Ermessensübung bei der Geschäftsführerhaftung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/1104-L/11-RS1 | Das Ermessen der Abgabenbehörde umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (; ; ; ). Das Ausmaß des Vertreterverschuldens ist zwar bei der Prüfung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nicht zu quantifizieren, da eine bestimmte Schuldform nicht gefordert wird, und auch leichte Fahrlässigkeit genügt (Ritz, BAO, 4. Aufl., § 9 Tz 18 mit Judikaturnachweisen). Im Rahmen der Ermessensübung kann das Ausmaß des Verschuldens bei der Bestimmung des Haftungsumfanges jedoch Berücksichtigung finden. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom , mit dem der Berufungswerber gemäß § 9 iVm § 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma W GmbH im Ausmaß von 76.076,46 € in Anspruch genommen wurde, entschieden:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben.
Die Haftungsinanspruchnahme wird auf folgende Abgaben eingeschränkt:
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Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeit | Betrag |
Lohnsteuer | 12/09 | 1.619,22 | |
Dienstgeberbeitrag | 12/09 | 1.520,46 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 12/09 | 121,64 | |
Umsatzsteuer | 11/09 | 4.054,60 | |
Kammerumlage | 10-12/09 | 7,94 | |
Lohnsteuer | 01/10 | 3.464,90 | |
Dienstgeberbeitrag | 01/10 | 1.239,27 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 01/10 | 99,14 | |
Körperschaftsteuer | 01-03/10 | 29,59 | |
Umsatzsteuer | 12/09 | 3.894,89 | |
Lohnsteuer | 02/10 | 1.872,73 | |
Dienstgeberbeitrag | 02/10 | 1.202,52 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 02/10 | 96,20 | |
Umsatzsteuer | 01/10 | 3.702,68 | |
Körperschaftsteuer | 2008 | 313,51 | |
Umsatzsteuer | 2009 | 305,02 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2006 | 6,96 | |
Lohnsteuer | 2006 | 676,65 | |
Dienstgeberbeitrag | 2006 | 87,00 | |
Lohnsteuer | 2007 | 676,65 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2007 | 6,96 | |
Dienstgeberbeitrag | 2007 | 87,00 | |
Dienstgeberbeitrag | 2008 | 87,00 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2008 | 6,96 | |
Lohnsteuer | 2008 | 676,65 | |
Lohnsteuer | 2009 | 676,65 | |
Dienstgeberbeitrag | 2009 | 87,00 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2009 | 6,96 | |
Summe | 26.626,75 |
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Gesellschaftsvertrag vom war die Firma W-OEG gegründet worden. Der Berufungswerber war einer der unbeschränkt haftenden Gesellschafter der OEG, deren Tätigkeit in der Überlassung von Arbeitskräften bestand.
Diese OEG wurde mit Einbringungsvertrag vom im Rahmen einer Vermögensübernahme gemäß § 142 HGB in die mit Gesellschaftsvertrag vom gegründete Firma W-GmbH eingebracht. Der Berufungswerber war Geschäftsführer dieser Gesellschaft.
Über das Vermögen der Gesellschaft wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom das Konkursverfahren eröffnet, und nach Schlussverteilung mit weiterem Beschluss vom aufgehoben. Die Konkursgläubiger erhielten eine Quote von rund 22,43 %. Die Firma der Gesellschaft wurde am im Firmenbuch gelöscht.
In einem Vorhalt vom wies das Finanzamt den Berufungswerber auf nach Konkursaufhebung offene Abgabenschulden der W GmbH (Primärschuldnerin) in Höhe von 207.951,85 € hin. Der Berufungswerber sei seit Geschäftsführer dieser Gesellschaft und daher für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich gewesen. Er möge darlegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen habe können, dass die Abgaben entrichtet wurden (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung wären vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden wären, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen.
Der Berufungswerber erläuterte in der dazu abgegebenen Stellungnahme vom eingehend die Ursachen für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die Insolvenz der Gesellschaft:
1) Wie bereits im Konkursantrag ausgeführt sei die Branche der Arbeitskräfteüberlasser durch eine ständige Vorfinanzierung charakterisiert. Die überlassenen Arbeitskräfte, das Finanzamt und die Gebietskrankenkasse seien zu bezahlen, bevor die Rechnungen an die Beschäftigerbetriebe gestellt werden könnten, geschweige diese fällig seien. Für die Vorfinanzierung seien daher - je nach Zahlungsmoral der Beschäftigerbetriebe - ein bis zwei Monatsumsätze an liquiden Mitteln notwendig. Leider habe die Gesellschaft auf Grund der von der Hausbank zur Verfügung gestellten Finanzierungsform dieses finanzielle Polster nicht mehr erreicht. Zum einen seien die Bankverbindlichkeiten durch die Trennung vom zweiten Gesellschafter um 65.000 € gestiegen, zum anderen hätten die Vorschriften der KGG (OÖ Kreditgarantiegesellschaft), die für Teile des Bankdarlehens gebührt habe, dazu gezwungen, dass der Rahmen des Geschäftskontos halbjährlich um 17.860 € eingeschränkt wurde, und zwar genau zu jenen Zeitpunkten, zu denen doppelte Gehälter zu zahlen gewesen wären und die Umsätze wegen der zahlreichen unproduktiven Tage der überlassenen Arbeitskräfte kurzfristig eingebrochen wären. Hinzu komme, dass die Gesellschaft aufgrund dieser Situationen Zahlungen an das Finanzamt und die Gebietskrankenkasse nicht fristgerecht durchführen habe können und so im Laufe der Zeit Säumniszuschläge in Höhe von 127.891 € entstanden seien. Ebenso habe die Gesellschaft durch die ständige Vorfinanzierung Bankzinsen in Höhe von 91.764 € und Bankspesen in Höhe von 78.734 € bezahlen müssen. Letztlich hätten auch Insolvenzen der Kunden der Gesellschaft im Umfang von über 123.800 € wesentlich