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OGH vom 23.10.2019, 7Ob109/19h

OGH vom 23.10.2019, 7Ob109/19h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei Verein „G*****“ *****, vertreten durch Dr. Peter Lösch Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 167/18k-11, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 53 Cg 37/17p-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren 7 Ob 109/19h wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Verfassungswidrigkeit der Wortfolge „sowie die vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen“ in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG (GZ G 40-43/2019) unterbrochen.

Nach Ergehen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

Text

Begründung:

Der Kläger ist ein Verein zur Wahrung von Verbraucherinteressen, der gemäß § 29 Abs 1 KSchG zur Verbandsklage berechtigt ist. Der Beklagte ist ein Verein nach dem Vereinsgesetz, der in unterschiedlichen Einrichtungen Tagesstrukturen mit der Zielsetzung betreibt, es Menschen mit intellektueller oder mehrfacher Behinderung entsprechend ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen zu ermöglichen, so selbständig wie möglich zu leben. Der Beklagte schließt hiezu im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Personen, welche kein Unternehmen führen und für die diese Verträge nicht zum Betrieb ihres Unternehmens gehören, Heimverträge ab. Diese enthalten unter anderem die Klausel:

„Der Zuschuss des Fonds Soziales Wien beträgt derzeit (brutto) für den Tagessatz Wohnen … EUR …

Der Eigenbe

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend dem Klagebegehren, wonach der Beklagte (ua) verpflichtet sei, die Verwendung dieser oder sinngleicher Klauseln binnen zwei Monaten und die Berufung auf diese oder sinngleiche Klauseln ab sofort zu unterlassen, stattgegeben. Die Klausel genüge der in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG enthaltenen Anforderung, wonach im Heimvertrag die vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen anzugeben seien, nicht; sie sei intransparent nach § 27d Abs 4 KSchG.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu.

1. Mit der Novellierung des § 27d Abs 1 Z 6 KSchG durch das SWRÄG 2006 (BGBl I Nr 92/2006) wurde die Verpflichtung zur Angabe aufgenommen, welche Leistungen vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe gedeckt werden. Nach § 41a Abs 19 KSchG ist die in § 27d Abs 1 Z 6 vorgesehene Offenlegung der vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen auf Verträge, die vor dem Inkrafttreten () geschlossen worden sind, nicht anzuwenden.

2. Beim Verfassungsgericht sind Individualanträge zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit der Wortfolge „sowie die vom Träger der Sozial- oder Behindertenhilfe gedeckten Leistungen“ in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG (GZ G 40-43/2019) anhängig.

3. Bei einem eine Gesetzesbestimmung aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hängt die Auswirkung auf anhängige Verfahren vom Ausspruch des Verfassungsgerichtshofs ab (RS0031419 [T13]). Dabei ist es nicht auszuschließen, dass der Verfassungsgerichtshof eine allfällige Aufhebung dieser Bestimmung nicht auf den Anlassfall beschränken wird (Art 140 Abs 7 B-VG). Eine Gesetzesaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof führt
– insbesondere bei Dauertatbeständen – zu einer in jeder Lage des Verfahrens zu beachtenden Änderung der Rechtslage (vgl RS0031419 [T7, T 22]). Damit sind die beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren präjudiziell für das vorliegende Verfahren.

4. Gemäß § 190 Abs 1 ZPO kann ein Rechtsstreit unterbrochen werden, wenn die Entscheidung ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, welches Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits ist oder welches in einem anhängigen Verwaltungsverfahren festzustellen ist. Eine derartige Unterbrechungsmöglichkeit ist bei einem vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahren nicht vorgesehen. Diese planwidrige Gesetzeslücke ist durch analoge Anwendung des § 190 ZPO zu schließen, weil der Zweck der Bestimmung, widersprechende Entscheidungen im Sinn der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern, auch in diesem Fall zutrifft (vgl 3 Ob 64/02m, 8 Ob 103/04m).

5. Das Verfahren war daher bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung der genannten Wortfolge in § 27d Abs 1 Z 6 KSchG zu unterbrechen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00109.19H.1023.000

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Fundstelle(n):
YAAAD-33181