Unterlassung von Ermittlungen im Zusammenhang mit Familienheimfahrten
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., Beruf, ehemals Adresse1, nunmehr Adresse2, gegen die Bescheide des Finanzamtes Gmunden Vöcklabruck vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für den Zeitraum 2008 bis 2009 entschieden:
Die angefochtenen Bescheide und die Berufungsvorentscheidungen vom werden gem. § 289 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl 1961/194idgF, unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) ist IT-Techniker. Mit am elektronisch eingereichten Arbeitnehmerveranlagungserklärungen für die Jahre 2008 und 2009 beantragte der Berufungswerber (Bw.) ua. erstmalig die Kosten aus dem Titel der Familienheimfahrt ( KZ 723 ) in Höhe von € 10.374,00 (für 2008) bzw. von € 10.374,00 (für 2009).
Im Ergänzungsvorhalt vom wurde der Abgabepflichtige ersucht, sämtliche Belege und Rechnungen der beantragten Aufwendungen und erhaltenen Ersätze nachzureichen.
In der Vorhaltsbeantwortung teilte der Abgabepflichtigen bezüglich Arbeitnehmerveranlagung 2008 im Wege des Finanzonline Folgendes mit:
Bei der genannten Arbeitnehmerveranlagung sei in der Rubrik Werbungskosten (Kosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten) ein Fehler unterlaufen. Er habe angenommen, dass der Kilometersatz im Jahre 2008 immer noch bei 0,38 € gelegen sei. Ab sei der Satz aber auf 0,42 € angehoben worden. Er ersuche daher um Korrektur wie folgt:
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vom bis | 12 x 494 x 0,38 = 2.252,64 |
vom bis | 23 x 494 x 0,42 = 4.772,04 |
gesamt: | 7.024,68 |
Ab bis seien 35 Familienheimfahrten nach Wien erfolgt, da seine Familie in Wien lebe, er aber in OÖ. arbeite (hin und retour 494 Kilometer).
Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom wurden die geltend gemachten Kosten aus dem Titel der der doppelten Haushaltsführung nicht als Werbungskosten anerkannt, da der Familienwohnsitz lt. Meldeamt in F. liege.
Dagegen richtet sich die Berufung des Bw. mit folgender Begründung:
Im oben genannten Einkommensteuerbescheid lehnen Sie die Erstattung der Familienfahrten mit der Begründung, der Familienwohnsitz des Bws. sei in F. , ab. Dies sei jedoch unrichtig. Richtig sei ,dass der Familienwohnsitz und sein ,,Lebensmittelpunkt" seit März 2008 in Wien bei seiner Familie liegen. Seine Lebensgefährtin studiert seit 2007 in Wien und sei seit mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet und ständig dort lebend. Ebenso sein Sohn. Er verbringe jeden freien Tag in Wien bei seiner Familie und den gemeinsamen Freunden. Leider seien dies durchschnittlich nur 2 Tage die Woche. Am Hauptwohnsitz in F. sei er einzig und allein aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in Oberösterreich , was sich bedauerlicherweise wegen der immer noch angeschlagenen Wirtschaftslage der lT-Branche kurzfristig nicht ändern würde.
2) Bzgl. Ergänzungsersuchen für Arbeitnehmerveranlagung 2008 vom :
Er habe € 1200 abschreibbare Versicherungsbeiträge angegeben. Aufgrund des Ergänzungsersuchen habe er für 2008 eine Finanzamt-Bestätigung angefordert, daraufhin sei ihm mitgeteilt worden, dass eine Lebensversicherung nicht abschreibungsberechtigt sei. Der Betrag von den abschreibbaren Versicherungsbeiträgen ändere sich deshalb auf € 867,44. Er bitte deshalb um Entschuldigung. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen angenommen, dass diese Versicherung abschreibungsberechtigt sei.
Im Vorhalt der Abgabenbehörde I. Instanz vom wurde um Beantwortung folgender Ergänzungspunkte ersucht:
Im Zuge der Berufung werden Kosten für die doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten beantragt. Von einem Familienwohnsitz in Wien könne erst ab dem gesprochen werden, somit können ev. Kosten erst ab diesem Zeitpunkt anerkannt werden. Sie werden nun ersucht ,die beantragten Kosten für die Jahre 2008 und 2009 genau aufzulisten und zu belegen.
