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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 21.10.2013, RV/1319-W/13

Durch eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöste Ansprüche auf Familienleistungen iSd Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Vertreter, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung einer Differenzzahlung an Familienbeihilfe hinsichtlich der Monate Jänner 2011 bis Dezember 2011 entschieden:

Der Berufung wird im Ausmaß der Berufungsvorentscheidung Folge gegeben.

Für die Monate Jänner 2001, Mai 2011, Juni 2011 und November 2011 ist eine Differenzzahlung an Familienbeihilfe im Ausmaß von insgesamt € 757,20 zu gewähren.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber, in der Folge als Bw. bezeichnet, ist polnischer Staatsangehöriger und brachte am einen Antrag auf Gewährung einer Differenzzahlung für seine Tochter T, beim Finanzamt ein. Folgende Unterlagen wurden diesem Antrag u. a. beigeschlossen:

Eine in die deutsche Sprache übersetzte Schulbesuchsbescheinigung betreffend die Tochter des Bw.

Eine in die deutsche Sprache übersetzte Meldebescheinigung betreffend den Bw. Gemäß dieser Bestätigung wohnen die Gattin des Bw. sowie dessen Tochter mit diesem in einer gemeinsamen Wohnung.

Eine in die deutsche Sprache übersetzte Bescheinigung des Arbeitgebers der Ehegattin des Bw. vom . Gemäß dieser ist die Genannte als Köchin beschäftigt.

Mittels Ersuchens um Ergänzung vom forderte das Finanzamt den Bw. unter Setzung einer Frist bis zum um Vorlage eines Einkommensnachweises sowie einer Versicherungsbestätigung betreffend des gesamten Jahres 2011 auf.

Das Finanzamt erließ am einen den o. e. Antrag betreffenden Abweisungsbescheid und führte in diesem u. a. begründend aus, dass Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich nur für die Dauer einer Beschäftigung im Inland oder bei Bezug einer Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz oder bei Bezug von Krankengeld bestehe. Da der Bw. trotz diesbezüglicher Aufforderung keinen Einkommensnachweis und auch keinen Beschäftigungsnachweis erbrachte habe, sei dem in Rede stehenden Antrag der Erfolg zu versagen gewesen.

Am langten u. a. eine Familienstandsbescheinigung für die Gewährung von Familienleistungen, Formular E 401, betreffend den Bw., dessen Gattin und dessen o. g. Kind sowie eine Anfrage betreffend den Anspruch auf Familienleistungen (Kindergeld) in dem Mitgliedstaat, in dem die Familienangehörigen wohnen, Formular E 411, beim Finanzamt ein. Aus dem letztangeführten Formular geht u. a. hervor, dass die Ehegattin des Bw. im Zeitraum vom bis zum eine berufliche Tätigkeit ausübte und im Zeitraum vom bis zum keinen Antrag auf Gewährung von Familienleistungen stellte.

In der mit am rechtzeitig beim Finanzamt eingebrachten Berufung gegen den o. a. Abweisungsbescheid beantragte der Bw. wiederum die Gewährung einer Differenzzahlung an Familienbeihilfe für seine Tochter für den Zeitraum Jänner 2011 bis Dezember 2011 und wies diesbezüglich begründend auf einen gleichzeitig beigebrachten Beschäftigungsnachweis sowie auf den seine Person betreffenden Einkommensteuerbescheid des Jahres 2011 hin.

Mittels Ersuchens um Ergänzung vom forderte das Finanzamt den Bw. u. a. um Vorlage sämtlicher das Jahr 2011 betreffender Werkverträge und Ausgangsrechnungen in Kopie auf.

Am brachte der Bw. zwei Honorarbestätigungen über € 3.000,-- bzw. € 2.500,-- sowie die Kopie einer Rechnung über € 4.500,-- über von ihm im Jahre 2011 in Österreich erbrachte Leistungen per Telefax beim Finanzamt ein.