dazu beigetragen, dass die Liquidität gesunken sei. Um der allgemein schlechten Entwicklung der Personalbereitsteller entgegenzuwirken, habe die Gesellschaft bereits Mitte 2008 einen Unternehmensberater mit der Optimierung der Kostenstruktur und im weiteren auch mit der Unterstützung bei den Verhandlungen mit der Hausbank beauftragt. Entgegen den Prognosen der Wirtschaftsexperten habe das Geschäft der Arbeitskräfteüberlasser in der zweiten Jahreshälfte 2009 nicht angezogen, sondern sogar nachgelassen. Dies zeige sich auch in zahlreichen Insolvenzen von durchaus namhaften Arbeitskräfteüberlassern. Im direkten Vergleich dazu seien die Verbindlichkeiten der Gesellschaft von eher geringer Bedeutung gewesen. Da aber die weitere Finanzierung und auch die mögliche Expansion von der Hausbank nicht mitgetragen worden sei, habe die Gesellschaft die aktuellen Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können. Die Bemühungen, die Verbindlichkeiten in langfristige Kredite und somit einer branchengerechten Regelung entsprechend umzuwandeln, damit die damalig allgemein wirtschaftlich schlechte Lage abgefedert werden hätte können, sei am Willen der Banken gescheitert, Risiken ohne gänzliche Besicherung des Geldbedarfes mitzutragen. Eigentlich hätte eine Umstellung der Finanzierung in einen langfristigen Abstattungskredit bereits gereicht, für die ständige Liquidität des Unternehmens zu sorgen. Die Bemühungen in den Wochen vor der Konkurseröffnung hätten sich auf einen Vertragsabschluss mit einer neuen Bank konzentriert, die bereit gewesen wäre, unter entsprechender Absicherung durch die Kreditgarantiegesellschaft, die Verbindlichkeiten in ein langfristiges Darlehen umzuschulden. Dadurch wäre die Liquidität sofort um einen Monatsumsatz zuzüglich der Bevorschussung der laufenden Rechnungen in Höhe von 80% des Umsatzes gestiegen. Damit hätte die Gesellschaft den laufenden Betrieb aufrechterhalten und auch neue Kunden und zu überlassende Arbeitskräfte werben können. Mit Ende Februar 2010 seien, nachdem den Gläubigern (auch dem Finanzamt) ein Antrag auf Zustimmung zu einem außergerichtlichen Ausgleichsvorschlag zugestellt worden sei, die Konten der Gesellschaft seitens der Hausbank eingefroren, mit Schreiben vom die Konten per fällig gestellt und keine Auszahlungen mehr vorgenommen worden.
2) Die Gesellschaft habe auf Grund der anhaltenden wirtschaftlichen Flaute im Jahr 2008 und der sich nicht abzeichnenden Änderung Anfang 2009 Kontakt mit der eigenen Hausbank aufgenommen, um die Sicherung der Liquidität des Unternehmens in dieser allgemeinen wirtschaftlichen Krise dieser Branche zu erhalten. Dabei sei festgestellt worden, dass sich auf Grund personeller Veränderungen innerhalb der Bank niemand mehr für die Belange der Gesellschaft zuständig gefühlt habe. Dies hätte sogar soweit geführt, dass die ansonsten pünktlich durchgeführte Bevorschussung der zedierten Rechnungen nicht mehr erfolgt sei. Erst nach zahlreichen Versuchen und Hinweisen auf einen Änderungsbedarf in der Finanzierung seien Mitte 2009 die ersten Gespräche über eine Ausweitung der Kreditmittel aufgenommen worden. Seitens der Gesellschaft seien mit Unterstützung des Unternehmensberaters rechtzeitig auf die schwierige wirtschaftliche Marktsituation eingegangen und Kosten eingespart worden. Die internen Personalkosten seien optimiert und reduziert, Prämien gestrichen, ein neues Büro gesucht, und neue Großkunden zu akquirieren versucht worden. Viele Aufträge hätten jedoch 2009 wegen den fehlenden Unbedenklichkeitsbescheinigungen nicht angenommen werden können und die Gesellschaft sei auf Grund dessen bei einigen Stammkunden ausgelistet worden (Umsatzeinbußen bis zu 50.000 € im Monat). Gerade dadurch, dass die Gesellschaft fast ausschließlich Facharbeiter weitervermittelt habe, wäre der break even point rasch erreicht und die bestehenden Verbindlichkeiten, sofern sie langfristig rückgeführt worden wären, auch trotz der Schwankungen während des Jahres laufend bedient worden. Bis dahin sei es so gewesen, dass der der Gesellschaft zur Verfügung stehende Rahmen bei der Bank nur bei entsprechenden Rechnungslegungen ausgedehnt worden sei. Dies habe zur Folge gehabt, dass gerade in den wegen der vielen Urlaubstage einkommensschwachen Monaten Dezember und Januar der zur Verfügung stehende Rahmen bei der Bank eingeschränkt und überdies der Rahmen auf Grund der Bestimmungen der Kreditgarantiegesellschaft herabgesetzt worden sei. Dazu wären noch die Sonderzahlungen im Dezember und im Juli gekommen. Erst im Zuge der Gespräche mit der Kreditgarantiegesellschaft sei festgestellt worden, dass die Hausbank von der Möglichkeit Gebrauch hätte machen können, rechtzeitig bei der Kreditgarantiegesellschaft die Aussetzung der Rahmeneinschränkungen zu beantragen, dies bei gleichzeitiger Umstellung der Bankverbindlichkeiten auf einen langfristigen Kredit. Aus einer beigelegten Anlage seien die Ursachen für die zunehmenden Liquiditätsschwierigkeiten ableitbar, die wesentlichen Eckpunkte wären: Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 127.891 € und Bankzinsen in Höhe von 91.764 € als auch Forderungsausfälle von gesamt 123.812 €. Auch die im September 2009 gewährte Aufstockung des Kredites bei gleichzeitiger Zufuhr von Eigenmittel und Übernahme der teilweisen Haftung durch die Kreditgarantiegesellschaft (80.000 € Fremdkapital und 40.000 € Eigenkapital als zusätzliche Liquidität), habe nicht die erhoffte anhaltende Liquidität gebracht, zumal die Hausbank diese zusätzlichen Mittel zur teilweisen Abdeckung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft verwendet habe.
