Berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht entbindet nicht von der Aufzeichnungspflicht. Anwaltliche Disziplinarstrafen, die Pönalcharakter haben, sollen im Weg der steuerlichen Entlastung nicht unwirksam gemacht werden.
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/0034 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw,vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz vom betreffend Umsatzsteuer 2002 sowie Einkommensteuer 2002 und 2003 entschieden:
Die Berufung betreffend Umsatzsteuer 2002 wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Der Berufung betreffend Einkommensteuer 2002 und 2003 wird teilweise Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der in den angeführten Einkommensteuerbescheiden angeführten Abgaben betragen, wie in den Berufungsvorentscheidungen vom :
2002 ... Einkommen: 15.736,37 €, Einkommensteuer: 2.300,15 € bisher festgesetzte Einkommensteuer: -3.396,79 € Gutschrift: 1.096,64 €
2003 ... Einkommen. 19.675,03 €, Einkommensteuer. 3.647,91 € bisher festgesetzte Einkommensteuer: -4.215,68 € Gutschrift: 567,77 €
Entscheidungsgründe
Der Bw. bezog im berufungsgegenständlichen Zeitraum aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Gegen den Umsatzsteuerbescheid 2002 (A) und die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 (B) brachte er rechtzeitig Berufung ein und führte dazu im Wesentlichen aus:
Ad A) Ein Klient übergab ihm am 12.160,00 € wovon er 8.800,00 € im Sinne der Klientenanweisungen verwendete. Dieser Betrag sei weder eine Betriebseinnahme noch eine Betriebsausgabe. Aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht sei er nicht befugt den Empfänger und den Grund der Zahlung zu nennen. Er habe lediglich den Betrag von 3.360,00 € als Betriebseinnahme tatsächlich übernommen. Seine Umsatzsteuererklärung 2002 und Umsatzsteuerentrichtung sei also korrekt.
Ad B) Für eine Angestellte entrichtete Lohnsteuer samt Zuschlägen sei absetzbar, Umsatzsteuer allerdings nicht. Von ihm an die Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer bezahlte Disziplinarstrafen seien als Betriebsausgaben zu qualifizieren. § 20 EStG schließe die Geltendmachung von Strafen als Betriebsausgaben nicht ausdrücklich aus. Der Ausschluss ergebe sich erst aufgrund der VwGH-Judikatur. Kernpunkt sei, dass er nicht zu einer Freiheits- sondern einer Geldstrafe verurteilt wurde, "von wem das Geld dafür kommt, bleibt belanglos". Die Geldstrafe treffe den Verurteilten also nicht zwangsläufig direkt, die Freiheitsstrafe sei lediglich Ersatzfreiheitsstrafe. Die Meinung des VwGH, wonach die Strafe eine persönliche Angelegenheit sei, sei also nicht richtig, außerdem beziehe sich der VwGH nur auf "staatliche Strafen". Im Fall des betroffenen Beteiligten handle es sich aber um Disziplinarstrafen der Rechtsanwaltskammer, "also Strafen, die ausschließlich und nur im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen". Der Sachverhalt, der seiner disziplinären Verurteilung zugrunde lag, habe ausschließlich und nur mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun. Die Disziplinarstrafe berühre also seine Privatsphäre in keiner Weise, weshalb ein Recht darauf bestehe, die Disziplinarstrafe als Betriebsausgabe abzusetzen. Aus dem Akteninhalt ist ersichtlich, dass die Disziplinarstrafen und damit zusammenhängend der Ersatz von Pauschalkosten und Barauslagen verhängt wurde vom Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer wegen Berufspflichtenverletzung und Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes (entstanden durch mangelhafte Auftragserfüllung - ua. durch Verzögerung bei Auftragsbearbeitungen; Nichteinhaltung der Verpflichtung, übernommene Vertretungen mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu besorgen). Aus einem Schreiben des Bws. vom an die Abgabenbehörde erster Instanz geht hervor, dass er hinsichtlich des Klientengeldes in Höhe von 8.800,00 € "belegmäßig nicht in der Lage" sei, den Umstand der Ausgabe nachzuweisen. Er habe es allerdings vom Fremdgeldkonto verrechnet. Die Abgabenbehörde erster Instanz forderte ihn in einem Schreiben vom nochmals auf, die Art der Durchlaufposten darzustellen. Der nunmehrige Bw ließ die gesetzte Frist ungenutzt verstreichen. Die Abgabenbehörde erster Instanz wies in der Folge die Berufung ad A) mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet ab; ad B) erging eine teilweise stattgebende Berufsvorentscheidung: Die für die Angestellte entrichteten Lohnabgaben wurden als Betriebsausgaben qualifiziert, entrichtete Disziplinarstrafen hingegen nicht.
