OGH vom 11.06.2008, 3Ob108/08s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Cara R*****, geboren am *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Romanus R*****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner & Partner, Anwaltssocietät (OG) in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 23 R 16/08b-1086, womit ua der Beschluss des Bezirksgerichts Schwechat vom , GZ 3 P 76/99w-1038, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Eltern der Minderjährigen blieben aufgrund eines pflegschaftsgerichtlich genehmigten Vergleichs vom weiterhin gemeinsam mit der Obsorge für ihre mj Tochter betraut.
Am teilte die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft dem Pflegschaftsgericht mit, dass sie „als zuständiger Jugendwohlfahrtsträger" wegen sonstiger Gefährdung dem Verbleib der mj Cara beim Vater nach dem Besuchswochenende zugestimmt habe, und stellte den Antrag, gemäß § 215 ABGB der Mutter die Obsorge im erforderlichen Teilbereich zu entziehen und dem Vater zu übertragen (ON 980).
Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters vom (ON 1014), gemäß § 145 Abs 2 ABGB festzustellen, dass die Obsorge auf ihn übergegangen sei bzw ihm vorläufig die alleinige Obsorge zustehe, ab, weil kein Fall des § 145 Abs 1 ABGB vorliege, woran die vorläufige Maßnahme des Jugendamts nach § 215 ABGB nichts geändert habe; im anhängigen Verfahren nach § 177a ABGB sei noch keine Entscheidung ergangen.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Der Mutter sei die Obsorge bisher noch nicht entzogen worden. Der Jugendwohlfahrtsträger habe zwar verfügt, das Kind aus deren Obhut zu nehmen, und die erforderlichen gerichtlichen Verfügungen beantragt. Damit sei der Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 215 Abs 1 ABGB kraft Gesetzes vorläufig mit der Obsorge betraut. Seine im Rahmen der Interimskompetenz ergriffene Maßnahme sei bis zur gerichtlichen Entscheidung wirksam und bedürfe keiner deckungsgleichen vorläufigen Maßnahme [gemeint wohl: des Pflegschaftgerichts]. Auch sei eine eventuell von der Mutter ausgehende Gefahr dadurch beseitigt. Dem Erstgericht sei beizupflichten, dass kein Fall des § 145 Abs 1 ABGB vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist nicht zulässig.
Auf die von ihm als erheblich bezeichneten Rechtsfragen kommt es in Wahrheit nicht an. Zur Geltung des § 145 Abs 1 ABGB für eine auf Vereinbarung der Eltern nach der Scheidung beruhende gemeinsame Obsorge (angeblich „s7 unten f") nahm die zweite Instanz in ihrem nur vierseitigen Beschluss nicht Stellung (es liegt wohl eine dem Vater in seinem Rechtsmittel unterlaufene Verwechslung mit einer anderen Entscheidung vor).
Selbst wenn man mit dem Rekursgericht aus dem zitierten Antrag ON 980 eine vorläufige Maßnahme des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 215 Abs 2 zweiter Satz ABGB (in Form der gänzlichen Übertragung von faktischer Pflege und Erziehung von der Mutter auf den Vater) ableiten wollte, kommen alternativ nur zwei denkbare Lösungen in Betracht. Bei keiner davon könnte der Antrag des Vaters Erfolg haben.
Zwar ergibt sich aus dem Gesetz im Zusammenhang mit diesem Schriftsatz kein diskutabler Hinweis auf eine (auch nur vorläufige) Entziehung der Obsorge der Eltern durch eine solche Maßnahme. Dass unter der eben angeführten Annahme nach dem dritten Satz der zitierten Norm der Jugendwohlfahrtsträger im Umfang der Maßnahme vorläufig mit der Obsorge für das Kind betraut ist, bedeutet nicht notwendig, dass damit auch der Entzug der Obsorge (und zwar allein der Mutter!) verbunden wäre. So wird in der Lehre auch - soweit diese dazu Stellung nimmt - vertreten, dass mit der vorläufigen Obsorge des Jugendwohlfahrtsträgers die Vertretungsbefugnis des sonstigen gesetzlichen Vertreters nicht eingeschränkt werde (Stabentheiner in Rummel³ 1. ErgBd Komm zu § 215 ABGB;Hopf in KBB² § 215 ABGB Rz 2). Ohne einen solchen Entzug läge aber zweifellos kein Fall des § 145 Abs 1 ABGB vor, weil dessen weitere Alternativen hier gar nicht geltend gemacht werden. Nicht anders wäre es aber bei Annahme einer (vorläufigen) exklusiven Teilobsorge des Jugendwohlfahrtsträgers. Dann wäre nämlich auch der Vater selbst in gleicher Weise betroffen und damit auch ihm insoweit die (bisher ihm und der Mutter zukommende) Obsorge entzogen. Dass eine „gemeinsame" Obsorge eines Elternteils mit dem Jugendwohlfahrtsträger nicht in Betracht komme (vgl dazu 7 Ob 144/02f = SZ 2002/123), macht der Vater ohnehin selbst in seinem Revisionsrekurs geltend. Damit käme aber der in § 145 Abs 1 erster Satz ABGB angeordnete Übergang einer vorläufigen Teilobsorge von der Mutter auf ihn schon deswegen nicht in Betracht, vielmehr wäre vom Pflegschaftsgericht iS des dritten und vierten Satzes des § 145 Abs 1 ABGB (und demnach nicht bloß feststellend) über die mit der Obsorge zu betrauende Person(en) (vorzugsweise Groß- oder Pflegeeltern) zu entscheiden. Die vom Vater angestrebte Entscheidung kam somit unter keinen Umständen in Betracht.
Sein Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.