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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 14.11.2013, RV/1165-W/13

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Karl Kittinger und die weiteren Mitglieder Hofrat Dr. Walter Mette, Mag. Bernhard Pammer und Gerhard Mayerhofer über die Berufung des Bw, vertreten durch E-GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO nach der am in 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 2b, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf € 16.851,46 anstatt € 29.328,23 eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber (Bw) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der R-GmbH im Ausmaß von € 29.328,23 in Anspruch.

In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Bw aus, dass dem Haftungsbescheid vom die Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO beigelegt worden sei. Laut Niederschrift seien KW als Masseverwalter, Frau G, Frau RI und der Bw Teilnehmer der Schlussbesprechung gewesen. Die Niederschrift sei von Frau RI am und von KW am unterfertigt worden, Unterschriften von Frau G und vom Bw fehlten gänzlich. Warum eine Niederschrift nicht bei Beendigung unterfertigt worden sei, könne nicht nachvollzogen werden.

Gemäß § 149 BAO sei nach Beendigung einer Außenprüfung über deren Ergebnis eine Schlussbesprechung abzuhalten. Zu dieser seien der Abgabenpflichtige und wenn bei der Abgabenbehörde ein bevollmächtigter Vertreter ausgewiesen sei, auch dieser unter Setzung einer angemessenen Frist vorzuladen. Die Schlussbesprechung habe die Besprechung des Prüfungsergebnisses (einschließlich der rechtlichen Würdigung der Ermittlungsergebnisse) zum Gegenstand. Sie diene dem Grundsatz des Parteiengehörs.

Warum es im gegenständlichen Fall zu einer eingehenden Information über die Aufzeichnungspflichten des Bw gekommen sei (siehe handschriftliche Ergänzung im Akt "vorwerfbar keine Aufzeichnungen"), könne nicht nachvollzogen werden. Aufgrund der Vorgehensweise entsprechend der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO vom (telefonisch durchgeführt von Frau ES), der Nichtunterfertigung der Niederschrift sämtlicher Teilnehmer, einem Hinweis über die Aufzeichnungspflichten, die in der Form im Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom von Frau RI nie protokolliert worden sei, unterschiedlicher Unterfertigungsdaten, einem fehlenden Durchführungsort, einem nicht erkennbaren Datum auf der Mitteilung an die Einbringungsstelle betreffend der Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum bis und der bisherigen Nichtvorlage des Prüfauftrages könne bezweifelt werden, dass die Schlussbesprechung in der protokollierten Form jemals stattgefunden habe. Diesbezüglich bestünden erhebliche Verletzungen des Parteiengehörs, eine Zeugenbefragung von Frau RI im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung werde daher beantragt und sei unerlässlich.

Laut Haftungsbescheid sei der Bw im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden der einzige handelsrechtliche Geschäftsführer der R-GmbH gewesen, somit der einzige in Betracht kommende Haftende im Sinne des § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 80 BAO. Laut Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom sei jedoch eindeutig von Frau RI festgehalten worden, dass es mehrere Geschäftsführer gegeben habe. Konkret werde auf Seite 5 eine Zurechnung von monatlich € 600,00 als Sachbezug für die Geschäftsführer vorgenommen, welche Grundlage für eine angebliche Nachforderung von insgesamt € 1.094,21 sei. Eine Zurechnung von monatlich € 600,00 als Sachbezug für die Geschäftsführerwerde weiters als Grundlage für eine angebliche Nachforderung von insgesamt € 1.097,65 vorgenommen. Auf Seite 6 werde eine Zurechnung von monatlich € 600,00 als Sachbezug für die Geschäftsführervorgenommen, welche Grundlage für eine angebliche Nachforderung von insgesamt € 2.687,16 sei und auf Seite 7 werde eine Zurechnung von monatlich € 600,00 als Sachbezug für die Geschäftsführervorgenommen, welche Grundlage für eine angebliche Nachforderung von insgesamt € 3.458,62 sei. Laut Feststellungen von der Prüferin RI habe es daher mehrere Geschäftsführer gegeben, die Begründung des Haftungsbescheides entspreche daher nicht einmal den Feststellungen des Prüfberichtes. Primär sei jener Vertreter, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut sei, zur Haftung heranzuziehen. Warum gerade der Bw zur Abgabenhaftung herangezogen werden solle, sei entgegen , im Haftungsbescheid nicht dargelegt worden.

