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OGH vom 26.08.2008, 5Ob106/08m

OGH vom 26.08.2008, 5Ob106/08m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Reinhold S*****, vertreten durch Martin Gruber, Verein Mieter informieren Mieter, Löhrgasse 13/20, 1150 Wien, gegen die Antragsgegnerin N.V. *****, vertreten durch Mag. Andreas Wedenig, Hausverwalter, Leopold Kuntschakplatz 6, 1170 Wien, dieser vertreten durch Mag. Dr. Peter Sommerer, Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 40 R 301/07x-20, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 37 Msch 6/07h-9, bestätigt wurde, den Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit 371,52 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 61,92 EUR USt) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist Mieter in dem im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Haus ***** in *****.

Im gegenständlichen Haus besteht eine Aufzugsanlage, die Personen lediglich hinauf befördert, nicht aber wieder herunter. Die Aufzugsanlage ist störungsfrei in Betrieb. Sie ist funktionsfähig und steht nicht im Widerspruch zu baubehördlichen Bestimmungen. Allerdings entspricht ein solcher Personenaufzug nicht mehr dem heute üblichen technischen Standard.

Fallweise Störungen am Aufzug sind auf missbräuchliche Benützungen (Verwendung zur Abwärtsfahrt) zurückzuführen. Die Anlage wird regelmäßig gewartet. Sie verfügt über ein entsprechendes Notrufsystem.

Die Errichtung einer Aufzugsanlage, die eine Personenbeförderung in beide Richtungen zulässt, würde Kosten von 100.080 EUR (ohne Umsatzsteuer) erfordern.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt der Antragsteller, der Antragsgegnerin den Auftrag zur Neuherstellung einer dem heutigen Stand entsprechenden Aufzugsanlage zu erteilen. Die Erhaltungskosten der bestehenden Anlage seien im Verhältnis zur Errichtung einer Neuanlage wirtschaftlich nicht mehr vertretbar.

In letzter Zeit sei es immer wieder zu Störungen gekommen. Der Antragsteller sei an den Rollstuhl gebunden und auf die Nutzung des Aufzugs in einem ortsüblichen Standard angewiesen.

Die Antragsgegnerin bestritt dieses Begehren und beantragte seine Abweisung. Der Aufzug sei in technisch einwandfreiem Zustand. Die Neuerrichtung eines Aufzugs sei nicht als Erhaltungs- sondern als Verbesserungsarbeit im Sinn des § 4 MRG zu qualifizieren. Ausgehend von diesen Feststellungen wiesen beide Vorinstanzen das Begehren ab.

Unter Heranziehung des sogenannten dynamischen Erhaltungsbegriffs sei auch eine Neuherstellung als Erhaltungsarbeit zu qualifizieren, wenn die Gebrauchsfähigkeit einer Anlage nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr durch Reparaturen, sondern nur durch Neuherstellung bewirkt werden könne.

Im vorliegenden Fall funktioniere aber der Personenaufzug einwandfrei und benötige keine Reparaturen. Schon deshalb läge keine Erhaltungsarbeit vor, weil stets die Reparaturbedürftigkeit einer Anlage Voraussetzung auch für die Anwendung des dynamischen Erhaltungsbegriffs sei.

Nur die Mehrheit der Mieter könne daher gemäß § 6 Abs 1 Z 2 MRG die Erneuerung und Heranführung der Aufzugsanlage an den ortsüblichen Standard begehren.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige. Es erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil zum Verständnis des dynamischen Erhaltungsbegriffs auch abweichende höchstgerichtliche Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung 5 Ob 210/01w, besteht. Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinn einer Stattgebung des Antrags. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegnerin beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Für die vom Revisionsrekurswerber angesprochene „Schadensgeneigtheit" der Aufzugsanlage, die Personen nur nach oben, nicht aber nach unten befördert, bestehen keine Feststellungsgrundlagen. Eine solche Schadensgeneigtheit wird auch nicht dadurch indiziert, dass aus missbräuchlicher Verwendung Störfälle resultieren.

Es ist also mit den Vorinstanzen zu Grunde zu legen, dass im gegenständlichen Haus eine funktionsfähige, bei bestimmungsgemäßem Gebrauch auch nicht reparaturanfällige Aufzugsanlage besteht, die allerdings nicht dem ortsüblichen Standard entspricht, weil sie nur ein Hinauffahren, nicht aber ein Hinunterfahren von Personen ermöglicht.

Weil nützliche Verbesserungen, konkret die Errichtung von - der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienenden, einer zeitgemäßen Wohnkultur entsprechenden - Personenaufzügen (§ 4 Abs 2 Z 2 MRG) vom Vermieter nur durchzuführen sind, wenn die Kosten aus Mietzinsreserven und Zuschüssen gedeckt werden können (§ 4 Abs 3 Z 1 MRG), diese Voraussetzungen aber vom Antragsteller nicht einmal behauptet wurden, kommt eine Durchsetzung einer solchen Maßnahme gemäß § 6 Abs 1 MRG nur in Betracht, wenn es sich bei der Neuerrichtung einer Aufzugsanlage um eine Erhaltungsarbeit handelt. Das gesetzliche Gebot der Erhaltung „im jeweils ortsüblichen Standard" wird von der Rechtsprechung als Verpflichtung verstanden, im Zuge der Durchführung von Erhaltungsarbeiten nicht statisch stets Gleiches durch Gleiches zu ersetzen, sondern bei notwendigem Ersatz eine Anpassung auf Entwicklungen der Bautechnik und zeitgemäße Wohnkultur vorzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0069944).

