Rückzahlungsvereinbarung hinsichtlich der Investitionen der Ehegattin in die Ehewohnung des Mannes im Fall der Scheidung ist ein Vergleich.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des FN, Adr, vertreten durch Mag. Thomas Steinhuber, Notar, 5310 Mondsee, Rainerstraße 5, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom betreffend Vergleichsgebühr entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Am haben die Ehegatten FN und HN (=N) einen notariellen Ehevertrag und Erbverzichtsvertrag ua. mit folgender Regelung geschlossen: 4.3. Investitionen der Vertragsteile in das eheliche Gebrauchsvermögen, insbesondere in die eheliche Wohnung, sollten für den Fall der Scheidung der Ehe grundsätzlich demjenigen Vertragsteil zukommen, aus dessen ausschließlichem Vermögen die Investitionen getätigt wurden. Unter Investitionen in das eheliche Gebrauchsvermögen fällt unter anderem ... die Finanzierung baulicher Maßnahmen an der ehelichen Wohnung.
Mit Schenkungsvertrag vom haben die Eltern von FN das ihnen gehörige Grundstück XY ihrem Sohn übereignet.
Vereinbarung bei aufrechter Ehe
Mit Notariatsakt vom haben die Ehegatten N unter ausdrücklicher Bezugnahme auf vorstehende Regelungen im Wesentlichen Folgendes vereinbart:
Die Ehegatten N werden auf dem Grundstück XY ein Wohnhaus errichten, welches in der Folge als Ehewohnung dienen wird.Drittens:HN verpflichtet sich für die Errichtung dieses Gebäudes einen Betrag von 225.000,00 € an ihren Ehegatten zu bezahlen. ... Der Betrag wird ausschließlich für den Bau des Wohnhauses beziehungsweise dessen Einrichtung verwendet. Dieser Betrag wird wie folgt auf ein Baukonto lautend auf FN überwiesen ... sollte bis Abschluss der Bau- und Einrichtungsarbeiten nicht die investierte Gesamtsumme aufgebra(u)cht sein, wird dieser Betrag im entsprechenden Investitionsverhältnis auf die Vertragsparteien zurück erstattet.Viertens: Für den Fall der Beendigung oder Auflösung der bestehenden Ehe, verpflichtet sich FN seiner Ehegattin den zum Zeitpunkt der Ehescheidung aushaftenden Investitionsbetrag binnen zehn Jahren in monatlichen Raten verzinst nach drei Monats-Euribor ab Rechtskraft der Ehescheidung zur Auszahlung zu bringen.Die Vertragsparteien kommen einvernehmlich überein, dass eine frühere Rückzahlung des geschuldeten Betrages in jeder Höhe möglich ist. Fünftens: Wertsicherung
Gebührenbescheid
Am hat das Finanzamt für dieses Rechtsgeschäft dem FN die 2 %-ige Vergleichsgebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG in Höhe von 4.500,00 € vorgeschrieben, weil die Vereinbarung zweifelhafte Rechte für die Zeit nach einer Scheidung regle.
Berufung
Dagegen hat FN, nunmehriger Berufungswerber, =Bw, am berufen, weil die Vereinbarung gebührenrechtlich als Kreditvertrag nach § 33 TP 19 Abs. 1 Zif. 1 GebG zu werten sei, bei dem die Rückzahlung an die Bedingung, dass die Ehe beendigt wird, geknüpft sei. Bei einem Vergleich müssten strittige oder zweifelhafte Rechte gegeben sein.
Nach einer abweislichen Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes vom , hat der Bw rechtzeitig den Vorlageantrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt. Durch die Vereinbarung sei vorweg festgelegt worden, dass die grundsätzlich schenkungsweise Zuwendung bei Nichtfortbestand der Ehe wegen Motivirrtum in ein Darlehen konvertiere. Es handle sich daher nicht um einen Vergleich über ein zweifelhaftes Rechtsverhältnis, sondern um die Umwandlung einer Schenkung in einen Darlehensvertrag unter Beisetzung der Bedingung des Nichtfortbestandes der Ehe.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 Zif. 2 lit. b Gebührengesetz 1957 (GebG) unterliegt ein außergerichtlicher Vergleich einer Rechtsgebühr von 2 vH vom Gesamtwert der von jeder Partei übernommenen Leistungen.
Gemäß § 17 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird (Abs. 1). Auf die Entstehung der Gebührenschuld ist es ohne Einfluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes von einer Bedingung oder der Genehmigung eines der Beteiligten abhängt (Abs. 4).
