Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 16.12.2013, RV/3498-W/11

Steuerliche Abzugsfähigkeit einer EU-Kartellbuße?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/3498-W/11-RS1
Geldbußen der EU-Kommission wegen Verletzung von Wettbewerbsvorschriften sind auch für Zeiträume vor AbgÄG 2011 trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Normierung im § 12 KStG vom Betriebsausgabenabzug einer Körperschaft nicht umfasst. Durch einen Abzug vom Gewinn würde dem pönalen Charakter der Strafe nicht ausreichend Rechnung getragen und würde die general- und spezialpräventive Wirkung schmälern. Zudem würde im Fall eines Abzuges die Strafe für das verpönte Verhalten auf die Allgemeinheit überwälzt was nicht die Intention des Steuergesetzgebers sein kann.
RV/3498-W/11-RS2
Wird in einer Entscheidung über eine Kartellbuße die Gesamtstrafe nicht in pönalen Teil und Gewinnabschöfpung aufgegliedert, liegt es am Berufungswerber anhand eindeutiger Kriterien nachvollziehbar darzustellen, wie diese Aufteilung erfolgte. Geldbußen der EU-Kommission enthalten keine Gewinnabschöfpungsanteile sondern sind insgesamt von pönalem Charakter. Eine Aufteilung in einen abziehbaren und nicht abziehbaren Betrag hat daher zu unterbleiben

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Dr. Gabriele Krafft und die weiteren Mitglieder Dr. Wolfgang Six, Mag. Michael Schiller und Susanne Fazekas im Beisein der Schriftführerin Karin Nowotny über die Berufung der Bw., Adresse, vertreten durch Steuerberater, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Körperschaftsteuer 2010 nach der am in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Weiters hat der Unabhängige Finanzsenat beschlossen:

Der Antrag auf Fristverlängerung zur Vorhaltsbeantwortung vom und der Antrag auf Vertagung der mündlichen Berufungsverhandlung vom werden abgewiesen.

Der Eventualantrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens mit Belgien vom wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Bw. (Berufungswerberin, Bw.) übermittelte am ihre Körperschaftsteuererklärung für 2010 auf elektronischem Weg an das Finanzamt (FA) und machte im Rahmen der Aufwendungen Geldbußen der Europäischen Kommission in Höhe von insgesamt € 2.611.000,00 gewinnmindernd geltend. Im Anhang des Jahresabschlusses findet sich unter der Position "Eventualverbindlichkeiten aus Körperschaftsteuer in Höhe von € 652.750,00" folgender Satz:

"In den diversen betrieblichen Aufwendungen ist ein Betrag von € 2.611.000,00 aufwandswirksam berücksichtigt, wobei es sich um Strafzahlungen an die Europäische Union handelt, welche von der Europäischen Kommission auf Basis des Artikel 23 Absatz 2 lit. A des EG-Vertrages verhängt wurden, und aufgrund schuldrechtlicher Verpflichtungen von der Gesellschaft zu tragen waren.

Mit Bescheid vom setzte das FA die Körperschaftsteuer für 2010 unter Nichtberücksichtigung des geltende gemachten Aufwandes aus dieser Geldbuße bescheidmäßig fest und führte begründend aus, dass die genannten Geldbuße der Europäischen Kommission gemäß § 20 EStG 1988 nicht anerkannt werden könne. Die verhängte Strafe liege außerhalb des Geschäftsfeldes der Bw. daher könne sie sich lediglich auf dem Zivilrechtsweg bei der Vertragspartnerin schadlos halten.

In der rechtzeitig eingebrachten Berufung vom beantragte die Bw. eine mündliche Verhandlung vor dem Berufungssenat und wendete ein, dass der Strafe eine Entscheidung der Europäischen Kommission zugrunde liege, welche in wirtschaftlicher Betrachtungsweise die X-Gesellschaft Deutschland und nicht die Bw. betroffen habe. Zwischen der Bw. und der X-Gesellschaft Deutschland habe ein Handelsvertretervertrag bestanden aufgrund dessen die Bw. in Anspruch genommen worden sei. Die Bw. habe damals zu einer Gruppe gehört, welcher die X-USA-Gesellschaft mit Sitz in den USA vorgestanden habe. Zu dieser Gruppe habe auch die X-Gesellschaft gehört. Die Entscheidung zum Abschluss des Handelsvertretervertrages (zw. der Bw. und ihrer deutschen Konzernschwester) sei alleine in der Konzernleitung gefallen und die Bw. habe dabei kein Mitspracherecht gehabt.

Die weitere Führung der Geschäfte der deutschen Gesellschaft - einschließlich der Entscheidungen die letztlich zur Geldbuße geführt hätten, sei nicht im Einflussbereich der Bw. gelegen gewesen. Die damalige wirtschaftliche Verbindung bestehe nicht mehr, zivilrechtlicher Regress aufgrund einer aus Anlass der Trennung bestehenden Verzichtsvereinbarung nicht möglich.

Die wirtschaftlichen Erfolge aus dem damaligen Handelsvertretervertrag stünden in krassem Missverhältnis zur verhängten Strafe. Es handle sich diesfalls nicht um eine von der Bw. verursachte Strafe sondern um die Begleichung einer fremden Schuld.

Mit Schreiben vom ergänzte die Bw. ihr Vorbringen insoweit als sie betragsmäßig darstellte, dass die von ihr übernommenen Strafzahlungen mehr als ein Drittel der gesamten Provisionsumsätze der Bw. mit ihrer deutschen Schwester ausgemacht hätten. Daraus lasse sich erkennen, dass bei Straffestsetzung nicht die Bw. bzw. ihre Geschäftsleitung im Visier der Behörde (gemeint offensichtlich der Europäischen Kommission) gestanden habe.

Mit Telefonat vom forderte die Vorsitzende in ihrer Funktion als Referentin die Bw. auf einen ergänzenden Schriftsatz einzubringen und ihr Begehren deutlicher ausführen. Weiters wurde um Mitteilung ersucht, ob der Antrag auf mündliche Verhandlung wegen Vorliegens einer Rechts- und nicht einer Sachverhaltsfrage aufrecht bleiben solle. Mit e-mail vom teilte die steuerliche Vertretung mit, dass wegen der betraglichen Höhe der strittigen Abgabe der Antrag auf mündliche Verhandlung aufrecht bleibe. Ein ergänzender Schriftsatz wurde bis Mitte Oktober 2013 nicht erstattet. Am teilte die Bw. über entsprechende Anfrage der Referentin (untergleichzeitiger Bekanntgabe des Termins der mündlichen Senatsverhandlung) mit, dass sie mit der Öffentlichkeit der mündlichen Senatsverhandlung einverstanden sei.

