Verlagerung der Lebensinteressen ins Ausland, trotz aufrechter Ehe in Österreich.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Hofrätin Dr. Anna Maria Radschek und die weiteren Mitglieder Hofrat Mag.Dr. Kurt Folk, Werner Just und Mag. Robert Steier im Beisein der Schriftführerin Gerlinde Maurer über die Berufung des Bw., vertreten durch Grant Thornton Unitreu GmbH, 1200 Wien, Handelskai 92, Gate 2, 7a, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer 2009 nach der am in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung, entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2009 wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Strittig ist, ob der Berufungswerber (Bw.) im Veranlagungsjahr 2009 der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt.
Der Bw. brachte am seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 elektronisch ein, wobei er bis dahin dem Finanzamt unbekannte unter Progressionsvorbehalt zu versteuernde ausländische Einkünfte i.H.v. 41.514,64 € erklärte.
Im Einkommensteuerbescheid 2009 vom wurden sodann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne inländischen Steuerabzug i.H.v. 41.514,64 € der unbeschränkten Steuerpflicht unterzogen.
Der Bw. erhob gegen den o.a. Bescheid vom Berufung und begründet diese sowie in den Schriftsätzen vom und im Wesentlichen folgendermaßen:
Beantragt werde
a) die Aufhebung der unbeschränkten Steuerpflicht ab wegen Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltsorts nach Sofia (Bulgarien),
b) die Neuberechnung der Einkommensteuer 2009 unter Berücksichtigung der beschränkten Steuerpflicht auf die erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Honorar für die aus dem Ausland ausgeübte handelsrechtliche Geschäftsführung einer im Inland gelegenen Kapitalgesellschaft) und
c) den Ausschluss der als Dienstnehmer einer bulgarischen Gesellschaft im Veranlagungszeitraum (im Ausland) erzielten Einkünfte von der österreichischen Besteuerung.
Lt. Bw. sei der gewöhnliche Aufenthaltsort und der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen im gesamten Veranlagungszeitraum in Sofia (Bulgarien) gelegen gewesen.
Die tatsächliche Wohnadresse habe seit Jänner 2009 gelautet: A.
Der Bw. sei in der Zeit von bis von der Firma B, als Dienstnehmer nach Sofia entsandt worden.
Mit sei das bestehende Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst sowie der Entsendevertrag beendet worden.
Aus persönlichen Gründen (Trennung vom Ehepartner und die über eineinhalb Jahre stattgefundene Verlagerung der Lebensinteressen nach Sofia) habe er im Jahre 2008 den Entschluss gefasst, nicht nach Österreich zurückzukehren, sondern sich permanent in Bulgarien niederzulassen.
Als wirtschaftliche Grundlage für seine Zukunft nach Beendigung des Dienstverhältnisses mit der C, habe er 2008 als geschäftsführender Gesellschafter die bulgarische Gesellschaft D gegründet, die am in Sofia unter der Nr. 162173255 registriert worden sei.
Über diese Gesellschaft habe er einen Beratungsauftrag für ein Bauvorhaben in Moskau akquiriert.
Ab sei er ein Dienstverhältnis mit dieser Gesellschaft eingegangen und habe daraus im Veranlagungszeitraum die deklarierten Einkünfte bezogen.
Der o.a. Auftrag habe die kaufmännische Betreuung eines Immobilienprojekts umfasst und erfordere regelmäßig seine Anwesenheit in Moskau, weshalb er im Veranlagungszeitraum 23 Mal zwischen seinem Wohnort Sofia und dem Projektort Moskau gereist sei.
Aus den vorgelegten Flugticketrechnungen gehe unstrittig hervor, dass er nicht von Wien, sondern von Sofia nach Moskau geflogen sei.
Wegen der Trennung von seiner Frau, habe er auch seit Jahren keine Wohnmöglichkeit mehr in Wien, weshalb er anlässlich zweier dienstlicher Kurzbesuche im März 2009 in Hotels nächtigte (Hotelrechnung als Nachweis).
Auch die Rufaufzeichnungen des bulgarischen Mobilfunkbetreibers würden zeigen, dass sich sein ständiger Aufenthaltsort und Lebensmittelpunkt im Veranlagungszeitraum nicht in Österreich befunden habe.