Strittig im Berufungsverfahren ist ausschließlich die Frage, ob die gegenständliche Vereinbarung bei aufrechter Ehe vom nach dem Urkundeninhalt als Vergleich im Sinne des GebG zu qualifizieren ist.
Zur Auslegung des Begriffes "Vergleich" ist § 1380 ABGB heranzuziehen, wonach ein Neuerungsvertrag, durch welchen streitige oder zweifelhafte Rechte dergestalt bestimmt werden, dass jede Partei sich wechselseitig etwas zu geben, zu tun oder zu unterlassen verbindet, Vergleich heißt.
Ein Vergleich ist somit die unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung streitiger oder zweifelhafter Rechte.
Ein Recht ist strittig (zweifelhaft), wenn die Parteien sich über Bestand, Inhalt und Umfang oder auch über das Erlöschen nicht einig oder nicht im Klaren sind. Die Strittigkeit bzw. Zweifelhaftigkeit ist rein subjektiv zu verstehen und kann sich auf Tatsachen wie auf Rechtsfragen beziehen, auf gegenwärtige, wie auf zukünftige Verhältnisse. Durch den Vergleich muss nicht das gesamte Rechtsverhältnis neu geregelt werden. Nicht nur bereits bestehende vertragliche Rechtsverhältnisse, auch künftige auf Gesetz beruhende Ansprüche können vergleichsweise geregelt werden, wenn noch zweifelhaft ist, ob und inwieweit die gesetzlich normierten Voraussetzungen überhaupt gegeben sein werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind insbesondere vertragliche Regelungen, die allfällige Scheidungsfolgen regeln, als Vergleiche im Sinne des § 33 TP 20 GebG anzusehen. "Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung Vereinbarungen, die (auch schon vor der beabsichtigten Eheschließung) allfällige Scheidungsfolgen regeln, als Vergleiche im Sinne der herangezogenen Tarifpost angesehen (siehe die Nachweise im hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0135). Im Fall des Erkenntnisses vom , Zl. 98/16/0129, wurde bezüglich der ehelichen Wohnung ein Abfindungsbetrag schon vor Eingehen der Ehe für den Fall der Scheidung festgesetzt. Zweck des Notariatsaktes war, eine allenfalls zu leistende Ausgleichszahlung von vornherein verbindlich der Höhe nach klarzustellen. Es wurde darauf abgestellt, dass einer solchen Vereinbarung jedenfalls eine Klarstellungsfunktion zukam, womit eine für die Vertragsparteien bis dahin sichtlich nicht ganz klare Situation bereinigt wurde." ()
Bei Scheidungsfolgenvereinbarungen handelt es sich nämlich um die Regelung zweifelhafter Rechte, da im Gesetz die Folgen der Scheidung im Einzelnen nicht festgelegt sind. Wegen ihrer Klarstellungs- und Streitvorbeugungsfunktion für die Zeit nach Auflösung der Ehe hinsichtlich einer für die Vertragsparteien in Anbetracht der gesetzlichen Bestimmungen offenbar nicht ganz klaren Situation sind derartige Vereinbarungen als Vergleich zu qualifizieren.
"Nach geltendem Eherecht ist eine für den Fall der Scheidung getroffene Vereinbarung als Vergleich zu beurteilen, weil nicht von vornherein feststeht, ob ein Ehegatte zur Leistung des Unterhaltes an den anderen nach dem zu erwartenden Urteil verpflichtet sein wird. In einem solchen Fall regeln die Vertragsteile zweifelhafte Rechte, weil sie an diese Regelung auch dann gebunden bleiben, wenn sich später die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Unterhaltspflicht ändern sollten. Im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Rechtsgeschäftes steht nämlich die Verpflichtung zur Leistung eines Unterhaltes dem Grunde nach noch gar nicht fest. Es liegt daher eine künftige Regelung der Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse der Ehegatten für den Fall einer Scheidung vor und eine solche Regelung ist als Vergleich im Sinne des § 33 TP 20 GebG zu beurteilen.Da im Gesetz die Folgen der Scheidung im Einzelnen nicht festgelegt sind und Unterhaltsvereinbarungen grundsätzlich der Disposition der Ehegatten unterliegen, handelt es sich bei einer solchen Scheidungsfolgenvereinbarung um die Regelung zweifelhafter Rechte. Es können nämlich nicht nur bereits bestehende strittige vertragliche Rechtsverhältnisse vergleichsweise geregelt werden, sondern auch künftige auf Gesetz beruhende Ansprüche, wenn auch zweifelhaft ist, ob und inwieweit die gesetzlich normierten Voraussetzungen gegeben sein werden.Eine Vereinbarung über die Aufteilung des Vermögens der (künftigen) Ehegatten für den Fall der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe stellt keinen Ehepakt im Sinne des § 33 TP 11 GebG dar. Der Vereinbarung ist deswegen, weil der Beschwerdeführer und seine Vertragspartnerin dies angesichts der erst bevorstehenden Eheschließung (zur vermögensmäßigen Absicherung dessen, der die Kindererziehung übernimmt) für erforderlich hielten, jedenfalls eine Klarstellungsfunktion zugekommen, womit eine für die Vertragsparteien sichtlich nicht ganz klare Situation in Anbetracht der gesetzlichen Bestimmungen der §§ 81ff EheG bereinigt wurde. Die Vereinbarung war daher als Vergleich zu qualifizieren." , mit Verweisen auf Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren.
