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OGH vom 30.06.2010, 7Ob104/10k

OGH vom 30.06.2010, 7Ob104/10k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) F***** I*****, und 2.) E***** R*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Martin Machold, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. K***** H*****, vertreten durch Mag. Thomas Braun, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 50/10f 26, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zur Haftung eines berufsmäßigen Vertragserrichters (Rechtsanwalt oder Notar), der die Interessen beider Vertragsparteien vertritt, existiert eine umfangreiche Judikatur (RIS Justiz RS0023549; RS0026349; RS0026380; RS0026419). Nach ständiger Rechtsprechung ist der als Vertragserrichter mehrerer Vertragspartner einschreitende Rechtsanwalt allen Vertragspartnern gegenüber zur sorgfältigen Wahrung ihrer Interessen verpflichtet. Die Vertragspartner können daher darauf vertrauen, dass sie der Vertragsverfasser vor Nachteilen schützt und für ihre rechtliche und tatsächliche Sicherheit sorgt (7 Ob 302/03t mwN). Die den Vertragserrichter demnach gegenüber allen Vertragspartnern treffenden Belehrungs und Aufklärungspflichten dürfen aber nicht überspannt werden (RIS Justiz RS0026349; RS0026584). Wie weit die Aufklärungs und Belehrungspflicht jeweils reicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher von Fehlbeurteilungen, die aus Gründen der Rechtssicherheit einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfen, abgesehen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS Justiz RS0023549 [T16]; 10 Ob 47/05t mwN).

Die Vorinstanzen haben eine Verletzung der den Beklagten als Errichter eines Bauträgervertrags (über auf dem Dachboden eines Altbaus zu errichtende Eigentumswohnungen) treffenden Beratungs und Belehrungspflichten verneint. Die Revisionswerber vertreten dagegen weiterhin die Ansicht, der Beklagte hätte sie darauf hinzuweisen gehabt, dass die Freigabe der ersten Zahlungsrate ohne Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung gegen die Bestimmungen des Bauträgervertragsgesetzes (BTVG) verstoßen habe. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts habe die zu ihren Gunsten erfolgte grundbücherliche Sicherstellung die Vereinbarung der Fälligkeit der ersten Rate vor Baubeginn im Sinn des § 10 Abs 2 Z 1 BTVG nicht gerechtfertigt, weil der Wert des auszubauenden Dachbodens nicht ausreichend hoch gewesen sei. Insofern sei der vorliegende Fall mit dem zu 8 Ob 113/04g entschiedenen nicht vergleichbar. Nur wenn eine rechtskräftige Baubewilligung vorgelegen wäre, wäre die bücherliche Sicherstellung nach § 9 BTVG ausreichend gewesen.

Mit diesen Ausführungen können die Revisionswerber eine Fehlbeurteilung und damit einen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels nicht aufzeigen: Nach den vom Berufungsgericht gebilligten Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichts war im vorliegenden Fall folgende Situation gegeben: Zum Zeitpunkt der Vertragserrichtung und der Überweisung der ersten Kaufpreisrate durch die Kläger lag eine rechtskräftige Baubewilligung vor und es war mit der Bautätigkeit auch schon begonnen worden. Der Beklagte, der die Örtlichkeit des Bauvorhabens nicht kannte, wusste nach dem Inhalt eines von ihm ebenfalls verfassten Nachtrags zum Kaufvertrag zwar, dass die den begonnenen Bauarbeiten zugrundeliegenden Baupläne von der Baubewilligung abwichen und daher eine nachträgliche Änderung der Baubewilligung notwendig sein werde. Nach den ihm von den Vertragspartnern erteilten Informationen war ihm aber „nicht bekannt, dass sich bei der kaufgegenständlichen Wohnung mehr als nur die Top Bezeichnung änderte“. Aus dieser Feststellung ist ableitbar, dass der Beklagte annehmen durfte, dass nur geringfügige Änderungen der Baupläne vorlagen. Dass die geänderten Pläne dann nicht bewilligt wurden und ein Baustopp verhängt wurde, musste der Beklagte demnach keinesfalls voraussehen. Unter diesen Umständen ist die Ansicht des Berufungsgerichts, nach dem Wissensstand des Beklagten habe dieser das Vorliegen einer grundbücherlichen Sicherung im Sinn des § 9 BTVG annehmen können, weshalb ihm kein Sorgfaltsverstoß anzulasten sei, zumindest vertretbar. Eine nähere Überprüfung der Baupläne im Hinblick auf die vorliegende rechtskräftige Baubewilligung hätte wohl Kenntnisse eines Architekten erfordert und die Sorgfaltspflichten des Beklagten daher überspannt. In diesem Zusammenhang ist der von den Vorinstanzen betonte Umstand zu beachten, dass nicht der Beklagte, sondern ein Dritter zum nach § 12 BTVG obligatorischen Treuhänder bestellt war und daher die in § 12 Abs 3 BTVG festgelegten Überwachungs und Belehrungspflichten nicht den Beklagten trafen.

Die von den Revisionswerbern als erheblich angesehene Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen bei Bauträgervertragsgeschäften, die die Errichtung von Dachbodenausbauten auf bestehenden Altbauten zum Gegenstand haben, die Vereinbarung der Fälligkeit der ersten Rate vor Baubeginn gemäß § 10 Abs 3 BTVG zulässig sei, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann daher nicht generell, sondern nur fallbezogen beantwortet werden. Da dem Berufungsgericht bei der Beantwortung dieser Frage keine Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste, ist die demnach unzulässige außerordentliche Revision der Kläger zurückzuweisen. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.