO Rz 9) sieht in dieser Rechtslage ein Rechtsschutzdefizit für die betroffene Person und hält es für unverzichtbar, dieser einen Rechtsbehelf gegen die Person, die die Sachwalterschaft tatsächlich ausübt, zu gewähren. Zumindest ein auf die Ablehnung der bekannt gegebenen Person gerichteter Antrag müsse zulässig sein, über den das Gericht sodann mit anfechtbarem Beschluss zu entscheiden habe.
Dieser Lehrmeinung entspricht im Ergebnis die Vorgangsweise der Vorinstanzen, die sich zur Entscheidung über den von der Betroffenen gestellten Antrag auf „Enthebung und Umbestellung der Sachwalterin“ für befugt erachteten, obwohl der Antrag inhaltlich, wie schon mehrmals in der Vergangenheit, nur auf die Auswechslung der vom Verein bekannt gegebenen Person gerichtet war.
3. Eine weitere Auseinandersetzung mit der erörterten Rechtslage ist hier jedoch entbehrlich:
Am , nach Erhebung des später durch Anwaltsfertigung verbesserten Revisionsrekurses, langte beim Erstgericht die vom Verein ausgestellte, mit datierte Urkunde ein, aus der sich die Betrauung einer anderen Person mit der Wahrnehmung der Sachwalterschaft für die Betroffene ergibt (ON 262). Diese setzt nach § 3 Abs 3 VSPBG den Widerruf der bisherigen Bekanntmachung voraus. Damit hat der Verein dem Anliegen der Betroffenen letztlich Rechnung getragen und die von ihr abgelehnte Person durch eine andere ersetzt.
4. Bei dieser Sachlage mangelt es der Betroffenen nunmehr aber an der Beschwer, somit am Rechtsschutzinteresse, das sowohl bei Einlangen des Rechtsmittels als auch im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung vorhanden sein muss (2 Ob 114/14z; RIS Justiz RS0002495, RS0006598 ua). Der Revisionsrekurs erweist sich deshalb als unzulässig, ohne dass es noch darauf ankäme, ob eine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu lösen gewesen wäre.
Erwägungen zur allfälligen Berücksichtigung eines hypothetischen Rechtsmittelerfolgs (vgl jüngst 2 Ob 114/14z) können schon deshalb auf sich beruhen, weil § 129 AußStrG für den begehrten Kostenersatz keine Grundlage bietet und eine kontradiktorische Verfahrenssituation iSd § 78 Abs 2 AußStrG nicht gegeben ist (vgl Zankl/Mondel in Rechberger , AußStrG² § 129 Rz 3; Schauer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 129 Rz 2).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00199.14Z.1218.000