Mit Ladung vom , zugestellt am , forderte die Referentin die Bw. auf, die Berufung in einem vorbereitenden Schriftsatz bis zum zu ergänzen. Insbesondere sei darzustellen bzw. vorzulegen:

In welchen Aufwandspositionen des Jahresabschlusses die ersetzten Strafzahlungen an die Muttergesellschaft verbucht worden wären.

Vorlage eines Dokuments aus dem sich die Verpflichtung zum streitgegenständlichen Ersatz der Geldstrafe an die Muttergesellschaft nachvollziehen lasse;

Darstellung des Berechnungsmodus der Konzernmutter aus welchem ersichtlich sei weshalb die Bw. den letztlich bezahlten Betrag entrichtete (Rechtsgrundlage für die geleisteten Zahlungen).

Nachvollziehbare und ausreichend belegte betragsmäßige Aufgliederung der geleisteten Zahlungen auf rein pönale Geldbuße und Gewinnabschöpfungsbeträge. Dazu sei weiters jener Teil der Entscheidung vorzulegen aus dem ersichtlich sei, wie sich der gesamte gegen die Konzernmutter verhängte Strafbetrag zusammensetze. (Gesamtverhältnis Geldbuße zu Gewinnabschöpfungsbetrag).

Weiters informierte der UFS am die Bundeswettbewerbsbehörde von der anberaumten mündlichen Senatsverhandlung, welche mit Schreiben vom mitteilte keinen Vertreter zu dieser Verhandlung zu entsenden und darauf verwies, dass von der Europäischen Kommission verhängte Geldbußen nicht von den Einkünften abgezogen werden dürften. Dieser Grundsatz gelte grundsätzlich auch für mögliche Gewinnabschöpfungsbeträge und sei aus wettbewerbspolitischer Sicht zu begrüßen, da eine Abzugsfähigkeit die spezial- und generalpräventive Wirkung von Geldbußen schmälern würde.

Da am noch keine Vorhaltsbeantwortung der Bw. eingelangt war (Ablauf der Frist zur Vorhaltsbeantwortung am ), kontaktierte die Referentin den steuerlichen Vertreter, welche erklärte diesen Vorhalt übersehen zu haben und ihn auch nicht aufzufinden könne, weshalb er um neuerliche Übermittlung ersuche. Diesem Wunsch entsprach die Referentin mittels e-mail vom .

Mit Schreiben vom beantwortete die Bw. den Fragenvorhalt und führte aus, dass sie sich bemüht habe der Aufforderung rechtzeitig nachzukommen und Unterlagen vorzulegen, die Berufung allerdings bereits vor 2 Jahren eingebracht worden sei und die gesetzte Frist von drei Wochen daher nicht als adäquat angesehen werde. Es habe sich als unmöglich erwiesen den gesetzten Termin einzuhalten, weshalb in der Erwartung zwischenzeitlich noch Unterlagen zu erhalten noch einige Tage zugewartet worden sei. Dennoch könnten die Unterlagen bis dato nicht beigebracht werden, da die zuständigen Personen bei Bw. mittlerweile in Pension wären und die Verwaltung teilweise nach Polen ausgelagert worden sei, weshalb der Zugriff auf Unterlagen eingeschränkt sei und eine Fristverlängerung bis beantragt werde.

Die Fragen des Vorhaltes wurden vorläufig folgendermaßen beantwortet: Die Verbuchung der Strafen sei unter der Position "Strafzahlungen an EU" (Seite 28 des Jahresberichtes) verbucht worden. Das Ersuchen um Vorlage eines Dokuments bzw. Darstellung des Berechnungsmodus betreffend des an die Konzernmutter bezahlten Betrages sei unverständlich, da die Strafe der Bw. direkt vorgeschrieben worden sei. Aus der gleichzeitig mit dem Vorhalt vorgelegten Unterlage (Anm: Kopie einer Zeile der Entscheidung der Kommission) sei ersichtlich, dass der gesamte Betrag als Pönale vorgeschrieben worden sei. Die Kommission habe eine Aufteilung des Betrages unterlassen, obwohl selbstverständlich Grundlage einer Strafe ja nur ein übermäßiger abzuschöpfender Gewinn sein könne. Die Bw. wisse nicht welche Überlegungen bei der Kommission für diese Vorgehensweise gegeben wären und sei auch nicht in der Lage die Höhe dieses von der Kommission berücksichtigten Übergewinns zu beziffern. Eine mögliche Regressforderung gegen die mithaftende X-USA-Gesellschaft-neu. habe noch nicht abgeklärt werden können.

Weiters wurde zum Nachweis des Umstandes, dass die Bw. keine Entscheidungen über Kaufpreise habe treffen können der Handelsvertretervertrag (1984) samt zwei Nachträgen (1994 und 1996) und einer Ergänzung (2006) zwischen der Bw. und der X-Gesellschaft in Deutschland vorgelegt.

Mit Schreiben vom legte die Bw. weiters folgende Unterlagen vor:
a) einen in französischer Sprache abgefassten Bescheid der belgischen Abgabenbehörde für Großbetriebe
b) in englischer Sprache abgefasste e-mail Korrespondenz zwischen dem steuerlichen Vertreter der Bw. und NN (dem zuständigen Abteilungsleiter der in Belgien ansässigen Muttergesellschaft Europamutter) und führte aus, sie die Unterlagen erst heute (also am ) erhalten habe und aus den - wegen Zeitmangels - nicht übersetzten Unterlagen hervorgehe, dass der geltend gemachte Betrag zur Gänze eine Gewinnabschöpfung darstelle.

Die Europamutter habe beim belgischen Finanzamt die Gesamtstrafe von € 326.091.196,00 geltend gemacht, wobei € 64.413.902,00 auf Strafe und € 261.677.294,00 als Gewinnabschöpfung entfallen würden. Die Strafe sei von Europamutter gar nicht auf die Tochtergesellschaften umgelegt worden, lediglich die Gewinnabschöpfungen seien in den einzelnen Ländern - in Österreich der strittige Betrag von € 2.611.000,00 - als Aufwand verbucht worden, welche offensichtlich nur den Ausgleich der überhöhten Gewinne der vergangenen Jahre darstelle. Es würde eine Doppelbelastung bedeuten, wenn in den vergangenen Jahren erzielte Übergewinne der österreichischen Steuerpflicht unterworfen worden wären und der sich aus der Abschöpfung ergebende Verlust nicht anerkannt würde.

