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OGH vom 29.04.2019, 2Ob192/18a

OGH vom 29.04.2019, 2Ob192/18a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** 2017 verstorbenen N***** S*****, zuletzt *****, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. B***** B*****, vertreten durch Dr. Walter Hausberger und andere Rechtsanwälte in Wörgl, 2. L***** S*****, und 3. A***** S*****, beide vertreten durch Mag. Markus Steinbacher, Rechtsanwalt in Wörgl, über den Revisionsrekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 55 R 9/18d-63, womit infolge Rekurses der Erstantragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Rattenberg vom , GZ 7 A 84/17k-47, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Erstantragstellerin ist schuldig, dem Zweitantragsteller und dem Drittantragsteller deren mit jeweils 138,65 EUR (darin 23,11 EUR an USt) bestimmte Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der am ***** 2017 verstorbene Erblasser errichtete am ***** 2004 ein Testament, welches auszugsweise wie folgt lautet:

2.[Erstantragstellerin]

3.

a) zur Hälfte Frau M

b) zur anderen Hälfte meine drei Brüder K[Drittantragsteller][Zweitantragsteller]

als Ersatzerben ein.

4.) Allfällige pflichtteilsberechtige Personen sollen ihren gesetzlichen Pflichtteil erhalten.“

Die Lebensgemeinschaft zwischen dem Erblasser und der Erstantragstellerin wurde noch zu Lebzeiten des Erblassers aufgelöst.

Die Erstantragstellerin gab aufgrund des Testaments eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Der Zweitantragsteller und der Drittantragsteller gaben jeweils bedingte Erbantrittserklärungen sowohl aufgrund des Testaments als auch aufgrund des Gesetzes ab. Weitere Erbantrittserklärungen wurden bisher nicht abgegeben.

Im Verfahren über das Erbrecht brachte die vor, ihre Beziehung zum Erblasser sei auch nach Auflösung der Lebensgemeinschaft sehr gut gewesen. Es habe ein enger Kontakt bestanden. Der Erblasser habe nach Auflösung der Lebensgemeinschaft mehrfach und ausdrücklich (mündlich) erklärt, sein Testament unverändert aufrecht erhalten zu wollen. Es sei daher uneingeschränkt wirksam.

Der brachten vor, die Lebensgemeinschaft zwischen dem Erblasser und der Erstantragstellerin sei seit ca 10 Jahren aufgehoben. Die Erstantragstellerin lebe in einer anderen Lebensgemeinschaft und habe ein achtjähriges Kind, dessen Vater nicht der Erblasser sei. Erst im März 2017 habe die Erstantragstellerin erstmals wieder mit dem Erblasser Kontakt aufgenommen. Eine ausdrückliche Anordnung des Erblassers, dass die letztwillige Verfügung betreffend seine damalige Lebensgefährtin nicht aufgehoben sei, sei in Testamentsform nicht getroffen worden.

Das stellte das Erbrecht des Zweit und des Drittantragstellers fest und wies die Erbantrittserklärung der Erstantragstellerin ab. Gemäß § 725 Abs 1 ABGB sei mit Auflösung der Lebensgemeinschaft das Testament, soweit es die Erstantragstellerin als frühere Lebensgefährtin betreffe, aufgehoben. Es sei unstrittig, dass eine in Testamentsform erfolgte letztwillige Anordnung des Gegenteils durch den Erblasser nicht erfolgt sei.

Das von der Erstantragstellerin angerufene bestätigte diese Entscheidung. Derjenige, der das Gegenteil der Vermutung nach § 725 Abs 1 Satz 1 ABGB behaupten und beweisen wolle, müsse sich auf Anknüpfungspunkte im Testament selbst berufen können. Dieses biete jedoch keinen Anhaltspunkt für eine Aufrechterhaltung der Begünstigung der Erstantragstellerin nach Beendigung der Lebensgemeinschaft.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, da höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, in welcher Form die in § 725 Abs 1 Satz 1 ABGB bestimmte Anordnung des Gegenteils zu erfolgen habe.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der der Erstantragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass das Erbrecht der Erstantragstellerin festgestellt und die Erbantrittserklärungen des Zweit und des Drittantragstellers abgewiesen werden. Hilfsweise wird beantragt, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Zweit und der Drittantragsteller beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund . Er ist aber .

