OGH vom 03.10.1996, 1Ob2188/96p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Kaan, Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Wassergenossenschaft F*****, vertreten durch Dr.Peter Fürnschuß, Rechtsanwalt in Stainz, wegen Duldung (Streitwert 100.000 S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 361/95-16, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der erkennende Senat hat mit seinem Erkenntnis 1 Ob 20/85 (veröffentlicht in NZ 1986, 188 = MietSlg 38.246) die Rechtsvorgänger im Liegenschaftseigentum der nun beklagten Wassergenossenschaft - die damals Nutzungsberechtigte einer gefaßten Quelle war - für schuldig erkannt, Zug um Zug gegen Bezahlung von 1.000 S in die Einverleibung der Dienstbarkeit a) des Wasseranschlusses der gefaßten Quelle sowie
b) der Wasserleitung auf ihrer Liegenschaft zugunsten der Liegenschaft des klagenden Landwirts einzuwilligen, und nahm bereits damals zur Verjährung nach § 1488 ABGB eingehend Stellung. Inhaltlich besaß damit der Kläger eine nun verbücherte Felddienstbarkeit, die vergleichbar den Rechten der Wasserschöpfung nach § 496 ABGB und der Wasserleitung nach § 497 ABGB den Eigentümer des belasteten Guts zu einer Duldung verpflichtet.
Die beklagte Partei wendete nun gegen das Begehren des klagenden Dienstbarkeitsberechtigten auf Duldung der Herstellung eines näher umschriebenen Wasseranschlusses und der Verlegung der Wasserleitung in der Liegenschaft der beklagten Partei ua ein, die Belastung des dienenden Guts bestehe wegen Verjährung der Dienstbarkeit nicht mehr, weshalb sie zur Verweigerung der Duldung der Dienstbarkeitsrechte
befugt sei (SZ 67/209 = JBl 1995, 533 [Fink] = EvBl 1995/48; SZ 48/74
= JBl 1976, 266 = EvBl 1976/64): Dienstbarkeiten können in zweifacher
Weise verjähren, einmal gemäß § 1488 erster Satz ABGB in drei Jahren bei Widersetzlichkeit des Verpflichteten durch die sogenannte "Freiheitsersitzung" (usucapio libertatis) nach § 1488 ABGB, andererseits zufolge § 1479 ABGB innerhalb der langen Frist (30 oder 40 Jahre) bei bloßem Nichtgebrauch, was hier nicht in Frage kommt. Durch die Freiheitsersitzung erwirbt der Belastete kein neues Recht, es wird nur sein Eigentum von einer Beschränkung befreit (NZ 1986, 188; RZ 1983/8; SZ 48/74; Schubert in Rummel2, § 1488 ABGB Rz 1; Klang in Klang2 VI 631).
Die sogenannte Freiheitsersitzung erfolgt durch die Inanspruchnahme des Vollrechts durch den Eigentümer (oder Besitzer) der belasteten Liegenschaft in Verbindung mit einer manifesten, das heißt für den Berechtigten wahrnehmbaren Beeinträchtigung des Servitutsrechts (NZ 1995, 105; NZ 1986, 188; 1 Ob 15, 16/94 ua; Schubert aaO Rz 2; Koziol/Welser, Grundriß10 II 171). Die Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB ist auch dann möglich, wenn der Berechtigte die Dienstbarkeit bisher nicht ausgeübt hat (SZ 58/98; Koziol/Welser aaO 171), aber die Ausübung nach dem Lauf der Dinge möglich gewesen wäre.
Es genügt, daß der Belastete ein Hindernis errichtet, das die Ausübung des Rechts für den Berechtigten unmöglich macht oder doch beeinträchtigt und der Berechtigte davon bei gewöhnlicher Sorgfalt zumindest Kenntnis erlangen konnte (SZ 58/98). Daß die Ausübung der Servitut dadurch schlechterdings unmöglich gemacht wird oder das Hindernis gar unüberwindlich ist, wird nicht gefordert. Bei Wegeservituten genügt es, daß durch die Beeinträchtigung die ungehinderte Benützung des Wegs auf gewöhnliche und allgemeine Art unmöglich wird (NZ 1995, 105; JBl 1982, 32; Schubert aaO Rz 2 mwN und die dort angeführte Judikatur). Der Verlust des Rechts, das auf ein Dulden gerichtet ist (Wegerecht), tritt durch die Widersetzlichkeit des zur Duldung Verpflichteten dann ein, wenn es der Besitzer bei der Widersetzlichkeit bewenden läßt und die Erhaltung des Besitzes nicht fristgerecht einklagt (RZ 1957, 104; zuletzt 1 Ob 15, 16/94 ua; RIS-Justiz RS0034309). Auch ein bloßes verbales Verhalten, wie ein ausgesprochenes Verbot oder eine Drohung, wird als ausreichende Widersetzlichkeit anerkannt, wenn sich der Dienstbarkeitsberechtigte fügt (NZ 1995, 105 mwN; Schubert aaO Rz 2; Koziol/Welser aaO 171 mwN in FN 10; Welser aaO 18 f), nicht jedoch das bloße Leugnen fremden Rechts (Welser aaO 19).
Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei das Begehren auf Verlegung der Leitung nicht nur in ihrem Antwortschreiben vom strikt abgelehnt, sondern bereits 1987 (die seit 1972 versperrte) Quellfassung überdies noch eingezäunt. Nach den Feststellungen konnte der Kläger zwar zur Quelle hingehen, doch fehlt jede Feststellung, daß er ungeachtet des Zauns die von ihm angestrebte Wasserleitung an die Quelle hätte anschließen, im fremden Grund verlegen und damit seine Dienstbarkeit ausüben können.
Die gemäß § 1488 ABGB dreijährige Verjährungsfrist beginnt frühestens zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Servitutsberechtigte das Hindernis wahrnimmt oder zumindest bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte wahrnehmen können (SZ 58/98 mwN; JBl 1982, 32 [Iro]; 1 Ob 15, 16/94 ua; Schubert aaO Rz 2; Welser, Vertragsauslegung, Gutglaubenserwerb und Freiheitsersitzung bei der Wegservitut, JBl 1983, 4 ff, insb 18). Daß der Kläger den Zaun auf seinem Nachbargrundstück bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht hätte wahrnehmen können, ist nicht festgestellt.
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht vor. Abgesehen davon, daß Wegedienstbarkeiten, die mit ihrem Duldungsanspruch des Berechtigten einem Wasserschöpf- und Wasserleitungsrecht durchaus verglichen werden können, sodaß - auch in Fragen des Beginns der Verjährungsfrist - zwischen Wege- und Wasserleitungsrechten nicht differenziert werden darf, hat der Oberste Gerichtshof die oben genannten Grundsätze bereits in der nicht veröffentlichten Entscheidung 5 Ob 116/66 auch auf ein Wasserbezugsrecht, dessen Nutzung (Wasserentnahme) durch das Versperren des Brunnens unmöglich gemacht wurde, angewendet.