Wie aus dem beiliegenden mail-Verkehr ersichtlich sei, seien die von der Bw. an die Europamutter überwiesenen Beträge in Belgien als Einkommen versteuert worden, weshalb die Einleitung eines Verständigungsverfahrens beantragt werde.

Mit Schreiben vom beantragte die Bw. die Vertagung der Verhandlung mit der Begründung der noch nicht erfolgten beglaubigten Übersetzung der vorgelegten Unterlagen und teilte mit, dass der Inhalt des Bescheides der belgischen Finanzverwaltung darin bestehe, dass die Europamutter die Gesamtstrafe im Ausmaß von € 326.091.196,00 als Aufwand gewinnmindernd geltend gemacht habe, wovon letztlich € 64.413.902,00 als Strafe nicht anerkannt worden seien, da es sich bei diesen Beträgen um eine reine Strafzahlung gehandelt habe. Von diesem Betrag würden € 1.519.000,00 auf die Bw. entfallen (Entscheidung der Kommission S 439). Der Differenzbetrag von welchem € 2.611.000,00 auf die Bw. entfielen, habe die belgische Finanzverwaltung als abzugsfähige Gewinnabschöpfung eingeordnet. Die Bw. habe im Streitzeitraum diesen Betrag nicht an die Europäische Kommission entrichtet sondern an die Europamutter.

Für den Fall der Nichtanerkennung der Abzugsfähigkeit dieser Zahlung werde der Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens mit Belgien beantragt auf welchem im Fall der Stattgabe der Berufung verzichtet werde.

Die Vorlage von Unterlagen sei deswegen verzögert erfolgt, da die Bw. diesbezüglich auf die Bereitwilligkeit der Konzernmutter angewiesen sei entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen, weshalb die eingeräumte Frist im Hinblick auf das Gesamtverfahren als zu knapp bemessen angesehen werde.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde vom steuerlichen Vertreter der Bw. ergänzend ausgeführt, dass die Bw. nunmehr Teile ihrer Verwaltung nach Polen auslagert habe bzw. ertragssteuerliche Fragen betreffend alle Konzerngesellschaft von der europäischen Muttergesellschaft Europamutter erledigt würden. Der zuständige Abteilungsleiter sei Herr NN.

Mittlerweile sei der Berufungswerberin die Vereinbarung anlässlich des "Spin Off" im Jahr 2007 übermittelt worden aus welcher hervorgehe, dass alle wechselseitigen Ansprüche aus etwaigen Strafzahlungen zwischen den ehemaligen Mutter bzw. Schwester- und Tochtergesellschaften erledigt seien und kein Regress gegen etwaige Verursacher möglich sei. Eine Kopie dieser Vereinbarung (abgefasst in englischer Sprache) wurde im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegt und zum Akt genommen.

Der steuerliche Vertreter verwies auf seine Schreiben vom 28.11. und und stellte den Inhalt des belgischen Abgabebescheides dergestalt dar, dass seiner Ansicht nach der von der belgischen Finanzverwaltung als abzugsfähig angesehene Betrag die Gewinnabschöpfung umfasse. In diesem Betrag seien die hier strittigen € 2,611.000,00 enthalten.

Weiters legte der steuerliche Vertreter die Seiten 439 und 440 des Beschlusses der EU-Kommission vor, woraus sich - trotz unübersichtlicher und kaum nachvollziehbarer Aufgliederung - ergebe, dass dieser auf Seite 439 die Strafe (im gegenständlichen Fall € 1.519.000,00) ausweise und der als Gewinnabschöpfung anzusehende Betrag von € 2,611.000,00 auf Seite 440 dargestellt sei.

Der Vertreter des Finanzamtes verwies auf die verkürzte Version des Beschlusses der EU Kommission wie in der CELEX Datenbank veröffentlicht und stellte dar, dass die Geldbuße nach Maßgabe der Beteiligung am Kartell festgesetzt worden sei.

Die Aufteilung aus dem belgischen Abgabenbescheid habe zwar eine gewisse Indizwirkung dass Gewinnabschöpfungsbeträge vorliegen könnten, jedoch sei dies belgischen Steuerrecht und im streitgegenständlichen Fall daher nicht von Bedeutung.

Seit dem AbgÄG 2011 sei die Lage in Österreich klar geregelt, da seit diesem Zeitpunkt Kartellstrafen jedenfalls nicht abzugsfähig seien. Diese Meinung werde in der Literatur auch für Vorzeiträume vertreten, so sei beispielsweise auf den Salzburger Steuerdialog 2009 sowie die EStR zu verweisen.

Zuletzt sei wirtschaftlich nicht einsehbar warum nach zuvoriger Schädigung der Konsumenten durch das Kartell nunmehr der österreichische Abgabengläubiger auf Abgabenforderungen von rund 650.000,-- Euro verzichten solle.

Der Vertreter der Berufungswerberin replizierte, dass die wirtschaftlichen Entscheidungen betreffend Festsetzung der Kaufpreise der Sanitärkeramik nicht bei der Berufungswerberin getroffen worden seien, da die Berufungswerber LKW-Bremssysteme produziere und nur als Vertreter der Herstellerin der Sanitäreinrichtung fungiert habe. Die Entscheidungen über Preisfestsetzungen seien ausschließlich bei der produzierenden Schwestergesellschaft X-Gesellschaft Deutschland getroffen worden.

Die Entscheidung der belgischen Finanzverwaltung sei wesentlich und könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtsfrage betreffend die Behandlung von Kartellstrafen in zwei EU-Mitgliedstaaten unterschiedlich zu beantworten sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender - von beiden Parteien außer Streit gestellter Sachverhalt - liegt der Entscheidung zu Grunde:

Die Bw. ist industrieller Hersteller von Bremssytemen für Lastkraftwagen und war zunächst eine Tochtergesellschaft der X-USA-Gesellschaft. Seit der Trennung ("Spin Off") im Jahr 2007 bestehen nunmehr die X-USA-Gesellschaft-neu mit Sitz in den USA und die in Europa ansässige Europa Gruppe, wobei die Bw. eine 100% Tochter der in Belgien ansässigen Europamutter ist. Seit dem Jahr 1984 bestand zwischen der Bw. und ihrer Schwestergesellschaft X-Gesellschaft Deutschland ein Handelsvertretervertrag für den alleinigen Vertrieb der von der Schwestergesellschaft hergestellten Sanitärkeramik, Acrylwannen und Sanitärarmaturen.

