OGH vom 17.07.2003, 3Ob100/03g

OGH vom 17.07.2003, 3Ob100/03g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei O***** AG, Linz, *****, vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, wider die verpflichtete Partei Dkfm. Dr. Theodor S*****, vertreten durch Dr. Hermann Aflenzer, Rechtsanwalt in Linz, wegen 200.000 S = 14.534,57 EUR sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 37 R 2/02k-9, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz-Land vom , GZ 7 E 84/00v-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der zweitinstanzliche Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses der betreibenden Partei werden mit 875,34 EUR (darin 145,89 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung:

Das Gericht erster Instanz bewilligte am der betreibenden Partei auf Grund eines Wechselzahlungsauftrags vom über 200.000 S = 14.534,57 EUR sA die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung der dem Verpflichteten gegen die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten zustehenden Geldforderungen (§ 294 EO).

Nach Eingang der Drittschuldnererklärung beim Erstgericht am , womit bestätigt wurde, dass der Verpflichtete Pensionsbezüge von derzeit 17.293,80 S = 1.256,79 EUR monatlich netto zuzüglich Sonderzahlungen in den Monaten April und September erhalte, aber eine vorrangige Forderung von 39.838,40 S auf Grund eines Exekutionsakts vorgemerkt sei, beantragte die betreibende Partei mit einem als Rechtfertigung bezeichneten und (erst) am beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz nach wiederholter Verbesserung die Überweisung der gepfändeten Forderung zur Einziehung und brachte vor, dass der Wechselzahlungsauftrag seit rechtskräftig sei.

Das Erstgericht bewilligte mit Beschluss vom den Verwertungsantrag.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem dagegen erhobenen Rekurs des Verpflichteten dahin Folge, dass es den Verwertungsantrag abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Die zweite Instanz vertrat zusammengefasst folgende Rechtsansicht:

Auch wenn es bei der Forderungsexekution von vornherein nur zur Pfändung, nicht aber zur Überweisung komme, wie etwa bei der (hier vorliegenden) Sicherungsexekution, sei die Exekution nach § 39 Abs 1 Z 8 EO einzustellen, wenn der betreibende Gläubiger nicht innerhalb angemessener Frist einen Verwertungsantrag stelle. Der Schuldner habe einen Anspruch darauf, dass Pfändungen entweder zum Realisierungszweck ausgenützt würden oder nach Verstreichen einer angemessenen Frist die Gebundenheit seines gepfändeten Vermögens aufhöre, wenn der Gläubiger ohne Grund die Ausnutzung des Pfandrechts verzögere. Es sei kein besonderer Grund ersichtlich, diese Frist länger als die Zweijahresfrist des § 256 Abs 2 EO anzusetzen. Dafür spreche auch, dass § 303 Abs 2 EO dem Bestreben Rechnung tragen solle, die Exekution auf Geldforderungen an die auf bewegliche körperliche Sachen anzugleichen. Demnach habe hier der betreibende Gläubiger unangemessen lange (rund zweieinhalb Jahre ab Rechtskraft des Exekutionstitels, also Übergangs des Sicherungspfandrechts in ein vollstreckbares Pfandrecht) zugewartet. Mangels entsprechender Mitwirkung bzw mangels Behauptung relevanter Gründe für das Zuwarten durch die betreibende Gläubigerin komme eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr in Betracht. Dieses werde vielmehr vom Erstgericht einzustellen sein.

Zwar sei die Beurteilung der Angemessenheit der Frist, innerhalb der ein Verwertungsantrag zu stellen sei, eine solche des Einzelfalls, doch wäre der Rsp, wonach bei unangemessenem Zuwarten des betreibenden Gläubigers das Verfahren einzustellen sei, der Boden entzogen, wäre die Entscheidung 3 Ob 305/98v hier anzuwenden. Überdies fehle oberstgerichtliche Rsp zur analogen Anwendbarkeit des § 256 Abs 2 EO auf andere Exekutionsarten, wie teilweise in der Lehre (Oberhammer in Angst, EO, § 331 Rz 9) vertreten werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zulässig und berechtigt.

