Haftung gemäß § 12 BAO erst zehn Jahre nach amtswegiger Löschung der OEG geltend gemacht
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/1580-W/10-RS2 | Im vorliegenden Fall erfolgte die Geltendmachung der Haftung erst zehn Jahre nach amtswegiger Löschung der OEG |
Folgerechtssätze | |
RV/1580-W/10-RS1 | wie RV/1557-W/05-RS1 Die Gesellschafter einer OHG, OEG, KG und KEG werden vom Haftungstatbestand des § 12 BAO erfasst. Dabei kommt es auf die "förmliche Gesellschafterstellung", auf die nach Gesellschaftsrecht zu beurteilende Gesellschafterstellung an (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 147 f). Eine entgegenstehende, im Innenverhältnis getroffene Vereinbarung Dritten gegenüber ist unwirksam (). |
RV/1580-W/10-RS2 | wie RV/0492-L/09-RS1 Erfolgte die Konkursaufhebung im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin im Jahr 2004, die Heranziehung des ehemaligen Geschäftsführers zur Haftung jedoch erst im Jahr 2009, müssten besondere Umstände vorliegen, die eine so späte Haftungsinanspruchnahme rechtfertigen könnten. Ist dies nicht der Fall, überwiegt die Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit die vom Finanzamt ins Treffen geführte Zweckmäßigkeitserwägung, wonach die Haftung eine geeignete Maßnahme sei um den Abgabenausfall zu verhindern. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des H.S., B., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß § 12 BAO entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom wurde H.S. (in weiterer Folge: Bw.) als Haftungspflichtiger gemäß § 12 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Firma N., Wien, im Ausmaß von € 11.598,00 (Säumniszuschlag 1 1994 von € 76,01, Umsatzsteuer 1993 von € 11.370,61 sowie Einhebungsgebühr 2001 von € 151,38) in Anspruch genommen, wobei begründend ausgeführt wurde, dass gemäß § 12 BAO Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit für die Abgabenschulden der Personenvereinigung haften. Komplementäre haften unmittelbar, primär, unbeschränkt, persönlich und solidarisch.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung vom verwies der Bw. darauf, dass er am um einen Termin für eine persönliche Unterredung gebeten habe. Darauf hin sei 3 Jahre Stille gewesen. Nunmehr beginne die verachtende Menschenhatz an seine Person von Neuem. Der Bw. habe in vielen Briefen zum Ausdruck gebracht, dass er keine Geschäfte mit der Firma N. getätigt habe und daher kein Einkommen gehabt habe. Folglich sei die falsch gerechnete ungerechtfertigte Forderung menschenverachtend. Der Bw. sei nicht bereit, für Abgaben einer illegalen Tätigkeit der Frau M. aufzukommen oder zu haften. Er erhebe Einspruch gegen die rechtswidrige Forderung an ihn und ersuche um Einstellung des Verfahrens.
Mit Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, dass sich der Haftungsbescheid auf die Tatsache gründe, dass der Bw. laut Firmenbuchauszug seit als unbeschränkt haftender Gesellschafter eingetragen gewesen sei. Mit sei der Bw. gesetzlich verpflichtet gewesen, die Unternehmensfortführung und somit die kaufmännische Sorgfaltspflicht wahrzunehmen.
Der im Haftungsbescheid herangezogene Betrag betreffe die Umsatzsteuernachforderung für das Jahr 1993 und in weiterer Folge Nebengebühren. Die Umsatzsteuernachforderung resultiere aus einer Anzeige bei der Strafsachenstelle.
Im Schreiben vom brachte der Bw. Einspruch gegen die ungerechtfertigte Berufungsvorentscheidung ein und verwies auf sein Schreiben vom . Er fordere die umgehende Einstellung des menschenverachtenden ungerechtfertigten Verfahrens. Er sei nicht bereit, für illegale Tätigkeiten anderen Personen den Kopf hinzuhalten.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 12 BAO haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts.
Zunächst ist festzustellen, dass die Gesellschafter einer OHG, OEG, KG und KEG vom Haftungstatbestand des § 12 BAO erfasst werden. Dabei kommt es auf die "förmliche Gesellschafterstellung", auf die nach Gesellschaftsrecht zu beurteilende Gesellschafterstellung an (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 147 f). Eine entgegenstehende, im Innenverhältnis getroffene Vereinbarung Dritten gegenüber ist unwirksam ().
Herr S. war laut Firmenbuchauszug seit der einzige unbeschränkt haftende Gesellschafter der N..
Entgegen dem Berufungsvorbringen, wonach der Bw. nicht für die Abgaben einer illegalen Tätigkeit der Frau M. aufkommen oder haften wolle, handelt es sich bei der Haftung gemäß § 12 BAO (im Gegensatz zur Haftung der gesetzlichen Vertreter von juristischen Personen gemäß §§ 9, 80 BAO) nicht um eine verschuldensabhängige Ausfallshaftung. Der unbeschränkt haftende Gesellschafter einer OEG haftet unmittelbar, primär, unbeschränkt, persönlich und solidarisch allein auf Grund seiner Gesellschafterstellung. Er haftet auch dann, wenn ihm de facto kein Einfluss auf die Führung des Betriebes zukommt und er dies einem Dritten überlässt. Ein Verschulden an der Nichtentrichtung der verfahrensgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bzw. an deren Ausfall war im vorliegenden Fall nicht zu überprüfen, da diese Frage nicht tatbestandsrelevant ist.
