zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 16.06.2004, 7Ob101/04k

OGH vom 16.06.2004, 7Ob101/04k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** KG, *****, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Herdey und Dr. Roland Gsellmann, Rechtsanwälte in Graz, wegen restl EUR 36.000 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 12/04w-18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Bei einem Einbruchsdiebstahl Anfang Juli 2001 wurde aus einer der Filialen der Klägerin Textilware im Wert von EUR 40.156,82 gestohlen. Den dabei eingetretenen Sachschaden einschließlich des genannten “Wareneinsatzes” hat die Klägerin - aufgrund der zwischen den Streitteilen (ebenfalls) bestehenden Einbruchsdiebstahlversicherung - in einem bereits rechtskräftig erledigten früheren Verfahren zuerkannt erhalten. Das Berufungsgericht hat die hier vorliegende, auf die Betriebsunterbrechungs-Versicherung wegen Einbruchsdiebstahl gestützte Deckungsklage, mit der EUR 36.000 als entgangener Gewinn (der für die beim Einbruchsdiebstahl abhanden gekommene Designerware erzielbar gewesen wäre) begehrt werden, im Gegensatz zum Erstgericht, abgewiesen.

Die Zulassungsbeschwerde beruft sich darauf, dass eine oberstgerichtliche Judikatur zu den Begriffen “dem Betrieb dienende Sache” und “Betriebsunterbrechung” iSd AFBUB 1995 (Allgemeine Bedingungen der G***** Versicherung AG für Feuer- Betriebsunterbrechungs-Versicherungen) iVm BBB TOP TBU 1999 (Besondere Bedingung Betrieb Topschutz Total- Betriebsunterbrechung) nicht bestehe. Die Frage was unter einer Betriebsunterbrechung (bzw einer dem Betrieb dienenden Sache) zu verstehen ist, sei ebenso erheblich wie jene nach dem Begriff Berufsunfähigkeit oder den Begriffen Keller oder Zweitwohnsitz.

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, dass nach stRsp (auch) allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsgrundsätzen auszulegen sind; die Auslegung hat sich dabei am Maßstab eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS-Justiz RS0050063) und objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut zu erfolgen (RIS-Justiz RS0008901), wobei Unklarheiten iS des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AVB, also des Versicherers, gehen (RIS-Justiz RS0008901; zuletzt 7 Ob 83/04p und 7 Ob 107/04t, jeweils mwN). Für den Standpunkt der Klägerin ist daraus aber nichts zu gewinnen, weil das Berufungsgericht weder davon, noch von den Grundsätzen der Rsp zur Betriebsunterbrechungs-Versicherung abgewichen ist.

Bezieht sich die Versicherung auf eine Sache, so gilt nach § 52 VersVG, soweit sich aus den Umständen nichts anderes ergibt, der Wert der Sache als Versicherungswert. Dementsprechend wurde von der klagenden Partei in der allein auf die Einbruchsdiebstahlversicherung gestützten Klage im Vorverfahren nur der Einkaufswert der gestohlenen Waren sowie die durch den Einbruchsdiebstahl entstandenen Sachschäden geltend gemacht und ihr letztlich zugesprochen. Nach § 53 VersVG ist entgangener Gewinn - ein solcher ist Gegenstand dieses Verfahrens - nur dann zu ersetzen, soweit dies gesondert vereinbart worden ist. Praktisch kommt dies vor allem bei den verschiedenen Formen der Betriebsunterbrechungsversicherung vor, durch die der Unternehmer ersetzt erhält, was ihm für die Dauer des Betriebsstillstandes an Gewinn entgeht (vgl Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3 , 173 f sowie Schauer in Berliner Kommentar [zum dVVG und öVersVG] RN 1 und 3 f zu § 53 VVG). Die übliche Form der Ertragsausfall- oder Betriebsunterbrechungsversicherung knüpft in aller Regel an Sachschäden an, die sich an den dem jeweils versicherten Betrieb dienenden Sachen verwirklichen. Versicherungsschutz wird gewährt für eine kausal auf einen solchen Sachschaden zurückzuführende und mit einem Ertragsausfall verbundene Betriebsunterbrechung. Während die Feuerbetriebsunterbrechungsversicherung an eine konkrete Definition der benannten Gefahr (zB Feuer) anknüpft, wird in der Allgefahrenversicherung jede Ursache eines Sachschadens versichert, wobei in der Regel eine Eingrenzung durch die Merkmale “unvorhergesehen” und “plötzlich” vorgenommen wird. In den technischen Versicherungszweigen knüpft die Betriebsunterbrechungs- Versicherung regelmäßig an die Unterbrechung oder Beeinträchtigung der “technischen Einsatzmöglichkeit einer in dem Maschinenverzeichnis angeführten betriebsfertigen Sache” an (vgl Langheid in Römer/Langheid VVG2 [2003] 792 Rz 11 vor § 81 VVG).

