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OGH 03.07.2013, 7Ob100/13a

OGH 03.07.2013, 7Ob100/13a

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr.

 Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Dehn und Mag. Malesich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. R***** H*****, geboren am *****, und 2. J***** H*****, geboren am *****, Mutter C***** H*****, alle: *****, Vater M***** H*****, vertreten durch Dr. Franz Seidl, Rechtsanwalt in Kottingbrunn, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom , GZ 20 R 2/13d-44, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom , GZ 1 Pu 89/11w-38, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, beginnend ab für R***** (bisher 290 EUR) weitere 90 EUR und für J***** (bisher 256 EUR) weitere 124 EUR monatlich, sohin für beide Kinder je insgesamt 380 EUR monatlich an Unterhalt zu zahlen. Den Antrag des Vaters auf Herabsetzung der monatlichen Unterhaltsbeiträge ab auf jeweils 240 EUR wies es ab.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage zur Entscheidung vorliege.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den Unterhalt antragsgemäß für beide Kinder auf je 240 EUR monatlich herabzusetzen.

Das Erstgericht legte das Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof unmittelbar zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.

Wird eine Erhöhung oder Herabsetzung eines Unterhaltsbetrags begehrt, so bildet der dreifache Jahresbetrag der begehrten Erhöhung oder Herabsetzung den Streitwert nach § 58 Abs 1 JN (RIS-Justiz RS0046543). Im Unterhaltsverfahren ist der Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts für jedes Kind einzeln zu beurteilen (RIS-Justiz RS0112656), eine Zusammenrechnung von Unterhaltsansprüchen mehrerer Unterhaltsberechtigter findet nicht statt (RIS-Justiz RS0017257).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich ein Entscheidungsgegenstand für jedes Kind von 5.040 EUR (140 EUR x 36). Damit ist die nach § 62 Abs 3 AußStrG maßgebliche Wertgrenze von 30.000 EUR (vgl RIS-Justiz RS0125732) nicht erreicht.

In einem solchen Fall kann eine Partei nach § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt wird. Dies hat der Vater richtigerweise auch getan. Dennoch legte das Erstgericht den Revisionsrekurs verbunden mit dem Antrag auf Abänderung nach § 63 Abs 1 AußStrG dem Obersten Gerichtshof vor. Diesem fehlt aber, solange das Rekursgericht seinen Ausspruch nicht abändert, die funktionelle Zuständigkeit zur Entscheidung über das Rechtsmittel.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. R***** H*****, geboren am ***** und 2. J***** H*****, geboren am *****, Mutter C***** H*****, Vater M***** H*****, vertreten durch Dr. Franz Seidl, Rechtsanwalt in Kottingbrunn, über den Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom , GZ 20 R 2/13d-44, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom , GZ 1 Pu 89/11w-38, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Vater verpflichtete sich im Vergleich vom , dem Minderjährigen R***** 290 EUR und der Minderjährigen J***** 256 EUR an monatlichem Unterhalt zu bezahlen.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, beginnend mit für beide Kinder nunmehr einen monatlichen Unterhaltsbetrag von je 380 EUR zu bezahlen. Den Antrag des Vaters auf Herabsetzung der Unterhaltsbeträge ab auf monatlich jeweils 240 EUR pro Kind wies es ab. Der festgesetzte Unterhaltsbetrag entspreche der Leistungsfähigkeit des Vaters. Die von ihm behaupteten Schulden in der Höhe von 80.144,47 EUR, die nach seinem Vorbringen daraus resultierten, dass Kredite zum Erwerb der Ehewohnung aufgenommen worden seien, die durch den Verkauf des Hauses im Zuge des Scheidungsverfahrens nicht hätten abgedeckt werden können, führe nicht zu einer Unterhaltsherabsetzung. Weder Schulden des Unterhaltspflichtigen noch ein Schuldenregulierungsverfahren seien geeignet, den Unterhaltsanspruch der Minderjährigen zu schmälern. Die Schulden des Vaters bezögen sich ausschließlich auf das Rechtsverhältnis zwischen den Eltern.