Auch wenn eine Person nur deshalb als Gesellschafter einer OEG aufgenommen wurde, um der Gewerbeordnung zur Erfüllung der Voraussetzungen für einen gewerberechtlichen Geschäftsführer Genüge zu tun, haftet er für die Abgabenschulden der OEG auch dann, wenn er als Gesellschafter "faktisch" ausgeschieden ist und die OEG aufgelöst wurde ().
Die Haftung gemäß § 12 BAO trifft u.a. die Gesellschafter einer OEG. Gemäß § 128 HGB iVm § 4 EEG haften die Gesellschafter einer OEG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich und es ist eine entgegenstehende, im Innenverhältnis getroffene Vereinbarung Dritten gegenüber unwirksam ().
Laut Eintragung vom wurde die N. vom Firmenbuchgericht zur GZ. 95 von Amtswegen gelöscht, sodass der Abgabenbehörde erster Instanz hinsichtlich der Geltendmachung der Haftung nur der persönlich haftende Gesellschafter der OEG (im vorliegenden Fall der Bw.) zur Verfügung gestanden ist. Somit handelt es sich entgegen dem Berufungsvorbringen nicht um eine ungerechtfertigte Forderung des Finanzamtes.
Soweit der Bw. weiter vorbringt, es würde sich um eine falsch gerechnete ungerechtfertigte Forderung handeln, ist auf die Bestimmung des § 248 BAO zu verweisen. Geht nämlich einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und sie hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung der Haftung grundsätzlich an diesen Bescheid zu halten. Einwendungen gegen die Höhe oder wie hier die falsche Berechnung sind daher nicht im Haftungsverfahren zu klären.
Allerdings liegt der Ausspruch der persönlichen Haftung des Herrn S. im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde.
Fest steht, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bei der Firma N. uneinbringlich sind, wurde die Firma N. doch schon mit Firmenbucheintragung vom von Amtswegen gelöscht.
Berücksichtigt man die Tatsache, dass Herr S. der einzige unbeschränkt haftende Gesellschafter der OEG ist und daher die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nur im Haftungswege bei ihm einbringlich gemacht werden können, so erweist sich die Haftungsinanspruchnahme grundsätzlich im öffentlichen Interesse als notwendig und zweckmäßig.
Allerdings ist festzuhalten, dass es sich bei dem Haftungsbetrag vor allem um Umsatzsteuer des Jahres 1993 (mit Fälligkeitstag ) handelt, sodass die Geltendmachung der Haftung erst nach mehr als zehn Jahren nach Fälligkeit versucht wurde.
Aus dem Akt sind keine aussagekräftigen Anhaltspunkte zu ersehen, womit die späte Geltendmachung der Haftung durch die Abgabenbehörde erster Instanz erklärt werden könnte.
Im gegenständlichen Fall wurde der Bw. bereits mit Schreiben vom zur Zahlung von ATS 3.129,00 (€ 227,39) aufgefordert und bereits in diesem Schreiben der nun als Haftungsbetrag vorgeschriebene Betrag von ATS 159.592,00 (=€ 11.580,00) als fällig angekündigt. Gründe, die eine späte Haftungsinanspruchnahme rechtfertigen würden, wurden von der Abgabenbehörde erster Instanz auch anlässlich der Vorlage des Rechtsmittels nicht dargestellt.
Bei der Ermessensübung war auch zu berücksichtigen, dass den wirtschaftlichen Vorteil aus der verfahrensgegenständlichen Nichtzahlung der Umsatzsteuer 1993 nicht der Bw. gewonnen hat. Vielmehr soll laut Angaben des Bw. die Abgabenschuld auf eine "illegale Tätigkeit" der Frau M. zurückzuführen sein, für die er nicht bereit sei, "seinen Kopf hinzuhalten".
Die aufgezeigte Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts der bereits lange verstrichenen Zeit und des Fehlens eines wirtschaftlichen Vorteils des Bw. überwiegen daher die vom Finanzamt vermutlich angestellte Zweckmäßigkeitserwägung, wonach die Geltendmachung der Haftung eine geeignete Maßnahme sei, um den endgültigen Abgabenausfall zu verhindern (vgl. ).
Angesichts der Tatsache, dass die Haftung erst nach mehr als zehn Jahren nach Löschung der N. im Firmenbuch ausgesprochen wurde, es sich um Abgaben handelt, die vor mehr als sechzehn Jahren fällig waren, wird der angefochtene Haftungsbescheid im Rahmen des Ermessens zur Gänze aufgehoben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | |
Schlagworte | Unbilligkeit |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at