Die Erstantragstellerin vertritt die Auffassung, bei der erst ab geltenden Regelung des § 725 Abs 1 ABGB handle es sich um die Vermutung eines stillschweigenden Widerrufs, die durch jeden anderen Beweis des tatsächlich gegenteiligen Erblasserwillens widerlegt werden könne. Eine besondere Form der „ausdrücklichen“ Anordnung durch den Erblasser sei nicht vorgeschrieben, insbesondere könne die neuerliche Errichtung einer letztwilligen Verfügung nicht gefordert werden. Es genüge eine unmissverständliche Erklärung des Erblassers, die vom Testamentserben bewiesen werden müsse. Das Rekursgericht habe jedoch die Beweisanbote der Erstantragstellerin als unerheblich bezeichnet und einen sekundären Verfahrensmangel verneint.

1. Aufgrund des Todeszeitpunkts des Erblassers ist § 725 ABGB in der Fassung des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB). Auf das Datum der Errichtung der letztwilligen Verfügung kommt es nicht an. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den „rückwirkenden Charakter“ dieser gesetzlichen Bestimmung bestehen nicht. Durch die vergleichsweise lange Legisvakanz von der Kundmachung am bis zum Inkrafttreten am stand ausreichend lange Zeit zur Verfügung, gegebenenfalls gewünschte, entsprechende Vorkehrungen zu treffen (vgl VfGH G 409/2017 [IV 2.6], womit der auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d BVG gestützte Antrag der Erstantragstellerin, § 725 ABGB idF ErbRÄG 2015 als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen wurde).

2. Gemäß § 725 Abs 1 ABGB werden mit Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen davor errichtete letztwillige Verfügungen, soweit sie den früheren Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten betreffen, aufgehoben, es sei denn, dass der Verstorbene ausdrücklich das Gegenteil angeordnet hat.

2.1 Nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 688 BlgNR XXV. GP 20) sehe § 725 Abs 1 ABGB die Vermutung eines stillschweigenden Widerrufs jener letztwilligen Verfügungen vor, die vor der – zu Lebzeiten des Verstorbenen erfolgten – Auflösung der Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft zugunsten des früheren Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten errichtet worden seien. Üblicherweise spiegle diese Bestimmung wohl den mutmaßlichen Willen eines Erblassers wider, weil der frühere Partner gerade nicht wolle, dass der andere Teil nach ihm erbe. Wolle der Erblasser diese Rechtsfolge vermeiden, könne er letztwillig ausdrücklich das Gegenteil vorsehen.

2.2 Mangels konkreter Widerrufshandlung des Erblassers, betrachten Teile des Schrifttums die Bestimmung als Auslegungsvorschrift (Knechtel in Kletečka/Schauer, ABGBON1.03§ 725 Rz 1), die sich am mutmaßlichen Willen des Erblassers orientiere, aber dessen wahren Willen weiche. Die Vermutung, dass die Begünstigung vom Bestand der Partnerschaft abhängen solle, könne daher auch ohne Anordnung des Gegenteils durch den Beweis eines anders lautenden (ursprünglichen) Erblasserwillens widerlegt werden (Fischer-Czermak, Ehegattenerbrecht, Rechte des Lebensgefährten und Abgeltung von Pflegeleistungen, in Rabl/Zöchling-Jud, Das neue Erbrecht [2015] 29 [32]).

2.3 Die überwiegende Lehre schließt jedoch aus dem Wortlaut des § 725 Abs 1 ABGB, der die verlangt, dass der Erblasser in der letztwilligen Verfügung anordnen müsse, die Erbeinsetzung oder sonstige Zuwendung an den Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten solle auch dann aufrecht bleiben, wenn die Partnerschaft in der Folge aufgehoben werden sollte. Wie in anderen Fällen der Auslegung einer letztwilligen Verfügung sei daher erforderlich, dass ein solcher Aufrechterhaltungswille des Erblassers in der letztwilligen Verfügung im Sinne des § 553 ABGB zumindest angedeutet worden sei (Schauer, Familie und Erbrecht, in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht [2015] 689 [710 f]; Eccher, Die österreichische Erbrechtsreform [2016] Rz 89; Deixler-Hübner, Testamentarisches Erbrecht des Ehegatten/eingetragenen Partners und Lebensgefährten, in Barth/Pesendorfer, Praxishandbuch des neuen Erbrechts 115 [117]; idS auch Welser, Der Erbrechts-Kommentar [2019] § 725 ABGB Rz 1 f).