Die im Veranlagungszeitraum angemietete Wohnung in W, sei ab dem Zeitpunkt seiner Entsendung nach Bulgarien ausschließlich von seiner von ihm seit einigen Jahren getrennt lebenden Ehegattin T benutzt und nach deren Auszug per mangels weiteren Bedarfs aufgegeben worden.
Lt. Bestätigung der bulgarischen Migrationsbehörde über den Langzeitaufenthalt des Bw. sei er seit in Bulgarien registriert.
Er sei seit bei der eigenen bulgarischen Gesellschaft E als Dienstnehmer beschäftigt gewesen. Die Abfuhr der auf sein Gehalt zu bezahlenden Lohnsteuer erfolge monatlich im Nachhinein durch den Dienstgeber an die zuständige Steuerbehörde (Nationale Agentur für Einnahmen, Büro Studentski Grad, Sofia).
Der im monatlichen Gesamtbetrag von BGN 1.319,00 (674,39 €) enthaltene Anteil betrage BGN 874,00 (446,87 €).
Weiters lege der Bw. den Lohnzettel aus der bulgarischen Personalverrechnung vor.
Die private Aufenthaltsdauer in Österreich habe im Jahre 2009 insgesamt nur 26 Tage betragen und habe im Wesentlichen Kurzbesuche von Verwandten und Bekannten umfasst, bzw. habe sie der Regelung von Angelegenheiten gedient, die eine persönliche Anwesenheit erforderten.
Da die Verhandlungen über die Bedingungen einer einvernehmlichen Scheidung sich bereits über mehrere Jahre hinzögen, könne noch keine Scheidungsurkunde vorgelegt werden.
Betreffend Nachweise über die Beendigung der österreichischen Wohnsitze halte der Bw. fest, dass die Wohnung ab seiner Entsendung nach Bulgarien ausschließlich von seiner von ihm getrennt lebenden Ehegattin benutzt worden sei. Obwohl sie bereits ab Sommer/Herbst 2008 über eine neue Unterkunft verfügt habe, sei sie aus verschiedensten Gründen erst im Frühjahr 2010 bereit gewesen, die von ihm angemietete Wohnung in Wien zu räumen, sodass die Aufgabe unter Einhaltung der Kündigungsfrist erst mit erfolgen habe können.
Darüber hinaus habe er weder 2009 noch zu irgendeinem späteren Zeitpunkt über eine Unterkunft in Österreich verfügt. Durch die vollständige Verlagerung seiner Lebensinteressen nach Bulgarien, habe er auch nicht vor, in absehbarer Zukunft nach Österreich zurückzukehren.
Die Gesellschaft E sei unter der Nr. 162173255 am in das Firmenregister des Handelsgerichts in Sofia eingetragen worden.
Der Bw. lege als Besteuerungsnachweis die Gewinnsteuererklärung für das Jahr 2009, sowie den Zahlungsbeleg vom über BGN 8.193,99 (4.189,52 €) an die zuständige Behörde vor.
Um nach seinem Ausscheiden aus der Firma C und der damit verbundenen Rückgabe seines österreichischen Mobiltelefons weiterhin über eine österreichische Telefonnummer erreichbar zu sein, habe er sich als Gesellschafter-Geschäftsführer (GF) der seit bestehenden Firma G, eine A1 Mobiltelefonnummer besorgt.
Während seiner Tätigkeit für die Firma C habe er auch ein bulgarisches Mobiltelefon des Betreibers M-Tel zur Verfügung gestellt bekommen, das mit Stichtag von seiner bulgarischen Gesellschaft übernommen worden sei.
Während der Tätigkeit des Bw. in Bulgarien (2007-2008) habe er einen Bedarf an wirtschaftlicher Projektbetreuung/Controlling im Baugeschäft erkannt und habe den Entschluss gefasst, solche Leistungen mittelfristig unter Einbeziehung lokaler Fachkräfte auf breiterer Basis anzubieten. Die Idee dahinter sei gewesen, überwiegend ausländischen Bauunternehmen im Bereich der kaufmännischen Projektabwicklung neben der fachlichen Kompetenz auch länderspezifisches Know-how zu attraktiven Konditionen anbieten zu können und damit diesen Firmen in vielen Fällen die Entsendung wesentlich teurerer ausländischer Experten zu ersparen.