Das bedeutet aber keine Verpflichtung zur permanenten Modernisierung der zu erhaltenden Hausteile und Anlagen, weil die Anpassung an den heutigen technischen Standard immer die Bejahung von Wirtschaftlichkeit und Dringlichkeit iS einer Notwendigkeit der Arbeiten voraussetzt (vgl RIS-Justiz RS0116139; zuletzt 5 Ob 116/07f; RS0114109 ua).

In 5 Ob 157/02b und zuletzt 5 Ob 256/07v (= wobl 2008/35 [Call]) wurde ausdrücklich ausgesprochen, dass als Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit überhaupt, auch im Rahmen dynamischer Erhaltung, ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit, einer Einschränkung der Funktionsfähigkeit, Brauchbarkeit oder zumindest Schadensgeneigtheit feststehen muss. Auch in der Judikatur wird dieses Erfordernis als geeignet angesehen, um eine Abgrenzung zwischen dynamischer Erhaltung und Verbesserung zu definieren (vgl O. Riss, Dynamischer Erhaltungsbegriff und Verbesserungspflicht des Vermieters im MRG, wobl 2007, 237; Würth in Rummel³ Rz 4 zu § 3 MRG; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Österr. Wohnrecht Rz 11 zu § 3 MRG).

Dass neben anderen Kriterien, wie etwa dem der Wirtschaftlichkeit, stets eine Reparaturbedürftigkeit oder zumindest Schadensgeneigtheit vorliegen muss, um überhaupt noch von einer Erhaltungsarbeit sprechen zu können, gesteht auch der Revisionsrekurs zu. Aus einzelnen Entscheidungen soll allerdings abgeleitet werden können, dass diese Voraussetzungen nicht jedenfalls zwingend wären.

Dem ist entgegenzuhalten, dass bei dem der im Revisionsrekurs zitierten Entscheidung 5 Ob 84/89 zu Grunde liegenden Sachverhalt aufgrund des Fehlens eines Geländers eines von Mietern benützten Flachdaches in Entsprechung der maßgeblichen Bauordnung ein Geländer zu errichten war, also die Arbeit der Behebung eines Baugebrechens diente, das die Sicherheit von Personen gefährdete (privilegierte Arbeiten im Sinn des § 3 Abs 3 Z 2 lit b MRG). In diesem Sinn erging auch die Entscheidung 5 Ob 84/89 = wobl 1991/154 [zust Call]). Nicht im Widerspruch zu den oben dargelegten Grundsätzen steht auch 5 Ob 210/01w, wo der zu behebende Mangel in der unterdurchschnittlichen Versorgung eines Hauses mit elektrischer Energie lag und die Herstellung leistungsfähiger Steigleitungen aufgetragen wurde (vgl 5 Ob 157/02b).

Ein solcher Mangel ist aber dann zu verneinen, wenn eine Gemeinschaftsanlage stets nur bestimmte Funktionen erfüllen konnte, die auch nach wie vor erfüllt werden können. Die Ergänzung dieser Funktion durch eine weitere Funktion der Anlage stellt, auch wenn dies bei Neuerrichtung dem ortsüblichen Zustand entsprechen würde, eine echte Verbesserung dar, die nur unter den Voraussetzungen des § 4 MRG durchsetzbar ist.

Das regelt auch § 3 Abs 2 Z 3 letzter Satz MRG: Ist die Erhaltung einer bestehenden Anlage unter Bedachtnahme auf die Kosten der Errichtung und des Betriebs einer vergleichbaren neuen Anlage wirtschaftlich nicht vertretbar, so ist anstelle der Erhaltung der bestehenden Anlage eine vergleichbare neue Anlage zu errichten (vgl dazu Würth aaO). Es steht zum Nachteil des Antragstellers nicht fest, dass die Erhaltung der alten Aufzugsanlage besondere Kosten verursacht.

Dem Umstand, dass Mietzins und Erhaltung in einem wechselseitigen Verhältnis zueinander stehen, wird schon dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass Erhaltungsarbeiten auch dann durchzuführen sind, wenn für ihre Finanzierung keine Mietzinsreserven vorhanden sind, Verbesserungsarbeiten hingegen nur, soweit hiefür Mittel aus noch verrechenbaren Mietzinsen, EVB und laufendem Hauptmietzins ausreichen. Im Übrigen gesteht der Revisionsrekurs selbst zu, dass durch die Bestimmungen des MRG nicht nur die Möglichkeit zur Anhebung von Hauptmietzinsen (§ 45 MRG) geschaffen wurde, sondern auch der Erhaltungsbegriff gegenüber früheren Bestimmungen eine Erweiterung erfahren hat.

Weiter tragen die vom Revisionsrekurs auf zinsrechtliche Erwägungen

gestützten Argumente nicht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.