Mit Beschluss vom verhängte die EU-Kommission gegen die Mitglieder der gesamten ehemalige X-USA-Gesellschaft (nunmehr X-USA-Gesellschaft-neu. und Europa Gruppe) in einem Verfahren nach Art 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen eine Geldbuße (Kartellstrafe) im Gesamtausmaß von € 326,091196,00. Dabei entfielen auf die Bw. folgende Beträge:
- unter Pkt. 3 c) des Kommissionsbeschlusses gemeinschuldnerisch mit der Europamutter und X-USA-Gesellschaft-neu ein Betrag von € 1.519 000,00 sowie
- unter Pkt. 3 h) des Kommissionbeschlusses gemeinschuldnernisch mit X-USA-Gesellschaft-neu € 2.611.000,00

Die Gesamtgeldbuße im Betrag von € 326.091.196,00 wurde von Europamutter zur Gänze bezahlt und an die Töchter weiterverrechnet. Dabei entfiel auf die Bw. ein weiterverrechneter Betrag von € 2.611.000,00 - das entspricht jenem Teil der Geldbuße unter Pkt 3 h) des Kommissionsbeschlusses, bei welchem die Muttergesellschaft nicht als Gesamtschuldnerin der verhängten Strafe genannt wird. Die unter 3 c des Kommissionbeschlusses ausgewiesene Geldbuße von € 1,5190.000,00 wurde von der Europamutter nicht an die Bw. weiterverrechnet.

Von der Europamutter wurde in Belgien die gesamte Strafzahlung von rd. € 326 Mio als Aufwand geltend gemacht. Die belgische Finanzverwaltung kürzte den geltend gemachten Aufwand um € 64.413.902,00 und begründete die Nichtanerkennung im Bescheid vom damit, dass Strafzahlungen nicht abzugsfähig seien. Der restliche geltend gemachte Aufwand von € 261.677.294,00 wurde im Rahmen des belgischen Steuerbescheides bei der Muttergesellschaft gewinnmindernd berücksichtigt.

Am klagten Bw. und X-USA-Gesellschaft-neu gemeinsam mit den übrigen betroffenen Gesellschaften unter T 380/10 vor dem EuGH auf Überprüfung der Kartellstrafe der Kommission über welche Klage der entschied. Die Geldbuße betreffend andere Gesellschaften wurde aufgehoben bzw. reduziert, da die Kommission hinsichtlich Italien den Kartellvorwurf betreffend Italien nicht nachweisen konnte, der hier strittige Betrag blieb in diesem Urteil gegenüber dem bekämpften Kommissionsbeschluss dem Grunde und der Höhe nach sowie hinsichtlich der als Gesamtschuldner ausgewiesenen Körperschaften unverändert.

Rechtlich folgt daraus:

Nach § 4 Abs 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Gemäß § 20 Abs. 1 Zif. 2 lit. a EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen nicht abgezogen werden. Für den Bereich der Körperschaften normiert § 12 Abs. 1 Z.4 KStG 1988 die Nichtabzugsfähigkeit von Geld- und Sachzuwendungen, deren Gewährung oder Annahme mit gerichtlicher Strafe bedroht ist sowie Verbandsgeldbußen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG).

Bei Geldstrafen, deren Verhängung durch das eigene Verhalten des Betriebsinhabers ausgelöst worden ist, ist davon auszugehen, dass die Zuwiderhandlungen, die zur Bestrafung führen, nicht in den Rahmen einer normalen Betriebsführung fallen und demnach nicht im Betrieb als solchen, sondern im schuldhaften Verhalten des Betriebsinhabers ihre auslösende Ursache haben. Derartige dem Betriebsinhaber auferlegte Strafen sind nach der herrschenden Judikatur nicht abzugsfähig, weil es mit dem Strafzweck unvereinbar wäre, im Wege der steuerlichen Entlastung den Pönalcharakter der Strafe zumindest teilweise unwirksam zu machen (). Ausnahmsweise sind Strafen dann abzugsfähig, wenn sie - bei entsprechendem Zusammenhang mit der Einkunftsquelle - nur bei Bestrafungen in Betracht kommen, die vom Nachweis eines bestimmten Verschuldens des Bestraften nicht abhängig sind oder nur ein geringes Verschulden voraussetzen ().

Strafen sind nach herrschender Auffassung nicht abzugsfähig, weil sie nicht durch den Betrieb veranlasst gesehen werden (Doralt, EStG 1985, § 4 Tz 258; Rz 1649 EStR 2000). Allerdings gibt es auch hier Abstufungen: je näher das die Strafe auslösende Verhalten zum "normalen" Betriebsgeschehen und je geringer der Unrechtsgehalt ist, umso eher werden Ausnahmen anerkannt (Organmandat wegen Entladens von Waren, Rz 1649 EStR 2000). Darüber hinaus werden auch Strafen insoweit als abzugsfähig anerkannt, als sie dazu dienen, eine bereits erlangte Bereicherung abzuschöpfen (BMF, RdW 1997, 767; Doralt, RdW 2004, 94). Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorteilsabschöpfung in § 4 Abs 5 Z 8 dEStG ausdrücklich verankert: Danach sind Geldbußen grundsätzlich nicht absetzbar; soweit allerdings der wirtschaftliche Vorteil, der durch den Gesetzesverstoß erlangt worden ist, durch die Geldbuße abgeschöpft wird, gilt das Abzugsverbot nicht.

Daraus lässt sich erkennen, dass Strafen wegen eines im Rahmen einer einkunftsrelevanten Tätigkeit gesetzten unrechtmäßigen Verhaltens regelmäßig nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, weil die Absetzbarkeit deren Pönalcharakter unterlaufen würde. Die Begründung dafür ergibt sich aus der Interpretation des allgemeinen Betriebsausgabenbegriffs (Atzmüller, RdW 2006, 305f).

Nach Bachl in ecolex 2005, 397 zur Rechtslage vor dem AbgÄG 2005 und dem VbVG enthalte das KStG anders als das EStG jedoch keine Norm, welche die Abzugsfähigkeit von Geldstrafen und Bußgeldern verhindere. Im Verweiskatalog des § 12 KStG sei nämlich § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 nicht enthalten, womit es für den Bereich des KStG an einer die Nichtabzugsfähigkeit von Geldstrafen begründeter Norm fehle.