Sowohl die Akquisition als auch die Abwicklung solcher Aufträge - mit fest angestelltem Personal sowie gegebenenfalls mit befristeten Werkverträgen - erscheine nur auf Basis einer lokalen Gesellschaft sinnvoll. Der Bw. habe auf Grund seiner langjährigen Berufserfahrung höchstpersönliche Leistungen in der Projektabwicklung erbracht.
Zusätzlich zu den geleisteten Tätigkeiten des Bw. in dem 2008 akquirierten Beratungsauftrag für ein Immobilienprojekt in Moskau, habe die Gesellschaft bereits ab eine russischsprachige Mitarbeiterin beschäftigt, um sowohl Projektunterlagen effektiv bearbeiten, als auch von Sofia aus mit russischen Projektbeteiligten kommunizieren zu können.
Die geplante Entwicklung der Gesellschaft habe durch die internationale Finanzkrise und dem damit auch in Bulgarien ab Mitte 2009 stark reduzierten Projektvolumen eine Verzögerung erfahren. Allerdings würden sich in letzter Zeit die Anzeichen verdichten, dass auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien zunehmend ausländische Investoren in das Land kommen und sich daraus weitere Geschäftsmöglichkeiten ergeben würden.
Der Bw. halte auch alle Anteile an der Firma H nach bulgarischem Recht.
Wegen der im Veranlagungszeitraum gegebenen steuerlichen Ansässigkeit in Bulgarien sei eine Darstellung des Welteinkommens nicht erforderlich.
Nach dem Ende 2006 erfolgten Weggang des Bw. aus Wien habe spätestens ab Anfang 2008 grundsätzlich Einigung darüber bestanden, dass die Ehe des Bw. unter noch näher zu definierenden Bedingungen im Einvernehmen geschieden werden sollte.
Eine der Hauptforderungen der Ehegattin T sei die Zurverfügungstellung einer eigenen Wohnung in Wien gewesen. Da der Bw. die Mietwohnung in W, auf Grund seiner Übersiedlung nach Bulgarien ohnehin nicht mehr benötigt habe und der Unterhalt einschließlich Strom, Gas, Versicherung, Telefon, Internet etc. monatlich ca. 1.700 € gekostet habe, habe er seiner Noch-Ehegattin den Vorschlag gemacht, sich um eine kleine Eigentumswohnung umzusehen, deren Finanzierung er als Teil des Scheidungsvergleichs über einen Bankkredit übernehmen würde. Die Mietwohnung würde dann umgehend aufgegeben werden, und der ersparte Betrag teilweise zur Finanzierung des von ihr geforderten Unterhalts verwendet werden.
Im Sommer 2008 habe sie eine passende Wohnung gefunden, die sie schließlich auch angekauft habe. Die Finanzierung des Kaufpreises sei - wie in den Scheidungsgesprächen vereinbart - über einen vom Bw. bei der BAWAG aufgenommenen Kredit erfolgt.
Die Rückzahlung des Kredits habe im Oktober 2008 begonnen, wodurch der Bw. ab diesem Zeitpunkt neben den Kosten der Mietwohnung auch den Wohnungskredit zu bedienen gehabt habe. Er habe daher versucht, die Ehegattin zu einem möglichst raschen Auszug aus der Mietwohnung zu bewegen. Aus von ihr angeführten Gründen (Krankheit, Reparaturbedarf in der neuen Wohnung, Übersiedlungskosten etc.) habe sich der Umzug bis Mai 2010 verzögert.
De facto sei die eheliche Gemeinschaft seit Ende 2006/Anfang 2007 aufgelöst und es bestehe seit dieser Zeit mit Ausnahme sporadischer Telefonate zu den vom Bw. mehrfach schriflich übermittelten Entwürfen eines Scheidungsvergleiches keinerlei persönlicher Kontakt. Die von ihm vorgeschlagenen finanziellen Vereinbarungen zur einvernehmlichen Scheidung (Übernahme der Kreditrückzahlung und monatlicher Unterhalt) würden von ihm erfüllt. Einzig die formelle Umsetzung habe bis dato wegen unterschiedlicher Auffassungen über die Laufzeit der Unterhaltszahlungen und der Absicherung der Rückzahlung des in seine Zahlungsverpflichtung übernommenen Wohnungskredits noch nicht bewerkstelligt werden können.
Aus einem am erhaltenen Schreiben der Rechtsanwältin der Ehegattin werde die Auflösung der häuslichen Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren bestätigt.
