Gemischt genutztes Gebäude - Kein Vorsteuerabzug für privat genutzte Gebäudeteile (Rechtslage ab 1. Jänner 2004)
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Graphikerin, G., vertreten durch Procedo Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei, 8010 Graz, Naglergasse 78, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Bezüglich der Bemessungsgrundlagen und der festgesetzten Abgaben ergeben sich gegenüber den Berufungsvorentscheidungen vom keine Änderungen.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt hat in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden unter Bedachtnahme auf die Feststellungen einer Außenprüfung lediglich die auf den unternehmerisch genutzten Teil (10,03%) des gemischt genutzten Einfamilienhauses entfallenden Vorsteuern aus den Errichtungskosten zum Abzug zugelassen und die Versteuerung des Nutzungseigenverbrauches rückgängig gemacht (vgl. Bericht vom über das Ergebnis der Außenprüfung, Tz 2).
Die Berufungswerberin (Bw.) ist in ihren Berufungsausführungen unter Bezugnahme auf die Judikatur des EuGH und Literatur zur Rechtslage 2003 und zu der ab geltenden Rechtslage zum Ergebnis gelangt, dass sich der nach österreichischer Rechtslage vorgesehene nicht steuerbare Eigenverbrauch für die private Verwendung eines gemischt genutzten Gebäudes, das zur Gänze dem Unternehmen zugeordnet ist, als nicht mit den Vorgaben des Unionsrechtes vereinbar erweise, da die Ausnahmebestimmung des Art. 6 Abs. 2 zweiter Satz der 6. EG-RL keine taugliche Basis bilde. Somit sei auch das korrespondierende Vorsteuerabzugsverbot unionsrechtswidrig, da - als Ausfluss zur Entscheidung Seeling - der Eigenverbrauch somit steuerpflichtig zu behandeln und der Vorsteuerabzug zu gewähren sei. Sohin sei aber das Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich des dem Unternehmen zugeordneten, aber nicht unternehmerisch genutzten Gebäudeteils zu Unrecht verwehrt worden.
In der Berufungsergänzung vom hat die Bw. unter Bezugnahme auf die Besichtigung des Objektes durch den Betriebsprüfer ausgeführt, dass sich unter Berücksichtigung des ausschließlich zum Atelier führenden Flurs ein unternehmerisch genutzter Anteil von 11,31% ergebe.
Das Finanzamt hat in den, in Anerkennung des von der Bw. begehrten unternehmerischen Nutzungsanteiles von 11,31%, teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidungen bezüglich des Ausschlusses der auf die privat genutzten Gebäudeteile entfallenden Vorsteuern vom Vorsteuerabzug auf die näheren Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom , 2009/15/0100 hingewiesen.
In dem dagegen eingebrachten Vorlageantrag hat die Bw. Nachstehendes ausgeführt:
Das in den Berufungsvorentscheidungen zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich auf die österreichische Rechtslage bis zum Jahr 2003 und es sei darin keine Aussage über die ab dem Zeitraum 2004 geltende Rechtslage getroffen worden. Da es ab zu einer wesentlichen Änderung der österreichischen Rechtslage gekommen sei und das gegenständliche Gebäude erst im Jahr 2004 in Nutzung genommen worden sei, sei die Schlussfolgerung, das Verwaltungsgerichtshoferkenntnis habe unmittelbare Auswirkungen auf die angefochtenen Bescheide, ihres Erachtens nicht zutreffend. In diesem Zusammenhang sei auch auf Aigner in SWK 27/2009, S 818ff. zu verweisen.
Somit bleibe eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über Zeiträume ab 2004 bzw. eine allfällige für diesen Zeitraum relevante weitere Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten.
Darüber hinaus halte sie fest, dass die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich betreibe und in diesem Zusammenhang Österreich im Oktober 2009 aufgefordert habe, einen europarechtskonformen Zustand herzustellen und somit - der ständigen Judikatur des EuGH folgend - jedenfalls ab wieder den vollständigen Vorsteuerabzug für gemischt genutzte Gebäude zuzulassen. Auch aufgrund dieses Vertragsverletzungsverfahrens sei ihres Erachtens dargelegt, dass die Nichtgewährung des Vorsteuerabzuges für das gemischt genutzte Gebäude dem Unionsrecht widerspreche.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Streitfrage im abweisenden Erkenntnis vom , 2009/15/0222, betreffend die Streitjahre 2003 bis 2007 Nachstehendes zu Recht erkannt:
"Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gelten Lieferungen und sonstige Leistungen, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 sind, als nicht für das Unternehmen ausgeführt. Dieselbe Regelung fand sich in § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1972.