Ein explizites Verbot der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Geldstrafen findet sich tatsächlich erst seit dem AbgÄG 2005 in § 12 Abs. 1 Z. 4 KStG 1988 und § 20 Abs. 1 Z. 5 EStG 1988 im Hinblick auf Verbandsgeldbußen nach dem VbVG. Sonstige ausdrücklich normierte steuerliche Abzugsverbote hinsichtlich anderer Geldstrafen und Geldbußen bestanden bis zum AbgÄG 2011 (und daher im Streitzeitraum) weder im KStG noch im EStG.

Geldbußen, die - wie Kartellstrafen - mit dem Betrieb eines Unternehmens zusammenhängen, sind, wenn sie durch den Betrieb veranlasst sind grundsätzlich unter den Betriebsausgabenbegriff des §4 Abs. 4 EStG 1988 zu subsumieren und wären daher grundsätzlich steuerlich abzugsfähig. Eine Nichtanerkennung dieser Betriebsausgabe stellt daher sowohl im Bereich der Einkommensteuer als auch im Bereich der Körperschaftsteuer eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips dar, die einer sachlichen Rechtfertigung bedarf. Dies insbesondere, da ein solches Abzugsverbot außerhalb der Strafen nach dem VbVG nicht explizit gesetzlich verankert ist.

Zur Frage der Abzugsfähigkeit von Geldstrafen in der Einkommensteuer besteht schon seit Jahrzehnten eine umfangreiche Judikatur des VwGH, die im Regelfall zur Nichtabzugsfähigkeit der Strafe führt. Der VwGH stützt sich dabei im Wesentlichen auf zwei Argumente:

Einerseits versagt er die Abzugsfähigkeit von Geldstrafen mit dem Argument, dass Geldstrafen nicht im Rahmen einer normalen Betriebsführung angefallen sind und daher nicht im Betrieb als solchem, sondern im schuldhaften Verhalten des Betriebsinhabers begründet sind. Aus diesem Grund sind die Strafen der persönlichen Lebensführung zuzurechnen und damit steuerlich nicht abzugsfähig (; , 90/13/0063; , 96/14/0022).

Das zweite Hauptargument versagt die Abzugsfähigkeit von Geldstrafen im Wesentlichen aufgrund des Pönalcharakters der Strafe, der durch eine Abzugsfähigkeit nicht gemindert werden soll. Es wäre mit dem Strafzweck einer Norm nicht vereinbar, wenn der Pönalcharakter der Strafe zumindest teilweise über die Steuer unwirksam gemacht werden würde (; Zl 664/72; , 2848/79, 441/80).

Die bisher entschiedenen Fälle betrafen immer nur die Einkommensteuer natürlicher Personen. Fälle zur Körperschaftsteuer wurden in diesem Zusammenhang vom VwGH soweit ersichtlich bisher noch nicht entschieden. Körperschaften können zwar, wie der VwGH bereits mehrfach bestätigt hat eine außerbetriebliche Sphäre haben, ob diese aber mit der persönlichen Lebensführung einer natürlichen Person gleichzusetzen ist scheint fraglich. Damit ist das erste Argument des VwGH möglicherweise nicht ohne weiteres auf Kapitalgesellschaften übertragbar.

Eine sachliche Rechtfertigung für die Nichtabzugsfähigkeit von Geldstrafen bei Körperschaften ist aber darüberhinaus im zweiten Argument, nämlich dem Pönalcharakter der Strafe zu finden. Wiewohl die Frage der Abzugsfähigkeit von EU Kartellbußen bei Körperschaften in der Literatur stets kontroversiell diskutiert wurde (Tanzer, Geldstrafen 125 ff; Bachl in Leitner, FinStr 2004, 135 ff; Doralt, RdW 2004/94, 117; Kofler/Bieber, ZAK 2009/289, 190, Blazina, SWK 2002, S 331, Atzmüller, RdW 2006/296, 308 ff; Zeder, JBl 2007, 477; Endfellner/Tengg, UFSaktuell 2009, 91 f) ist aus der Judikatur deutlich erkennbar, dass der Pönalcharakter einer Strafe deren Abzugsfähigkeit unterbindet (; , 2848/79, 441/80; , 99/13/0221; ; ). Besonders deutlich führt dies der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 2008/13/0026 aus, wonach eine Absetzbarkeit von Geldstrafen die rechtspolitisch angestrebten Wirkungen der Strafe durch eine Herabsetzung der Steuerlast mindern würde.

Die herrschende Judikatur, welche in diesem Bereich nicht dem streng objektivierten Betriebsausgabenbegriff folgt und bereits zur Rechtslage vor dem AbgÄG 2005 bestand, wurde bereits durch die Verankerung der Nichtabzugsfähigkeit von Strafen nach dem VbVG durch das AbgÄG 2005 gestützt und bestätigt (aA, da das Steuerrecht wertneutral sei, Bachl, ecolex 2006, 245; Endfellner/Tengg, UFSaktuell 2009, 91 f; Atzmüller, RdW 2006/296, 308 ff)

Das VbVG regelt die strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen für Handlungen ihrer Mitarbeiter. Der Gesetzestext des § 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988 schließt ausdrücklich nur Verbandsgeldbußen nach dem VbVG von der Abzugsfähigkeit aus. Dennoch wurde in teleologischer Interpretation und nach herrschender Ansicht davon ausgegangen, dass aus Gründen der Verwandtheit des Regelungsbereiches auch Verbandsstrafen nach dem FinStrG von dieser Bestimmung erfasst waren (Kofler/Bieber, Zak 2009/289, 190; Bachl, ecolex 2006, 245).

Bis zur Verankerung der Nichtabzugsfähigkeit von Verbandsgeldbußen durch das AbgÄG 2005 fand sich somit weder im EStG noch im KStG eine positivrechtlich normierte Bestimmung, dass Strafen und Geldbußen steuerlich nicht abzugsfähig seien. Trotz der bestehenden umfangreichen Judikatur wird die Anwendbarkeit derselben auf Körperschaften in der Literatur teilweise als fraglich angesehen (Bachl, aao).