Laut Begründung im Haftungsbescheid werde angenommen, dass eine Pflichtverletzung des Bw vorliege und schuldhaft gewesen sei. Auf , werde verwiesen. Nach der angeführten Entscheidung habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung iSd § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden dürfe. Der zur Haftung Herangezogene habe das Fehlen ausreichender Mittel für die Abgabenentrichtung nachzuweisen. Der Haftende erfahre nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringe, welcher Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre. Die qualifizierte Mitwirkungspflicht des Geschäftsführers bedeute nicht, dass die Behörde von jeglicher Ermittlungspflicht entbunden wäre. Entspreche nämlich der Geschäftsführer seiner Obliegenheit, das Nötige an Behauptungen und Beweisanbot zu seiner Entlastung darzutun, dann liege es an der Behörde, erforderlichenfalls Präzisierungen und Beweise vom Geschäftsführer abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die von ihm angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen. Dem Vorbringen, die Abgabenbehörde habe dem Antrag auf Durchführung amtswegiger Ermittlungen über die Unschuldigkeit des Vertreters nicht entsprochen, sei entgegenzuhalten, dass ein solcher Antrag mangels einer konkreten Behauptung des Vertreters über die Verwendung der Mittel auf einen Erkundungsbeweis hinausliefe. Einen Erkundungsbeweis aufzunehmen sei die Behörde nicht verpflichtet.

Mit Beschluss vom sei über das Vermögen der R-GmbH der Konkurs eröffnet worden. Aufgrund erheblicher Verbindlichkeiten (vor allem auch aus dem Umstand, dass Adressmaterial von der Post angekauft worden sei, dessen Qualität gemessen an den Rücklaufzahlen jedoch sehr mangelhaft gewesen sei) und dem Umstand, dass Gläubiger in erheblichem Umfang ihren Verbindlichkeiten gegenüber der R-GmbH nicht nachgekommen seien, sei es zu finanziellen Schwierigkeiten gekommen. Diesbezüglich sei dargelegt, dass die R-GmbH die Abgabenbehörde nie schlechter behandelt habe als alle anderen Gläubiger, was auch den insolvenzrechtlichen Bestimmungen entspreche. Eine Pflichtverletzung in dieser Hinsicht sei seitens des Finanzamtes auch zu keiner Zeit im Rahmen des Konkursverfahrens eingewendet worden. Die Erfüllung der Abgabepflichten sei der Geschäftsführung schlicht und einfach nicht möglich gewesen. Die Abgabenschulden hätten nicht bedient werden können, da der Gesellschaft dafür die entsprechenden Mittel gefehlt hätten. Im Rahmen der Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum bis und der Prüfung der Umsatz- und Körperschaftsteuer 2004 bis 2006 seien sämtliche Kontoauszüge, OP-Listen und alle sonstigen seitens der Prüfer (Frau RI und Frau ES) geforderten Buchhaltungsunterlagen vorgelegt worden. Da die Behörde laut der von ihr zitierten Entscheidung eine Ermittlungspflicht habe und diesbezüglich jedoch zu keiner Zeit Präzisierungen und sonstige über die schon vorgelegten Unterlagen hinausgehenden Beweise verlangt habe, werde davon ausgegangen, dass alle erforderlichen Unterlagen bereits vorgelegt worden seien (unter Berücksichtigung der Vorbringen des Finanzamtes im Konkursverfahren der R-GmbH). Da daher aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung offenbar für die Prüfer ersichtlich gewesen seien, liege nicht einmal leichtes Verschulden des Bw vor, eine Haftung sei daher ausgeschlossen.

Ausdrücklich festgehalten werde auch, dass die dem Haftungsbescheid beigelegte Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO und der Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung gemäß § 150 BAO nicht jenen Unterlagen entspreche, die dem Steuerpflichtigen durch den Masseverwalter übermittelt worden seien. Da auch hier bezweifelt werde, dass eine den Bestimmungen des § 149 BAO entsprechende Schlussbesprechung stattgefunden habe, werde auch eine Zeugenbefragung von Frau ES im Rahmen einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt, von deren Unerlässlichkeit werde ausgegangen.