Angemerkt wird, dass die erstangeführte Honorarbestätigung eine im Zeitraum vom 10. Jänner bis zum vom Bw. durchgeführte Adaptierung einer Wohnung betraf. Die zweitangeführte betraf das Herstellen, Liefern und Aufbauen von 20 Staffeleien anlässlich einer Ausstellung, die o. a. Rechnung wurde für die vom Bw. vorgenommene Durchführung der künstlerischen Gestaltung eines Mosaikes ausgestellt. In den beiden letztangeführten Belegen schien kein Leistungszeitraum auf.

Mittels weiteren Ersuchens um Ergänzung vom forderte das Finanzamt den Bw. um Bekanntgabe der fehlenden Leistungszeiträume auf.

Am gab der Bw. per Finanzonline bekannt, dass die künstlerische Gestaltung des o. e. Mosaikes vom Bw. in der Zeit vom bis zum und das Herstellen, Liefern und Aufbauen von 20 Staffeleien in der Zeit vom bis zum vom Bw. vorgenommen worden seien.

Am erließ das Finanzamt eine betreffend die Monate Jänner 2011, Mai 2011, Juni 2011 und November 2011 stattgebende und betreffend die Monate Februar 2011 bis April 2011, Juli 2011 bis Oktober 2011 sowie Dezember 2011 abweisende Berufungsvorentscheidung . Begründend führte das Finanzamt aus, dass gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die sich in Berufsausbildung befänden hätten und zwar bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres.

Gem. § 5 Abs. 3 FLAG bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhielten.

Nach Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 habe eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnten, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Die Verordnung (EG) Nr. 883/04 gelte gem. Art. 1 für Personen, die eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit ausübten und regle welcher Mitgliedstaat für ein und denselben Zeitraum für ein und denselben Familienangehörigen vorrangig zur Gewährung der im jeweiligen Hoheitsgebiet vorgesehenen Familienleistungen verpflichtet sei.

Vorrangig müsse grundsätzlich jener Mitgliedstaat die Familienleistungen gewähren, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.

Seien die Elternteile in verschiedenen Mitgliedstaaten erwerbstätig, treffe die vorrangige Verpflichtung zur Gewährung der Familienleistungen jenen Mitgliedsstaat, in dessen Gebiet die Familienangehörigen wohnten. Seien die Familienleistungen im anderen Mitgliedsstaat höher, bestehe dort gegebenenfalls ein Anspruch auf Gewährung des Differenzbetrages (Artikel 68 der VO EG Nr. 883/2004).

Der Bw. habe gemeinsam mit dessen Kindern und der Kindesmutter den Familienwohnort in Polen. Die Kindesmutter sei in Polen erwerbstätig bzw. befinde sich diese in gleichgestellten Verhältnissen. Der Bw. sei in Österreich zeitweise selbständig tätig.

Damit überhaupt die EU-Verordnung zur Anwendung kommen könne, müsse eine Erwerbstätigkeit in Österreich vorliegen.

Im Jahre 2011 sei der Bw. lediglich in der Zeit vom 10. Jänner bis zum 31. Jänner, vom 3. Mai bis zum 16. Juni sowie vom 3. November bis zum 10. November in Österreich tätig gewesen.

In den Monaten Februar bis April, Juli bis Oktober und Dezember 2011 sei der Bw. in Österreich nicht erwerbstätig gewesen. Daher komme für diese Monate die EU-Verordnung nicht zur Anwendung. Auch nach innerstaatlichem Recht könne für diese (Monate) kein Anspruch auf Familienbeihilfe entstehen, da sich der Familienwohnort im Ausland befinde.

Angemerkt wird, dass die Zustellung der Berufungsvorentscheidung laut Rückschein am erfolgte.

