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Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSG vom 29.10.2013, RV/0215-G/12

Geschäftsführerhaftung: Keine Berücksichtigung einer faktischen Geschäftsführung bei der Ermessensübung des handelsrechtlichen Geschäftsführers

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Dr. Ursula Leopold und die weiteren Mitglieder Dr. Andrea Ornig, Dr. Bernhard Koller und Mag. Petra Kühberger im Beisein des Schriftführers Mag. Ingo Hipp über die Berufung des Bw., vertreten durch PwC Steiermark Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Conrad von Hötzendorf-Straße 37a/II, 8010 Graz, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Haftung gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO nach der am in 8018 Graz, Conrad von Hötzendorf-Straße 14-18, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und die Haftung auf folgende Abgaben im Gesamtbetrag von 51.335,42 € eingeschränkt:


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Abgabenart
Fälligkeitstag
Betrag in €
Dienstgeberbeitrag 2006
1.169,22
Zuschlag zum DB 2006
109,15
Dienstgeberbeitrag 2007
180,32
Zuschlag zum DB 2007
80,15
Kammerumlage 10-12/2007
13,87
Umsatzsteuer 01/2008
4.627,84
Dienstgeberbeitrag 02/2008
655,60
Zuschlag zum DB 02/2008
59,74
Umsatzsteuer 02/2008
27.298,96
Dienstgeberbeitrag 03/2008
796,87
Zuschlag zum DB 03/2008
72,61
Umsatzsteuer 03/2008
6.410,58
Dienstgeberbeitrag 04/2008
799,99
Zuschlag zum DB 04/2008
72,89
Kammerumlage 01-03/2008
174,44
Umsatzsteuer 04/2008
8.813,19

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) vertrat seit die mit dem Gesellschaftsvertrag vom errichtete A.GmbH als alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer.

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom wurde über die A.GmbH das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft in Folge des Konkurses aufgelöst. Der Konkurs wurde mit dem Beschluss des Landesgerichtes N vom gemäß § 139 KO aufgehoben (Konkursquote 2,63566 %) und die GmbH in weiterer Folge gemäß § 40 FBG im Firmenbuch gelöscht.

Mit dem Vorhalt vom wurde dem Bw. seitens der Abgabenbehörde zur Kenntnis gebracht, dass am Abgabenkonto der A.GmbH Abgabenbeträge in der Höhe von insgesamt 61.963,73 € offen aushafteten. Unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde der Bw. aufgefordert, eine Auflistung sämtlicher Gläubiger ab dem Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordener Forderungen darzulegen, sofern die Gesellschaft ab den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht mehr über ausreichend liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe. In dieser Aufstellung seien alle damaligen Gläubiger der Gesellschaft, die auf einzelne Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzugeben.

In Beantwortung dieses Vorhaltes wurde vom Bw. am eine Aufstellung übermittelt, in der die jeweiligen Verbindlichkeiten der Gläubiger der A.GmbH zu den Stichtagen und angeführt wurden und erläuternd ausgeführt, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu Beginn des Haftungszeitraumes am 1.243.808,61 € betrugen. Hinsichtlich eines Teilbetrages in der Höhe von 1.132.747,72 € sei es im Zeitpunkt der Konkurseröffnung am zu einer Senkung der Verbindlichkeiten gekommen. Die in Rede stehenden Verbindlichkeiten hätten zum insgesamt lediglich 960.523,60 € betragen. Neben der - bedingt durch die schon vor langer Zeit abgeschlossenen Forderungszessionsverträge - zwangsläufigen Absenkung des Saldos bei der Bank um 72.151,38 € oder 41,89 % seien im Haftungszeitraum die Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt um 56.656,68 €, sohin um 32,9 %, gesenkt worden. Bei den übrigen Gläubigern hätten sich hingegen die Verbindlichkeiten im Ausmaß von 111.060,89 € zum bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung auf 281.185,38 € erhöht, womit sich der Schuldenstand bei diesen Gläubigern um 153,18 % erhöht habe. Abgesehen von der auf Grund der bestehenden Zessionsbesicherung bevorrechteten Gläubigerin Bank sei dem Finanzamt die höchste Mittelverwendung zuteil geworden.