3) Nach dem zweiten Bericht des Masseverwalters im Konkurs der Gesellschaft sei Hauptinsolvenzursache die mangelnde Eigenkapitalausstattung des Unternehmens gewesen. Das Unternehmen habe die operativen Verluste weitgehend über den Betriebsmittelkredit finanzieren müssen. Der Betriebsmittelkredit habe nur soweit ausgenützt werden können, als aus dem laufenden Geschäftsbetrieb zedierbare Forderungen vorhanden waren, welche von der Bank zu 70 % bevorschusst worden seien. Die Zessionen seien von Anfang an offen gelegt worden. Zusätzlich habe die Gesellschaft einen einmaligen Kredit in Höhe von 75.000 € gehabt, welcher durch die Ausfallbürgschaft der Kreditgarantiegesellschaft besichert worden sei und deshalb ab Mitte 2007 in halbjährlichen Raten von 17.860 € zurückzuführen gewesen sei. Durch diese Finanzierungsform des Unternehmens habe die für den laufenden Geschäftsbetrieb benötigte Liquidität nur teilweise aufgebracht werden können, da das personalintensive Unternehmen die Personalkosten, die Lohnabgaben und die Sozialversicherungsbeiträge aufgrund der vereinbarten Zahlungsziele vorfinanzieren musste, während nur 70 % der erbrachten Leistungen über den Zessionskredit bevorschusst wurden. So sei es, wie auch im Konkurseröffnungsantrag dargestellt, dazu gekommen, dass Lohnabgaben und Sozialversicherungsbeiträge zum Teil nur verspätet bezahlt werden konnten und das Betriebsergebnis mit hohen Verzugszinsen und Säumniszuschlägen belastet worden sei. Die Situation sei durch die geringere Nachfrage nach Arbeitskräften, bedingt durch die Wirtschaftskrise, verstärkt worden, wodurch das Unternehmen deutliche Umsatzrückgänge (bezogen auf den Umsatz des Vorjahres ca. 30 %) bei gleichbleibenden Fixkosten zu verzeichnen gehabt habe. Der damit verbundene zusätzliche Liquiditätsbedarf sei durch die vereinbarte Rückführung des Einmalkredites zusätzlich vergrößert worden. Zusätzlich sei die Liquidität der Gesellschaft dadurch beeinträchtigt worden, dass das Unternehmen gegenüber den Beschäftigerbetrieben die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Krankenkasse und des Finanzamtes nicht vorlegen konnte und von den Kunden fallweise Rechnungsbeträge zur Absicherung der Haftung nach § 14 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes einbehalten wurden. Aus damaliger Sicht des Masseverwalters sei eine Geschäftsführerhaftung zu verneinen gewesen. Diese Rechtsmeinung habe der Masseverwalter bis zur Beendigung des Konkursverfahrens nicht geändert.
4) Der extrem rasche Anstieg der Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt im Jahr 2010 resultiere daraus, dass trotz unausgeschöpftem Kreditrahmen die Hausbank weitere Zahlungen verweigert habe, eine Vorfinanzierung jedoch branchenbedingt notwendig gewesen wäre. Die Bank habe offensichtlich im Zuge ihrer eigenen internen Umstrukturierung (bis hin zum Verkauf der Anteile an einen Mitbewerber) beabsichtigt, sich von Unternehmen in dieser Branche zu trennen. Aus diesem Grunde sei mit verschiedenen (näher angeführten) Banken und der Kreditgarantiegesellschaft Kontakt aufgenommen worden. Ziel sei die Umschuldung unter Beibehaltung der bestehenden Sicherheiten (Bürgschaft der Kreditgarantiegesellschaft, Wertpapierdepot, Haftung des Geschäftsführers) gewesen. Leider habe die Sperre der Konten der Gesellschaft durch die Bank zu einem sofortigen Stopp dieser Verhandlungen und zur Einleitung des Insolvenzverfahrens geführt.