Mit Schreiben vom beantragte der Bw. die Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte in diesem aus, dass er nicht nur in den in der Berufungsvorentscheidung angeführten Zeiträumen, sondern das gesamte Jahr über als Restaurator in der Haus für A tätig sei. Er sei u. a. für die Erhaltung der Mosaiken und Statuen zuständig. Das diesbezügliche Honorar des Bw. bestehe in der unentgeltlichen Nutzung einer Wohnung in der Haus . Dies sei auch in seinen Steuererklärungen entsprechend berücksichtigt worden. Somit liege eine ganzjährige Erwerbstätigkeit in Österreich vor. Die Ausgleichszahlungen seien daher für das ganze Jahr zu gewähren.

Am legte das Finanzamt die Berufung des Bw. dem UFS zur Entscheidung vor.

Von der erkennenden Behörde durchgeführte Recherchen ergaben, dass der Bw. in seiner das Jahr 2011 betreffenden Einkommensteuererklärung keinen Sachbezug zum Ansatz brachte.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe. Nach Abs. 2 leg cit hat jene Person Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten überwiegend für das Kind trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

§ 4 Abs. 1 FLAG 1967 normiert, dass Personen, die Anspruch auf eine gleichartige Beihilfe haben, keinen Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe haben.

In § 4 Abs. 2 FLAG 1967 ist vorgesehen, dass österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 und § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, eine Ausgleichszahlung erhalten, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beilhilfe, auf die sie oder eine andere Person Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

Nach Abs 3 leg cit wird die Ausgleichszahlung in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der gleichartigen ausländischen Beihilfe und der Familienbeihilfe, die nach diesem Bundesgesetz zu gewähren wäre, geleistet.

§ 4 Abs 6 FLAG 1967 normiert, dass die Ausgleichszahlung, mit Ausnahme der Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe, als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt.

Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten. In diesem Zusammenhang bestimmt jedoch § 53 Abs. 1 FLAG 1967, dass Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sind. Hierbei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

Im Berufungsfall sind nicht nur die innerstaatlichen Bestimmungen des FLAG 1967 zu beachten. Vielmehr sind die Verordnungen (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, in der Folge als VO (EG) Nr. 883/2004 bezeichnet, und (EG) Nr. 987/2009 vom zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der VO (EG) Nr. 883/2004, die beide ab in Kraft traten, anzuwenden. Diese haben allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat ("Durchgriffswirkung"). Die Verordnungen gehen dem nationalen Recht in ihrer Anwendung vor ("Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts").

Artikel 1lit a und b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lauten:

Für Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

a) "Beschäftigung" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

b) "selbstständige Erwerbstätigkeit" jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

Artikel 11 Abs 1 und Abs 3 lit a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lauten:

(1) Personen, für diese Verordnung gilt, unterliegen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(3) Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt Folgendes:

a) eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;

Artikel 67 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lautet:

Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Artikel 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 lautet:

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.

Die zuständige Verwaltungskommission fasste zur Auslegung des Artikels 68 der VO (EG) Nr. 883/2004 den Beschluss Nr. F1 vom (2010/C 106/04). Dieser lautet:

Für die Zwecke des Artikels 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gelten Ansprüche auf Familienleistungen insbesondere dann als "durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst", wenn sie erworben wurden

a) aufgrund einer tatsächlichen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit oder auch

b) während Zeiten einer vorübergehenden Unterbrechung einer solchen Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit

i) wegen Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Arbeitslosigkeit, solange Arbeitsentgelt oder andere Leistungen als Renten in Zusammenhang mit diesen Versicherungsfällen zu zahlen sind, oder

ii) durch bezahlten Urlaub, Streik oder Aussperrung oder

iii) durch unbezahlten Urlaub zum Zweck der Kindererziehung, solange dieser Urlaub nach den einschlägigen Rechtsvorschriften einer Beschäftigung oder selbstständigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt ist.

Gemäß § 167 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Sachverhaltsmäßig steht Folgendes fest:

Der Bw. ist polnischer Staatsangehöriger. Seine o. e. Tochter sowie seine Ehegattin lebten im berufungsgegenständlichen Zeitraum in Polen. Diese war im gesamten Jahr 2011 nichtselbständig beschäftigt.

