Abweisung des Rückzahlungsantrages einer Agrargemeinschaft (Kapitalertragsteuerabzug für Ausschüttungen)
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., NÖ, vertreten durch RechtsanwaltX, XY vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Abweisung des Antrages gemäß § 240 Abs. 3 BAO auf Rückerstattung von Kapitalertragsteuer entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Bw. (in der Folge: Bw.) ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts gemäß § 46 Abs. 2 des NÖ Flurverfassungs-Landesgesetzes 1975 (FLG), LGBl. 6650.
Mit Übereinkommen vom verkaufte die Bw. dem Land Niederösterreich für den Ausbau der Landesstraße A Teile der Liegenschaft EZ-A gegen eine Gesamtablöse von € 855.717,92 (Grundablöse € 803.491,00, Wiederbeschaffungskosten 6,5 % = € 52.226,92).
Das Land Niederösterreich brachte 90 % der Ablösesumme, das sind € 770.146,11 an die Bw. zur Anweisung. Die Vollversammlung der Bw. beschloss die Ausschüttung eines Teilbetrages von € 759.000,00 im Verhältnis der Anteile an ihre Mitglieder.
Die Ausschüttungen wurden - aufgrund einer den KStR 2001 entsprechenden Rechtsauskunft des Finanzamtes an die Bw. - als Ausschüttungen von Substanzgenussrechten behandelt. Die auf die Ausschüttungen entfallende Kapitalertragsteuer wurde von der Bw. mit 25 % des Ausschüttungsbetrages von € 759.000,00, das sind € 189.750,00, im Abzugsweg einbehalten und laut Erlagscheinabschnitt am an das Finanzamt Wien 1/23 abgeführt. Der Nettobetrag von € 569.250,00 wurde an die Mitglieder ausbezahlt. Die auf die einzelnen Anteilsinhaber entfallenden Beträge wurden dem Unabhängigen Finanzsenat mit Schreiben der Bw. vom wie in ANLAGE 1 dargestellt, mitgeteilt.
Mit Schreiben vom beantragte die Bw. die Rückerstattung der überwiesenen Kapitalertragsteuer. Die Bw. vertrat, gestützt auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2006/15/0050, die Auffassung, dass Anteilsrechte an Agrargemeinschaften nicht als Genussrechte zu qualifizieren seien und daher nicht kapitalertragsteuerpflichtige Erträge iSd § 93 Abs. 2 Z 1 lit. c EStG 1988 darstellen. Die Bw. sei somit nicht zur Abfuhr der Kapitalertragsteuer verpflichtet gewesen.
Dieser Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom abgewiesen, da gemäß § 240 Abs. 3 BAO ein Rückzahlungsantrag nur durch den Abgabepflichtigen, also das einzelne Mitglied der Agrargemeinschaft, beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt gestellt werden könne.
Die Bw. wandte in ihrer Berufung gegen diesen Bescheid ein, sie sei zur Stellung des Rückerstattungsantrages legitimiert, da sämtliche Mitglieder ihren jeweiligen Rückerstattungsanspruch mit Abtretungserklärung vom an die Bw. zur Einbringlichmachung abgetreten hätten.
Die betreffenden Vollmachten wurden in Kopie beigelegt und lauten:
Ich, (Anteilsinhaber) "Mitglied der Bw., räume hiermit der Bw., die Vollmacht zur Unterfertigung der Abtretungserklärung, mit der ich meinen Rückerstattungsanspruch hinsichtlich der für mich von der Bw. einbehaltenen und an das Finanzamt Wien 1/23 abgeführten Kapitalertragsteuer (KESt), unentgeltlich zum Inkasso an die Bw. abtrete, ein."
Die Berufung wurde vom Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen. Da Veranlagungen der Empfänger der Kapitalerträge durchzuführen seien, sei eine Rückerstattung der Kapitalertragsteuer im Wege des § 240 Abs. 3 BAO nicht möglich.