5) Der Masseverwalter der Gesellschaft habe eine allfällige Ungleichbehandlungen von Gläubigern geprüft, wobei es zu Rückzahlungen "nur durch" (gemeint wohl: an) das Finanzamt selbst gekommen sei. Der Masseverwalter habe auch ein allfälliges Fehlverhalten des Berufungswerbers geprüft und festgestellt, dass ein solches nicht vorliege, insbesondere die Buchführung vorbildlich gewesen sei, keine Vermögensverschleuderung vorgenommen worden sei und sich der Berufungswerber als Geschäftsführer auch keinen hohen Bezug (im Gegenteil) gewährt habe. Während des Konkursverfahrens habe der Berufungswerber überhaupt kein Gehalt bekommen, nicht einmal jenes, das ihm zur einfachen Lebensführung zugestanden wäre. Im Sinne der Erhöhung der Quote für die Gläubiger habe er darauf verzichtet. Weiters ersuche er zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft vor der Gewährung der Kreditaufstockung im September 2009 ausführlich von der Hausbank geprüft worden und sowohl das Potential der Branche als auch der Gesellschaft für kreditwürdig befunden worden sei. Überdies seien von ihm und einem langjährigen Mitarbeiter zusätzliche Eigenmittel von insgesamt 40.000 € eingebracht worden, was darauf schließen lasse, dass er auch selbst an den künftigen Erfolg geglaubt habe. Dass sämtliche Bemühungen, dem seit 2001 bestehenden Unternehmen die Insolvenz zu ersparen, letztlich nicht gefruchtet hätten, erfülle ihn mit großer Trauer und auch Enttäuschung über den verantwortungslosen Umgang der Banken mit mittelständischen Unternehmen in Krisenbranchen. Dem Businessplan aus Februar 2010 (Stand ), der der Prüfung der Banken standgehalten habe, könne entnommen werden, dass die Entwicklung der Gesellschaft deutlich positiv war, die Auftragslage für das Frühjahr sei bereits überdurchschnittlich gewesen. Dies hätte jedoch höhere Beträge für die Vorfinanzierung bedingt. Die Hausbank habe diese Entwicklung zu seinem Leidwesen nicht mitgetragen und dadurch sein Lebenswerk vernichtet.
Dieser umfangreichen Stellungnahme waren folgende Unterlagen angeschlossen:
a) Kopie des zweiten Berichtes des Masseverwalters vom , den der Berufungswerber bereits in Punkt 3 seiner Stellungnahme auszugsweise (betreffend die Insolvenzursachen, den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und die Geschäftsführerhaftung) zitiert hatte
b) Kopie des vierten Berichtes des Masseverwalters vom , wonach der Berufungswerber zur Begleichung der Forderung der Masse gegen ihn auf Einzahlung der offenen Stammeinlage und aus dem Verrechnungskonto einen Vergleichsbetrag von 10.000 € bezahlt hat
c) Kopie des Schlussberichtes des Masseverwalters vom
d) Kopien aus dem E-Mailverkehr zwischen der Hausbank und dem Berufungswerber betreffend Einschränkung des Rahmens, der laut Angaben der Bank zwar bei der Verlängerung des Vertrages im September 2009 nicht (gesondert) vereinbart worden wäre, sich aber schon aus dem ursprünglichen Kreditvertrag ergäbe; E-Mail des Berufungswerbers an die Hausbank, in der im Wesentlichen die oben unter Punkt 2) zitierten Ausführungen enthalten sind (Gründe für die laufenden Zahlungsschwierigkeiten, ungeeignete Finanzierungsform, fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigungen als Gründe für Umsatzeinbußen; E-Mailverkehr zwischen dem Unternehmensberater und der Kreditgarantiegesellschaft betreffend die geplante Umschuldung)
e) Aufstellung der Spesen, Zinsen und Forderungsausfälle seit dem Jahr 2002. Demnach fielen in den Jahren 2003 bis zum Wirtschaftsjahr 2009/2010 aufgrund des ungeeigneten Finanzierungsmodells beim Finanzamt und bei der Gebietskrankenkasse Säumnis- und Verspätungszuschläge sowie Zinsen in Höhe von 75.423,85 € (Finanzamt) und 52.467,98 € (Gebietskrankenkasse) an. Die Bankgebühren einschließlich Zinsen betrugen im Zeitraum 2002 bis zum Wirtschaftsjahr 2009/2010 insgesamt 170.499,84 €, die Forderungsausfälle wurde mit 123.812,71 € beziffert.
f) E-Mail des Berufungswerbers vom (somit wenige Tage vor Konkurseröffnung) an die Hausbank, in dem dieser nochmals die mögliche Rettung des primärschuldnerischen Unternehmens darstellte
g) Businessplan mit eingehender Darstellung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und der zum Stichtag offen Forderungen
h) Korrespondenz mit der Wirtschaftskammer
i) Korrespondenz mit drei Banken im März 2010, in der verschiedene Varianten für eine Weiterführung des primärschuldnerischen Unternehmens dargestellt werden
j) Buchungsbestätigungen vom , wonach der Berufungswerber einen Betrag von 9.000 € und E (laut Punkt 5 der obigen Stellungnahme ein langjähriger Mitarbeiter der Gesellschaft) einen Betrag von 31.000 € in das Unternehmen eingebracht haben.
Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber für folgende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft gemäß §§ 9, 80 BAO in Anspruch:
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Abgabenart | Zeitraum | Fälligkeit | Betrag |
Lohnsteuer | 12/09 | 4.626,34 | |
Dienstgeberbeitrag | 12/09 | 4.344,18 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 12/09 | 347,54 | |
Umsatzsteuer | 11/09 | 11.584,57 | |
Kammerumlage | 10-12/09 | 22,70 | |
Lohnsteuer | 01/10 | 9.899,72 | |
Dienstgeberbeitrag | 01/10 | 3.540,78 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 01/10 | 283,26 | |
Körperschaftsteuer | 01-03/10 | 84,55 | |
Umsatzsteuer | 12/09 | 11.128,26 | |
Lohnsteuer | 02/10 | 5.350,65 | |
Dienstgeberbeitrag | 02/10 | 3.435,78 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 02/10 | 274,86 | |
Umsatzsteuer | 01/10 | 10.579,08 | |
Körperschaftsteuer | 2008 | 895,73 | |
Umsatzsteuer | 2009 | 871,50 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2006 | 19,89 | |
Lohnsteuer | 2006 | 1.933,28 | |
Dienstgeberbeitrag | 2006 | 248,57 | |
Lohnsteuer | 2007 | 1.933,28 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2007 | 19,89 | |
Dienstgeberbeitrag | 2007 | 248,57 | |
Dienstgeberbeitrag | 2008 | 248,57 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2008 | 19,89 | |
Lohnsteuer | 2008 | 1.933,28 | |
Lohnsteuer | 2009 | 1.933,28 | |
Dienstgeberbeitrag | 2009 | 248,57 | |
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag | 2009 | 19,89 | |
Summe | 76.076,46 |
Die Abgaben seien bei der Primärschuldnerin im Hinblick auf das bereits beendete Konkursverfahren uneinbringlich. Ein mangelndes Verschulden des Berufungswerbers an der Uneinbringlichkeit sei trotz Vorhaltsbeantwortung nicht dargelegt worden. Als Pflichtverletzung komme auch der Abschluss eines Zessionsvertrages in Betracht, durch den das Kreditinstitut begünstigt und andere andrängende Gläubiger benachteiligt würden. Der Abschluss eines solchen Zessionsvertrages sei dann eine haftungsrelevante Pflichtverletzung, wenn der Vertreter zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses damit rechnen habe müssen, durch die Zession der Forderungen der Gesellschaft ihre liquiden Mittel zur Berichtigung von Abgabenschulden zu entziehen. Ein solcher Vertrag sei dem Vertreter dann vorzuwerfen, wenn er es unterlassen habe - insbesondere durch eine entsprechende Vertragsgestaltung - vorzusorgen, dass auch im Fall einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt als nicht unvorhersehbar zu werten sei, die Bedienung der anderen Schulden nicht durch diesen Vertrag beeinträchtigt wird. Die Geltendmachung der Haftung stelle die einzige Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Weiters könne nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die Haftungsschulden auch beim Haftungspflichtigen uneinbringlich wären. Der Haftungspflichtige habe im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner Pflichten auffallend sorglos gehandelt.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben. Der Berufungswerber führte darin aus, er sehe keine Pflichtverletzung durch den Abschluss eines Zessionsvertrages mit dem Kreditinstitut und somit einer Benachteiligung der restlichen Gläubiger, da diese Zessionsverträge als Vorgabe der Bank gekommen seien und bereits im Jahr 2002/2003 abgeschlossen worden wären. Wie bereits ausgeführt, sei die Branche der Arbeitskräfteüberlasser mit dem Problem konfrontiert, ständig vorfinanzieren zu müssen. Die von der Hausbank bereits im Jahr 2002 empfohlene Finanzierungsart habe sich letztlich als nicht praktikabel herausgestellt, zumal damit weder die Wirtschaftskrise 2008 noch ein Wachstum bewältigt werden hätten können. Des Weiteren habe es in der Vergangenheit unzählige Gespräche mit der Hausbank gegeben, um eine andere Art der Finanzierung zu bekommen, welche seitens des Kreditinstituts abgelehnt worden sei. Im Jahr 2010 habe sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens erholt und habe die Bank sogar Verbindlichkeiten durch Rahmeneinschränkung abgebaut. Es sei ihm jedoch nicht möglich gewesen, auf diesen Prozess der Bank Einfluss zu nehmen, obwohl Finanzierungsmodelle vorgelegt worden wären. Die Begründung der Bank, warum keine Aufstockung des Rahmens trotz steigender Aufträge gewährt worden sei, wäre mit der eingeschränkten Möglichkeit der Banken zur Vergabe von Neukrediten ohne entsprechende Besicherung zusammengehängt. Durch die Finanzkrise im Jahr 2008/2009 und dem damit verbundenen Einbruch der gesamten Personalbereitstellungsbranche als auch der Fälligstellung des Kredites durch die Bank sehe er keine Pflichtverletzung als Vertreter des Unternehmens. Er habe im Jahr 2009 sogar dafür gesorgt, dass Privatmittel eingeschossen werden, um die Krise der Branche (und nicht nur seines Unternehmens) bewältigen zu können. Er verwehre sich gegen die Beschuldigung, er hätte auffallend sorglos gehandelt. Er habe sich ein geringeres als angemessenen Geschäftsführergehalt ausbezahlt. Auch habe er nie Gesellschaftsvermögen sorglos verschwendet. Mit Beginn der Wirtschaftskrise habe er versucht, die Kosten der Gesellschaft bestmöglich zu senken, neue Märkte zu öffnen, Kooperationen mit anderen Partnern zu suchen und Verhandlungen mit den Banken zu führen. Er sei Opfer der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und der eingeschränkten Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe geworden. Er habe mit Umsicht die Agenden der Geschäftsführung wahrgenommen. Der von ihm beantragte Konkurs über das Unternehmen sei notwendig geworden, zumal die Bank den ihm zur Verfügung stehenden Rahmen eingeschränkt habe, und als er um einen außergerichtlichen Ausgleich angesucht habe, den Rahmen zur Gänze gestrichten und den Kredit sofort fällig gestellt habe. Die Überlegungen der Bank resultierten jedoch nicht ausschließlich aus der wirtschaftlichen Lage seines Unternehmens, sondern auch aus der schlechten wirtschaftlichen Lage der Bank selbst. Zum Beweis verweise er auf die von ihm erstattete Stellungnahme, den Konkursakt, seine Einvernahme und die bisherigen Steuerprüfungen, die ein wesentlich besseres Bild zeichnen würden als der angefochtene Bescheid.