Im Akt sei im Rahmen der Akteneinsicht vom ersichtlich gewesen, dass "beim GPLA-Prüfer nachzufragen" bzw. "keine Aufzeichnungen vorwerfbar" seien. Die Antwort der GPLA-Prüferin sei im Akt jedoch nicht ersichtlich gewesen, auch seien die Umstände, welche Aufzeichnungen betreffend Verrechnungskonto H, Reise- und Fahrtspesen, Strafen, Sachbezüge und Reisekosten 2006 bis 2008 gefehlt hätten, nicht erkennbar gewesen. Da diese Unterlagen nicht vorgelegt worden seien, seien erhebliche Verfahrensmängel gegeben.

In der Begründung des Haftungsbescheides sei angemerkt worden, dass bei Selbstbemessungsabgaben maßgebend sei, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Maßgebend sei daher der Zeitpunkt der Fälligkeit, unabhängig davon, ob und wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt worden seien. Diesbezüglich werde auf die Stellungnahme vom bzw. auf die Berufung vom und die darin angeführten Bescheide und die in dieser Ergänzung dargelegten Berufungsgründe verwiesen.

Im Haftungsbescheid werde die Haftung für die Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 5.357,32 geltend gemacht. Dem Haftungsbescheid sei der Umsatzsteuerbescheid 2007 beigelegt worden, der eine Abgabennachforderung von € 7.242,06 ausweise. Die im Haftungsbescheid angemerkte Umsatzsteuer entspreche daher nicht der Umsatzsteuer 2007, eine Haftung für € 5.357,32 sei daher ausgeschlossen. Da auch die seitens ADir. ES vorgenommene Zuschätzung im Rahmen ihrer Prüfung gesetz- und damit rechtswidrig gewesen sei bzw. ständiger Judikatur des VwGH widerspreche, könne eine Haftung dafür seitens des Bw gar nicht gegeben sein.

Darüber hinausgehend werde auf die Ausführungen der Stellungnahme verwiesen und festgehalten, dass der Haftungsbescheid in wesentlichen Punkten die Stellungnahme nicht berücksichtigt habe.

Es werde daher der Antrag gestellt, den Haftungsbescheid aufzuheben. Weiters werde die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt (§ 282 Abs. 1 BAO). Gemäß § 284 BAO werde weiters die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Weiters werde gegen den Haftungs- und Abgabenbescheid vom betreffend Kapitalertragsteuer 2004 bis 2006, gegen die Haftungsbescheide vom betreffend Lohnsteuer 2006 bis 2008 sowie gegen die Bescheide vom betreffend die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 2006 bis 2008 berufen.

Auf Vorhalt des Finanzamtes vom brachte der Bw mit Eingabe vom im Wesentlichen vor, dass unterstellt werden könne, dass die Schlussbesprechung in der nunmehr behaupteten Form niemals stattgefunden habe, da es außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liege, dass eine Niederschrift am verfasst und von der Prüferin unterfertigt werde, die anderen Teilnehmer aber offensichtlich keine Unterschrift leisteten und sich am nächsten Tag KW wieder bei Frau RI einfinde, um die Niederschrift zu unterfertigen. Durch Hinzufügen eines Stempels habe KW maximal als Vertreter seiner Kanzlei, jedoch nicht als Masseverwalter hinsichtlich des Massevermögens unterfertigt. Insofern sei keine Unterfertigung der Niederschrift über die Schlussbesprechung gemäß § 149 Abs. 1 BAO erfolgt.

Hinsichtlich der Ausführungen, dass sich leider ein Schreibfehler im Bericht gemäß § 150 BAO eingeschlichen haben dürfte, werde angemerkt, dass es sich nicht um einen Schreibfehler handeln könne, zumal von der Prüferin entsprechende Feststellungen (Hinzurechnungen, neue Bemessungsgrundlagen) getroffen worden seien. Geschäftsführer würden durch Beschluss der Gesellschafter bestellt, die Eintragung in das Firmenbuch habe lediglich deklaratorische Bedeutung.