Gemäß § 81 EheG sind im Fall der Scheidung das eheliche Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse unter die Ehegatten aufzuteilen, wobei zum ehelichen Gebrauchsvermögen insbesondere die Ehewohnung gehört. Nach § 83 EheG ist die Aufteilung nach Billigkeit vorzunehmen. Dabei ist besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens Bedacht zu nehmen. Als Beitrag sind auch die Leistung des Unterhalts, die Mitwirkung im Erwerb, soweit sie nicht anders abgegolten worden ist, die Führung des gemeinsamen Haushalts, die Pflege und Erziehung gemeinsamer Kinder und jeder sonstige eheliche Beistand zu werten. Soweit eine Aufteilung nach den vorstehenden Bestimmungen nicht erzielt werden kann, hat das Gericht gemäß § 94 EheG einem Ehegatten eine billige Ausgleichszahlung an den anderen aufzuerlegen. Bei der Bemessung der Ausgleichszahlung kommt es idR auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Aufteilung an. Doch ist bei der Festlegung der Ausgleichszahlung nicht streng rechnerisch vorzugehen, sondern es muss eine unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlung festgesetzt werden.
Unter diesen rechtlichen Gegebenheiten waren dem Bw und seiner Ehegattin die Folgen einer Scheidung hinsichtlich der Investitionen der Ehegattin in die dem Bw gehörende Ehewohnung offenbar nicht ausreichend klar determiniert, sodass sie ergänzend zur grundsätzlichen Regelung im Ehevertrag ("sollten ... zukommen") auch noch die Errichtung der gegenständlichen Vereinbarung (als Notariatsakt) für erforderlich gehalten haben. Letztere hat verbindlich festgelegt, dass bestimmte Leistungen, welche die Ehegattin in Zukunft erbringen würde, im Falle einer späteren Scheidung in voller Höhe, wertgesichert, verzinst und in Raten vom Bw zurückzuerstatten sind. Die Vereinbarung hatte somit zweifelsohne Klarstellungs- und Streitvorbeugungsfunktion.
Des Weiteren ist für einen Vergleich das gegenseitige Nachgeben charakteristisch. Jeder Partner eines Vergleiches wird zu einer Leistung positiver oder negativer Art verpflichtet. Scheidungsfolgenvereinbarungen, bei denen die Ehepartner zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit gewesen sind, tragen daher alle Wesensmerkmale eines Vergleiches.
Diesbezüglich kann auf das Erkenntnis des , verwiesen werden. In dem dort zu beurteilenden, vergleichbaren Sachverhalt hat ein Sozialhilfeträger Unterstützung gewährt und haben sich im Gegenzug die Empfänger unter gewissen Bedingungen zur Rückzahlung verpflichtet. Ab Bedingungseintritt waren die rückzuzahlenden Beträge zu verzinsen. Der Gerichtshof erachtet das für einen Vergleich bedeutsame Element des gegenseitigen Nachgebens in Gestalt des Verzichtes auf eine Verzinsung für die Zeit bis zur Fälligkeit gegeben.
In diesem Erkenntnis stellt der VwGH zusammenfassend fest, ein Vergleich liegt immer dann vor, wenn mit einer Vereinbarung pro futuro gegensätzliche Interessen der Vertragsparteien ausgeglichen werden sollen.
Nachdem sohin die Ehepartner die Herstellung von Rechtssicherheit für die Zukunft für notwendig erachtet haben und zu diesem Zweck zu beiderseitigen Zugeständnissen bereit gewesen sind, erfüllt die Vereinbarung sämtliche Tatbestandsmerkmale eines Vergleiches im Sinne des § 1380 ABGB und ist eine solche Vereinbarung nach oben dargelegter VwGH-Judikatur als nach § 33 TP 20 GebG als gebührenpflichtiger Vergleich zu qualifizieren.
Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 33 TP 20 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 1380 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 |
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