In einer weiteren Beilage wird dargestellt, dass zum Finanzamtsverbindlichkeiten in der Höhe von 166.105,94 € bestanden (47,64 % der Gesamtverbindlichkeiten ohne Banken). Zum habe der Anteil der Finanzamtsverbindlichkeiten an den gesamten Verbindlichkeiten nur mehr 26,14 % betragen.

In einem weiteren Vorhalt vom wurde der Bw. aufgefordert, eine Auflistung der gesamten Zahlungen im haftungsrelevanten Zeitraum zu übermitteln sowie alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel anzugeben bzw. den Verbindlichkeiten gegenüber zu stellen und eine rechnerische Darstellung vorzulegen. Zudem wurde der Bw. ersucht, die Saldenlisten zum und zum vorzulegen.

Am wurden vom Bw. die Saldenlisten zum übermittelt.

Mit dem Haftungsbescheid vom wurde der Bw. als Haftungspflichtiger für aushaftende Abgaben der A.GmbH in der Höhe von 57.142,38 € in Anspruch genommen.

Begründend wurde ausgeführt, die vorgelegten Unterlagen genügten nicht, um die Höhe der liquiden Mittel an den jeweiligen Fälligkeitstagen zu bestimmen. Da der Bw. nach zweimaliger Aufforderung keine rechnerische Darstellung der quotenmäßigen Gleichbehandlung aller Gläubiger übermittelt habe, werde von einer Schlechterstellung des Finanzamtes ausgegangen und die Haftung für den gesamten Abgabenrückstand ausgesprochen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Bw. in der Eingabe vom das Rechtsmittel der Berufung. Er habe sich sehr wohl darum bemüht, seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen wahrzunehmen. Wenn nun verneint werde, dass die vorgelegten Unterlagen nicht dazu angetan seien, seine mögliche Haftungsinanspruchnahme zu widerlegen, so handle es sich hierbei um ein Problem der Interpretation der vorgelegten Unterlagen. Selbst wenn man unterstelle, dass die mit der Bank abgeschlossenen Zessionsvereinbarungen zu einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger geführt hätten, habe der überwiegende Teil jener Mittel, über die der Bw. frei verfügen konnte, zur Saldosenkung beim Finanzamt beigetragen.

Mit der Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung des Bw. als unbegründet abgewiesen. Die Gegenüberstellung der Verbindlichkeiten zu den Stichtagen und sowie die übermittelten OP-Listen, Lieferantenkonten, Geschäftsführerbezüge sowie die Daten des Abgabenkontos ließen keine Rückschlüsse auf die Höhe der liquiden Mittel an den Fälligkeitstagen der haftungsgegenständlichen Abgaben zu. Ein Liquiditätsstatus sei nicht beigebracht worden. Der Verwaltungsgerichtshof gehe beim Nachweis des Gleichbehandlungsgrundsatzes von der "Mitteltheorie" und nicht von der "Zahlungstheorie" aus.

Der mit der Bank geschlossene Mantelzessionsvertrag stelle eine Pflichtverletzung dar, da der Gesellschaft durch die Zession liquide Mittel zur Tilgung anderer Schulden als der Bankschulden entzogen worden seien und die Abgabenbehörde somit benachteiligt worden sei.

In der Eingabe vom beantragte der Bw. ohne weitere Ausführungen die Entscheidung über die Berufung durch einen Berufungssenat der Abgabenbehörde zweiter Instanz sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

In der mündlichen Verhandlung vom führte der Bw. aus, nachdem sein erster Geschäftspartner ein Burn-out erlitten habe, sei Z in die GmbH eingestiegen. Dieser sei mit der Z.GmbH zu 51 % an der A.GmbH beteiligt gewesen. Z sei nicht im Firmenbuch eingetragen gewesen, es habe aber eine interne Geschäftsaufteilung gegeben, wonach er für die kaufmännischen Agenden der A.GmbH zuständig gewesen sei. Er habe zum Bw. gesagt, er steige in das Geschäft ein und mache die Planung und die Buchhaltung.