Die von der Judikatur vertretene Rechtsansicht der pönal bedingten Nichtabzugsfähigkeit Strafen wird wegen der angeblichen Wertneutralität des Steuerrechts vereinzelt kritisiert. Dieser Kritik ist nach Ansicht des Senates nicht zu folgen. Das Steuerrecht dient seit vielen Jahren auch dazu wirtschaftspolitische, gesellschaftspolitsche und rechtspolitische Ziele zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang sei auf die jüngsten Novellen betreffend Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten, Anhebung des Sonderausgabenabzuges für Kirchenbeiträge, Besteuerung von Vermögenszuwächsen im Rahmen des Kapitalveranlagungen und der Immobilien uÄ verwiesen. Durch das AbgÄG 2011 erfolgte durch die nunmehrige Fassung des § 20 Abs. 5 EStG bzw. § 12 KStG die Klarstellung, dass EU-Geldbußen nicht abzugsfähig sind. Damit stellte der österreichischen Gesetzgeber klar, dass die bis dahin entwickelte Judikatur und Verwaltungspraxis der Versagung des diesbezüglichen Betriebsausgabenabzuges seinen Intentionen entsprach. In den Erläuterungen wird ausdrücklich auf die bisherige Judikatur verwiesen und im Interesse der Wahrung der Einheit der Rechtsordnung klargestellt, dass bei einem durch die Rechtsordnung verpönten Verhalten, das eine Strafe oder Buße nach sich zieht, ein Abzug als Betriebsausgaben generell nicht in Betracht kommt. Eine ausdrückliche Gewinnabschöpfung werde aber vom Abzugsverbot weiterhin nicht erfasst.

Aufgrund der gegebenen vielfachen Durchbrechung der Wertneutralität des österreichischen Steuerrechts und im Lichte der internationalen Rechtsentwicklung können daher Überlegungen zur Wertneutralität des Steuerrechts nicht mehr als Auslegungsmaßstab herangezogen werden. (Lachmayer, RdW 2011, 312)

Sogar Vertreter des Argumentes der Wertneutralität erweitern aber die Bestimmung der § 12 Abs.1 Z. 4 KStG idF des AbgÄG 2005 über dessen ausdrücklichen Wortlaut hinaus auf Verbandsstrafen nach dem FinStrG und argumentieren mit der inhaltlichen Nähe dieser Geldbußen (Bachl, ecolex 2006, 245ff). Damit widersprechen sie aber ihrer eigenen Argumentation der fehlenden ausdrücklichen gesetzlichen Regelung und der daraus aus Gründen der Wertneutralität des Steuerrechts abzuleitenden Abzugsfähigkeit.

Nach Ansicht des Senates ist es für die Frage der Besteuerung einer Betriebseinnahme daher nicht relevant, ob sie aus legalen oder illegalen Quellen stammt, da eine Einschränkung des Betriebseinnahmenbegriffes im österreichischen Steuerrecht nicht erkennbar ist. Einschränkungen des Betriebsausgabenabzuges aus steuerlichen und außersteuerlichen Gründen sind jedoch zahlreich im Ertragssteuerrecht zu finden, wobei in den letzten Jahren eine verstärkte klarstellende Einschränkung im Bereich des Abzugsverbotes betreffend strafrechtlich relevantem oder anderem rechtswidrigen Verhalten zu erkennen ist (Krafft in Wiesner/Wanke EStG 1988, § 20, Anm. 79; BetrugsbekämpfungsG 2010 oder Abzugsverbot von Schmiergeldzahlungen). Auch diesen Abzugsverboten wohnt ein pönaler Charakter inne.

Eine steuerliche Abzugsfähigkeit einer Strafe würde den Pönaleffekt sowohl hinsichtlich der spezial- als auch der generalpräventiven Wirkung mindern. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er auf der einen Seite durch Normierung von Strafen und Geldbußen unerwünschtes Verhalten pönalisiert und diesen Bestrafungscharakter im Wege eines Steuerabzuges teilweise wieder zurücknimmt. Überdies würde durch eine mögliche Abzugsfähigkeit und der damit verbunden Steuerersparnis die Strafe teilweise wirtschaftlich auf die Allgemeinheit überwälzt, was wohl der Intention der Bestrafung selbst zuwider läuft.

Dieser Grundsatz ist auch auf Körperschaften übertragbar, da es für die Frage der Wirksamkeit einer Sanktion nicht darauf ankommen kann, ob die Strafe aufgrund der höchstpersönlichen Schuld des Betriebsinhabers verhängt wurde. Eine diesbezüglich unterschiedliche Behandlung von natürlichen und juristischen Personen erscheint nicht gerechtfertigt.

Da general- und spezialpräventive Gründe nicht nur im Strafrecht im engen Sinn (dem StGB), sondern auch im Verwaltungsstrafrecht und im Wirtschaftsstrafrecht (zB Kartellrecht) eine wesentliche Rolle spielen, ist daher auch bei Strafen und Geldbußen, die in diesen Rechtsbereichen verhängt werden, von einer Nichtabzugsfähigkeit auszugehen.

Hinsichtlich der Behandlung von Kartellbußen der EU-Kommission stellte der EuGH im Urteil Rs X BV, C 429/07 klar, dass eine Abzugsfähigkeit einer derartigen Geldbuße die vorgesehen Sanktion beeinträchtigt und eine kohärente Anwendung der europarechtlichen Vorschriften zu Kartellen und Wettbewerbsverstößen (Art 81 EG und 82 EG-alt; Art 101 und 102 AEUV) gefährdet. Eine Abzugsfähigkeit könnte daher allenfalls nur dann gegeben sein, wenn die Steuerentlastung bereits bei der Verhängung der Strafe berücksichtigt worden wäre.

Hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der von der EU-Kommission verhängten Geldbußen gibt es keine expliziten primärrechtlichen oder sekundärrechtlichen Vorgaben, die Abzugsfähigkeit richtet sich nach den Vorschriften des Ansässigkeitsstaates. In diesem Zusammenhang ist aber die Rechtsansicht des EuGH von wesentlicher Bedeutung. Auch der EuGH argumentiert deutlich in Richtung des pönal begründeten Abzugsverbotes. Er führt aus, dass mit der Nichtabzugsfähigkeit keine eigenständige Sanktion verhängt werde, sondern vielmehr einer von einem Gericht bzw. der EU-Kommission verhängten Strafe nicht die Wirksamkeit genommen werden. Durch die Verringerung der Steuerlast würde die Geldbuße teilweise ausgeglichen und damit die vorgesehene Sanktion beeinträchtigt (Rs X BV, ; Lachmayer, RdW 2011/310, 310).

Die Bundeswettbewerbsbehörde teilte zudem im Schreiben vom mit, dass Geldbußen der EU-Kommission nicht abzugsfähig seien und dies auch für einen möglichen Gewinnabschöpfungsteil zu gelten habe.

