Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.09.2011, RV/0090-W/11

Nichtgewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages bei aufrechter (aber bestrittener) Lebensgemeinschaft

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 12., 13. und 14. Bezirk und Purkersdorf vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Im Rahmen der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 beantragte der Berufungswerber (Bw.) die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages.

Zur Begründung wurden die Unterlagen über die Ehescheidung im Einvernehmen vom vorgelegt: Vergleich vom , Beschluss über den Vergleich vom .

Mit Berufungsvorentscheidung vom hat das Finanzamt dem Begehren nicht entsprochen. Die Bescheidbegründung lautet wie folgt:

"Der Alleinerzieherabsetzbetrag kann nur dann berücksichtigt werden, wenn für mindestens ein Kind gemäß § 106 Abs. 1 mehr als sechs Monate im Kalenderjahr Familienbeihilfe bezogen wurden und man mehr als sechs Monate nicht in einer Gemeinschaft mit einem Partner lebt.

Laut vorliegenden Unterlagen vom Zentralen Melderegister (aktuell) war die Ex-Gattin S. im gesamten Kalenderjahr 2009 auf derselben Wohnadresse gemeldet. Der von Ihnen vorgelegte Meldezettel Ihrer Ex-Gattin betreffend Wohnadresse Adr.x ist nur ein Teilauszug des Zentralen Melderegisters und nicht aktuell. Es entspricht nicht den Erfahrungen des täglichen Lebens, dass man in einer Wohngemeinschaft (noch dazu mit gemeinsamen Kindern) völlig getrennt voneinander lebt. Es gibt eine Vielzahl an Berührungspunkten im täglichen Miteinander, sodass diese Form des gemeinsamen Wohnens nicht mit der Lebenssituation einer mit Kind alleinwohnenden Person zu vergleichen ist. Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht daher nicht zu. In Ihrem Fall wurde bei Ihrer Exgattin der Alleinverdienerabsetzbetrag berücksichtigt."

In der fristgerecht eingebrachten Berufung gegen den angefochtenen Bescheid wurde eingewendet, dass nach der Scheidung zwei Kinder beim Bw. und ein Kind bei der Ex-Gattin leben würde, wie vom Bezirksgericht bestätigt worden wäre. Die Ex-Gattin müsse laut Beschluss des Bezirksgerichtes erst aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen, wenn Sie eine Notfallwohnung von Wiener Wohnen erhält. Sie hätte nicht sofort eine Wohnung erhalten, die Ehe sei jedoch nicht mehr Aufrecht. Da es immer wieder zu Streitigkeiten in der Wohnung gekommen wäre, sei diese bereits im Jahr 2009 aus der Wohnung ausgezogen und hätte somit der Bw. mit seiner Ex-Gattin mehr als 6 Monate nicht in einer aufrechten Ehe gelebt.

Die Abmeldung wäre nicht möglich gewesen, um eine aufrechte Meldung in Österreich zu gewährleisten. Die Anmeldung möge ein Indiz jedoch kein Beweis des Zusammenlebens darstellen. Die Ex-Gattin hätte bei Tanten, Freundinnen und Cousinen gewohnt, bis Sie eine Wohnung erhielt und nun mit dem Sohn zusammen wohnen würde.

Über die Berufung wurde erwogen:

Einem Alleinerzieher steht gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu. Alleinerzieher ist ein Steuerpflichtiger, der mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner lebt.

Als Kinder iSd § 106 Abs. 1 EStG 88 gelten Kinder, für die dem Steuerpflichtigen oder seinem (Ehe)Partner mehr als sechs Monate im Kalenderjahr ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG zusteht. (Ehe)Partner ist gemäß § 106 Abs. 3 leg. cit. eine Person, mit der der Steuerpflichtige verheiratet ist oder mit der er mit mindestens einem Kind (Abs. 1) in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt.

Durch den Alleinerzieherabsetzbetrag soll nicht die Unterhaltsbelastung durch das Kind, sondern die besondere Belastung berücksichtigt werden, der allein stehende Personen mit Kindern ausgesetzt sind (vgl. Doralt, EStG, 6. Auflg., § 33 Tz 35).

Voraussetzung für den Alleinerzieherabsetzbetrag ist, dass der Steuerpflichtige alleine (nicht in einer Lebensgemeinschaft) lebt. Verheirateten Personen steht der Absetzbetrag dann zu, wenn sie von ihrem Ehegatten dauernd getrennt leben (vgl. Doralt, EStG, 6. Auflg., § 33 Tz 35).

Eine aufrechte Ehe spricht grundsätzlich gegen eine dauernd getrennte Lebensführung. Es ist dem Ehegatten allerdings möglich, diese Vermutung zu widerlegen. Entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige bei aufrechter Ehe tatsächlich in Gemeinschaft mit seinem Ehegatten lebt oder nicht (vgl. bis 0164).

Maßgebend für das Tatbestandsmerkmal "dauernd getrennt leben" ist demnach ausschließlich die Sachverhaltsfrage, ob der Bw. angesichts der im Jahr 2009 einvernehmlich geschiedenen, jedoch noch aufrechten gemeinsamen Wohnsitz tatsächlich mehr als sechs Monate in Gemeinschaft mit ihrem Ehegatten gelebt hat oder nicht. Die nach der Rechtsprechung für ein Leben in Gemeinschaft geforderte "Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft" kann durchaus unterschiedlich ausgeprägt sein bzw. kann eines dieser Merkmale sogar gänzlich fehlen, ohne dass dies dem Vorliegen einer Gemeinschaft abträglich wäre. Es kommt hierbei regelmäßig auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. und , 2000/15/0101), wobei der Wirtschaftsgemeinschaft nach der Rechtsprechung überragende Bedeutung zukommt (). Unter dem Begriff der Wirtschaftsgemeinschaft ist zu verstehen, dass beide Partner einander Beistand und Dienste leisten und an den zur Bestreitung des Unterhaltes, der Zerstreuung und Erholung zur Verfügung stehenden Gütern teilnehmen lassen, etwa auch die Freizeit weitgehend gemeinsam verbringen (; , 2004/08/0263).

Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates ist im vorliegenden Fall auf Grund der Feststellungen im Scheidungsurteil vom - die Ehegattin hat die Ehewohnung bis zu räumen - in Verbindung mit den Angaben bzw. Antrag der geschiedenen Gattin auf den Alleinverdienerabsetzbetrag in deren Einkommensteuererklärung und -bescheid für das Jahr 2009 (vom ) davon auszugehen, dass der Bw. und seine geschiedene Gattin im Streitjahr 2009 die gemeinsame Wohnung noch zumindest 6 Monate benützt haben müssen.

Der Antrag auf Alleinverdienerabsetzbetrag und Alleinerzieherabsetzbetrag schließen sich gegenseitig dem Grunde nach aus, da der Anspruch des Alleinverdienerabsetzbetrages - mehr als 6 Monate im Kalenderjahr von seinem unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder Partner nicht getrennt zu leben - voraussetzt.

Da somit davon auszugehen ist, dass der Bw. im Jahr 2009 mehr als sechs Monate in Gemeinschaft mit der geschiedenen Ehegatten gelebt hat, war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at