Über Antrag der Bw. legte das Finanzamt die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , 2006/15/0050 für die vor dem geltende Rechtslage entschieden, dass es im Hinblick auf den hoheitlichen Charakter der mitbeteiligten Agrargemeinschaft sowie auf Inhalt und Eigenart der Anteilsrechte nicht als rechtswidrig zu erkennen war, dass die belangte Behörde das Vorliegen von Genussrechten im Sinne des § 93 Abs. 2 Z. 1 lit. c EStG 1988 verneinte und eine Pflicht der mitbeteiligten Partei (der Agrargemeinschaft) zur Abfuhr von Kapitalertragsteuer gemäß § 95 Abs. 2 leg. cit. nicht als gegeben angesehen hat.
Die Bw. ist ebenfalls eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Es ist daher zu prüfen, ob die im Jahr 2008 vorgenommene Abfuhr von Kapitalertragsteuer in Höhe von € 189.750,00 für Ausschüttungen an die Anteilsinhaber zu Unrecht erfolgte und ob die Bw. berechtigt war, eine Rückzahlung dieses Betrages gemäß § 240 Abs. 3 BAO zu beantragen.
Gemäß § 240 Abs. 1 BAO ist der Abfuhrberechtigte bei Abgaben, die für Rechnung eines Abgabepflichtigen einzubehalten oder abzuführen sind, berechtigt, während eines Jahres zu Unrecht einbehaltene Beträge bis zum Ablauf des Kalenderjahres auszugleichen oder auf Verlangen des Abgabepflichtigen zurückzuzahlen.
Gemäß § 240 Abs. 3 BAO hat auf Antrag des Abgabepflichtigen die Rückzahlung des zu Unrecht einbehaltenen Betrages insoweit zu erfolgen, als nicht
a) eine Rückzahlung oder ein Ausgleich gemäß Abs.1 erfolgt ist,
b) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung erfolgt ist,
c) ein Ausgleich im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat oder im Fall eines Antrages auf Veranlagung zu erfolgen hätte.
Wie das Finanzamt also zutreffend ausführte, ist zur Stellung eines Rückzahlungsantrages nicht der zur Abfuhr Verpflichtete, sondern nur das einzelne Mitglied der Agrargemeinschaft, für das die Kapitalertragsteuer einbehalten wurde, berechtigt.
Ein Anspruch auf Rückzahlung gemäß § 240 Abs. 3 BAO besteht aber auch für das jeweilige Mitglied nur, wenn die Ausschüttungsbeträge, für welche Kapitalertragsteuer im Abzugswege einbehalten wurde, nicht zu veranlagen sind.
Für die gegenständlichen Ausschüttungen kommt eine Steuerpflicht bei den Mitgliedern aus folgenden Gründen in Frage:
Bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft sind Ausschüttungen aus Agrargemeinschaften gemäß § 13 Abs. 1 LuF PauschVO 2006, BGBl. II 2005/258 iVm § 30 Abs. 2 Z 6 BewG, neben den pauschalierten Einkünften zu erfassen.
Bei Ausschüttungen an Mitglieder, die ihre Anteile im Privatvermögen halten, kommt eine Steuerpflicht gemäß § 27 Abs. 1 Z 4 (Sulz/Nidetzky, ÖStZ 1996, 389) bzw. § 29 Z 1 EStG 1988 (Doralt, EStG 1988, 12. Aufl., § 27 Tz 103) in Betracht. Die Verwaltungspraxis (EStR 2000 Rz 7723a) berücksichtigt allerdings eine Freigrenze von € 2.000,00 je Anteilsinhaber, sodass Ausschüttungen unter diesem Betrag nicht versteuert werden.
Somit wurde die Kapitalertragsteuer - ungeachtet der (für Zeiträume vor dem ) unzutreffenden Annahme einer Kapitalertragsteuerpflicht dieser Ausschüttungen - im Ergebnis nicht zu Unrecht einbehalten, so dass auch die vorgelegten Vollmachten zur Einbringlichmachung keine Rechtswirksamkeit entfalten konnten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Anlage
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 240 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 95 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 29 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 13 LuF PauschVO 2006, Durchschnittssätze für die Gewinnermittlung - Land- und Forstwirtschaft, BGBl. II Nr. 258/2005 § 30 Abs. 2 Z 6 BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955 |
Schlagworte | Agrargemeinschaft Ausschüttung Genussrecht Kapitalertragsteuer Rückzahlung Veranlagung |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at