Im Bereich des EU-Rechts, also insbesondere bei Geldbußen der EU-Kommission wegen Wettbewerbsverletzungen, besteht daher nach Ansicht des Senates schon aus europarechtlichen Gründen auch für Zeiträume vor dem AbgÄG 2011 eine Nichtabzugsfähigkeit der Geldbußen. Die bisherige Rechtsprechung zur Nichtabzugsfähigkeit von Kartellbußen ist daher im Lichte des Europarechts und die Rechtsprechung des EuGH bestätigt.

Gleiches lässt sich aus der von der Bw. vorgelegten Entscheidung der belgischen Steuerbehörden erkennen, welche ebenfalls die von der EU Kommission verhängten Geldstrafen in welchen die Europamutter als Gesamtschuldner ausgewiesen ist vom Betriebsausgabenabzug (€ 64.413.902,00) ausschließt.

Nach herrschender Ansicht und Judikatur ist bei Geldbußen, die einen Abschöpfungsanteil enthalten, dieser Teil abzugsfähig. Nur jener Teil, der auf die echte Strafe entfällt, wird als nichtabzugsfähig angesehen (Bertl/Hirschler, RWZ 2005/23, 77, Doralt, RdW 2004/94, 117; Kofler/Bieber, ZAK 2009/289, 190, Blazina, SWK 2002, S 331). Sollte allerdings ein Abschöpfungsanteil nicht festgestellt und auch nicht geschätzt werden können, ist nach der Verwaltungspraxis die ganze Strafe nicht abzugsfähig (EStR 2000 Rz 1523a). Rückstellungen für drohende Wettbewerbsbußen sind nur in dem Ausmaß steuerlich beachtlich, in dem ein zukünftiger Abschöpfungsanteil bereits feststeht (Bertl/Hirschler, RWZ 2005/23, 77).

Zahlungen wegen Übertretung eines Wettbewerbsverbotes sind daher insoweit abzugsfähig, als sie einen Abschöpfungsanteil enthalten (Abschöpfung des rechtswidrig erlangten wirtschaftlichen Vorteils bzw der Bereicherung - EStR 1699). Dies gilt sinngemäß auch für Kartellstrafen der EU sowie für Geldbußen nach § 29 Z 1 KartellG, wobei aber die Höhe des Abschöpfungsbetrages aus der Entscheidung hervorgehen oder auf andere Weise eindeutig nachgewiesen werden muss. Eine Schätzung kommt diesfalls nicht in Betracht (Jakom, EStG 1988,4.Auflage, § 4 Rz 330).

Fraglich ist, ob bei EU-Geldbußen, bei denen ein Abschöpfungsanteil normalerweise nicht extra ausgewiesen ist, in erster Linie von einer Abschöpfung ausgegangen werden kann. Nach den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen der Europäischen Kommission (2006/C2010/02) richtet sich der Grundbetrag einer EU-Geldbuße nach dem Umsatz. Weiters können bei der Höhe der Geldstrafe erschwerende und mildernde Umstände berücksichtigt werden. Daraus könnte geschlossen werden, dass zumindest der Grundbetrag der Geldbuße im Wesentlichen einen Abschöpfungscharakter hat.

In der Stellungnahme der Kommission zum Verfahren C-429/97 machte diese geltend, dass die "Entziehung eines Vorteils" eindeutig nicht der Hauptzweck der Geldbußen sei, die sie gegen Unternehmen verhängt, die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen haben. Der Generalanwalt bestätigte in seinen Schlussanträgen in RN 55 diese Ansicht der Kommission mit Verweis auf die Rs Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, in der der EuGH festgehalten hatte, dass der Gewinn, den die Unternehmen aus ihren wettbewerbswidrigen Praktiken ziehen konnten, zu den Faktoren gehört, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle spielen, und dabei die Berücksichtigung dieses Faktors die abschreckende Wirkung der Geldbuße gewährleisten soll. Daraus ist eindeutig erkennbar, dass EU-Kartellbußen keinen Abschöfpungscharakter in sich tragen.

Die den Streitgegenstand bildende Geldbuße der EU-Kommission beinhaltet daher konsequenterweise keine Darstellung einer Gewinnabschöpfung sondern stellt - in Anwendung der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art. 13 Absatz 2 Buchstabe a) der EG-Verordnung Nr.1/2003 - unter Pkt. 2.4.1 den spezialpräventiven Grundbetrag (variabler Betrag) der Strafe und den generalpräventiven Zusatzbetrag (Eintrittsgebühr) dar. Sowohl der Grundbetrag als auch der Zusatzbetrag wurden mit je 15% des Jahresumsatzes des letzten vollständigen Geschäftsjahres in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war berechnet und mit dem entsprechenden Vervielfacher hochgerechnet. Beide Beträge werden mit 15% des Umsatzes des letzten vollständigen Geschäftsjahres in dem das Unternehmen an der Zuwiderhandlung beteiligt war berechnet (Absatz 13 der Leitlinie) und mit dem entsprechenden Vervielfacher multipliziert (Absatz 19 der Leitlinie). Diese Berechnung wurde hinsichtlich der Bw. und ihrer Mitschuldnerin X-USA-Gesellschaft-neu mit sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bestätigt.

Im Hinblick auf ein in Deutschland anhängiges Steuerverfahren zur Frage welcher Teil einer Kartellbuße der EU-Kommission als Abschöpfungsbetrag abzugsfähig sei, hatte die EU-Kommission in einem Schreiben vom klargestellt, dass ihre Geldbußen im Zuge von Verstößen gegen das europäische Wettbewerbsrecht rein bestrafender Natur seien und daher nicht von einem Abschöpfungsbetrag als Bestandteil der EU-Geldbuße auszugehen sei (Reidlinger/Rittenauer, Aktuelle Entwicklungen zur steuerlichen (Nicht-) Abzugsfähigkeit von kartellrechtlichen Geldbußen, ÖZK 2011,48). Die Bundeswettbewerbsbehörde schloss daraus in ihrem an den UFS gerichteten Schreiben vom , dass die von der Europäischen Kommission verhängten Geldbußen zur Gänze unter das Abzugsverbot fallen.

Die von der Bw. vorgebrachte Argumentation, dass die gesamte gegen sie verhängte Geldbuße eine Gewinnabschöpfung darstelle kann weder aus dem Beschluß der EU-Kommission, noch den Leitlinien über die Berechnung der Geldbuße noch dem Urteil des EuGH abgeleitet werden.

Auch der Umstand, dass die belgische Finanzverwaltung eine großen Teil der von der Muttergesellschaft als Aufwand geltend gemachten Zahlungen anerkannt hatte, lässt entgegen der Auffassung des Bw. nicht den Schluss zu, dass diese Zahlungen daher abzugsfähige Gewinnabschöpfung darstellen müsste. Zunächst ist auszuführen, dass die Rechtsansicht eines ausländschen Finanzamtes keinesfalls den UFS binden kann.

