Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.07.2011, RV/1964-W/08

Umsatzsteuerliche Behandlung der Errichtung eines Urnenhaines durch eine Gemeinde.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Marktgemeinde X., vertreten durch Y-GmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Umsatzsteuer 2005 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Anlässlich einer bei der Berufungswerberin (Bw.), einer Gemeinde im Bundesland Burgenland, durchgeführten Betriebsprüfung (BP) wurde die folgende, im BP-Bericht dargestellte, Feststellung getroffen: Die Bw. habe im Jahr 2005 auf dem Gemeindefriedhof einen Urnenhain mit insgesamt 176 Urnengrabstellen um einen Gesamtbetrag von brutto € 178.580,46 errichtet. Von diesen Errichtungskosten sei ein Vorsteuerabzug i.H. von € 29.763,41 geltend gemacht worden. Weiters sei ein Betrag von € 750,00 der Umsatzsteuer unterzogen worden. Hierbei handle es sich um eine Einmalzahlung für Urnengrabstellen i.H. von € 6000,00 brutto sowie um eine Erneuerungsgebühr für Urnengrabstellen für 10 Jahre i.H. von € 300,00 brutto. Gemäß § 2 Abs. 5 KStG 1988 würden Friedhöfe stets als Hoheitsbetriebe gelten und keinen Betrieb gewerblicher Art begründen können. Die Bestattung von Leichen stelle eine öffentlich-rechtliche Aufgabe dar und sei daher dem Hoheitsbereich zuzuordnen. Aus diesem Grund sei der Vorsteuerabzug i.H. von € 29.763,41 zu versagen. Die Umsatzsteuer werde gutgeschrieben.

Der Bescheid vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2005 wurde vom Finanzamt unter Berücksichtigung dieser BP-Feststellung erlassen.

Die Bw. erhob mit Anbringen vom Berufung gegen diesen Bescheid und brachte folgendes vor: Den Ausführungen der BP sei insoweit zuzustimmen als es sich um Grabstellen- und Beisetzungsgebühren, Gebühren für die Verlängerung von Grabstellen und Genehmigungen der Errichtung von Grabdenkmälern und Grabeinfassungen handle. Privatwirtschaftlicher Natur seien hingegen die Betriebe, die selbst Grabdenkmäler oder Grabeinfassungen errichten sowie kommunale Bestattungsunternehmen. Diese Auffassung vertrete auch Ruppe im Kommentar zum UStG 1994, § 2 Tz 214. Im vorliegenden Fall gestalte sich der Sachverhalt allerdings folgendermaßen: Die Bw. habe in einem separat abgetrennten Teil des Friedhofgeländes nun einen Urnenhain errichtet. Zum einen würden die Urnengrabstellen (Grabstellenplatz) zur Verfügung gestellt, und zum anderen werde dem Käufer gleich die Möglichkeit geboten, schon baulich vorgefertigte Aufbewahrungsmöglichkeiten ähnlich einer Grabeinfassung für die Urnen zu kaufen. Der Gedanke dahinter bestehe einerseits darin, ein optisch einheitliches Bild zu schaffen und andererseits, den Käufern administrative und organisatorische Schritte zu sparen. Diese Aufbewahrungsmöglichkeiten seien mit Grabdenkmälern und Grabeinfassungen vergleichbar, da auch hier die räumlichen Voraussetzungen geschaffen würden. Zudem sei der Bw. sogar von der Burgenländischen Landesregierung die Regelung der Einhebung von Errichtungskosten außerhalb der Friedhofsgebührenverordnung ausdrücklich gestattet worden (€ 600,00 bis und € 800,00 ab ), da die Einhebung von Errichtungskosten nach Ansicht der Burgenländischen Landesregierung eine privatrechtliche Vereinbarung darstelle und somit nicht dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sei. Lediglich die Grabstellengebühr sei dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen (siehe Anlage: Stellungnahme des Amtes der Burgenländischen Landesregierung). Aus diesem Grund sei die Friedhofsgebührenverordnung der Bw. neu zu verfassen gewesen. Die Bw. verrechne nun, wenn sich ein Käufer für die Grabstelle entschieden habe einerseits separat im Hoheitsbereich die Grabstellenbenützungsgebühr (ohne Umsatzsteuer) und andererseits als Unternehmer die "Grabeinfassung" (mit Umsatzsteuer) in der oben beschriebenen Höhe. Wie dem dargestellten Sachverhalt zu entnehmen sei, agiere die Bw. nun einerseits durch ihre öffentliche Verpflichtung zur Bereitstellung von Grabstellen im hoheitlichen Bereich und zum anderen durch den Verkauf von "Urneneinfassungen" im privatwirtschaftlichen Bereich. Aus diesem Grund könne es nicht statthaft sein, einen privaten Steinmetz etc. den Vorsteuerabzug zu gewähren, der Gemeinde, die diese Tätigkeit ebenfalls ausübe, den Vorsteuerabzug allerdings zu versagen. Der Vollständigkeit halber werde noch angemerkt, dass die Bw. mit dieser Tätigkeit die Voraussetzungen als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts, die in der wirtschaftlichen Selbständigkeit, der nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit sowie der Erzielung von Einnahmen (Umsätze im Jahr 2006 bereits € 9.000,00)) gelegen seien, erfülle. Daher werde beantragt, der Berufung stattzugeben und der Bw. den Vorsteuerabzug für den Bereich des Verkaufes von "Urneneinfassungen" zu gewähren.

Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom als unbegründet abgewiesen. In der Bescheidbegründung ist folgendes ausgeführt: Nach den Rz 36 f der KStR 2001 sei der Hoheitsbereich einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jener Bereich, der auf die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben ausgerichtet sei. Er sei häufig durch Annahmezwang gekennzeichnet und der Körperschaft in ihrer Eigenschaft als Trägerin der öffentlichen Gewalt gesetzlich vorbehalten. Die Körperschaft müsse zum Erreichen ihrer hoheitlichen Ziele in der öffentlichen Rechtsordnung begründete Hoheitsakte setzen und könne sich nicht der gleichen Mittel bedienen wie sie das Privatrecht jedermann zur Verfügung stelle. Nach § 31 des Burgenländischen Leichen- und Bestattungswesengesetzes könnten nun Bestattungsanlagen, das seien Friedhöfe, Feuerbestattungsanlagen, Urnenhallen und Urnenhaine von einer Gemeinde oder einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft errichtet und erhalten werden (Abs. 1). Die Gemeinde sei aber zur Errichtung und Erhaltung eines Friedhofs verpflichtet, wenn ein Friedhof für das Gemeindegebiet nicht in ausreichendem Maße durch eine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgemeinschaft oder durch eine Nachbargemeinde zu Verfügung gestellt sei (Abs. 2). Dazu werde auf das zu einem ähnlichen Fall in der Steiermark ergangene Erkenntnis des , verwiesen. Die von der Gemeinde errichteten und erhaltenen Bestattungsanlagen seien öffentlich. Das Recht der Benützung von Grabstellen auf von der Gemeinde errichteten Friedhöfen und Urnenhainen sei ein öffentliches Recht und werde durch Verwaltungsakt begründet (§ 35 Abs. 1 leg.cit.). Es werde also der Urnenhain diesbezüglich der Grabstelle auf einem Friedhof gleichgehalten. Auch dann, wenn in der betreffenden Gemeinde ein Friedhof bereits bestehe und die Gemeinde den Urnenhain nur zu dessen Ergänzung und Entlastung errichtet habe, trete sie dem Benützer einer Grabstelle mit Hoheitsgewalt gegenüber. Die Zurverfügungstellung der Urnengrabstelle sei somit der einer Grabstelle auf einem Friedhof gleichzuhalten und entspreche daher nicht bloß der Grabeinfassung. Da nach § 19 leg.cit. grundsätzlich Bestattungspflicht bestehe, könne hier nicht von einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit der Gemeinde ausgegangen werden.