Die Bücher der A.GmbH seien bei der Z.GmbH geführt worden. Im Jahr 2006 habe das Finanzamt den Bw. kontaktiert und gefragt, ob keine Umsatzsteuer gezahlt werde. Daraufhin habe es mit dem Steuerberater einen umfangreichen Schriftverkehr gegeben. Die Liquiditätsprobleme der Gesellschaft hätten sich bis zur Bilanzerstellung für das Jahr 2007 hingezogen. Der Bw. habe auch die Liquiditätsprobleme erkannt und diese Z gemeldet. Diese wurden innerhalb kürzester Zeit dadurch erledigt, dass der Kredit bei der Bank ausgeweitet worden sei.

In der Bilanz für 2007 seien überraschenderweise 100.000,00 € Gewinn ausgewiesen worden, das habe nicht stimmen können. Nach einer neuen Bilanzerstellung auf Urgenz des Bw. hin sei es zum Konkurs der Gesellschaft gekommen.

Vom Vertreter des Bw. wurde eine Auftragsbestätigung vom über eine Einzahlung in der Höhe von 9.679,25 € auf das Abgabenkonto der GmbH mit dem Vermerk "offene LSt" vorgelegt. Der Bw. habe im Haftungsbescheid geltend gemachte Abgaben entrichtet, das Finanzamt habe die Verrechnungsweisung aber negiert und die Einzahlung als Saldozahlung verrechnet.

Da die kaufmännischen Agenden der GmbH an den Mehrheitsgesellschafter Z übertragen waren, wäre nach der Ansicht des Vertreters des Bw. eine Haftung des Z nach § 80 Abs. 2 BAO in Erwägung zu ziehen.

Der Bw. solle 100 % des Forderungsausfalles des Finanzamtes tragen, obwohl eine kausale und schuldhafte Pflichtverletzung nur für den Betrag vorliegen könne, mit dem das Finanzamt schlechter gestellt worden sei. Der Bw. habe, so gut er konnte, die Abgabenverbindlichkeiten abgebaut. Ein Zugriff auf die bei der Z.GmbH geführten Buchhaltungsunterlagen sei für ihn nicht möglich.

Die Ausführungen des Finanzamtes in der BVE, der Abschluss einer Zessionsvereinbarung sei von vornherein als schuldhafte Pflichtverletzung anzusehen, stimmten so nicht; es handle sich um kasuistische Entscheidungen des VwGH. Der Abschluss einer Zession sei kein Nachteil für das Finanzamt, sondern sichere die Finanzierung der Gesellschaft. Es habe sich im vorliegenden Fall um einen Kontokorrentkredit gehandelt und der Bw. habe auch gegenüber der Bank persönlich gehaftet. Es sei daher sowohl das Verschulden als auch die Kausalität des Bw. an der Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten zu verneinen.

In der am fortgesetzten mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, Z sei zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen Betruges und Abgabenhinterziehung verurteilt worden. Es handle sich um einen der größten Wirtschaftskriminalfälle der Steiermark der letzten Jahre. Die Unterlagen, die der Bw. benötige, hätten sich bei der Z.GmbH befunden und seien verschwunden. Die Unterlagen, die der Bw. vorgelegt habe, nämlich die Saldenliste zum sowie die Aufstellung der Verbindlichkeiten in der Gläubigerliste im Konkursverfahren, seien vom Finanzamt bis dato nicht als unzutreffend oder falsch qualifiziert worden.

Der Vertreter des Finanzamtes verwies hingegen darauf, dass die Unterlagen von vornherein als nicht ausreichend qualifiziert worden seien. Vorgelegt werde zudem eine nur auszugsweise Aufstellung von Lieferanten, die zwar in der Saldenliste enthalten waren, ihre Verbindlichkeiten im Konkursverfahren aber nicht angemeldet haben. Daraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass diese Verbindlichkeiten im Haftungszeitraum entrichtet wurden. Irrelevant sei der Einwand, es sei möglich, dass die Verbindlichkeiten aus verschiedensten Gründen im Konkursverfahren gar nicht angemeldet worden seien, weil die Aufstellung des Bw. erwiesenermaßen nicht geeignet sei nachzuweisen, in welcher Höhe Forderungen entrichtet wurden. Es sei unmöglich, aus unvollständigen Aufzeichnungen eine Quote zu errechnen.