Der Inhalt eines am von Frau MZ erstellten Aktenvermerkes widerspiegle erhebliche Verfahrensfehler, zumal "beim GPLA-Prüfer nachzufragen" oder "keine Aufzeichnungen vorwerfbar" festgehalten worden sei.

Hinsichtlich der Ausführungen zum Punkt Umsatzsteuer 2007 (Rückstand laut Kontoabfrage vom in Höhe von € 5.357,32) werde auf den Einwand der Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides entsprechend Punkt "Niederschrift vom " verwiesen, zumal selbst von Frau MZ die Kenntnisverschaffung der haftungsgegenständlichen Abgabenansprüche nicht behauptet werde.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass im Haftungsbescheid keine Ausführungen enthalten seien, trotz klarer Feststellungen der Prüferin, warum gerade der Bw zur Haftung herangezogen werde, wenn die Prüferin selbst festgestellt habe, dass MH als Geschäftsführer fungiert habe.

Genau um diese Frage zu klären, sei Frau RI als Zeugin und deswegen auch die mündliche Verhandlung beantragt worden.

Diesbezüglich werde auf die Entscheidungen des OGH 9 OB A55/89, 7OB 543/89, 2 OB 238/09b und 6OB 202/11s verwiesen.

Der Haftungsbescheid sei insofern rechtswidrig, als diesem nicht alle Bekanntmachungen beigelegt worden seien, insbesondere fehlten die Kapitalertragsteuerbescheide 2004, 2005 und 2006 und Angaben über die Umsatzsteuer 2007 in Höhe € 5.357,32.

Hinsichtlich der Kapitalertragsteuer 2004, 2005 und 2006 werde die Verjährung nach § 238 BAO eingewendet. Insoweit habe es auch keine Prüfungsaufträge gegeben.

Die Tatsache, dass die R-GmbH die Abgaben nie schlechter behandelt habe als alle anderen Gläubiger, sei keine bloße Behauptung. Den Prüfern sei im Rahmen der Außenprüfung (für den Zeitraum von bis ) sämtliche von ihnen geforderten Unterlagen zur Verfügung gestellt worden. Seitens der Finanzverwaltung sei auch nicht vom Anfechtungsrecht nach §§ 27 ff IO Gebrauch gemacht worden, deren Geltendmachung als der Durchsetzung von Abgabenansprüchen dienende behördliche Maßnahme iSd § 49 Abs. 2 BAO nicht im Ermessen liege. Die Schadensminderungspflicht treffe auch die Finanzverwaltungsbehörde (JBl. 1972, 233; EvBl. 1982/39; EvBl. 1981/4 ua.). In der Unterlassung ordentlicher Rechtsmittel werde in aller Regel ein Verschulden zu erblicken sein (1Ob 24/81).

Es gebe das Recht auf Zeugenbefragung (). Nach Information des steuerlichen Vertreters des Bw sei MH tatsächlich zum Geschäftsführer bestellt worden und werde beantragt, insoweit die Prüferin zu befragen. Ob es einen Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Bestellung des Herrn MH als Geschäftsführer gebe, wisse er nicht.

Weiters werde seitens des steuerlichen Vertreters beantragt, ein informierter Vertreter des Finanzamtes, welcher das Finanzamt im Insolvenzverfahren vertreten habe, zum Beweis dafür zu vernehmen, dass es keine Gläubigerungleichbehandlung gegeben habe, weil sonst seitens der Finanzverwaltung entsprechend des Grundsatzes der Schadensminderungsverpflichtung nach § 2 Abs. 2 Amtshaftungsgesetz ein Rechtsmittel - derartige Anträge fielen darunter - zu erheben gewesen wäre. Ein derartiges Rechtsmittel liege nicht im Ermessen der Behörde nach § 49 Abs. 2 BAO.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Unbestritten ist, dass dem Bw als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über deren Vermögen mit Beschluss des Gs vom die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Dem Einwand, dass es laut Bericht gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom mehrere Geschäftsführer gegeben habe, ist zu entgegnen, dass es sich hiebei wohl um eine offensichtlich auf einem Versehen beruhende tatsächliche Unrichtigkeit handelt. Dies ergibt sich schon aus dem Umstand, dass vom Bw in der Berufung und auch in der mündlichen Berufungsverhandlung keine Person namhaft gemacht wurde, welche durch Beschluss der Gesellschafter als weiterer Geschäftsführer bestellt worden wäre. Zudem wurde der Bw dem Finanzamt sowohl am (Fragebogen zur Identitätsprüfung für Neuaufnahme) als auch am (Niederschrift über die Erhebung anlässlich einer Neuaufnahme) als einziger Geschäftsführer angegeben.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der Aufhebung des Konkurses nach Verteilung an die Massegläubiger mit Beschluss des Gs vom fest.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Wenn die Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel im Verwaltungsverfahren unterlassen wird, kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Bezüglich der mit Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuer ergibt sich die schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten durch deren Nichtabfuhr durch den Bw nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 90/13/0143) aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG, wonach jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters darstellt.

Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch, dass bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen kommt.

Auch hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Kapitalertragsteuer kann deren Nichtabführung grundsätzlich nicht damit entschuldigt werden, dass die Geldmittel zu deren Entrichtung nicht ausgereicht hätten, da bei der Kapitalertragsteuer der Schuldner der kapitalertragsteuerpflichtigen Kapitalerträge nur eine vom Empfänger der Kapitalerträge geschuldete Steuer gemäß § 95 Abs. 2 EStG einzubehalten und gemäß § 96 Abs. 1 EStG - binnen einer Woche nach dem Zufließen der Kapitalerträge (Fälligkeit) - dem Betriebsfinanzamt abzuführen hat, sodass bei der Kapitalertragsteuer genauso wie auch bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen kommt. Wenn daher der Geschäftsführer die Kapitalertragsteuer trotz Ausschüttung von Gewinnanteilen nicht an das Betriebsfinanzamt entrichtet, liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; , 91/13/0037, 0038) eine schuldhafte Pflichtverletzung des Geschäftsführers im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO vor.

Dass für die Entrichtung der übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben keine Mittel zur Verfügung gestanden wären, wurde vom Bw zwar mit dem Einwand, dass die Abgabenschulden nicht hätten bedient werden können, da der Gesellschaft dafür die entsprechenden Mittel gefehlt hätten, behauptet, doch hat er mit dieser allgemeinen Behauptung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keineswegs ausreichend konkret das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung dargetan, weil er konkrete Gründe hierfür nicht vorgebracht hat.

Auch dem Einwand, dass der Bw die Abgabenbehörde nie schlechter behandelt habe als alle anderen Gläubiger, ist zu entgegnen, dass mit diesem nur allgemein und pauschal gehaltenen Vorbringen der Bw den ihm obliegenden Nachweis zur Gleichbehandlung nicht angetreten hat, sodass die Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch nicht verhalten war, zu einer näheren Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern.

Zudem geht aus der Abfrage der Buchungen am Abgabenkonto der Gesellschaft hervor, dass bis Zahlungen (: € 8.872,88, : € 3082,83, : 8.872,87) auf das Abgabenkonto der Gesellschaft geleistet wurden.

Die Tatsache der teilweisen Abgabenentrichtung lässt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zwar auf das Vorhandensein liquider Mittel, nicht jedoch auf eine aliquote Befriedigung des Abgabengläubigers schließen.

Auf Grund des nachweislichen Vorhandenseins von Mittel bis konnten dem Bw mangels Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) die - bis zu diesem Zeitpunkt fälligen - uneinbringlichen Abgaben zur Gänze vorgeschrieben werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () entbindet auch eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters die Behörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht; eine solche Pflicht besteht etwa dann, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben.

Infolge Einstellung der Zahlungen nach dem (und Eröffnung des Konkursverfahrens am ) bestehen nach der Aktenlage ab diesem Zeitpunkt () deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung, daher war der Berufung mangels entgegenstehender Feststellungen hinsichtlich der danach fällig werdenden Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2008 in Höhe von € 2.708,40, € 1.340,16, € 125,09) stattzugeben.