Die Bw. beantragte mit Anbringen vom die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte folgendes vor: Die in der Berufungsvorentscheidung angeführten Aspekte der grundsätzlichen Bestattungspflicht sowie der Verpflichtung zur Errichtung einer Bestattungsanlage seitens einer Gemeinde würden nicht beeinsprucht, obwohl sich schon die Frage stelle, inwieweit eine Gemeinde zur Errichtung eines Urnenhains im Falle des Vorhandenseins einer Erdbestattungsanlage verpflichtet werden könne, ob sie sich somit nicht bezüglich dieser Erweiterung bereits außerhalb des öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereiches befinde. Es verhalte sich vielmehr so, dass im Falle der "Errichtung" einer Erdbestattungsanlage es auch nicht zum hoheitlichen öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich der Gemeinde gehöre Grabeinfassungen, Grabsteine etc. zur Verfügung zu stellen, sondern diese lediglich die Möglichkeiten zur Bestattung von Leichen und Leichenteilen bereitzustellen hätte. Im Falle eines Urnenhains wäre somit die Bereitstellung eines "Platzes" vollkommen ausreichend. Zusätzliche grabbauliche Maßnahmen würden von den Gemeinden weder in § 35 des Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG noch an anderen Stellen verlangt. Dies sei, wie bereits in der Berufung angeführt, auch vom Amt der Burgenländischen Landesregierung so gesehen worden, welches lediglich die privatrechtliche Einhebung der Grabstellengebühr reklamiert habe, jedoch die Errichtung von Grabsteinen als zulässige privatrechtliche Tätigkeit qualifiziert habe. Es würde somit einer gleichheitswidrigen Behandlung gleichkommen, die Errichtung von Urnengrabsteinen als öffentlich-rechtliche Aufgabe zu qualifizieren, während "normale" Grabsteinerrichtungen sehr wohl dem privatrechtlichen Bereich zuzuordnen seien. Zudem führe der EuGH in einem ähnlichen Fall ( Slg I-1882) folgendes aus: Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung qualifiziere eine Tätigkeit nicht zu einer der Gemeinde eigentümlichen und vorbehaltenen Tätigkeit, sondern diene lediglich der Absicherung einer gewissen Grundversorgung. Zumindest für die Umsatzsteuer sei aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht jedenfalls eine unternehmerische Tätigkeit anzunehmen. Der EuGH sehe somit sogar im Fall öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen einer Gemeinde zumindest für umsatzsteuerliche Zwecke eine unternehmerische Tätigkeit als gegeben an. Daher werde um stattgebende Berufungsentscheidung ersucht.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Bw., eine Gemeinde, wendet sich gegen die Versagung des Vorsteuerabzuges i.H. von € 29.763,41 im Jahr 2005, welcher im Zusammenhang mit der Errichtung eines Urnenhaines auf dem Gemeindefriedhof geltend gemacht wurde.

Vom Finanzamt wird die Ansicht vertreten, dass eine Urnengrabstelle auf einem Friedhof einer Grabstelle für Erdbestattungen auf einem Friedhof gleichzuhalten sei, weshalb die Errichtung eines Urnenhaines durch eine Gemeinde dem Hoheitsbereich der Körperschaft des öffentlichen Rechts zuzuordnen und somit keine unternehmerische Tätigkeit sei. Es handle sich um eine auf die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben gerichtete Tätigkeit, was sich auch aus dem Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG ergebe.

Die Bw. hingegen nimmt den Standpunkt ein, dass bei der Errichtung des Urnenhaines baulich vorgefertigte Aufbewahrungsmöglichkeiten für die Urnen geschaffen worden seien, die an BürgerInnen verkauft würden, sodass die Vergleichbarkeit mit der Errichtung von Grabdenkmälern und Grabeinfassungen gegeben sei. Die Errichtung und der Verkauf von Grabdenkmälern und Grabeinfassungen sei allerdings eine Tätigkeit, die nicht dem Hoheitsbereich der Gemeinde zuzuordnen sei.

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1994 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.

