Vergleichszahlung aus deutschem Dienstverhältnis - keine Begünstigung nach § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 mangels bestehender Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch ECA Schmidt und Hertwich Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., 5280 Braunau, Stadtplatz 43, gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding betreffend Einkommensteuer 2011 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Angefochten ist der Einkommensteuerbescheid 2011.
Der Berufungswerber (Bw) erklärte im berufungsgegenständlichen Jahr neben Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowohl im Inland (XYZ GmbH) als auch im Ausland (UVW AG bis ; ABC GmbH - ); weiters erhielt er Arbeitslosengeld ( - ).
Hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses zur UVW AG beantragte er die Sechstelberechnung entsprechend den LStR, Rz 1057 ff; hinsichtlich der von der ABC GmbH erhaltenen Vergleichszahlung iHv 8.000,00 € ersuchte er um Versteuerung entsprechend den LStR, Rz 1102b (fester Steuersatz von 6 % für 7.500,00 €, Restbetrag zu 1/5 steuerfrei und zu 4/5 steuerpflichtig).
Das Finanzamt versteuerte die Vergleichszahlung mangels Anwartschaft bei einer österreichischen BV-Kasse nicht nach § 67 Abs. 8 lit. a letzter Satz EStG 1988; hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses bei der UVW AG führte es die beantragte Sechstelberechnung durch (Bescheid vom ).
Auf die Begründung wird verwiesen.
Am hob das Finanzamt gemäß § 299 BAO den obigen Bescheid auf und erließ eine neue Sachentscheidung, in der es zusätzlich noch Kapitalerträge, die der Bw vom EU-Ausland 2011 bezogen hatte, versteuerte (Bescheid vom ).
Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seine steuerliche Vertreterin mit Schriftsatz vom Berufung und beantragte, die Vergleichszahlung entsprechend der Begünstigung des § 67 Abs. 8 lit. a letzter Satz EStG 1988 zu versteuern.
Auf die näheren Ausführungen wird verwiesen.
In weiterer Folge legte das Finanzamt die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Unstrittig ist das Vorliegen einer gerichtlichen Vergleichszahlung; unstrittig ist ebenso, dass keine Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse für den betreffenden Zeitraum besteht. Strittig ist, ob trotzdem für die Vergleichssumme die Begünstigung des § 67 Abs. 8 lit. a letzter Satz EStG 1988 anzuwenden ist.
Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
Der Bw war von bis in Deutschland bei der ABC GmbH beschäftigt.
Die Kündigung erfolgte am . Vor dem Arbeitsgericht Rosenheim wurde zwischen dem Bw (Kläger) und der ABC GmbH, Burghausen (Beklagte) am folgender Vergleich geschlossen:
1. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten hat aufgrund ordentlicher, betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung vom mit dem sein Ende gefunden.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger als sozialen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG 8.000,00 € brutto.
3. Die Beklagte verpflichtet sich - soweit noch nicht geschehen - das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum mit 3.600,00 € brutto im Monat ordnungsgemäß abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag an den Kläger auszuzahlen.
4. Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem ein einfaches Zeugnis über Art und Dauer der Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten und übersendet dieses an den Kläger.
5. Mit diesem Vergleich sind sämtliche finanzielle Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich welcher Art und welchen Rechtsgrundes, gegeneinander abgegolten und erledigt.
Besteuerung der Vergleichssumme:
Gemäß § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988 sind auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei sind nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Fallen derartige Vergleichssummen bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses an und werden sie für Zeiträume ausbezahlt, für die eine Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse besteht, sind sie bis zu einem Betrag von 7.500,00 Euro mit dem festen Steuersatz von 6 % zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.
Der Zweck dieser Bestimmung besteht darin, bestimmten sonstigen Bezügen, die bei typischer Betrachtung einen Zusammenhang mit längeren Zeiträumen des Dienstverhältnisses als einem Kalenderjahr haben und deren Auszahlung ohne Begünstigung zu einer Erhöhung des durchschnittlichen Steuerprozentsatzes führen würde, diese Erhöhung zu ersparen (). Die Begünstigung besteht darin, dass diese Bezüge nach Abzug der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge zu einem Fünftel (endgültig) steuerfrei bleiben. Das Fünftel berücksichtigt neben der Vermeidung einer Zusammenballung auch pauschal allfällige steuerfreie Zulagen und Zuschläge und sonstige Bezüge. Die Sozialversicherungsbeiträge sind daher im Ergebnis nur zu 80 % abzugsfähig (entspricht § 20 Abs. 2). Die steuerpflichtigen Beträge sind nach Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen (Jakom/Lenneis EStG, 2013, § 67 Rz 28).
