Kosten einer alternativen Heilbehandlung eines "Wenders" als außergewöhnliche Belastung;
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Herrn SJ, X-, L-g, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs, vertreten durch Herrn WA, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2007 und 2008 entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheiden betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2007 und 2008 vom wurden Kosten für einen "Wender" nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt und die Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) betreffend Herrn JS -im Folgenden kurz mit Berufungswerber (Bw) bezeichnet -für das Jahr 2007 mit einer Gutschrift in Höhe von € 1.918,81 bzw für das Jahr 2008 mit einer Gutschrift von € 997,84 festgesetzt.
Die strittigen Kosten für alternative Heilmethoden eines "Wenders" beliefen sich laut vorgelegter Aufstellung bzw laut Rechnungen auf € 2.508,00 (Radiästhetische Untersuchung und Aurainterpretationen 2007) und € 3.900,00 (Aurainterpretationen 2008). Geltend gemachte Kosten für Rezeptgebühren, homöopathische Beratung bzw Medikamente sowie Fahrtkosten in Höhe von insgesamt € 534,05 (2007) und € 255,00 (2008) wurden als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
Mit Schreiben vom brachte der Berufungswerber (Bw) vor, sein Kind T- (geb. 2003) leide an einer entzündlichen Erkrankung der Darmschleimhaut (Colitis ulcerosa). Dies sei von den Ärzten der Kinderklinik E-m März 2005 diagnostiziert worden. Da das Kind von Beginn an sehr viele Medikamente, ua auch Cortison, einnehmen habe müssen und die Ärzte die Erkrankung als eher unheilbar betrachtet hätten, sei versucht worden, neben der Schulmedizin mit der Alternativmedizin einen Heilungsweg zu finden. In den ersten zwei Jahren sei mit speziellen Kräuteressenzen, der Kinesiologie, Bachblüten und der Homöopathie versucht worden, dem Kind zu helfen. Trotzdem seien zwei weitere stationäre Behandlungen an der Kinderklinik E-- erforderlich gewesen. Seit März 2007 werde mit Herrn NN- zusammengearbeitet. Er sei "Wender" und bemühe sich sehr um T-` Gesundheit. Seither hätten die Medikamente stark verringert werden können, das Kind sei jedoch noch nicht frei davon und leide zusätzlich seit einem Jahr an starken Entzugserscheinungen (starke Schmerzen in den Beinen). Für die tägliche Arbeit mit dem Kind sei ein Honorar in Höhe von € 300,00 monatlich vereinbart worden. Das mache zwar fast ein Viertel des monatlichen Familieneinkommens aus, doch sei es dies wert, weil dieser Weg dem Sohn helfe.
In den Berufungen gegen die oa Bescheide wurde die Anerkennung der beantragten Kosten aus den hier angeführten Gründen beantragt.
Die Abgabenbehörde legte die Berufungen zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde II. Instanz vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, sofern sie die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen kumulativ (d.h. sämtliche Merkmale gemeinsam) erfüllen.
Zunächst darf es sich dabei weder um Betriebsausgaben noch um Werbungskosten oder Sonderausgaben handeln. Zudem muss eine tatsächliche und endgültige wirtschaftliche Belastung eingetreten sein. Ist es zu einem derartigen Vermögensabfluss gekommen, setzt dessen Berücksichtigung nach § 34 EStG weiters voraus, dass die Belastung außergewöhnlich ist, zwangsläufig erwächst und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen wesentlich beeinträchtigt.
Eine Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst.
Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Abgabepflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Der Begriff "Therapie" erfordert nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte ein bestimmtes, unter ärztlicher Aufsicht und Betreuung durchgeführtes Heilverfahren. Die Aufwendungen für die Therapie müssen zwangsläufig erwachsen, wobei an den Nachweis des Vorliegens der Zwangsläufigkeit wegen der von der allgemeinen Lebensführung schwer abgrenzbaren Kosten strenge Anforderungen gestellt werden müssen.
Das Institut N- bietet laut einer Google-Abfrage ua Radiästhesie, Geistheilung-Wenden, Aurainterpretation, Hellsichtigkeit sowie eine Farb- & Typberatung an. Im Jahr 2001 habe Herr N- sein Talent für die Radiästhesie entdeckt und erfolgte 2002 die Ausbildung in den Bereichen Radiästhesie und Elektrosmog in Österreich und Deutschland. Über die intensive Beschäftigung mit der Radiästhesie seien die Fähigkeiten von der Hellfühligkeit zur Hellsichtigkeit und Geistheilung entdeckt worden. Im Jahr 2003 erfolgte die Gewerbeanmeldung (Energetik). Die Tätigkeit als Energetiker, Geistheiler, Wender und Hellseher etc werde seit 2005 ausgeübt. Es werde darauf verwiesen, dass sich der Tätigkeitsbereich auf dem Gebiet der Radiästhesie und des Hellsehens ua auch auf anerkannte Unternehmen erstrecke. In der Ausgabe der XX-Zeitung wurden Heilerfolge bei vier (namentlich anonymisierten) Patienten veröffentlicht und im Artikel gleichzeitig die Kontaktadresse des Institutes (für körperliche & energetische Ausgewogenheit -Ges) geschaltet.