Nach § 2 Abs. 3 UStG 1994 sind Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988), ausgenommen solche, die gemäß § 5 Z 12 KStG 1988 von der Körperschaftsteuer befreit sind, und ihrer land- und forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig.

Gemäß § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist ein Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts jede Einrichtung, die wirtschaftlich selbständig ist und ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichen Gewicht und zur Erzielung von Einahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und nicht der Land- und Forstwirtschaft dient.

Nach § 2 Abs. 5 KStG 1988 liegt eine privatwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 nicht vor, wenn die Tätigkeit überwiegend der öffentlichen Gewalt dient. Eine Ausübung der öffentlichen Gewalt ist insbesondere anzunehmen, wenn es sich um Leistungen handelt, zu deren Annahme der Leistungsempfänger auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist. Als Hoheitsbetriebe gelten ua. die Friedhöfe.

Ob eine Tätigkeit öffentlicher Gewalt vorliegt, ist nach der österreichischen Rechtsprechung anhand mehrerer Kriterien zu beurteilen. Der im § 2 Abs. 5 KStG genannte Annahmezwang ist dabei nur ein Indiz für die Ausübung öffentlicher Gewalt. Ausübung öffentlicher Gewalt ist jedenfalls anzunehmen, wenn der eigentliche Leistungsaustausch, der zu beurteilen ist, als hoheitliche Tätigkeit anzusehen ist; das ist nicht der Fall, wenn die Körperschaft öffentlichen Rechts sich hier desselben Instrumentariums bedient wie ein Privater. Ausübung öffentlicher Gewalt liegt nach österreichischem Verständnis auch vor, wenn eine Tätigkeit einer Körperschaft eigentümlich und vorbehalten ist. Das kann sich auch aus einer öffentlich-rechtlichen Zuweisung dieser Aufgabe, aber auch aus dem Aufgabenkreis ergeben, der der Körperschaft öffentlichen Rechts nach Verkehrs- und Staatsauffassung zukommt (vgl. Ruppe, UStG³, § 2 Tz 186).

Das Finanzamt beurteilt die Errichtung des Urnenhaines als eine im Rahmen öffentlicher Gewalt auszuübende Tätigkeit (Annahmezwang, der Gemeinde eigentümliche und vorbehalteneTätigkeit) und stützt sich dabei auf Inhalte des Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG.

Im vom Finanzamt erwähnten § 31 des Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG ist angeordnet: "(1) Bestattungsanlagen, das sind Friedhöfe, Feuerbestattungsanlagen, Urnenhallen und Urnenhaine, können von einer Gemeinde oder von einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft errichtet und erhalten werden.

(2) Die Gemeinde ist zur Errichtung und Erhaltung eines Friedhofes verpflichtet, wenn ein Friedhof für das Gemeindegebiet nicht in ausreichendem Maße durch eine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine Nachbargemeinde zur Verfügung gestellt ist.

(3) Die von der Gemeinde errichteten und erhaltenen Bestattungsanlagen sind öffentlich."

Aus § 31 des Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG geht hervor, dass eine Gemeinde bei Vorliegen der in Abs. 2 leg.cit. angeführten Umstände wohl zur Errichtung eines Friedhofes, nicht jedoch zur Errichtung eines Urnenhaines verpflichtet ist. Es kann daraus weder abgeleitet werden, dass in jeder Gemeinde ein Urnenhain errichtet werden müsste, noch dass zu einer solchen Errichtung nur die jeweilige Gemeinde befugt wäre, da ein Urnenhain auch von einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft errichtet werden könnte. Bezogen auf die Bw. im Konkreten kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass sie zur Errichtung eines Urnenhaines verpflichtet gewesen wäre. Allerdings ist in § 31 des Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG angeordnet, dass es sich bei der Errichtung von Urnenhainen im Allgemeinen um eine Tätigkeit handelt, die Körperschaften öffentlichen Rechts (Gemeinden und gesetzlich anerkannten Kirchen oder Religionsgesellschaften) eigentümlich und vorbehalten ist. Der Umstand, dass andere Rechtsträger, wie etwa private Unternehmen zur Errichtung von Urnenhainen (wie auch zu anderen Bestattungsanlagen) nicht berechtigt sind, bewirkt dass diesbezüglich prinzipiell von einer durch Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt auszuübenden Tätigkeit ausgegangen werden muss.