Fallen Vergleichssummen bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses an und werden sie für Zeiträume ausbezahlt, für die eine Anwartschaft gegenüber einer BV-Kasse besteht, sind sie bis zu 7.500,00 € ohne Anrechnung auf das Sechstel des Abs. 2 mit dem festen Steuersatz von 6 % zu versteuern. Diese Bestimmung ist daher nicht anwendbar, soweit der Arbeitnehmer (teilweise) Vergleichsbeträge erhält, die sich auf die "Abfertigung alt" beziehen (Jakom/Lenneis EStG, 2013, § 67 Rz 29).
Der Bw ist der Ansicht, dass die Auslegung obiger Bestimmung durch das Finanzamt dem Unionsrecht (Arbeitnehmerfreizügigkeit) widerspricht und beruft sich auf entsprechende Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates in ähnlich gelagerten Fällen.
Vorweg wird festgestellt, dass die vom Bw ausdrücklich zitierte Entscheidung auf den gegenständlichen Sachverhalt mangels Vergleichbarkeit nicht anwendbar ist.
Im Übrigen vermag der Unabhängige Finanzsenat einen Verstoß gegen den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht zu erkennen.
Das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit ist in Artikel 39 EGV geregelt.
Artikel 39 EGV lautet:
(1) Innerhalb der Gemeinschaft ist die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet.
(2) Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.
(3) Sie gibt - vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen - den Arbeitnehmern das Recht,
(a) sich um tatsächlich angebotene Stellen zu bewerben;
(b) sich zu diesem Zweck im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen;
(c) sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort nach den für die Arbeitnehmer dieses Staates geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eine Beschäftigung auszuüben;
(d) nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats unter Bedingungen zu verbleiben, welche die Kommission in Durchführungsverordnungen festlegt.
(4) Dieser Artikel findet keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung.
Artikel 39 EGV enthält seinem Wortlaut nach nur ein Diskriminierungsverbot. Der EuGH betrachtet steuerliche Maßnahmen aber selbst dann als diskriminierend, wenn zwar eine steuerliche Vorschrift nicht unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpft, aber die Gefahr besteht, dass sich eine steuerliche Regelung besonders zum Nachteil von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirkt. Die Vorschriften über die Gleichbehandlung verbieten daher nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle versteckten Diskriminierungen, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen könnten (vgl. , "Schumacker", Rn 26).
Eine verdeckte Diskriminierung liegt nur dann vor, wenn eine nur scheinbar neutrale Regelung vorliegt, die in Wirklichkeit protektionistische Züge zum Vorteil der eigenen Staatsangehörigkeit aufweist. Es ist daher zu prüfen, ob der behauptete Nachteil wirklich wegen der bloßen Inanspruchnahme von Rechten im Bereich der Freizügigkeit bzw. wegen der bloßen Tatsache einer anderen Staatsangehörigkeit besteht oder ob dieser Nachteil vielmehr auf objektive, davon unabhängige Erwägungen zurückzuführen ist (vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom , Rs C-40/05 "Kaj Lyyski", Rn 56 bis 58).
Es kann daher dem österreichischen Gesetzgeber nicht verwehrt werden, mittels neutraler Vorschriften Steuerbegünstigungen vorzusehen und diese an bestimmte Voraussetzungen zu knüpfen. Ebenso wenig ist es unzulässig, mit entsprechenden Bestimmungen in den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen dafür Sorge zu tragen, dass die Bezieher österreichischer sonstiger Bezüge in den Genuss der begünstigten Besteuerung kommen, solange durch die neutrale Formulierung des § 67 auch Bezieher ausländischer sonstiger Bezüge zu dieser Begünstigung gelangen können.
Freizügigkeit unselbständiger Arbeitnehmer gemäß Art. 39 EGV normiert, dass hinsichtlich EU-Arbeitnehmern die Pflicht zur Inländergleichbehandlung besteht. Diese ist jedoch im gegenständlichen Fall gegeben.
Unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung der Begünstigung des § 67 Abs. 8 lit. a letzter Satz EStG 1988 ist die bestehende Anwartschaft zu einer BV-Kasse. Besteht eine solche Anwartschaft auf eine BV-Kasse jedoch nicht, ist der feste Steuersatz für eine Vergleichssumme nicht anwendbar.
Indem § 67 EStG neutral jede Form sonstiger Bezüge begünstigt besteuert, behandelt das inländische Steuerrecht die aus Deutschland bezogenen sonstigen Bezüge nicht anders als die aus Österreich bezogenen.
Es liegt im Hinblick auf die für Wanderarbeitnehmer und Gebietsansässige, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit nicht Gebrauch gemacht haben, unterschiedslos geltende Bestimmung des § 67 Abs. 8 lit. a letzter Satz EStG 1988 ein Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundrechte nicht vor.
Es war daher abweisend zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 39 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom S. 1 |
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