a) Soweit sich die betreibende Partei gegen eine analoge Anwendung des § 256 Abs 2 EO auf die Forderungsexekution wendet, ist sie darauf hinzuweisen, dass das Rekursgericht ungeachtet eines derartigen Hinweises bei der Behandlung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses einen derartigen Analogieschluss in Wahrheit nicht zog, vielmehr nur die darin angeführte Frist bei der Beurteilung der Angemessenheit des Zuwartens mit dem Überweisungsantrag anwandte. Im Übrigen sind aber auch keine überzeugenden Gründe dafür ersichtlich, die für eine analoge Anwendung des § 256 Abs 2 EO auf die Forderungsexekution sprechen würden.

Nach dem Bericht des Permanenzausschusses zur Exekutionsordnung (1026 BlgAbgH XI. Sess, 43) seien daraus, dass es nach längerer Zeit schwer sei, die Identität von Gegenständen des beweglichen Vermögens festzustellen, dass sich diese eigentlich veränderten und abnützten, ungezählte Schwierigkeiten bei der Verteilung des Versteigerungserlöses entstanden. Dadurch werde der Verpflichtete in eine sehr prekäre Lage gebracht, weil ihm auch nach Tilgung der geltend gemachten Forderung solange jede Disposition über die gepfändeten Gegenstände strafrechtlich untersagt sei, als nicht eine ausdrückliche Pfandauflassungserklärung oder zumindestens eine Anzeige der erfolgten Bezahlung bei Gericht überreicht werde, was jedoch in den seltensten Fällen geschehen sei. Auch bringe es der ordentliche Geschäfts- und Wirtschaftsbetrieb mit sich, dass der Bestand an beweglichen Sachen, welche nicht zum Zubehör zu zählen sind, zB an Borstenvieh, Futter und Vorräten, einem beständigen Wechsel unterliege. Solche Gegenstände sollten daher, obwohl eine rationelle Wirtschaft deren Veräußerung oder Beseitigung erheische, eigentlich nicht veräußert oder durch andere ersetzt werden. Allen diesen Unzukömmlichkeiten glaube der Ausschuss durch die neu aufgenommene Bestimmung wirksam zu begegnen. Das exekutive Pfandrecht an beweglichen Sachen sei zur Sicherstellung von Forderungen auf lange Frist nicht bestimmt und solle daher erlöschen, wenn es nicht innerhalb eines Jahres durch Erwirkung des Verkaufs und gehörige Fortsetzung des Verkaufsverfahrens geltend gemacht werde.

Daraus folgt, dass die Befristung der Wirksamkeit des Fahrnispfandrechts (seit der EO-Novelle 1995 gilt eine zweijährige Frist) wegen der spezifischen, mit der Pfändung von beweglichen körperlichen Sachen verbundenen Problemen geschaffen wurde. Ähnliche Identifikationsschwierigkeiten sind bei der Forderungspfändung ausgeschlossen. Die ebenfalls genannten Probleme mit der Einstellung rechtfertigen in Zeiten eines geregelten bargeldlosen Zahlungsverkehrs eine solche Befristung wohl nicht mehr, ist doch dem Verpflichteten unter Vorweisung des Überweisungsbelegs unschwer die Erwirkung der Verfahrenseinstellung nach § 40 EO möglich. Dem entsprechend führen auch bereits Heller/Berger/Stix (EO4 1706) aus, § 256 Abs 2 EO finde nur auf Pfandrechte an beweglichen körperlichen Sachen, nicht auf andere Pfandrechte Anwendung. Die analoge Anwendung auf das Anspruchspfandrecht hat der Oberste Gerichtshof bereits im Jahr 1935 abgelehnt (SZ 17/135; RIS-Justiz RS0003586); soweit ersichtlich vertritt nur Oberhammer (in Angst, EO, § 331 Rz 9) nunmehr ohne nähere Begründung das Gegenteil.