Auch das als Indiz für ein Handeln im Rahmen öffentlicher Gewalt geltende Kriterium des Annahmezwanges kann bei Urnenhainen nicht verneint werden, zumal in all jenen Fällen, in denen eine (landesgesetzlich zulässige) Aufbewahrung der Urne außerhalb einer öffentlichen Bestattungsanlage nicht angestrebt oder vom Bürgermeister nicht bewilligt wird, die Inanspruchnahme des Urnenhaines in der von der Körperschaft öffentlichen Rechts zur Verfügung gestellten Gestaltungsform unabdingbar ist.

Wenn sich eine Gemeinde zur Errichtung eines Urnenhaines entschließt, so ist die gleichzeitig getroffene Entscheidung über die Form der Gestaltung (Ausmaß der den BürgerInnen zur Verfügung zu stellenden grabbaulichen Maßnahmen) als eine in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Entscheidung über die Errichtung einer solchen Bestattungsanlage stehende Entscheidung zu betrachten. Die Zurverfügungstellung von Grabstellen auf einem Urnenhain in einer bestimmten Form (wie im konkreten Fall in Form von baulich vorgefertigten Grabstellen zwecks Erzielung eines einheitlichen Erscheinungsbildes) stellt somit zweifellos eine dem Hoheitsbereich der Körperschaft öffentlichen Rechts zuzuordnende Tätigkeit dar.

Überdies wurde vom Finanzamt zutreffend darauf hingewiesen, dass das Recht der Benützung von Grabstellen auf von der Gemeinde errichteten Friedhöfen und Urnenhainen ein durch Verwaltungsakt begründetes öffentliches Recht ist (§ 36 Abs. 1 Burgenländisches Leichen- und BestattungswesenG), was ebenfalls ein für hoheitliche Bereiche typisches Element darstellt.

Aus dem Inhalt des Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG geht insgesamt eindeutig hervor, das die Errichtung von Urnenhainen und die in diesem Zusammenhang stehende Zurverfügungstellung von Urnengrabstellen Tätigkeiten sind, die im Rahmen der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben von den Körperschaften öffentlichen Rechts geleistet werden. Es kann nicht bezweifelt werden, dass die Zurverfügungstellung von Grabstellen auf einem Urnenhain in den Kontext des Bestattungswesens eingebettet ist, in welchem die Körperschaften öffentlichen Rechts den BürgerInnen mit Hoheitsgewalt gegenübertreten.

Der Argumentation der Bw., dass die Errichtung des Urnenhaines mit baulich vorgefertigten Grabstellen als privatwirtschaftliche Tätigkeit einzustufen wäre, da die Grabdenkmäler oder Grabeinfassungen auf dem Friedhof für Erdbestattungen ja auch den BürgerInnen bzw. den von diesen beauftragten privaten Betrieben obliege, kann nicht gefolgt werden.Denn auch wenn eine Körperschaft öffentlichen Rechts baulich vorgefertigte Grabdenkmäler oder Grabeinfassungen auf einem Friedhof zur Verfügung stellen würde, würde sie durch dieses Handeln den Hoheitsbereich nicht verlassen, wofür in diesem Fall zusätzlich die für Erdbestattungen landesgesetzlich angeordnete Bestattungspflicht auf Friedhöfen (§ 19 leg.cit) sprechen würde.

Die Bw. beruft sich auf die von Ruppe im Kommentar zum UStG 1994, § 2 Rz 214 dargelegte Meinung, dass die Tätigkeit von Betrieben einer Körperschaft öffentlichen Rechts, "die selbst Grabdenkmäler und Grabeinfassungen errichten" eine privatwirtschaftliche Tätigkeit wäre. Dabei darf allerdings nicht ausgeblendet werden, dass Ruppe im gleichen Satz den Betrieb von Bestattungsunternehmen und Friedhofsgärtnereien durch Körperschaften öffentlichen Rechts erwähnt, was eindeutig darauf hinweist, dass damit die Entfaltung von mit einer aktiven Teilnahme am Marktgeschehen verbundenen betrieblichen Tätigkeiten gemeint ist.