Das Rekursgericht bestätigte den Beschluss. Grundsätzlich seien im Rahmen der nachehelichen oder nachpartnerschaftlichen Vermögensaufteilung übernommene Schulden beim Kindesunterhalt nicht zu berücksichtigen. Das Erstgericht habe daher zutreffend die Schulden, „woher sie auch immer stammen mögen“, bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht als Abzugsposten von der Bemessungsgrundlage qualifiziert.

Das Rekursgericht erklärte in Abänderung seines ursprünglichen Ausspruchs den ordentlichen Revisionsrekurs wegen der Frage für zulässig, ob der Grundsatz, dass im Rahmen der nachehelichen Vermögensaufteilung übernommene Schulden den Kindesunterhalt nicht verringerten, auch für den Fall eines Schuldenregulierungsverfahrens des Unterhaltspflichtigen gelte.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit einem Abänderungsantrag im Sinne seines Herabsetzungsantrags, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Seit der Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 160/09z wird judiziert, dass der Umstand, dass dem Unterhaltspflichtigen sein Erwerbseinkommen auf Grund der Eröffnung des Konkurses über sein Vermögen oder daran anschließender insolvenzrechtlicher Konsequenzen (Abschöpfungsverfahren, Zahlungsplan, Zwangsausgleich) nicht zur Gänze zur Verfügung steht, für sich allein nicht zu einer Verminderung seiner Unterhaltspflicht führt (RIS-Justiz RS0125930). Zahlungsplanraten sind nicht generell von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzugsfähig, sondern in Relation zu den anderen vom Zahlungsplan erfassten Schulden nur in jenem Umfang, in dem die Verbindlichkeiten schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzugsfähig gewesen waren (RIS-Justiz RS0124554).

Kreditrückzahlungen, zu denen sich der Unterhaltspflichtige anlässlich der nachehelichen Vermögensaufteilung verpflichtete, bleiben ohne Einfluss auf die Höhe einer ihn treffenden Unterhaltsverpflichtung, auch wenn die Rückzahlungen - naturgemäß - dem ehemaligen Ehegatten zugutekommen (RIS-Justiz RS0013387).

Für die Berücksichtigung von Schulden hingegen, die während aufrechter Ehe in beidseitigem Einvernehmen der Ehegatten aufgenommen worden sind, ist maßgebend, wie sich ein Unterhaltsverpflichteter verständigerweise bei Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft verhalten hätte. Es ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Solche Schulden sind nach billigem Ermessen zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0047479). Für die Interessenabwägung sind der Zeitpunkt und die Art der Entstehung der Schulden, der Zweck, für den sie aufgenommen wurden, das Einverständnis des Ehepartners zu dieser Schuldaufnahme, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Verpflichteten und des Berechtigten sowie das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeit nicht weiter anwachsen zu lassen und dadurch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten weiter herabzudrücken, maßgeblich. Eine Berücksichtigung von Schulden ist unter diesen Gesichtspunkten nach billigem Ermessen vorzunehmen (RIS-Justiz RS0079451).

Der Revisionsrekurs zeigt zutreffend auf, dass die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass Schulden, „woher sie auch immer stammen mögen“, bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage generell nicht zu berücksichtigen seien, nicht der dargelegten oberstgerichtlichen Judikatur entspricht.

Das Erstgericht wird sich im erstinstanzlichen Verfahren mit dem Vorbringen des Vaters auseinandersetzen und im Sinn der Judikatur klären müssen, wann und zu welchem Zweck die Schulden eingegangen wurden. Nur wenn sich herausstellt, dass die Schulden erst anlässlich und für die (nacheheliche) Vermögensaufteilung begründet wurden, sind sie von vorne herein nicht zu berücksichtigen. Andernfalls ist im dargelegten Sinn nach Billigkeit vorzugehen.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Zivilverfahrensrecht,Unterhaltsrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00100.13A.0703.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAD-31716