In der Folge teilte der Bw. die Anzahl der Familienheimfahrten gegliedert nach Tagen/Monaten /Kilometer (jeweils 494 Km) mit.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2008 die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Aufwendungen für Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz seien im Rahmen der durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988 gesetzten Grenzen Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Lt. Zentralem Melderegister sei der gemeinsame Haushalt bis zum in PLZ F. , Adr. gewesen. Die Lebensgefährtin habe mit ein Studium an den Uni Wien begonnen, weiters sei sie ein DienstverhäItnis von 10 Wochenstunden bei der Ö. eingegangen, es könne somit nun von der privaten Veranlassung gesprochen werden, wenn der Familienwohnsitz zwecks Startes eines Studiums verlassen werde. Die Berufung sei somit als unbegründet abzuweisen.
Arbeitnehmerveranlagung 2009 (Einkommensteuerbescheid vom , Berufung vom , Berufungsvorentscheidung vom , Vorlageantrag vom ) :
Diesbezüglich ergibt sich die gleiche verfahrensrechtliche Lage sowie das gleiche Vorbringen des Bws. Bei den Versicherungsbeträgen ergebe sich nach dem Vorbringen des Bws. für 2009 ein Betrag von € 911,68. Die Aufstellung der Familienheimfahrten ergibt sich aus der Aktenseite 10/11 des Arbeitnehmerveranlagungsaktes 2009 (Wegstrecke F. - Wien).
Im Schriftsatz vom wurde vom Bw. nochmals Folgendes klargestellt:
Begleitend zu den Ergänzungen möchte ich noch einmal klarstellen, dass sich sein Lebensmittelpunkt und jener seiner Lebensgefährtin bereits seit mindestens in Wien und nur dort befinde. Die Ansicht, dass ihm Familienfahrten erst seit zustünden, teile er nicht. Laut Auskunft der Arbeiterkammer Wien sei die Art des Wohnsitzes beider Familienteile (Haupt oder Nebenwohnsitz für den Anspruch Familienfahrten) nicht relevant . Es sei zwar richtig, falls Sie darauf abzielen, dass seine Lebensgefährtin erst am in Wien Hauptwohnsitz gemeldet sei , sie lebe aber durchgehend bereits seit Nebenwohnsitz in Wien und sei vorher mindestens 3x die Woche mit dem Zug gependelt. Der Grund war, dass seine Lebensgefährtin seit ein arbeitsintensives und vorlesungspflichtiges Studium (siehe Anhang) in Wien betreibe und von bis in einem Dienstverhältnis in Wien stand wo sie täglich 2 Stunden (10 Stunden pro Woche) arbeitete (siehe Anhang), damit wir die zusätzlichen Kosten der notwendig gewordenen Wohnung decken konnten. Anschließend sei seine Lebensgefährtin in den Mutterschutz gegangen. Am 00.00.2009 sei dann sein Sohn zur Welt gekommen. Unser gemeinsamer Lebensmittelpunkt habe sich also mindestens am aufgrund der Tätigkeiten seiner Lebensgefährtin eindeutig nach Wien verlagert werden. Die laut Melderegister zusätzlich gemeldeten Personen in der Adresse3 seien uns gänzlich unbekannt. unseren Informationen nach, können wir leider nicht veranlassen, dass diese Personen aus dem Melderegister für die Adresse3 gelöscht werden. Von einem Familienwohnsitz in F. oder einer ähnlich gelagerten Bezeichnung könne in keinem Fall die Rede sein. Der Familienwohnsitz befinde sich eindeutig in Wien. Die Wohnung in F. könne seit höchstens als ,,Sommerfrische" bezeichnet werden. Er wohne ausschließlich hier , weil er nach wie vor in Oberösterreich arbeite, fahre aber jeden freien Tag nach Wien zu seiner Familie und seinen Freunden. Ein gemeinsames Leben in F. finde nicht statt und sein Leben in F.habe sich reduziert auf vergleichsweise das Leben eines Montagearbeiters. Ein solcher sei gezwungen in einem Haus, einer Wohnung oder einem Zimmer weit entfernt von seinem eigentlichen ,,Lebensmittelpunkt" seiner Arbeit nachzugehen, was mit einem ,,Leben" hinsichtlich sozialer Bindungen, Interessen und Hingezogenheit nichts gemeinsam habe. Ich bitte Sie deshalb die Sachlage neu zu prüfen und zu berücksichtigen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde hinsichtlich des Jahres 2009 die Berufung ebenfalls als unbegründet abgewiesen. Auf die gleichlautende Begründung (Berufungsvorentscheidung für das Jahr 2008) wird verwiesen.
Im Vorlageantrag vom wurde vom Bw. Folgendes ausgeführt (wörtliche Ausführungen des Bws):
"a) Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG von 1988 war der gemeinsame Haushalt bis in Frankenburg.