§ 20 Abs. 1 EStG 1988 erfasst in Z 1 "die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge" und in Z 2 lit. a "Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung". Aufwendungen des Unternehmers für die seinen privaten Wohnzwecken dienende Wohnung stellen nicht abzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung dar. Werden wie im Beschwerdefall einzelne Räume eines Gebäudes unternehmerisch und andere Räume für eigene Wohnzwecke genutzt, richtet sich die Ermittlung des zu nicht abziehbaren Aufwendungen führenden Anteils grundsätzlich nach der anteiligen Nutzfläche (vgl. näher zur Berechnung das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0100). Der Anordnung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs. 1 Z 1 und 2 EStG 1988 zufolge sind daher in Bezug auf ein Gebäude, bei welchem einzelne Bereiche überwiegend Wohnzwecken des Unternehmers gewidmet sind, die Umsatzsteuern, welche auf eben diese Räume entfallen, vom Vorsteuerausschluss erfasst.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0100, ausgesprochen hat, ist § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 unabhängig von § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 autonom anwendbar. Soweit die gemischte Nutzung eines Gebäudes darauf zurückzuführen ist, dass ein Gebäude als private Wohnung des Unternehmers Verwendung findet, ergibt sich der anteilige Vorsteuerausschluss daher aus § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994. Einer Bezugnahme auf § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 bedarf es nicht, womit die Änderung der nationalen Rechtsordnung hinsichtlich § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 für die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 unerheblich ist (vgl. , Puffer Rz 95f).
§ 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 ist in seinem Normenbestand demgegenüber unverändert geblieben. Eine Änderung bestehender Rechtsvorschriften durch den nationalen Gesetzgeber hat diesbezüglich nicht stattgefunden.
Wenn der Beschwerdeführer nun meint, das Beibehaltungswahlrecht des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) sei ab dem Jahre 2004 aufgrund einer kurzzeitigen Interpretationsaussage des Bundesministeriums für Finanzen in den Umsatzsteuerrichtlinien (AÖF 206/2004) hinsichtlich § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 durch die Verwaltungspraxis aufgegeben worden, so ist der Beschwerde zunächst entgegen zu halten, dass im Jahresumsatzsteuerbescheid 2004 entsprechend § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 von der Abgabenbehörde kein Vorsteuerabzug gewährt worden ist.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 nach der ständigen hg. Rechtsprechung nur jene Räume erfasst, die überwiegend privat genutzt sind (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0100 und den hg. Vorlagebeschluss vom , 2006/15/0056 = EU 2007/0008 sowie das darin verwiesene hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0091). Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Interpretationsaussage des Bundesministeriums für Finanzen in den Umsatzsteuerrichtlinien stellt dagegen nicht auf überwiegend privat genutzte Einheiten ab, sondern betrifft lediglich eine private Nutzung bis 50% (vgl. das im AÖF 206/2004 unter Rz 2003 angeführte Beispiel mit einer 50%igen Privatnutzung). Eine Aufgabe des Vorsteuerausschlusses hinsichtlich überwiegend privat genutzter Räume gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 kann darin also auch aus diesem Grund nicht erblickt werden.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen."
Da demnach die in den angefochtenen Bescheiden bezüglich des privat genutzten Gebäudeteils - das Aufteilungsverhältnis ist unbestritten - vorgenommene Vorsteuerkürzung der ständigen, unter Bezugnahme auf das Unionsrecht ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs. 1 Z 1 und 2 EStG 1988 (vgl. zuletzt auch , betreffend die Streitjahre 2003 bis 2007 und , betreffend die Streitjahre 1999 bis 2001) und auch jener des Unabhängigen Finanzsenates (vgl. , betreffend die Streitjahre 2005 bis 2008 und -F/10, betreffend das Streitjahr 2007 sowie zuletzt -G/07, betreffend das Streitjahr 2005; -G/07, betreffend das Streitjahr 2004 und -G/07, betreffend die Streitjahre 2004 und 2005) entspricht, konnte der Berufung im Streitpunkt kein Erfolg beschieden sein. Demgemäß erweist sich auch die Abstandnahme von der begehrten Eigenverbrauchsbesteuerung als rechtmäßig.
Bezüglich der Anerkennung des in der Berufungsergänzung vom begehrten Anteils der unternehmerischen Nutzung in Höhe von 11,31% wird auf die diesbezüglich stattgebenden Berufungsvorentscheidungen vom hingewiesen.
Zum Vertragsverletzungsverfahren wird lediglich bemerkt, dass dieses mittlerweile von der Europäischen Kommission eingestellt worden ist (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 3 Tz 299).
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Gemischt genutztes Gebäude Vorsteuerabzug Vorsteuerausschluss Vorsteuerkürzung privat genutzter Gebäudeteil Privatnutzung |
Verweise | -F/10 -G/07 -G/07 -G/07 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at