Über die Berufung wurde erwogen:
Ad A)
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- | Gemäß
§ 4 Abs. 3 UStG 1994 gehören nicht zum Entgelt die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten). |
- | Gemäß
§ 119 Abs. 1 BAO sind die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen. |
- | Gemäß
§ 171 Abs. 1 lit. c BAO darf die Aussage von einem Zeugen verweigert werden über Fragen, die er nicht beantworten könnte, ohne ihm obliegende gesetzlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit, von der er nicht gültig entbunden wurde, zu verletzen oder ein technisches Betriebsgeheimnis zu offenbaren. |
Zur Klärung der berufungsgegenständlichen Rechtsfrage ist § 171 BAO analog heranzuziehen, da er die Kernfrage der gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht behandelt: Laut Ritz, BAO, Kommentar, 3. Auflage, § 171 Tz. 22 ff begründen berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten nicht nur Aussageverweigerungsrechte iSd. § 171 Abs. 1 lit. c leg.cit., sondern sie sind auch (insbesondere in Verbindung zur Offenlegungspflicht des § 119 leg.cit.) im Abgabenverfahren des zur Verschwiegenheit Verpflichteten zu beachten. - Verschwiegenheitspflichten entbinden nicht von Aufschreibungspflichten. Die Bücher und Aufzeichnungen sind vielmehr so zu führen und die Belege so zu gestalten, dass eine Einsicht durch die Abgabenbehörde ohne Verletzung der Verschwiegenheitspflicht erfolgen kann. Wenn die Verschwiegenheitspflicht auch die Namen der Klienten umfasst, was etwa bei Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftstreuhändern der Fall ist, so bestehen einige Möglichkeiten, die Aufschreibungen so zu führen und Belege so zu gestalten bzw. die Einsichtnahme so einzuschränken, dass der zur Verschwiegenheit Verpflichtete ohne Verletzung seiner Verschwiegenheitspflicht seinen abgaberechtlichen Pflichten (u.a. Offenlegungspflicht, Einsichtsgewährung in Unterlagen) nachkommen kann. Das sind etwa: Abdeckung der Klientennamen bei Einsicht in Belege wie etwa bei Durchschrift von Honorarnoten (, ).
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- | Gestaltung der Aufschreibungen und Belege dergestalt, dass statt der Klientennamen Nummern aufscheinen. |
- | Anfertigung von Drittschriften ohne Klientennamen zur Einsichtnahme durch die Abgabenbehörde. |
Berufsrechtliche Verschwiegenheitspflichten führen daher zu einem Mehraufwand (zum Beispiel bei Führung von Aufzeichnungen) des zur Verschwiegenheit Verpflichteten. Dies hat er jedoch im Interesse seiner Klienten in Kauf zu nehmen (, wonach § 9 RAO nicht der Behinderung oder Erschwerung der Abgabenerhebung eines Rechtsanwalts dient).
Aus obigem ist nun grundsätzlich festzuhalten, dass die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht des Bws. ihn nicht entbindet von der Aufzeichnungspflicht, sondern er dazu verhalten ist, die Aufzeichnungen so zu führen, dass einerseits die Abgabenbehörde Einsicht nehmen kann, andererseits die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht nicht verletzt wird. Dass diesbezüglich Möglichkeiten vorhanden sind, wurde oben angeführt; - es wäre dem Bw. zumutbar gewesen, im Wege dieser Möglichkeiten den Umstand des Klientengeldes als Durchlaufposten zumindest glaubhaft zu machen. Dies ist ihm nicht gelungen, zumal er vielmehr angab, er sei "belegmäßig nicht in der Lage den Umstand der Ausgabe nachzuweisen". Da er bloß behauptete, es vom Fremdgeldkonto verrechnet zu haben, diesbezüglich aber keine geeigneten Belege lieferte bzw. auch nicht glaubhaft machen konnte (ua. durch Anonymisierung des Klientennamens) ist eine Anerkennung dieses Betrages als Durchlaufposten nicht möglich. Allein der Hinweis auf seine berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht nach § 9 RAO bringt nicht für sein Berufungsbegehren, da laut oa. VwGH-Erkenntnis vom , 96/15/0225 § 9 leg.cit. nicht der Behinderung oder Beschwerung der Abgabenerhebung eines Rechtsanwaltes dient.