Ein (unbedeutender) Teil der Haftungsschuld konnte durch Überrechnung eines Guthabens vom persönlichen Abgabenkonto der Berufungswerbers in Höhe von 293 € mit Wirksamkeit abgedeckt werden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen gegen die Gesellschaft sind im vorliegenden Fall ebenso unbestritten wie die Stellung des Berufungswerbers als verantwortlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin im haftungsrelevanten Zeitraum.
Auch die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft steht im Hinblick auf das bereits abgeschlossene Konkursverfahren fest. Die Konkursquote von rund 22,43 % wurde vom Finanzamt zutreffend aliquot auf alle Abgabenschulden verrechnet (vgl. ; ), wodurch sich diese entsprechend verringert haben und im angefochtenen Bescheid nur mehr mit dem verbleibenden Restbetrag von rund 77,57 % ausgewiesen werden.
Für die Haftung nach § 9 BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung. Ob den Vertreter ein Verschulden am Eintritt der Zahlungsunfähigkeit trifft, ist für die Haftung nach § 9 BAO dagegen nicht maßgeblich (Ritz, BAO4, § 9 Tz 9 und 10 mit Judikaturnachweisen). Die Verletzung der im GmbHG normierten gesellschaftsrechtlichen Pflichten des Geschäftsführers (§§ 15 ff GmbHG) ist in diesem Zusammenhang somit ebenso wenig zu prüfen wie die Verletzung insolvenzrechtlicher Pflichten, wie sie sich beispielsweise aus § 69 Abs. 2 IO ergeben (Einbringung eines Insolvenzantrages spätestens 60 Tag nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit). Aus dem Umstand, dass seitens des Masseverwalters keine Haftungsinanspruchnahme des Berufungswerbers erfolgte, ist daher für das gegenständliche Haftungsverfahren nichts zu gewinnen. Nicht näher zu untersuchen sind auch die (eingehend dargestellten) Ursachen für die Insolvenz und die Frage, ob den Berufungswerber am Eintritt derselben sowie an den bereits zuvor eingetretenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft ein Verschulden trifft.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter im abgabenrechtlichen Haftungsverfahren darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch auf Zahlungen bezieht, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote. Vermag der Vertreter nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (z.B. mwN).
Im Vorhalt vom war der Berufungswerber vom Finanzamt (auch) aufgefordert worden, eine (allfällige) anteilige Mittelverwendung durch geeignete Unterlagen zu belegen. Eine solche Gleichbehandlung des Abgabengläubigers mit den anderen Gläubigern, insbesondere mit der Hausbank als Hauptgläubigerin wurde vom Berufungswerber jedoch weder ausdrücklich behauptet, noch glaubhaft gemacht. Schon in der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes liegt daher ein Verschulden im Sinne des § 9 BAO.
Die Ursache dafür, dass der Berufungswerber bei der "Verfügung" über die Gesellschaftsmittel für eine Gleichbehandlung des Abgabengläubigers im haftungsrelevanten Zeitraum faktisch gar nicht mehr Sorge tragen konnte, liegt in den mit der Hausbank abgeschlossenen Zessionsverträgen. Zur Frage des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung im Zusammenhang mit Zessionsverträgen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in einer Fülle von Erkenntnissen Stellung genommen und dabei im Wesentlichen ausgesprochen:
Ein Zessionsvertrag, auf Grund dessen der Geschäftsführer die Disposition über eingehende Mittel verliert, somit nicht mehr in der Lage ist, alle andrängenden Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen, führt zur Inanspruchnahme des Geschäftsführers als Haftenden (). Im Abschluss eines globalen Mantelzessionsvertrags, durch den einerseits die Bank als andrängender Gläubiger begünstigt wird, andererseits andere andrängende Gläubiger - insbesondere der Bund als Abgabengläubiger - benachteiligt werden, liegt eine dem Geschäftsführer vorzuwerfende Pflichtverletzung (). Durch die Zession aller, auch zukünftiger Kundenforderungen im Rahmen einer Mantelzession als Besicherung des Bankkredites wird die Bank mit ihrer Kreditforderung gegenüber den Abgabenforderungen bevorzugt (). Der Abschluss eines Mantelzessionsvertrags ist eine schuldhafte Pflichtverletzung, wenn der Vertreter damit rechnen muss, durch die Zession die liquiden Mittel zur Berichtigung anderer Schulden als der Bankschulden, insbesondere der Abgabenschulden des Vertretenen, zu entziehen (). Der Abschluss des Zessionsvertrages ist dem Vertreter dann vorzuwerfen, wenn er es unterlässt, insbesondere durch geeignete Vertragsgestaltung, vorzusorgen, dass auch im Falle einer Änderung der Verhältnisse - wenn diese bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt als nicht unvorhersehbar zu werten ist - die Bedienung der anderen Schulden, insbesondere der Abgabenschulden, durch diesen Vertrag nicht beeinträchtigt wird ().