Der in der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen gelegene Normzweck des § 2 Abs. 3 UStG 1994 erfordert in jenen Fällen, in denen Körperschaften öffentlichen Rechts "selbst Grabdenkmäler und Grabeinfassungen errichten" die gleiche Behandlung wie bei privat geführten einschlägigen Unternehmen und somit die Anerkennung als Betriebe gewerblicher Art. Da die Bw. durch die im gegenständlichen Fall erfolgte bloße Beauftragung von anderen Unternehmen, wie Steinmetzbetrieben etc., nicht in Wettbewerb mit privaten Unternehmen getreten ist, kann jedoch nicht von der Entfaltung einer betrieblichen Tätigkeit im von Ruppe gemeinten Sinn ausgegangen werden. Daher enthält die von der Bw. genannte Textstelle im Kommentar zum UStG (Ruppe, UStG³, § 2, Tz 214) mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte keine das Berufungsbegehren unterstützende Aussage. Wenn nämlich von einer Körperschaft öffentlichen Rechts bei der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben Leistungen privater Unternehmen in Anspruch genommen werden, so kann es bei logischer Betrachtung - im Gegensatz zur von der Bw. vorgebrachten Ansicht - zu keinen Wettbewerbsverzerrungen zwischen der Körperschaft öffentlichen Rechts und den am Marktgeschehen teilnehmenden privaten Anbietern der betreffenden Leistungen kommen. Dass keine Situation vorliegt, aufgrund welcher Wettbewerbsverzerrungen bestehen oder eintreten könnten, ist auch aus gemeinschaftsrechtlicher Perspektive bedeutsam, zumal die Behandlung der Bw. als Nichtsteuerpflichtige im Hinblick auf den Aspekt der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen unbedenklich ist.

Nach Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: 6. MwSt-RL) gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. ... Die Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Art. 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei Tätigkeiten "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" im Sinne von Art. 4 Abs. 5 der 6. MwSt-RL um solche, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung ausüben. Dies sei der Fall, wenn die Ausübung dieser Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasse; nicht dazu gehörten Tätigkeiten, die sie unter den gleichen Bedingungen ausüben wie private Wirtschaftstreibende. Unerheblich sei, ob die Tätigkeit in Wahrnehmung von Aufgaben bestehe, die aus Gründen des Gemeinwohls durch Gesetz zugewiesen und geregelt sind. Ausschlaggebend seien die konkreten Ausübungsmodalitäten der Tätigkeiten.Soweit Art. 4 Abs. 5 der 6. MwSt-RL die Behandlung der Einrichtungen des öffentlichen Rechts als Nichtsteuerpflichtige davon abhängig mache, dass diese "im Rahmen der öffentlichen Gewalt" tätig werden, schließe sie eine solche Behandlung der Tätigkeiten aus, die diese Einrichtungen nicht als Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts, sondern als Rechtssubjekte des Privatrechts ausübten. Das einzige Kriterium, das eine sichere Unterscheidung dieser beiden Arten von Tätigkeiten ermögliche, sei folglich die nach dem nationalen Recht anwendbare rechtliche Regelung (; , 2000/14/0203, jeweils mit Hinweisen auf Judikate des EuGH).

Wie oben dargelegt wurde, ergibt sich aus dem Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG zweifelsfrei, dass es sich bei der Zurverfügungstellung von Grabstellen auf einem Urnenhain auch dann um eine dem Hoheitsbereich von Körperschaften öffentlichen Rechts zuzuordnende Tätigkeit handelt, wenn den BürgerInnen baulich vorgefertigte Grabstellen zur Verfügung gestellt werden. Der Zurverfügungstellung einer baulich vorgefertigten Aufbewahrungsstelle für eine Urne kann keine andere rechtliche Qualität zugemessen werden als der bloßen Zurverfügungstellung eines Platzes für die Aufbewahrung einer Urne, da die Körperschaft öffentlichen Rechts in beiden Fällen im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird und den BürgerInnen mit Hoheitsgewalt gegenübertritt.