Als zusätzlichen Nachweis der Ansässigkeit des Bw. in Bulgarien habe er sämtliche Bewegungen seiner im März 2009 über die Raiffeisenbank in Sofia eingerichteten Kontokarte (Debitkarte) übermittelt. Daraus sei erkennbar, dass der Bw. im betreffenden Veranlagungszeitraum in Bulgarien ansässig gewesen sei und nicht in Österreich ansässig habe sein können.
Auch die aus den vorgelegten Kontoauszügen der BAWAG abzulesenden Bankomatbewegungen im Jahre 2009 würden gegen eine Ansässigkeit in Österreich sprechen.
Weiters lege der Bw. auch alle Abrechnungen seiner österreichischen Mastercard-Kreditkarte für 2009 vor, wonach der Großteil der Umsätze in Bulgarien erzielt worden seien, bzw. auf die in der Aufenthaltsübersicht 2009 aufgeführten Reisen entfalle.
Auch habe er sich zu Weihnachten 2008 und zum Jahreswechsel 2008/2009 nicht bei seiner Ehegattin in Österreich aufgehalten, sondern sei auch in diesen Zeiträumen in Bulgarien aufhältig gewesen.
Zusammenfassend habe somit der Bw. spätestens ab Mitte 2008 in Österreich keinen Wohnsitz im Sinne des § 1 Abs. 2 EStG 1988 iVm § 26 Abs. 1 BAO mehr inne gehabt, da er über die Wohnung in W, aufgrund der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft ab diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht mehr habe verfügen können. Die polizeiliche Meldung sei in diesem Zusammenhang nicht entscheidend.
Auch könne dem Bw. kein abgeleiteter Wohnsitz unterstellt werden, da die Eheschließung allein - ohne eine tatsächliche Benützungsmöglichkeit - noch keinen gemeinsamen Wohnsitz begründe.
Folglich sei der Bw. zumindest ab der Veranlagung 2009 in Österreich nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig. Eine mögliche Steuerpflicht könne sich daher nur mehr aus inländischen Einkunftsquellen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht für die Österreich, aufgrund der Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommens mit Bulgarien das Besteuerungsrecht zustehe, ergeben.
Für seine im Rahmen eines Dienstverhältnisses mit einer bulgarischen GmbH erzielten Einkünfte stehe Österreich kein Besteuerungsrecht zu.
Auch ein etwaiger Progressionsvorbehalt, welcher nur bei unbeschränkt Steuerpflichtigen zur Anwendung kommen könne, gehe ins Leere.
Sollte dem Bw. dennoch ein Wohnsitz in Österreich zugerechnet werden, welcher zu einer unbeschränkten Steuerpflicht führen würde, welche sowohl die inländischen als auch die ausländischen Einkünfte umfassen würden, werde festgehalten, dass sich jedenfalls der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bw. seit Mitte 2008 in Bulgarien befindet. Zu Bulgarien bestehe sowohl die engere wirtschaftlichen (Haupteinnahmequelle ist das Consulting im Baubereich in Bulgarien) als auch persönliche Beziehungen (Auflösung der häuslichen Gemeinschaft in 2008; ansonsten keine wesentlichen sozialen Beziehungen in Österreich).
Im Sinne des Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA Österreich-Bulgarien sei der Bw. daher in Bulgarien steuerlich ansässig. Daher käme Österreich aufgrund dieses DBA nur ein Besteuerungsrecht bezüglich inländischer Einkunftsquellen zu.
Der Bw. beantrage daher, die bulgarischen Einkünfte aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden.
Das Finanzamt änderte mittels Berufungsvorentscheidung vom den Einkommensteuerbescheid 2009 vom ab und begründete dies u.a. wie folgt:
Lt. ZMR-Abfrage habe der Bw. in Österreich seit in W und seit in S, jeweils bis zum einen aufrechten Wohnsitz.
Nach Vorhalt vom legte der Bw. anstelle einer Ansässigkeitsbescheinigung eine Aufenthaltsgenehmigung (certificate for long-term residence) vor.
Bezüglich der Entrichtung der Steuer habe der Bw. E-Banking-Ausdrucke der bulgarischen Raiffeisenbank mit einem nicht identifizierbaren Zahlungsempfänger vorgelegt.