Der erkennende Senat hat erst jüngst (E v ) ausgesprochen, dass für den praktisch wichtigsten Fall einer Versicherung entgehenden Gewinnes, nämlich die Betriebsunterbrechungs-Versicherung, zahlreiche Gestaltungsformen bestehen, wobei es sowohl in der “Groß-” als auch in der “Klein-Betriebsunterbrechungs-Versicherung” darauf ankommt, dass durch eine versicherte Gefahr ein Sachschaden an einer Sache des Betriebs eintritt, der seinerseits zu einem Unterbrechungsschaden führt (7 Ob 315/03d mit Hinweis auf Schauer in Berliner Kommentar [zum dVVG und öVersVG] Rn 4 zu § 53 VersVG mwN).

Unabhängig vom Versicherungsfall des Einbruches in der Einbruchdiebstahlversicherung war hier zu prüfen, ob der Versicherungsfall der Betriebsunterbrechung in dieser Versicherungsart gegeben ist. Dazu wurde zwischen der Klägerin und der beklagten Versicherungsgesellschaft eine “Total Betriebsunterbrechungs-Versicherung- Topschutz ” abgeschlossen, welche alle drei Filialen der Klägerin umfasste.

Art 1 Punkt 1. der dieser Sparte ua zugrundeliegenden AFBUB 1995 lautet wie folgt:

Soweit eine gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes (Betriebsunterbrechung) durch einen Sachschaden (Abs 2 bis 6) verursacht wird, ersetzt der Versicherer nach den folgenden Bestimmungen den dadurch entstehenden Unterbrechungsschaden .”

In Punkt 2. der BBB TOP TBU 1999 ist bestimmt, dass abweichend von den AFBUB 1995 folgende Änderungen bzw Erweiterungen des Versicherungsschutzes vereinbart sind:

2. Als Sachschäden iSd Art 1 Punkt1. der AFBUB gelten auch:

2.1. ....

12.2. Beschädigung oder Zerstörung einer dem Betrieb dienenden unbeweglichen oder in einem Gebäude befindlichen beweglichen Sache durch Sturm, Hagel, Schneedruck, Felssturz/Steinschlag, Erdrutsch, Leitungswasseraustritt, vollbrachten oder versuchten Einbruchsdiebstahl oder Vandalismus.”

Während Art 1 Punkt 1 AFBUB 1995 den Versicherungsfall in der Unbenützbarkeit eines der drei (arg: teilweise Unterbrechung) Verkaufslokale der Klägerin als Versicherungsfall definiert, sieht Punkt 2.2 der BBB TOP TBU 1999 unter anderem auch die Beschädigung oder Zerstörung einer dem Betrieb dienenden ... beweglichen Sache durch den Einbruchsdiebstahl bzw Vandalismus als Versicherungsfall vor. Vom Wesen der “Betriebsunterbrechung” her beurteilt kann es sich dabei nur um bewegliche Sachen handeln, bei deren Wegfall ein Geschäftsbetrieb im Lokal nicht mehr durchgeführt werden kann. Bei zu verkaufenden Kleidungsstücken wäre dies aber nur dann denkbar, wenn die klagende Versicherungsnehmerin sich vertraglich an wenige ganz bestimmte Hersteller so gebunden gehabt hätte, dass sie nur deren Waren bei sonstiger Strafsanktion verkaufen darf und dass diese Hersteller nicht in der Lage waren, irgendwelche verkaufbare Kleidungsstücke nachzuliefern bzw bei einem ähnlich gelagerten Sachverhalt. In diese Richtung hat aber die klagende Partei nichts behauptet, sodass ihr als für den Eintritt des Versicherungsfalles (ausschließlich) beweispflichtigen Versicherungsnehmerin (stRsp; RIS-Justiz RS0043438; RS0043563; RS0080003; zuletzt: 7 Ob 67/04k mwN) entgegengehalten werden muss, dass es ihr (schon) nach der Lebenserfahrung durchaus möglich gewesen sein muss, im verfahrensgegenständlichen Verkaufslokal andere jederzeit beschaffbare Textilwaren zu verkaufen.

Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht die Deckungsklage mit der Begründung abgewiesen, dass es zu einer Betriebsunterbrechung unstrittig gar nicht gekommen sei: Die Klägerin hat nämlich nicht nur selbst ausgeführt, (auch) die betroffene Filiale sei nicht geschlossen gewesen; es steht vielmehr sogar ausdrücklich fest, dass der Geschäftsbetrieb in allen Filialen aufrecht erhalten werden konnte (Seite 10 des Ersturteils). Demnach kann ein Unterbrechungsschaden als Folge des durch den Einbruchsdiebstahl eingetretenen Sachschadens jedenfalls nicht entstanden sein; sind doch die genannten Versicherungsbedingungen nach den maßgebenden Vertragsauslegungsregeln aus dem Blickwinkel eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers, gar nicht anders zu verstehen (RIS-Justiz RS0008901; RS0050063).

Mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision daher zurückzuweisen.