Frau S- gab auf Befragen durch den UFS an, dass ärztliche Verordnungen hinsichtlich der bei Herrn N- (Wender) in Anspruch genommenen Behandlungen nicht eingeholt worden sind und keine ärztlichen Atteste bezüglich des Heilerfolgs vorliegen. Die Behandlungen sind von den Eltern zur Erzielung einer Verbesserung des Gesundheitszustandes ihres Sohnes neben schulmedizinischen Maßnahmen in Anspruch genommen und die Kosten aus eigenem getragen worden. Eine Einbindung in einen medizinischen Behandlungsplan erfolgte nicht und wurde kein Antrag an die Sozialversicherung betreffend einen (teilweisen) Kostenersatz gestellt. Die Behandlung bei Herrn N- wurde bis Frühjahr 2011 fortgesetzt. Ab Mitte Februar 2011 war der Sohn ua in Deutschland in Behandlung, weswegen Herr N- die Behandlung in der Folge nicht weiter fortgeführt hat. Im Jänner bis Februar 2011 erfolgte eine 5-wöchige stationäre Aufnahme des Jungen im K- (mit Untersuchungen, ua eine Darmspiegelung) und wurde dort die Diagnose Morbus Crohn gestellt. Derzeit wird eine Verbesserung des Gesundheitszustandes mit Hilfe der Bioresonanztherapie versucht. Mutter und Sohn werden zur Unterstützung psychologisch betreut. Im Krankenhaus M- werden die notwendigen Untersuchungen durchgeführt und der Sohn medizinisch betreut. Der zuletzt behandelnde Arzt sei aber derzeit nicht mehr am Krankenhaus tätig. Der Bub leidet jeweils verstärkt in der kalten Jahreszeit an Beschwerden im Gelenks- und Bewegungsapparat, vor allem im Bereich des Beckens, der Hüfte und im Kreuzbeinbereich.
Zusammenfassend wird ausgeführt, dass das Vorliegen einer chronischen Darmerkrankung beim Sohn des Bw ärztlich bestätigt ist. Anlässlich eines Aufenthaltes im K- CC- erfolgte die Diagnose "Morbus Crohn". Die neben der schulmedizinischen Behandlung des Kindes in Anspruch genommenen Leistungen des Herrn N- als ("Heiler", "Wender") sind aus eigenem, dh ohne ärztliche Verordnung und ohne Einbindung in einen medizinischen Behandlungsplan erfolgt. Derzeit wird eine Verbesserung des Gesundheitszustandes mit Hilfe der Bioresonanztherapie angestrebt und der Patient erfährt auch psychotherapeutische Unterstützung.
Außer Streit steht, dass die vorliegend strittigen Kosten für alternative Behandlungsmethoden als solche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Bw wesentlich beeinträchtigten und insoweit außergewöhnlich bzw höher waren als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwächst.
Wiewohl dem Bw und seiner Gattin zugestanden werden muss, dass zur Verbesserung des Gesundheitszustandes des Kindes und der Linderung der bestehenden Beschwerden hoher Aufwand nicht gescheut wird, können die beantragten Kosten für den "Wender" (Heiler) als alternative Heilmethode deshalb nicht anerkannt werden, weil die Behandlung nicht als Teil eines medizinischen Behandlungsplanes ärztlicherseits verordnet worden ist. Selbst wenn also die Inanspruchnahme der hier in Rede stehenden Leistungen (lt. Rechnungen jeweils Aurainterpretationen und eine Radiästhetische Untersuchung), wie in der Berufung behauptet, zunächst zu einer Verbesserung der subjektiven Befindlichkeit beim Sohn des Bw geführt haben mag -laut Bw war der Bub zum Zeitpunkt der vom "Heiler" (versuchten) Herabsetzung der Medikamentendosis aber nicht beschwerdefrei und litt, nach Angaben des Bw ausgelöst durch den Medikamentenentzug, an starken Beschwerden in den Beinen-wären die Kosten für die hier in Rede stehende alternative Behandlung mangels diesbezüglicher ärztlicher Verordnung nicht anzuerkennen, weil es der gewählten Behandlungsmethode solchermaßen am Merkmal der Zwangsläufigkeit fehlte.
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at