Der Bw. sei Alleingesellschaftergeschäftsführer der Firma G. Einzige Mitarbeiterin sei die seit bis dato geringfügig beschäftigte Gattin T.
Die bulgarische Gesellschaft des Bw. beschäftige seit in Sofia eine russischsprachige Mitarbeiterin. Die bulgarische Gesellschaft diene der Vereinfachung der Auftragsakquisition und -abwicklung, insbesondere betreffend eines Immobilienprojektes in Moskau.
Der Bw. sei seit 2005 laufend bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft Wien versichert, bezahle auch die Versicherungsprämien und die Post werde erfolgreich an die Adresse in W, zugestellt.
Für das Finanzamt sei unstrittig, dass der Bw. einen aufrechten Wohnsitz in Bulgarien aufrechterhalte.
Das Finanzamt gehe aber auch von zwei aufrechten Wohnsitzen im 5. Wiener Gemeindebezirk aus, da die Gattin (trotz Schlüsselübergabe) weiterhin in der Wohnung in W, gelebt habe. Gem. § 97 ABGB hätten bereits familienrechtliche Ansprüche zur Benutzung dieser Wohnung bestanden. Alleine deswegen sei bereits von einem österreichischen Wohnsitz auszugehen.
Auch spreche für die Beibehaltung des österreichischen Wohnsitzes, dass sämtliche Schriftstücke an diese Adresse geschickt worden seien. Weiters habe er weiterhin u.a. Fernsehen, Internet und Festnetztelefon bezahlt.
Die behauptete faktische Trennung von der Ehegattin sei nach Ansicht des Finanzamtes eine abgabenrechtliche Schutzbehauptung. So habe der Bw. nach der angeblich definitiven Scheidungsabsicht seine Gattin in der eigenen GmbH als einzige Mitarbeiterin angestellt. Dies deute eher auf ein aufrechtes intensives Vertrauensverhältnis hin, da diese Stelle nicht an eine fremde dritte Person vergeben worden sei.
Das Finanzamt gehe daher von einer unbeschränkten Steuerpflicht des Bw. gem. § 1 Abs. 2 EStG 1988 i.V.m. § 26 Abs. 1 BAO aus.
Lt. bulgarischer Aufenthaltsgenehmigung sei der Bw. nicht bulgarischer Staatsbürger.
Die in Rede stehenden Gesellschaftergeschäftsführerbezüge seien bereits bei Abschluss des Abkommens im Jahr 1983 von Art. 11 DBA-Bulgarien erfasst worden.
Nach Ansicht des Finanzamtes sei die bulgarische Gesellschaft des Bw. nur aus Steuerspargründen errichtet worden (10 % Flattax).
Da gem. § 22 BAO durch den Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Abgabenpflicht nicht umgangen oder gemindert werden könne, seien die bulgarischen Einkünfte (GF-Bezüge und Gesellschaftsgewinne) so zu besteuern, wie wenn ausschließlich selbständige Einkünfte i.S.d. § 22 Z 1 lit. b EStG 1988 vorlägen; d.h., dass auch die GmbH-Einkünfte dem Bw. zuzurechnen seien.
Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (KZ 320) würden daher 157.344,25 € im Jahre 2009 betragen.
Der Bw. stellte daraufhin einen Vorlageantrag an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und ergänzt nach einem Vorhalt des Finanzamtes vom sein Berufungsbegehren wie folgt:
Betreffend Welteinkommen der Jahre 2006 bis 2010 lege der Bw. eine Übersicht bei, wobei nochmals festgehalten werde, dass die im Jahre 2009 angeführten Einkünfte aus unselbständiger Arbeit in Bulgarien über 40.218,22 € und aus Kapitalvermögen in Bulgarien über 33,86 € mangels eines Wohnsitzes in Österreich nicht steuerbar seien.
Der Bw. sei ab an folgenden Unternehmen wie folgt beteiligt:
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Unternehmen: | Anteil: |
K, Wien U | 100 % |
L, Sofia | 20 % |
D , Sofia Q | 100 % |
Mit sei der Bw. als vollbeschäftigter Dienstnehmer in die C eingetreten und habe ab diesem Zeitpunkt bis zum keine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Die GF-Vergütung sei für die Jahre 2007 und 2008 ausgesetzt worden.
Ab stehe der Bw. in einem unselbständigen Dienstverhältnis mit der Firma D in Sofia. Vor diesem Datum seien keinerlei Leistungen vergütet worden.