Im gegenständlichen Fall hat der Berufungswerber eingehend dargestellt, dass die an das Finanzamt und die Gebietskrankenkasse zu leistenden Abgaben und Beiträge ständig vorfinanziert werden mussten und die Besicherung der Finanzierung durch die Hausbank durch Zessionsverträge erfolgte. Der Unabhängige Finanzsenat verkennt durchaus nicht, dass (nicht nur) in der Branche der Arbeitskräfteüberlassung bei Fehlen anderer Sicherheiten (z.B. Grundvermögen) eine Besicherung der Bank oftmals gar nicht anders als durch eine Zession der Kundenforderungen möglich ist. Auch hat ein Kreditnehmer im alltäglichen Wirtschaftsleben praktisch kaum eine Möglichkeit, auf die konkrete vertragliche Ausgestaltung einer derartigen Zessionsvereinbarung Einfluss zu nehmen. Tatsächlich werden von den Banken im Regelfall vorgefertigte Zessionsverträge angeboten, die der Kreditnehmer annehmen "kann" oder nicht. Ungeachtet dessen geht der Vertreter einer Gesellschaft mit dem Abschluss derartiger Zessionsvereinbarungen das Risiko ein, dass er "im Ernstfall" (z.B. bei Einschränkung des Kreditrahmens aufgrund fehlender ausreichender zedierbarer Forderungen) die abgabenrechtlichen Zahlungspflichten nicht mehr termingerecht oder überhaupt nicht mehr wahrnehmen kann. Eine Folge dieses eingegangenen Risikos ist dann aber auch die Heranziehung des Vertreters zur Haftung durch die Abgabenbehörde.
Der Berufungswerber hat selbst darauf hingewiesen, dass die gewählte Finanzierungsform ungeeignet war. Dies wurde aber nicht erst in den Monaten unmittelbar vor Konkurseröffnung offenkundig, sondern war bereits seit Aufnahme der Tätigkeit nicht zuletzt durch die exorbitanten Säumniszuschläge erkennbar. Tatsächlich war dem Berufungswerber damit seit jeher eine termingerechte Abgabenentrichtung oftmals nicht möglich und fielen deshalb innerhalb von nur wenigen Jahren (2003 bis 2010) laut vorgelegter Aufstellung allein beim Finanzamt Nebenansprüche in Höhe von 75.423,85 € an. Ähnlich war die Situation bei der Gebietskrankenkasse (52.467,98 €).
Bei dieser Sachlage musste der Berufungswerber aber im Sinne der oben aufgezeigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes damit rechnen, dass durch die (laufend erneuerten) Zessionsvereinbarungen die liquiden Mittel zur termingerechten Abgabenentrichtung nicht zur Verfügung stehen würden. Das Finanzamt ging daher zu Recht vom Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung im Sinne des § 9 BAO aus.
Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der ständigen Rechtsprechung eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung (Ritz, BAO4, § 9 Tz 24 mit Judikaturnachweisen). Es wurden keinerlei Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig.
Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen (§ 20 BAO) zu halten hat. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben mit allen gesetzlich vorgesehenen Mitteln und Möglichkeiten" beizumessen.
Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar. Dass die Haftungsschuld beim Berufungswerber zur Gänze und auf Dauer uneinbringlich wäre, ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen und wurde von diesem auch nicht behauptet. Das Finanzamt hat im Rahmen der Ermessensbegründung ausdrücklich festgestellt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Haftungsschulden auch beim Haftungspflichtigen uneinbringlich wären. Die Geltendmachung der Haftung war daher zweckmäßig, da geeignet, zumindest einen Teil der bei der Gesellschaft uneinbringlichen Abgaben im Haftungsweg doch noch einzubringen.
Das Ermessen der Abgabenbehörde umfasst aber auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens (; ; ; ). So darf beispielsweise bei der Ermessensübung lange verstrichene Zeit (wenn etwa die Erlassung des Haftungsbescheides gerade noch innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt) zwecks Vermeidung einer Unbilligkeit nicht ohne weiteres außer Acht gelassen werden (). In einem solchen Fall hat der Unabhängige Finanzsenat im Rahmen der Ermessensübung eine Einschränkung der Haftung auf 50 % der haftungsgegenständlichen Abgaben vorgenommen ( RV/0766-G/11; die Behandlung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung hat der , abgelehnt). Die Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 9 BAO bedeutet daher nicht, dass in jedem Fall nur eine 100 %ige Haftung des Vertreters in Frage kommt.
Das Ausmaß des Vertreterverschuldens ist zwar bei der Prüfung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nicht zu quantifizieren, da eine bestimmte Schuldform nicht gefordert wird, und auch leichte Fahrlässigkeit genügt (Ritz, BAO4, § 9 Tz 18 mit Judikaturnachweisen). Im Rahmen der Ermessensübung kann das Ausmaß des Verschuldens bei der Bestimmung des Haftungsumfanges jedoch Berücksichtigung finden. Es wäre sachlich nicht gerechtfertigt, eine vorsätzliche Nichtentrichtung von Abgabenschulden mit Fällen gleichzustellen, in denen dem Vertreter nur ein minderer Grad des Versehens zur Last liegt. So macht es beispielsweise durchaus einen Unterschied, ob der Vertreter einer Gesellschaft trotz ausreichender und frei verfügbarer Mittel die Abgabenschulden bewusst nicht entrichtet, um sich dadurch im wirtschaftlichen Wettbewerb (bei der Auftragskalkulation) einen Vorteil zu verschaffen, und nach "angestrebtem" Konkurs der Gesellschaft mit dem nächsten Unternehmen dieselbe Vorgangsweise wiederholt, oder ob sich der Vertreter wie im gegenständlichen Fall mangels anderer Besicherungsmöglichkeiten auf eine sicherungsweise Zession der Kundenforderungen an die finanzierende Hausbank einlässt.