Schon 1988 hat Burgstaller (Das Pfandrecht in der Exekution 141, bei und in FN 35) Zweifel an der Ablehnung der genannten Analogie geäußert, weil die Argumente in den Materialien "im Wesentlichen" auch auf Forderungen zutreffen könnten. Auch dieser Autor bietet aber keine nähere Untersuchung des Problems. Übersehen wird offenbar, dass jedenfalls bei der Exekution auf fortlaufende Bezüge der Analogieschluss kaum vertretbar wäre. Wenn nämlich Vorpfandrechte bestehen, könnte dieser Analogieschluss dazu führen, dass das Pfandrecht erloschen wäre, bevor der betreibende Gläubiher überhaupt zum Zuge käme. Eine analoge Anwendung des § 256 Abs 2 EO auf die Forderungsexekution kann auch keinesfalls auf die Entscheidung 3 Ob 191/94 (= JBl 1996, 260 = RZ 1996/20 = RPflE 1996/16) gestützt werden, ist doch darin lediglich die Rede davon, dass nach den Erläuterungen der RV zur EO-Novelle 1991 die Fassung des § 294 Abs 1 erster Satz EO an die vergleichbare Bestimmung des § 249 EO angelehnt werde. Dass generell die Regeln über die Forderungsexekutionen jenen der Fahrnisexekution angeglichen werden sollten, wird in dieser Entscheidung nicht ausgeführt. Es ist somit an der Rsp festzuhalten, dass die zwingende Vorschrift des § 256 Abs 2 EO über die zeitliche Begrenzung des richterlichen Sachpfandrechts nicht analog auf das Anspruchspfandrecht anzuwenden ist. Auf die Entscheidung des LG Salzburg RPflE 1990/2 beruft sich das Rekursgericht aber schon deshalb zu Unrecht, weil in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall der betreibende Gläubiger bis zum erstinstanzlichen Einstellungsbeschluss ungeachtet der Aufforderung, sich zur beabsichtigten Einstellung zu äußern, untätig blieb und keinen Verwertungsantrag stellte.

Daraus folgt, dass hier von einem Erlöschen des Pfändungspfandrechts der betreibenden Partei keine Rede sein kann.

b) Fraglich könnte daher nur sein, ob wegen des Vorliegens eines Einstellungsgrunds nach § 39 Abs 1 Z 8 EO der erst zweieinhalb Jahre nach Eintritt der Rechtskraft (maßgebend wäre aber der Eintritt der Vollstreckbarkeit) des Titels gestellte Überweisungsantrag vom Rekursgericht zu Recht abgewiesen wurde. Dies ist allerdings aus den bereits die Entscheidung 3 Ob 305/98v = NZ 2001, 170 = RPflE 1999/146 tragenden Erwägungen zu verneinen.