"Meine Lebensgefährtin ist seit in Wien mit Nebenwohnsitz gemeldet und hält sich dauerhaft dort auf und ich bin seit in Wien mit Nebenwohnsitz gemeldet. Somit hat sich auch in Wien seit mindestens ein gemeinsamer Haushalt befunden".
b) Sie sprechen davon, dass ein Studium an der UNI Wien bzw. der Beginn eines Dienstverhältnisses in Wien bezeichnet werden kann und wir, salopp formuliert, selbst schuld sind, wenn meine Lebensgefährtin deswegen den Familienwohnsitz verlässt.
Antwort des Bws.: "Es ist kein persönlicher Grund vorgelegen, als meine Lebensgefährtin in Wien ein Studium begonnen hat und sie habe - um die zusätzlichen Kosten zu decken - geringfügig in Wien gearbeitet , es liegt eine ,,zukunftsorientierte, berufliche Notwendigkeit" vor. Meine Lebensgefährtin konnte aufgrund einer Krankheit ihren damaligen Beruf nicht mehr ausüben (ärztliches Attest liegt vor). Es gab deshalb entweder die Möglichkeit weiter an einem Ort mit schlechter wirtschaftlicher Struktur zu leben (F. ) und mit ausbildungsfremden und schlechter bezahlten Jobs" höchstens ein unsicheres Auskommen zu erreichen, was zwangsläufig aber in einem finanziellen Fiasko geendet hätte, oder auf die bereits bestehende hochwertige Ausbildung aufzubauen, um andere berufliche Tätigkeitsfelder zu erschließen. Voraussetzung war, dass mit Hilfe dieser Ausbildung auch in späteren Jahren noch Aussicht auf bezahlte Arbeit im erlernten Berufsfeld gewährleistet werden kann. Die einzige zukunftsorientierte Möglichkeit diese Voraussetzungen zu erfüllen, so erschien es uns damals wie heute, lag in einer signifikanten Hebung der beruflichen Qualifikation. Wir hatten die verschiedenen Möglichkeiten eingehend erhoben und festgestellt, dass eine fundierte und tief greifende weiterführende Ausbildung am effizientesten zu sein schien, auch die Mindestanforderungen für den Staatsdienst erfüllen zu können (Matura). Diese Anforderungen erfüllte zum Zeitpunkt der Entscheidung nur ein Studium, welches in der benötigten Form aber leider nur in Wien angeboten wurde. Von einer privaten Veranlassung kann also auf keinem Fall die Rede sein , sondern eher von einer Form langfristigen, beruflichen Fort- bzw. Weiterbildung oder Umschulung. Keine Seltenheit und Usus in der Privatwirtschaft. Auch die Hingezogenheit zu Wien unsererseits (meiner Lebensgefährtin und mir) bestand bereits lange vorher und hat sich nur aufgrund oben genannter Entscheidungen besser dargestellt. Dies war aber, wie bereits erwähnt, keine private Entscheidung, sondern beruflich ambitioniert. Natürlich hätten wir auch gemeinsam zum Beispiel nach Vorarlberg ziehen können oder eben in F. bleiben. Das Resultat aber wäre vermutlich eine weitere Sozialhilfeempfängerin gewesen bzw. die Entfernung zur Wunschheimat weiter zu vergrößern. Fakt ist jedenfalls, dass die momentane Stellung, Lebensmittelpunkt vs. Arbeitsort vs. Ausbildungsort, eine gewachsene ist. Eine Mischung aus beruflich notwendigen, finanziellen und anderen Entscheidungen, die den Zweck hatten, weiterhin den sich steigernden Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden. So war ich zwar bis vor nicht ordentlich in Wien wohnhaft gemeldet, eine feste Lebensgemeinschaft ist aber eindeutig erwiesen. Somit ist auch eine Verbindung zu einem vorhandenen, wenn auch nicht schriftlich oder durch ein Dokument festgehaltenen gemeinsamen Hausstand zumindest lückenlos nachvollziehbar. Immerhin habe ich für die Wohnung in Wien, Adresse4, eine Bürgschaft übernommen, welches ich nicht getan hätte, wäre keine familiäre Verbindung vorhanden. Er vertrete die Meinung, dass sich der ,,Familienwohnsitz" nicht an eine Örtlichkeit wie den Hauptwohnsitz, sondern nur an den Ort festmachen lässt, wo sich der Lebensinhalt Lebensmittelpunkt oder die Lebensinteressen einer Person befinden. Das ist eindeutig in Wien bei der Familie, Freunden, gemeinsamen Interessen. F. ist der Ort, in dem ich werktags wohne, um meinen Arbeitsort erreichen zu können, der sich in L. befindet. An den werkfreien Tagen (Wochenende) befinde ich mich in Wien bei meiner Familie. Wie ich ebenfalls bereits im letzten Schreiben versucht habe zu erklären, war es keine freiwillige Entscheidung, uns diese örtliche Trennung zuzumuten. Oben genannte Gründe und der immer härter werdende Kampf am Arbeitsmarkt haben uns zu diesem Schritt gezwungen und auch dazu, dass ich immer noch denselben Arbeitgeber habe. In wirtschaftlichen Belangen steht es meiner Familie leider nicht frei, persönliche Entscheidungen zu treffen. Sonst wären wir mit Sicherheit schon vor 2008 und ,,gemeinsam" nach Wien gezogen. Dass ich seit 00.00.2009 Vater bin vereinfacht die Sache nicht. Er bitte Sie deshalb um nochmalige Prüfung unter Rücksicht auf die besondere Lage".