Die Tatsache, dass im konkreten Fall von der Burgenländischen Landesregierung die Regelung der Einhebung der Errichtungskosten für die Urnengrabstellen außerhalb der Friedhofsgebührenordnung ausdrücklich gestattet wurde, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Die von der Burgenländischen Landesregierung vertretene Ansicht, dass lediglich die Grabstellengebühr dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen wäre, die Einhebung von Errichtungskosten jedoch eine privatrechtliche Vereinbarung darstellen würde und somit außerhalb des Hoheitsbereiches anzusiedeln wäre, hat keine Bedeutung für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung.

Wenn nach der Rechtsprechung des EuGH bei der Beurteilung der Tätigkeiten von Körperschaften öffentlichen Rechts auf die Ausübungsmodalitäten abzustellen ist, so kann daraus nicht abgeleitet werden, dass die willkürliche Umwandlung von nach dem nationalen Recht dem Hoheitsbereich zuzuordnenden Tätigkeiten in privatwirtschaftliche Tätigkeiten für Umsatzsteuerzwecke zulässig wäre.

Es wird nicht in Abrede gestellt, dass in der Regel bei Anwendung der gleichen Mittel, wie sie das Privatrecht jedermann zur Verfügung stellt, von einer unternehmerischen Tätigkeit auszugehen sein wird. Dennoch bedarf es in jedem Einzelfall einer inhaltlichen Prüfung der für den jeweiligen Vollzugsbereich geltenden nationalen Materiengesetze, um eine Umgehung abgabenrechtlicher Normen hintanzuhalten.

Bei der Errichtung eines Urnenhaines und der Zurverfügungstellung der dort befindlichen Grabstellen an die BürgerInnen handelt es sich - wie sich aus dem Inhalt des Burgenländischen Leichen- und BestattungswesenG ergibt - eindeutig um dem Hoheitsbereich zuzuordnende Tätigkeiten. Es kann nicht ernsthaft daran gezweifelt werden, dass die Körperschaften öffentlichen Rechts in Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben tätig werden. Wie bereits oben ausgeführt wurde, ist hinsichtlich der berufungsgegenständlichen Tätigkeit der Zurverfügungstellung von baulich vorgefertigten Grabstellen auf dem Urnenhain eindeutig eine Einbettung in den durch das Burgenländische Leichen- und BestattungswesenG bestimmten hoheitlichen Aufgabenkreis des Leichen- und Bestattungswesens gegeben, sodass der hoheitliche Charakter dieser Tätigkeit nicht verneint werden kann.

Die von der Bw. praktizierte willkürliche Herauslösung des Verkaufes von baulich vorgefertigten Grabstellen auf dem Urnenhain aus dem hoheitlichen Kontext durch Anwendung privater Handlungsformen (verbunden mit der Herausnahme dieses Teilaspektes aus der Friedhofsgebührenverordnung zwecks Vermeidung der Erlassung von Bescheiden) für umsatzsteuerliche Zwecke wurde vom Finanzamt zu Recht nicht anerkannt.

Die beliebige Umwandlung von hoheitlichen Tätigkeiten in privatwirtschaftliche für umsatzsteuerliche Zwecke ist abzulehnen, da eine Anerkennung solcher Vorgehensweisen weder dem nationalen Recht noch dem Gemeinschaftsrecht entsprechen würde.

Die rechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes führt somit zum Ergebnis, dass die vom Finanzamt vorgenommene Behandlung der Bw. als Nichtsteuerpflichtige hinsichtlich der Tätigkeit der Zurverfügungstellung von baulich vorgefertigten Grabstellen auf dem Urnenhain, welche die Versagung des begehrten Vorsteuerabzuges i.H. von € 29.763,41 zur Folge hatte, zu Recht erfolgte.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

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