Der Vertreter des Bw. brachte weiters vor, unbestritten sei, dass der aushaftende Saldo des Finanzamtes - ausgenommen jener der Bank - im Vergleich zu den übrigen Verbindlichkeiten im größten Ausmaß gesenkt worden sei. Z habe dem Bw. versichert, sich um die Buchhaltung der A.GmbH zu kümmern. Der Bw. habe daher in seiner Situation alles ihm Zumutbare getan, er habe seine Ersparnisse, die er in die GmbH gesteckt habe, verloren und müsse für die übernommene persönliche Haftung bei der Bank Zahlungen leisten. Die persönliche Unbilligkeit der Haftungsinanspruchnahme sei noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Es werde beantragt, der Berufung stattzugeben.

Der Vertreter des Finanzamtes beantragte, die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme eines Vertreters einer juristischen Person sind somit das Vorliegen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung beim Vertretenen, eine Pflichtverletzung des Vertreters der juristischen Person, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da nach der Aktenlage das über das Vermögen der A.GmbH eröffnete Konkursverfahren mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom aufgehoben und die Gesellschaft im Firmenbuch gelöscht wurde. Eine (auch nur teilweise) Einbringlichmachung der Abgabenverbindlichkeiten bei der nicht mehr existenten Gesellschaft ist ausgeschlossen.

Unbestritten ist weiters, dass der Bw. im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der A.GmbH war und damit zu den im § 80 genannten Personen zählt, die gemäß § 9 BAO zur Haftung der im angefochtenen Bescheid aufgelisteten, in der Zeit der Geschäftsführertätigkeit des Bw. fälligen Abgaben herangezogen werden können.

Eine Haftung des faktischen Geschäftsführers Z nach § 80 Abs. 2 BAO, wie vom Vertreter des Bw. in der mündlichen Verhandlung releviert, besteht nicht, weil sich diese Bestimmung auf Vermögensverwalter bezieht, die Verwaltungsgeschäfte in Bezug auf einen im Eigentum eines Anderen stehenden Vermögenskomplex verantwortlich zu führen berechtigt und verpflichtet sind (z.B. Liquidatoren, Verlassenschaftskuratoren, Zwangsverwalter).

Die mit BGBl I 2012/112 ab eingeführte Bestimmung § 9a BAO, die eine Haftung für Personen vorsieht, soweit diese auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und deren gesetzlichen Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, ist im vorliegenden Fall ebenfalls nicht anwendbar, weil die abgabenrechtliche Pflichten im Sinne des § 9a BAO erst mit in Kraft getreten sind, weshalb eine diesbezügliche Pflichtverletzung auch erst ab diesem Zeitpunkt durch Erlassung eines Haftungsbescheides geahndet werden kann. Eine Rückwirkung der Bestimmung auf Pflichtverletzungen faktischer Machthaber (Einfluss nehmender Personen) vor dem ist von § 9a BAO nicht erfasst (siehe ), daher auch nicht für die im gegenständlichen Fall betroffenen Abgaben aus den Jahren 2006 bis 2008.

Wenn der Bw. in diesem Zusammenhang vorbringt, dass nach einer internen Geschäftsaufteilung Z für die kaufmännischen Agenden der A.GmbH zuständig gewesen sei, so ist ihm entgegen zu halten, dass eine Arbeitsaufteilung zwischen mehreren Vertretern nicht bewirkt, dass sich ein Vertreter nicht mehr um die Tätigkeit der anderen kümmern muss. Jedem Vertreter obliegt die Überwachung der anderen, z.B. hinsichtlich der Pflicht, für die Führung der erforderlichen Bücher Sorge zu tragen. Dem Vorbringen des Finanzamtes, der Bw. habe bereits im Jahr 2006 im Zuge der Liquiditätsprobleme der Gesellschaft aufmerksam werden bzw. seine Geschäftstätigkeit zurücklegen müssen, ist in diesem Zusammenhang zu folgen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Geschäftsführer, der sich durch Gesellschafter oder dritte Personen behindert sieht, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der ungehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden (, , 2001/13/0168).