Aus der vorgelegten Bestätigung der Universität Wien vom (Studienblatt der Universität Wien Wintersemester 2010) geht hervor, dass die Lebensgefährtin des Bws. am das Bacherlorstudium 033, B-Wissenschaft UG 2002, aufgenommen hat.
Aus dem Arbeitsvertrag (Aktenseite 17 ff/EST-Akt 2009) geht Folgendes hervor:
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Arbeitgeber |
Ö-Verband |
Beginn des Arbeitsverhältnisses: | |
Dauer des Arbeitsverhältnisses | befristet bis |
Berufsbezeichnung | Angestellte |
Einstufung zum | Verwendungsgruppe VI Stufe 07, nächster Vorrückungsstichtag Stufe 08 , anrechenbare Vordienstzeiten 12 Jahre |
Gehalt | EUR nicht lesbar ("geschwärzt") |
Arbeitszeiten | Montag bis Donnerstag jeweils 2,5 Stunden , insgesamt 10 Wochenstunden |
Unterschrift Arbeitgeber/Unterschrift Arbeitnehmerin | jeweils 20.11.2008 |
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach § 289 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern sie keine das Verfahren abschließende Formalentscheidung zu treffen hat, die Berufung auch durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs.1 BAO) unterlassen worden sind, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des Bescheides befunden hat.
Die Abgabenbehörde I .Instanz geht in seiner Bescheidbegründung (vgl. Einkommensteuerbescheid 2008 vom ) zum einen davon aus, dass der Familienwohnsitz lt. Meldeamt in F. gelegen sei bzw. für das Jahr 2009 aufgrund der Tatsache, dass die Lebenspartnerin, Frau A.W., ihr Studium (Bachelor in Bildungswissenschaften) im Jahre 2007 in Wien aufgenommen habe, von einer privaten Veranlassung aus (vgl. Berufungsvorentscheidung vom für 2009), um den geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten die Anerkennung zu versagen.
Mit dieser Begründung betreffend Einkommensteuer 2009 hat sie das Jahr 2007 in Betrachtung gezogen, übersieht aber, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (VwGH 2005/15/0079, VwGH 2006/15/0047) das jeweilige Streitjahr (hier: Berufungszeitraum 2008 und 2009) zu prüfen gewesen wäre. Es lag unstrittig ab bei der Lebenspartnerin des Bws. bereits eine - wenn auch befristete - nichtselbständige Betätigung als Behindertenbetreuerin vor.
Für das Jahr 2008 ist Folgendes anzumerken:
Der Bw. führt in seiner Berufung aus, dass er ab den Wohnsitz in Adresse1. , lediglich als "Sommerfrische" benützt. Er habe ihn deswegen aufrechterhalten, weil er ja auch in OÖ (zB in L. - im Jahre 2008 scheinen insgesamt 3 Arbeitgeber auf) arbeite (berufliche Veranlassung). Es liege im gesamten Berufungszeitraum sehr wohl bereits ein Familienwohnsitz in Wien vor.
Das Finanzamt vertritt die Auffassung, dass ein Familienwohnsitz in Wien erst ab dem begründet worden wäre.
Familienwohnsitz OÖ. oder Wien?
Der Meldung als Haupt-oder Nebenwohnsitz kommt lediglich Indizwirkung zu (Ritz, Kommentar, BAO³,§ 26 ,Tz 7). Unter Familienwohnsitz kann auch ein Nebenwohnsitz subsumiert werden. Entscheidend ist, zu welchem Ort die stärkere persönliche Bindung besteht.