Über Aufforderung des Finanzamtes legte der Bw. betreffend von ihm im Jahre 2011 in Österreich erbrachter Dienstleistungen hinsichtlich der Zeiträume vom 10. Jänner bis zum 31. Jänner, vom 5. Mai bis zum 16. Juni und vom 3. November bis zum 10. November Einkommensnachweise vor. Auf die obigen diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen. In der auf elektronischem Weg eingebrachten Einkommensteuererklärung für das in Rede stehende Jahr erklärte der Bw. Erlöse in Höhe von insgesamt € 9.900,--.

Das Beweisverfahren wird vor allem u. a. beherrscht vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 167 BAO).

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Rangordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen.

Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz, BAO-Kommentar, Tz. 2 zu § 166, Tz. 6 und 8 zu § 167 mwN).

Im Berufungsfall nimmt es der unabhängige Finanzsenat als erwiesen an, dass der Bw. im Jahre 2011 in Österreich lediglich in den Zeiträumen vom 10. Jänner bis zum 31. Jänner, vom 5. Mai bis zum 16. Juni und vom 3. November bis zum 10. November eine (selbständige) Erwerbstätigkeit ausübte.

Diese in freier Beweiswürdigung getroffene Annahme gründet sich auf folgende Umstände:

Der Bw. wurde, w. o. ausgeführt, mittels Ergänzungsersuchens des Finanzamtes vom ausdrücklich um Vorlage von Einkommensnachweisen hinsichtlich des gesamten Jahres 2011 aufgefordert. Weitere als die oben dargestellten diesbezüglichen Nachweise erbrachte der Bw. jedoch nicht. Bereits aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der Bw. im Jahre 2011 in Österreich außerhalb der in diesen Einkommensnachweisen angeführten Zeiträumen - in Summe 293 Tage - keine beruflichen Aktivitäten entfaltete.

Dazu kommt, dass nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ausgeschlossen werden kann, dass eine Person den überwiegenden Teil eines Jahres in einem anderen Staat, als in jenem, in dem seine Gattin wohnt und erwerbstätig ist und in dem sein Kind wohnt und die Schule besucht, für ein Honorar, das ausschließlich in der unentgeltlichen Nutzung einer sich in dem anderen Staat befindlichen Wohnung besteht, erwerbstätig ist.

Außerdem brachte der Bw. in seiner das Jahr 2011 betreffenden Einkommensteuererklärung - entgegen den diesbezüglichen Ausführungen im Vorlageantrag - keinen Sachbezug zum Ansatz.

Schlussendlich deckt die sich aus den o.e. Honorarnoten ergebenden Summe von € 10.000,-- nahezu mit den vom Bw. in dessen Einkommensteuererklärung 2011 bekanntgegebenen Erlösen im Ausmaß von € 9.900,--. Die diesbezügliche Differenz von € 100,-- führt die erkennende Behörde auf einen dem Bw. bei der Erstellung von dessen Einkommensteuererklärung 2011 unterlaufenen Rechenfehler zurück.

In Ansehung der o. a. bezughabenden Bestimmungen übte der Bw. in den Zeiträumen vom 10. Jänner bis zum , vom 5. Mai bis zum und vom 3. November bis zum in Österreich eine selbständige Erwerbstätig aus.

Dass - soweit dies die Zeiträume vom 1. Jänner bis , vom 1. Februar bis zum , vom 17. Juni bis zum und vom bis zum betrifft - die Nichtausübung der selbständigen Erwerbstätigkeit des Bw. in Österreich auf einen in Z 1 lit b des o. e. Beschlusses Nr. F1 der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom genannten Fälle zurückzuführen ist, ist weder aktenkundig noch wurde das Vorliegen eines derartigen Grundes vom Bw. behauptet.

Somit erwarb der Bw. iSd obzitierten Bestimmungen in Österreich in den Monaten Februar 2011, März 2011, April 2011, Juli 2011, August 2011, September 2011, Oktober 2011 und Dezember 2011 keine durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit ausgelösten Ansprüche auf Familienleistungen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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