Eine weitere Voraussetzung zur Erfüllung des Tatbestandes des § 9 BAO ist eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter. Zu dessen Pflichten gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Nicht die Abgabenbehörde hat daher das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel.

Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden sind. Hatte der Vertreter Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, liegt es an ihm, nachzuweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Reichen die Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus und wird der Nachweis hinsichtlich des teilweisen Fehlens liquider Mittel und der anteiligen Verwendung dieser Mittel nicht erbracht, erfolgt die Haftung für die uneinbringlichen Abgaben zur Gänze (Ritz, BAO-Kommentar³, § 9 Tz 27).

Auch der Nachweis, welcher Betrag bei pflichtgemäßem Verhalten und gleichmäßiger (anteiliger) Befriedigung aller Gläubiger an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, obliegt dem Haftungspflichtigen und nicht der Abgabenbehörde.

Aus der Aktenlage ergibt sich, dass die A.GmbH im Jahr 2007 Umsätze in der Höhe von 1.534.947,44 € und im Jahr 2008 in der Höhe von 811.602,44 € erzielt hat. Es steht daher fest, dass die Gesellschaft im Haftungszeitraum über liquide Mittel zur Bezahlung von Verbindlichkeiten verfügt hat. Gegenteiliges wird auch vom Bw. nicht vorgebracht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Erbringung eines Nachweises der Erfüllung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderlich, dass eine Aufstellung der Verbindlichkeiten einerseits und eine Gegenüberstellung der liquiden Mittel andererseits zu den Fälligkeitspunkten der einzelnen Abgaben erfolgt.

Im gegenständlichen Fall wurde der Bw. mit den Vorhalten vom 17. März und aufgefordert, Unterlagen vorzulegen, die eine rechnerische Gleichbehandlung aller Gläubiger belegen. Vorgelegt wurde hingegen eine Gegenüberstellung der Verbindlichkeiten zum und zum , Saldenlisten, OP-Listen und Lieferantenkonten.

Aus diesen Unterlagen ist weder die Höhe der Verbindlichkeiten noch die Höhe etwaiger liquider Mittel an den Fälligkeitstagen der Abgabenverbindlichkeiten ersichtlich, weshalb der Bw. keinen Nachweis für seine Behauptung erbracht hat, die Abgabenverbindlichkeiten gegenüber anderen Verbindlichkeiten bevorzugt entrichtet zu haben.

Im Hinblick auf die unterlassene Behauptung und Konkretisierung des Ausmaßes der Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten zur Verfügung gestandenen Mittel zur Erfüllung der vollen Abgabenverbindlichkeiten kommt eine Beschränkung der Haftung der Bw. bloß auf einen Teil der von der Haftung betroffenen Abgabenschulden nicht in Betracht ().

Dem Einwand, der Bw. habe keinen Zugriff auf die Buchhaltungsunterlagen, ist die ebenfalls ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen zu halten, wonach es dem Vertreter obliegt, entsprechende Beweisvorsorgen zu treffen (VwGH (, 2008/15/0263, , 2010/13/0042,0044).

Der Feststellung der Abgabenbehörde in der Berufungsvorentscheidung, der Abschluss des Mantelzessionsvertrages bei der Bank stelle eine Pflichtverletzung dar, da der Gesellschaft durch die Zession liquide Mittel zur Tilgung anderer Schulden als der Bankschulden entzogen worden seien und die Abgabenbehörde somit benachteiligt worden sei, tritt der Bw. insofern entgegen, als er vorbringt, der Abschluss der Zession sei für das Finanzamt kein Nachteil gewesen, sondern habe die Finanzierung der Gesellschaft gesichert. Es habe sich um einen Kontokorrentkredit gehandelt, für den der Bw. persönlich gehaftet habe.

Der Zessionsvertrag vom lautet:

Zur Sicherstellung und Rückzahlung aller bestehenden und künftigen Forderungen des Kreditgebers einschließlich Zinsen, Spesen und sonstigen Nebengebühren aus oa. Schuldverhältnis, .. verpflichtet sich der Zedent, laufend Forderungen aus dem Betrieb seines Unternehmens ... bis zum Betrag EUR 400.000,00 an den Kreditgeber abzutreten. ...