Für seine Ansicht kann sich das Rekursgericht nur scheinbar auf die Lehrmeinungen von Oberhammer (aaO § 303 Rz 3) und Feil (EO4, § 303 Rz 6, vgl. dazu auch Angst/Jakusch/Pimmer, EO13, Anm zu § 303) stützen, beruhen doch diese Aussagen offenkundig auf der jeweils davor zitierten Entscheidung 3 Ob 191/94. Darin ist aber von einer gleichsam automatischen Einstellung für den Fall, dass nicht binnen angemessener Frist nach bloßer Pfändung einer Forderung auch ein Überweisungsantrag gestellt wird, nicht die Rede, vielmehr wird nur ausgeführt, einem Missbrauch (der Verletzung der Vorschrift des § 303 Abs 2 EO) könne dadurch begegnet werden, dass die Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 8 EO eingestellt werde, wenn der betreibende Gläubiger ohne Grund untätig bleibe. Einstellungsgrund nach dieser Bestimmung ist aber, dass sich nicht erwarten lässt, die Fortsetzung einer Durchführung der Exekution werde einen die Kosten dieser übersteigenden Ertrag ergeben. Daraus wird abgeleitet, dass überflüssige und damit zwecklose Exekutionen jederzeit einzustellen seien, dass das Exekutionsverfahren zur Befriedigung des Gläubigers führen, nicht aber ein Druckmittel gegen den Verpflichteten sein solle (3 Ob 35/93 = NZ 1995, 275 = RPflE 1995/74). Anders als bei der Exekution auf andere Vermögensrechte nach §§ 331 ff EO kann bei der Forderungsexekution nicht ohne weiteres gesagt werden, mangels Stellung eines Verwertungsantrags in Form eines Überweisungsantrags sei die Exekution von vornherein zwecklos. Während bei Ersterer mangels Verwertungsakten überhaupt kein Ertrag erzielt werden kann, bewirkt die Pfändung einer Forderung nach § 294 Abs 1 zweiter Satz EO in Form des Zahlungsverbots an den Drittschuldner, dass es diesem eben verboten ist, an den Verpflichteten zu bezahlen. Daraus folgt, dass jener im Fall der Pfändung fortlaufender Bezüge - wie im vorliegenden Fall - wie bei der Sicherungsexekution (Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 374 Rz 11; Schimik, Die Exekution zur Sicherstellung 188 je mwN, jeweils zur Exekution nach § 372) auch bei der bloßen Pfändung im Rahmen der Befriedigungsexekution die pfändbaren Beträge einzubehalten hat (Oberhammer aaO § 294 Rz 27). Geschieht dies, oder kann dies wegen eines vorrangigen Pfandrechts - wie im vorliegenden Fall - noch nicht geschehen, kann nicht ohne weiteres gesagt werden, die Fortsetzung oder die Durchführung der Exekution werde keinen kostendeckenden Erlös erbringen. Gerade, wenn der Drittschuldner bereits gepfändete Beträge einbehalten hat, bewirkt nämlich die spätere Bewilligung der Überweisung seine sofortige Verpflichtung, die einbehaltenen Beträge an den betreibenden Gläubiger zu zahlen. Das folgt notwendig aus der Regelung des § 308 Abs 1 EO, wonach die Überweisung zur Einziehung den betreibenden Gläubiger ermächtigt, namens des Verpflichteten vom Drittschuldner Zahlung zu begehren, alle notwendigen Schritte zur Herbeiführung der Fälligkeit etc zu setzen und schließlich auch gegen ihn die Klage einzubringen.

Im Übrigen verkennt das Rekursgericht die Anwendbarkeit der in der Entscheidung 3 Ob 305/98v angestellten Erwägungen auch für die Forderungsexekution. Da es für die Frage, ob die Exekution einen die Kosten übersteigenden Erlös erwarten lässt, auf die Sach- und Rechtslage bei Entscheidung der ersten Instanz über die Einstellung ankommt, hatte, wenn ein geeigneter Verwertungsantrag (§ 331 Abs 2 EO) gestellt wird, die mehrjährige Untätigkeit der betreibenden Partei unbeachtet zu bleiben. Übertragen auf den vorliegenden Fall der bloßen Pfändung einer Forderung im Rahmen einer Sicherstellungsexekution bedeutet dies, dass ein vor Entscheidung auf Einstellung gestellter Überweisungsantrag berücksichtigt werden muss und nicht ohne weiteres abgewiesen werden kann. Konkrete Gründe, weshalb die vorliegende Forderungsexekution keinen kostendeckenden Erlös erbringen sollte, sind weder der Rekursentscheidung noch dem Rekurs des Verpflichteten zu entnehmen. Auf Grund der Drittschuldnererklärung ist im Gegenteil anzunehmen, dass angesichts der Höhe der Nettopension des Verpflichteten und des vorrangig betriebenen Kapitalbetrags, der nur wenig mehr als das Doppelte des Nettobezugs ausmacht, sehr wohl kostendeckende Zahlungen des Drittschuldners zu erwarten sind. Tatsächlich hat die betreibende Partei die zur Fortsetzung des von selbst in die Befriedigungsexekution übergegangenen Sicherstellungsexekutionsverfahrens erforderlichen Schritte durch den Überweisungsantrag gesetzt (vgl dazu Sailer aaO § 375 Rz 18 f).

Demnach ist der erstinstanzliche Bewilligungsbeschluss wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 40, 41 ZPO.