Die in der Berufungsvorentscheidung vom bemängelten Diskrepanzen zwischen der vorgelegten Aufenthaltsübersicht 2009 und den übermittelten Bankomatzahlungen/-behebungen, bzw. Kredit-/und Debitkartenabbuchungen gingen nach Ansicht des Bw. nach Vorlage der entsprechenden Nachweise ins Leere, lediglich bei den Zahlungen am 24. und liege ein Fehler in der Aufenthaltsübersicht des Bw. vor (privater Besuch der Tochter in R).
Im Zuge der mündlichen Verhandlung legte der steuerliche Vertreter folgende Unterlagen ergänzend vor:
- Bulgarische Jahressteuererklärung (Original und Übersetzung) vom
- Beleg über die Entrichtung der Einkommensteuer 2009 vom
- Klageschrift an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien vom
- Beschluss über die Scheidung im Einvernehmen vom
- Schreiben der RÄ Dr. Aschmann und Dr. Pfandl vom
Hinsichtlich der Wohnsitze des Bw. in Österreich erklärt der steuerliche Vertreter, dass die Wohnung in W , von seiner Gattin bewohnt worden sei, und er diese Wohnung seit Ende 2006 nicht mehr genutzt habe. Die Wohnung in S , habe er seiner Frau zur Verfügung gestellt, diese sei bereits glaublich von seiner Gattin vor 2009 verkauft worden.
Weiters hätten stets Nachsendeaufträge nach Bulgarien bestanden. Die Ummeldung sei aus versicherungstechnischen Gründen erst später erfolgt.
Der Bw. sei nach mehreren Jahren juristischer Auseinandersetzung am einvernehmlich geschieden worden.
Die Finanzamtsvertreterin verwies nochmals darauf, dass der Bw. an beiden Wiener Wohnadressen bis September 2011 gemeldet gewesen sei, dorthin auch sämtliche Zustellungen erfolgt seien und auch das Kfz des Bw. in Österreich zugelassen gewesen sei, was auf eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich hinweise.
Weiters werde auf das Erkenntnis des VwGH 2011/15/0193 verwiesen. Nach Ansicht des steuerlichen Vertreters gehe es bei diesem Erkenntnis aber um einen nicht vergleichbaren Sachverhalt.
Der Senat hat über die Berufung nach mündlicher Verhandlung erwogen:
Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Bw. ist österreichischer Staatsbürger und erzielte inländische Einkünfte als Gesellschafter-GF bei der Firma K i.H.v. 11.784 € und ausländische Einkünfte als Gesellschafter-GF bei der Firma D i.H.v. 41.415 €. Der Bw. hatte im Streitjahr seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Bulgarien (A). Dort hatte er auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen, da er ebendort eine neue Lebensgemeinschaft mit seiner nunmehrigen Lebensgefährtin und ihrem Sohn eingegangen war.
Auch beruflich war er überwiegend in Bulgarien tätig (Gesellschafter-Geschäftsführer einer eigenen bulgarischen Firma und Beteiligung an einer weiteren bulgarischen Firma) und bezog dort auch Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit (= GF der Firma D).
Er lebt seit Ende 2006 in Scheidung mit seiner Gattin T. und hat seitdem die eheliche Wohnung nicht mehr benutzt.
Die Ehe wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Josefstadt am einvernehmlich geschieden.
Aufgrund der zerrüttenden Ehegemeinschaft ist es für die Abgabenbehörde zweiter Instanz glaubhaft, dass der Bw. weder privat noch beruflich den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Österreich haben wollte und auch tatsächlich im Streitjahr nicht gehabt hat. Die einzelnen Aufenthalte in Österreich (Besuch der Tochter, Schwester etc.) können wegen ihrer geringen Anzahl zu keiner anderen Betrachtung führen.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den vom Bw. vorgelegten Unterlagen, seinen glaubwürdigen Ausführungen sowie folgender Beweiswürdigung:
Aufgrund der vom Bw. umfangreich dargestellten und belegten ehelichen Zerwürfnisse, die sich letztlich über mehrere Jahre bis zur tatsächlichen Scheidung erstreckten, hat der Bw. nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz glaubhaft dargestellt, dass es für ihn insbesondere im Streitjahr nicht mehr zumutbar war, in der gemeinsamen Wohnung in Wien zu verweilen.