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann im Abschluss eines (globalen) Mantelzessionsvertrages, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt, andererseits andere andrängende Gläubiger - insbesondere der Bund als Abgabengläubiger - benachteiligt werden, eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung liegen (siehe und die dort zit. Vorjudikatur). Aus dem Zessionsvertrag geht hervor, dass es der Bw. unterlassen hat vorzusorgen, dass die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, nicht durch diesen Vertrag beeinträchtigt wird.

Das Vorbringen, der überwiegende Teil jener Mittel, über die der Bw. - neben der Zession - frei verfügen konnte, hätte zur Saldosenkung beim Finanzamt beigetragen, bestätigt die vorrangige Befriedigung der Bankverbindlichkeiten durch den Abschluss des Forderungszessionsvertrages und damit die schuldhafte Pflichtverletzung des Bw.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (), auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Im Recht ist der Bw. hingegen mit dem Vorbringen, bei der vom Finanzamt auf Saldo gebuchten Zahlung vom über 9.679,25 € habe es sich um eine Zahlung mit Verrechnungsweisung gehandelt. Hinsichtlich der im Haftungsbescheid angeführten Lohnsteuer, die nach dem Willen des Bw. mit dieser Zahlung abgedeckt hätte werden sollen, ist der Berufung stattzugeben. Der Haftungsbetrag vermindert sich daher auf insgesamt 51.335,42 €.

Die Geltendmachung einer Haftung ist in dasErmessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde gestellt. Gemäß § 20 BAO müssen Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Wie bereits ausgeführt, besteht im gegenständlichen Fall keine Rechtsgrundlage, den faktischen Geschäftsführer Z haftbar zu machen, daher kann in Umsetzung des öffentlichen Auftrages zur Sicherung des Steueraufkommens nur auf den Bw. zurückgegriffen werden. Die Haftungsinanspruchnahme des Bw. stellt die einzige Möglichkeit dar, den bei der A.GmbH eingetretenen Abgabenausfall einbringlich zu machen, weswegen im gegenständlichen Fall dieser im Interesse der Allgemeinheit gelegenen Zweckmäßigkeitserwägung höhere Gewichtung gegenüber in der Person des Bw. gelegenen Billigkeitserwägungen zuzumessen ist.

Im Übrigen steht die derzeitige schlechte wirtschaftliche Lage des Bw., verursacht durch den Verlust der Investitionen in die Gesellschaft sowie laufender Rückzahlungen an die Bank als persönlich Haftender für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 89/15/0067) in keinem Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung. Die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden kann von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden ().

Gegenstand des Berufungsverfahrens gegen den Haftungsbescheid ist ausschließlich die Frage, ob der Geschäftsführer zu Recht als Haftender für Abgaben der Gesellschaft herangezogen worden ist, nicht jedoch, ob die der Gesellschaft vorgeschriebenen Abgaben zu Recht bestehen oder nicht. Da die Abgabenbehörde im Haftungsverfahren somit an den Inhalt der vorangegangenen Abgabenbescheide gebunden ist, wird über das Rechtsmittel der Berufung gegen die am ergangenen Haftungsbescheide Lohnsteuer für die Jahre 2006 und 2007 sowie die Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2006 und 2007 in der Eingabe vom im nachfolgenden Abgabenverfahren zu entscheiden sein.

Bescheidadressat des Umsatzsteuerbescheides 2008 vom war R als Masseverwalter im Konkurs der A.GmbH . Eine Zustellung dieses Bescheides an den Haftungspflichtigen im Zusammenhang mit der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides hatte nicht zu erfolgen, weil der Bw. für die aushaftende Umsatzsteuer 2008 nicht zur Haftung herangezogen wurde. Gegen die Höhe der von der Gesellschaft gemeldeten Umsatzsteuervorauszahlungen für die Voranmeldungszeiträume 01-04/2008 wurden im Haftungsverfahren keine Einwände erhoben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at