Laut Aktenlage wurde entsprechend dem Vorbringen des Bw der Haftungs- und Abgabenbescheid vom betreffend Kapitalertragsteuer 2004 bis 2006 dem Bw weder zugestellt noch wurde dieser Bescheid mit dem Haftungsbescheid übermittelt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24,2.2010, 2005/13/0145) liegt infolge unvollständiger Information ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist, wenn der zur Haftung Herangezogene nicht rechtzeitig darüber aufgeklärt wird, dass die Abgaben schon bescheidmäßig festgesetzt wurden. Daher wird der Berufung auch hinsichtlich der Kapitalertragsteuer 2004-2006 in Höhe von € 1.012,51, € 3.800,60 und € 3.489,71 stattgegeben.

Der Bestreitung der inhaltlichen Richtigkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen ist entgegenzuhalten, dass dem Haftungsbescheid Abgabenbescheide vorangegangen sind, sodass es der Behörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () im Verfahren über die Heranziehung des Bw zur Haftung daher verwehrt ist, die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung als Vorfrage zu beurteilen. Der Bw hat neben der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung ohnehin gemäß § 248 BAO innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen die Bescheide über den Abgabenanspruch berufen. Wird aber neben einer Berufung gegen den Haftungsbescheid eine Berufung gegen den Abgabenanspruch erhoben, so ist zunächst über die Berufung gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt. Die Voraussetzungen für eine Verbindung der beiden Berufungen zu einem gemeinsamen Verfahren (§ 277 BAO) liegen in einem solchen Fall nicht vor (vgl. ).

Warum die im Haftungsbescheid enthaltene Umsatzsteuer 2007 in Höhe von € 5.357,32 (aushaftende Betrag an Umsatzsteuer 2007) nicht der bescheidmäßig festgesetzten Umsatzsteuer 2007 entsprechen sollte, ist angesichts der Darlegung der teilweisen Entrichtung in der Stellungnahme des Finanzamtes vom nicht nachvollziehbar.

Sofern der Bw bezweifelt, dass die Schlussbesprechung in der protokollierten Form jemals stattgefunden hat, ist dem zu erwidern, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () der Umstand, ob der Bw zu den relevanten Prüfungsfeststellungen und damit zur Höhe der Abgabenschuldigkeiten Stellung nehmen konnte oder nicht, allenfalls für die nach § 248 BAO gesondert zu erhebende Berufung bzw. das daran anschließende Berufungsverfahren gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch von Bedeutung ist, nicht aber für das Verfahren, in welchem ausschließlich über die Heranziehung zur Haftung abgesprochen wird. Von den dazu beantragten Zeugenbefragungen von Frau RI und Frau ES war somit gemäß § 183 Abs. 3 BAO wegen Unerheblichkeit abzusehen.

Zum Antrag des Bw auf Vernehmung eines informierter Vertreter des Finanzamtes, welcher das Finanzamt im Insolvenzverfahren vertreten habe, zum Beweis dafür, dass es keine Gläubigerungleichbehandlung gegeben habe, weil sonst seitens der Finanzverwaltung vom Anfechtungsrecht nach §§ 27 ff IO Gebrauch zu machen gewesen wäre, ist lediglich darauf zu verweisen, dass nach Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, 0126) es ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen ist, ob bzw. inwieweit von geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Konkursordnung rechtsunwirksam bzw. anfechtbar gewesen wären. Von der beantragten Vernehmung eines informierter Vertreter des Finanzamtes war daher ebenfalls gemäß § 183 Abs. 3 BAO wegen Unerheblichkeit abzusehen.

Zudem dienen die Beweisanträge nicht dazu, den Nachweis der Wahrheit von konkreten Tatsachenbehauptungen zu erbringen, sondern sollen überhaupt der Bw erst die Möglichkeit bieten, die Tatsachen (tatsächliche Durchführung der Schlussbesprechung in der protokollierten Form, Vorliegen einer Gläubigerungleichbehandlung, tatsächlich Bestellung von MH zum Geschäftsführer) kennenzulernen und bestimmte Tatsachenbehauptungen aufzustellen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH23.3.2010, 2009/13/0078) ist die Behörde zur Einholung so genannter Erkundungsbeweise nicht verpflichtet.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw für die laut Kontoabfrage vom nach wie vor unberichtigt aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der R-GmbH im Ausmaß von € 16.851,46 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at