2.4 Der Senat schließt sich dieser überwiegenden Ansicht an, die im Einklang mit der im Gesetz ausdrücklich verankerten „Andeutungstheorie“ (§ 553 ABGB) steht (Schauer in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht 689 [710 f]). Dagegen spricht auch nicht, dass § 725 Abs 1 ABGB die „ausdrückliche“ Anordnung vorsieht (aA Christandl/Nemeth,Das neue Erbrecht – ausgewählte Einzelfragen, NZ 2016/1 [4]), weil damit – wie sich etwa aus § 717 ABGB,§ 772 Abs 1 ABGB und § 773 Abs 1 ABGB ergibt – lediglich die Abgrenzung von einer stillschweigenden Verfügung erfolgt. Es genügt daher, wenn die Auslegung der letztwilligen Verfügung einen Aufrechterhaltungswillen des Erblassers ergibt, der im Wortlaut der Verfügung zumindest angedeutet ist (§ 553 ABGB).

2.5 Der Wille, eine während aufrechter Partnerschaft errichtete letztwillige Verfügung solle betreffend den Partner auch im Fall der Auflösung der Partnerschaft aufrecht bleiben, muss in einer (formgültigen) letztwilligen Verfügung geäußert worden sein (Schauer in Deixler-Hübner, Handbuch Familienrecht 689 [710 f]; Eccher, Erbrechtsreform Rz 89; Deixler-Hübner in Barth/Pesendorfer, Praxishandbuch des neuen Erbrechts 115 [117]; ErlRV 688 BlgNR XXV. GP 20; idS auch Welser, Erbrechts-Kommentar § 725 ABGB Rz 1 f). Eine nicht den gesetzlichen Formvorschriften entsprechende „Anordnung“ ist gemäß § 601 ABGB selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen des Erblassers ungültig (RS0012514). Eine solche Erklärung kann allenfalls für die Auslegung formgültiger letztwilliger Verfügungen relevant sein. Will der Erblasser nach Auflösung der Partnerschaft erstmals anordnen, dass die zuvor errichtete letztwillige Verfügung betreffend den ehemaligen Partner aufrecht bleiben solle, kann dies nur in Form einer weiteren letztwilligen Verfügung erfolgen.

3. Wie die Erstantragstellerin in ihrem Revisionsrekurs selbst einräumt, sind im vorliegenden Fall dem Wortlaut des Testaments keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Erbeinsetzung der Erstantragstellerin im Fall der Auflösung der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen aufrecht bleiben solle. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erstantragstellerin im Testament vielmehr sogar ausdrücklich als „Lebensgefährtin“ bezeichnet wird, was gegen einen solchen Willen spricht. Ob der Erblasser nach Auflösung der Lebensgemeinschaft mehrfach und ausdrücklich erklärt hat, sein Testament unverändert aufrecht erhalten zu wollen, ist nicht relevant, weil die Erstantragstellerin gar nicht behauptet, der Erblasser habe eine solche Anordnung in einer weiteren formgültigen letztwilligen Verfügung getroffen.

4. Damit ist aber gemäß § 725 Abs 1 ABGB das Testament, soweit es die Erstantragstellerin betrifft, aufgehoben. Zutreffend haben daher die Vorinstanzen deren Erbantrittserklärung abgewiesen, sodass dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen ist.

5. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Der Wille des Erblassers, eine während aufrechter Ehe, eingetragener Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft errichtete letztwillige Verfügung solle betreffend den Partner auch im Fall der Auflösung der Ehe, der eingetragenen Partnerschaft oder der Lebensgemeinschaft zu Lebzeiten des Verstorbenen aufrecht bleiben, muss sich aus der Auslegung einer letztwilligen Verfügung ergeben und daher in deren Wortlaut zumindest angedeutet sein (§ 553 ABGB).

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78, 185 AußStrG. Mangels rechtzeitiger Bewertung durch die Parteien beträgt die Bemessungsgrundlage lediglich 730 EUR (§ 14 lit c RATG; vgl 2 Ob 170/18s).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0020OB00192.18A.0429.000

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