Weiters ist aber auch in der belgischen Entscheidung eindeutig erkennbar, dass jene Strafzahlungen bei welchen die Europamutter als Gesamtschuldnerin ausgewiesen ist (€ 64.413.902,00) ungekürzt vom Steuerabzug ausgeschlossen wurden und dies damit begründet wurde, dass Strafen nicht abzugsfähig sind. Lediglich jene Beträge die von der Europamutter für ihre Tochtergesellschaften bezahlt worden waren (€ 261.677.294,00) wurden als abzugsfähig behandelt. Ohne den Jahresabschluss der Europamutter zu kennen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Bw., dass die von den Tochtergesellschaften geschuldeten Anteile der Geldbuße an die Muttergesellschaft entrichtet worden waren. Sie waren daher - so auch das glaubwürdige Vorbringen der Bw. - im Ertrag der Muttergesellschaft ausgewiesen, welcher durch die aufwandswirksame Zahlung der Gesamtstrafe wieder neutralisiert wurde. Dadurch wurde der Vorgang bei der Europamutter insgesamt erfolgsneutral und zeitigte daher dieselbe Wirkung wie der abgabenrechtlich korrekte Ansatz einer ebenfalls steuerneutralen Gewinnausschüttung der Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft. Anders als die Bw. behauptet, lässt sich daher aus der Vorgehensweise in Belgien nicht darauf schließen, dass die dort abgezogenen Strafzahlungen den abzugsfähigen Gewinnabschöpfungsanteil der Geldbuße darstellen. Im Gegenteil weist sich die Vorgangsweise der belgischen Steuerbehörde in Richtung gänzlicher Nichtabzugsfähigkeit der Gesamtstrafe bei den jeweils betroffenen Gesellschaften.

Der Senat folgt daher den Ausführungen der EU-Kommission, dass die von ihr verhängte Geldbuße zur Gänze pönalen Charaker hat und keine Gewinnabschöfpungsanteil enthält. Dementsprechend stellt auch der gesamte von der Bw. via die Europamutter bezahlte Strafbetrag in Höhe von € 2.611.000,00 eine nicht abzugsfähige Geldbuße dar. Der Umstand, dass die Bw. lediglich als Handelsvertreterin ihrer deutschen Schwestergesellschaft an dem von der Kommission festgestellten Kartell teilgenommen hatte ist dabei im Hinblick auf das ohne Bedeutung.

Die Teilnahme an einem Kartell in welcher Funktion auch immer kann keinesfalls als mit dem üblichen Betriebsgeschehen in Zusammenhang stehend angesehen werden. Das Verschuldensausmaß der Bw. ist aus diesem Grund nicht weiter zu untersuchen bzw. entscheidungsrelevant.

Der Antrag der Bw. auf Fristverlängerung zur Beantwortung des Fragenvorhaltes war abzuweisen, da die Bw. einerseits nach Ansicht des Senates seit Einbringung der Berufung ausreichend Zeit gehabt hatte Unterlagen zur Stützung ihres Begehrens beizuschaffen und vorzubereiten und überdies beide Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärten, dass der oben festgestellte entscheidungsrelevante Sachverhalt außer Streit gestellt werde. Strittig war daher lediglich die Rechtsfrage der Abzugsfähigkeit der Geldbuße.

Ähnliches gilt für den Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung. Da der Sachverhalt unstrittig und der Inhalt der in englischer und französischer Sprache vorgelegten Unterlagen klar und eindeutig ist, war eine Vertagung zwecks Übersetzung der Unterlagen zur Sachverhaltsklärung nicht erforderlich.

Bezüglich der von der Bw. behaupteten und allenfalls bestehenden Doppelbesteuerung und des eingebrachten Antrags auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens ist festzuhalten, dass die maßgebliche abkommensrechtliche Bestimmung des Art. 25 Abs. 1 DBA Österreich-Belgien (DBA) lautet: "Ist eine in einem Vertragstaat ansässige Person der Auffassung, daß die Maßnahmen eines Vertragstaates oder beider Vertragstaaten für sie zu einer Besteuerung geführt haben oder führen werden, die dem Abkommen nicht entspricht, so kann sie unbeschadet der nach innerstaatlichem Recht dieser Staaten vorgesehenen Rechtsmittel bei der zuständigen Behörde des Vertragstaates, in dem sie ansässig ist, schriftlich einen Antrag auf Überprüfung dieser Besteuerung stellen." Gemäß Art. 3 Abs.1 Z.6 lit. b DBA bedeutet der Ausdruck "zuständige Behörden" im Sinne des genannten Abkommens in Österreich: den Bundesminister für Finanzen.

Aus den zitierten Bestimmungen geht zunächst eindeutig hervor, dass Berufungs- und Verständigungsverfahren zwei von einander unabhängige Verfahren sind. Weiters wird klargestellt, dass die zuständige Behörde für die Durchführung eines Verständigungsverfahrens und damit die Behörde bei welcher ein entsprechender Antrag einzubringen ist, der Bundesminister für Finanzen ist. Für den UFS ist aus dem DBA an keiner Stelle eine Zuständigkeit im Rahmen des Verständigungsverfahrens vorgesehen.

Gemäß § 260 BAO hat über Berufungen gegen von Finanzämtern oder von Finanzlandesdirektionen erlassene Bescheide der unabhängige Finanzsenat (§ 1 UFSG) als Abgabenbehörde zweiter Instanz durch Berufungssenate zu entscheiden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Daraus und aus den oben dargestellten Bestimmungen des DBA ist ersichtlich, dass dem UFS im Verständigungsverfahren keinerlei Rolle zukommt. Der Antrag der Bw. an den UFS auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens mit Belgien geht daher ins Leere.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Art. 23 Abs. 2 lit. A EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom S. 1
§ 20 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 101 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47
Art. 53 EWR-Abkommen, BGBl. Nr. 909/1993
§ 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 12 Abs. 1 Z 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 20 Abs. 1 Z 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
VwGH, 99/13/0221
VwGH, 96/14/0022
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000
VwGH, 86/14/0061
VwGH, 90/13/0063
UFS, RV/0018-L/07
UFS, RV/0884-W/02
EuGH, C-429/07
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 1523a
Zitiert/besprochen in
Krafft in
StExp 2014/86
Bieber/Ettmayer in

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at