Aus den dargelegten Gründen ist es daher nicht ausgeschlossen, dass ein gemeinsamer Wohnsitz in Wien auch schon ab April 2008 bestanden hat (unabhängig von der erst später erfolgten polizeilichen Meldung).Die konkreten Verhältnisse im Berufungszeitraum sind zu klären.
Jahresbetrachtung
Nach in der Literatur vertretener Auffassung (vgl. Reinisch in RdW, 2000,570 bzw. Wallner in Steuerexpress 2011/129 ( mit weiteren Hinweisen auf eine anhängige VwGH-Beschwerde 2008/15/0157 gegen die Berufungsentscheidung zu RV/0298-S/06) ist das jeweilige Jahr entscheidend (VwGH 2005/15/0079, VwGH 2006/15/0047). Es erscheint daher unsachlich, der doppelten Haushaltsführung nach Wegverlegung des Familienwohnsitzesdie steuerliche Anerkennung von vornherein zu versagen.
Der Referent merkt an, dass es hinsichtlich dieser Fragen auch anhängige Amtsbeschwerden gegen stattgebende Berufungsentscheidungen (zuletzt gegen RV/0556-W/09 zu VwGH 2009/13/0132) gibt.
Eine jüngere Rechtsprechung des UFS zu RV/1719-W/11 vom spricht sich bei derartigen Fällen (Wegverlegung des Familienwohnsitzes aus beruflichen Gründen des (Ehe-) Partners) für die Anerkennung von Kosten doppelter Haushaltsführung aus.
Im Rahmen des weiteren Verfahrens wird daher auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen sein:
Wurde der erste gemeinsame Familienwohnsitz in Adresse1., am endgültig aufgegeben (vgl. Abfragen des Finanzamtes aus dem Zentralen Melderegister AS 2-5/2008 bzw.AS 25-AS 26/2009). Sollte dies der Fall sein, würde das Berufungsbegehren "zeitlich begrenzt sein", sodass auch eine Erledigung der Berufung (Stattgabe infolge vorübergehender doppelter Haushaltsführung - nach vorangegangener detaillierter Ermittlung der einzelnen Kosten der doppelten Haushaltsführung (lt. Steuerklärungen 2008 und 2009 jeweils € 10.374) nicht ausgeschlossen scheint.
Höhe der Einkünfte der Lebenspartnerin im Berufungszeitraum: Aus dem aktenkundigen Arbeitsvertrag (AS des Finanzamtsaktes 17/2009) ist der Gehalt, den die (Ehe-)Partnerin als Behindertenbetreuerin im Wochenstundenausmaß von 10 Stunden bezog, - von wem auch immer - "geschwärzt" und somit für den Referenten nicht ersichtlich - diesbezüglich wird zwecks Klärung noch ein Ergänzungsersuchen der Abgabenbehörde I. Instanz notwendig sein.
Feststellungen, ob im gegenständlichen Fall im Berufungszeitraum eine eheähnliche Gemeinschaft (Wohnungs- Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft) vorliegt, fehlen. Auch dieser Punkt erscheint im Berufungszeitraum klärungsbedürftig. Eine solche wird vom Bw. für den Berufungszeitraum jedenfalls behauptet (was angesichts der Tatsache, dass im Folgejahr der Sohn des Bws. geboren wurde, nicht unschlüssig ist).
Im Hinblick auf den Umfang der vorzunehmenden Verfahrensergänzungen war der Aufhebung der Vorrang vor der Durchführung der Ermittlungen durch den Unabhängigen Finanzsenat zu geben. Die Berufungsbehörde sieht sich deshalb dazu veranlasst, die angefochtenen Bescheide und die Berufungsvorentscheidungen gemäß § 289 Abs. 1 BAO aufzuheben und die Rechtssachen zur ergänzenden Sachverhaltsermittlung und neuerlichen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Für die Ausübung des Ermessens in Richtung Bescheidaufhebung sprechen darüber hinaus auch die Gründe der Verfahrensökonomie (Ermittlungsergebnisse müssten im Falle der Verfahrensergänzung durch den UFS auch dem Finanzamt vorgehalten werden) und der Erhaltung des vollen Instanzenzuges für den Berufungswerber.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Zurückverweisung Werbungskosten Familienheimfahrten |
Verweise | Ritz,BAO³,§ 26 , Tz 7 Reinisch in RdW 2000 570 Herzog RdW1993,28 Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 441 ff Wallner in StExp/129 VwGH, 2005/15/0079 UFS, RV/0298-S/06 UFS, RV/0556-W/09 UFS, RV/1719-W/11 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at