Die Haftung gemäß § 9 BAO ist ihrem Wesen nach eine Haftung für die vom Haftenden zugefügten Schäden und damit eine schadenersatzähnliche Haftung (Stoll, BAO, 115). Es ist daher naheliegend, die Arten des Verschuldens nach den zivilrechtlichen (schadenersatzrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen. Vorsätzlich handelt demnach jemand, wenn ihm die Rechtswidrigkeit seines Handelns bewusst ist, er den schädlichen Erfolg vorhersieht und seinen Eintritt billigt. Dabei ist weiter zu differenzieren, ob mit der Absicht gehandelt wird, den schädigenden Erfolg herbeizuführen (dolus specialis), oder mit dem sicheren Wissen um den schädigenden Erfolg (dolus principalis) oder ob der Erfolg nur für möglich gehalten wird und sich der Schädiger mit der möglichen Verwirklichung abfindet (dolus eventualis). Fahrlässigkeit ist dagegen die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt. Fahrlässig handelt somit, wer ein Verhalten für erlaubt hält, das erkennbar rechtswidrig ist, wer also bei gehöriger Aufmerksamkeit den Eintritt des Schadens voraussehen hätte können. Je nach Grad der Sorglosigkeit wird grobe und leichte Fahrlässigkeit unterschieden. Ein Verhalten ist leicht fahrlässig, wenn es auf einem Fehler beruht, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Grobe Fahrlässigkeit (auffallende Sorglosigkeit) liegt hingegen vor, wenn die Sorgfaltswidrigkeit so schwer ist, dass sie einem ordentlichen Menschen in dieser Situation keinesfalls unterläuft (z.B. Koziol-Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts, Schadenersatzrecht, Allgemeiner Teil, Arten des Verschuldens; Zankl, Bürgerliches Recht, 6. Auflage, Tz 192).
Im gegenständlichen Fall war der Abschluss der Zessionsvereinbarungen im Hinblick darauf, dass der Berufungswerber damit das Risiko einging, bei Einschränkung des Kreditrahmens aufgrund fehlender ausreichender zedierbarer Forderungen die abgabenrechtlichen Zahlungspflichten nicht termingerecht oder überhaupt nicht mehr wahrnehmen zu können, fahrlässig, da der Eintritt dieser Folge bei gehöriger Aufmerksamkeit voraussehbar war. Für das Vorliegen einer Schädigungsabsicht finden sich dagegen in den vorliegenden Akten ebenso wenig konkrete Anhaltspunkte wie für eine bedingt vorsätzliche Schädigung des Abgabengläubigers.
Der angefochtene Haftungsbescheid umfasst (von relativ unbedeutenden Nachforderungen an Lohnabgaben aus einer anlässlich der Konkurseröffnung durchgeführten Prüfung abgesehen) im Wesentlichen Fälligkeiten zwischen dem und , somit einen Zeitraum von nur zwei Monaten; bereits am wurde das Konkursverfahren eröffnet. Dem Berufungswerber ist zu Gute zu halten, dass er sich bis zuletzt intensiv um eine Umstrukturierung der Finanzierung der Gesellschaft bemüht hat. Noch im März 2010 stand er in Verhandlungen mit drei Banken, um eine Umschuldung zu erreichen. Im Hinblick auf den vorgelegten Businessplan erschien eine erfolgreiche Unternehmensfortführung realistisch und kann daher auch nicht unterstellt werden, dass der Berufungswerber das Insolvenzverfahren vorsätzlich und wider besseres Wissen verzögert und dadurch den Abgabenausfall für das Finanzamt vergrößert hätte. Eine Insolvenzverschleppung wurde auch vom Masseverwalter nicht festgestellt.
Schließlich finden sich im vorliegenden Fall in den aktenkundigen Jahresabschlüssen der Gesellschaft auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Berufungswerber etwa durch überhöhte Geschäftsführerbezüge oder Entnahme von Gesellschaftsmitteln selbst zu den finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft maßgeblich beigetragen hätte - das Gegenteil war der Fall.
Unter Abwägung all dieser ermessensrelevanten Umstände war daher eine Einschränkung der Haftung auf 35 %, somit rund ein Drittel der im Erstbescheid geltend gemachten Abgaben sachgerecht und daher spruchgemäß zu entscheiden.
Abschließend wird noch bemerkt, dass ein Teil der Haftungsschuld bereits durch Umbuchung eines Guthabens in Höhe von 293 € vom persönlichen Abgabenkonto des Berufungswerbers abgedeckt wurde. Diese Zahlung vermindert zwar den vom Berufungswerber zu entrichtenden Haftungsbetrag, ändert aber nichts an dem im Haftungsbescheid bzw. in der Berufungsentscheidung aufzuerlegenden Umfang der Haftungspflicht ().
Linz, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Verweise | RV/0766-G/11 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at