Dies ergibt sich auch aus dem Schriftsatz der Anwältin von Frau T vom , wonach die Zerrüttung der ehelichen Gemeinschaft bereits seit 3 Jahren bestand.
Da der Bw. immer an einer einvernehmlichen Scheidung interessiert war, diese aber durch mehrmaliges Wechseln des gegnerischen Anwaltes verzögert wurde, ist es auch nachvollziehbar, dass der Bw. sich zwischenzeitlich bereiterklärt hat, die laufenden Kosten (Miete, Strom etc.) bis zur Scheidung zu tragen.
Weiters hat er glaubhaft gemacht, dass er in Bulgarien eine neue Lebensgemeinschaft seit mindestens 2008 eingegangen ist und darüber hinaus auch beruflich durch bulgarische Firmenbeteiligungen (eigene und fremde) in Bulgarien verankert war. Auch ist das bulgarische Dienstverhältnis zur Firma D unstrittig.
Auch die vom Finanzamt behaupteten Diskrepanzen in den vorgelegten Unterlagen konnte der Bw. in seinem Schriftsatz vom glaubhaft aufklären.
Der Bw. konnte demnach trotz seiner bis 2011 gemeldeten Wohnsitze in Wien nachweisen, dass im Streitjahr 2009 sein gewöhnlicher Aufenthalt (Mittelpunkt seiner privaten als auch beruflichen Lebensinteressen) in Bulgarien war.
Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu würdigen:
Art. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Volksrepublik Bulgarien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen lautet (BGBl. 1984/425):
1. Dieses Abkommen gilt für Personen, die in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig sind.
2. Als in einem Vertragsstaat ansässig gelten:
aa) natürliche Personen, die Staatsangehörige der Volksrepublik Bulgarien sind;
ab) natürliche Personen, die einen ständigen Wohnsitz oder Aufenthalt in Österreich haben;
b) juristische Personen, die in der Volksrepublik Bulgarien ihren Sitz haben oder dort registriert sind, oder ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in Österreich haben.
3. Ist eine natürliche Person nach Absatz 2 in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
4. Ist nach Absatz 2 eine andere als eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten ansässig, so gilt sie als in dem Staat ansässig, in dem sich der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung befindet.
Lt. Art. 11 Z 1 des DBA Österreich-Bulgarien in der für das Streitjahr gültigen Fassung, dürfen Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden.
Der Artikel erfasst die in den Artikeln 14 und 16 des Musterabkommens geregelten Einkünfte (siehe Philipp-Loukota-Jirousek Internationales Steuerrecht I/2 DBA Bulgarien Art. 11).
Gesellschafter-GF, die nach österreichischem Recht Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit beziehen, werden, soweit sich weder aus dem Abkommenswortlaut noch aus dem Abkommenskontext anderes ergibt, gem. Art. 3 Abs. 2 DBA der Zuteilungsregel des Art. 14 zugeordnet. Wird auf österreichischer Seite die Abgrenzung des DBA-Begriffes "Einkünfte ... aus sonstiger selbständiger Tätigkeit" auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts vorgenommen, so steht dies mit der Abkommensrechtslage im Einklang (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; siehe Philipp-Loukota-Jirousek Internationales Steuerrecht Bd. 1 Z 14 Rz. 86).
Die in Bulgarien bezogenen Gehälter als wesentlich beteiligter Gesellschafter-GF der Firma D stellen daher Einkünfte im Sinne des Artikel 11 Z 1 DBA Österreich-Bulgarien dar und dürfen demgemäß nur im Ansässigkeitsstaat versteuert werden.
Das Besteuerungsrecht für die vom Bw. in Bulgarien erzielten GF-Einkünfte i.H.v. 41.414,64 € steht somit wegen der im Jahre 2009 bestehenden Ansässigkeit des Bw. in A, Bulgarien zu.
Der österreichischen Besteuerung unterliegen nur jene Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. 11.784 €, die im Rahmen des in Österreich geführten Unternehmens erwirtschaftet wurden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 97 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 Art. 11 DBA BG (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bulgarien (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 30/2011 § 22 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 22 Z 1 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | unbeschränkte Steuerpflicht gewöhnlicher Aufenthalt Mittelpunkt der Lebensinteressen |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Fuchs in AFS 2014/2, 63 SWI 2014, 295 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at