Ad B)
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- | Gemäß
§ 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind. Es ist nun grundsätzlich festzustellen, ob die berufungsgegenständlichen Disziplinarstrafen als Betriebsausgaben zu qualifizieren sind. Dazu ist zu untersuchen, ob sie durch die Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit veranlasst sind. Es ist offenkundig, dass die Rechtsanwaltstätigkeit besteht in der Ausübung der rechtsanwaltlichen Aufgaben im Rahmen der Gesetze und der standesrechtlich auferlegten Pflichten. In Konsequenz dazu müsste, um die Disziplinarstrafe als Betriebsausgabe qualifizieren zu können, die der Disziplinarstrafe unterzogene Verhaltensweise in Ausübung der rechtsanwaltlichen Aufgaben im Rahmen der Gesetze und standesrechtlich auferlegten Pflichten gesetzt worden sein. Dass es nahezu unvorstellbar ist, dass ein Rechtsanwalt seine Aufgaben im Rahmen der Gesetze und standesrechtlich auferlegten Pflichten durchführt und in der Folge dafür eine Disziplinarstrafe verhängt wird, ist offenkundig und kann dies in der Praxis nur in Marginalfällen vorliegen. Um nun festzustellen, ob im berufungsgegenständlichen Fall eine Abzugsfähigkeit der Disziplinarstrafen als Betriebsausgaben möglich ist, ist die einschlägige Judikatur des VwGH zu beachten. Im Erkenntnis vom , 99/13/0221 sprach er aus, dass es mit dem Strafzweck unvereinbar ist, im Weg der steuerlichen Entlastung den Pönalcharakter der Strafe zumindest teilweise unwirksam zu machen. Daraus ist zu ersehen, dass Linie des VwGH bei Nichtqualifizierung einer Geldstrafe als Betriebsausgabe der Umstand ist, dass den Steuerpflichtigen vermittelt werden soll, dass der Pönalcharakter einer verhängten Strafe aufrecht bleibt und nicht mittels "Steuerabschreibung" umgangen wird. Wenn die Bw. nun vorbringt, das sei auf "staatliche Strafen" (gemeint wohl Gerichtsstrafen und Verwaltungsstrafen) zu beziehen, nicht jedoch auch von Disziplinarkommission verhängte Strafen, so ist bei analoger Anwendung des oa. VwGH-Judikats Folgendes auszuführen: Wenn das Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Pönalcharakter von Strafen, der nicht über den "Umweg der Steuerabschreibung" umgangen werden soll, aufrecht erhalten werden soll, so ist kein Hinweis zu sehen, weshalb dies nur den Pönalcharakter von Gerichts- und Verwaltungsstrafen, nicht aber den von Disziplinarstrafen betreffen soll. Es ist in der Gesellschaft allgemein bekannt, dass die Disziplinargerichtsbarkeit einzelner Berufsgruppen zur Aufrechterhaltung der von den jeweiligen Gruppen akzeptierten berufsständischen Verhaltensmuster dient. Als Ausfluss dessen haben Disziplinarstrafen den selben Pönalcharakter wie von Justiz oder Verwaltung verhängten Strafen, die ja auch nur dann verhängt werden können, wenn gegen normiertes Verhalten verstoßen wurde und der so gesetzte Sachverhalt unter ein gesetzliches Tatbild zu subsumieren ist. Gerade weil selbständige Berufe wie Ärzte, Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater uä. mit höchstpersönlichen Themen und Problemen ihrer Patienten und Mandanten betraut sind, ist es zu derem Schutze erforderlich, dass das in die Beauftragten gesetzte Vertrauen durch eine stabile berufsständische Disziplinargerichtsbarkeit geschützt ist. Es wäre bei Beachtung des oa. VwGH-Judikats logisch nicht nachvollziehbar, weshalb das Signal, dass der Pönalcharakter der Strafe nicht durch Steuerabschreibung (zumindest teilweise) unwirksam gemacht werden solle, sich nur beschränken solle auf Justiz- und Verwaltungsstrafen, nicht jedoch auf Disziplinarstrafen. In diesem Zusammenhang ist auch das Erkenntnis des zu sehen, wonach Geldstrafen ausnahmsweise dann abzugsfähig sind, wenn die Zuwiderhandlungen in den Rahmen einer "normalen Betriebsführung" fallen: Da es offenkundig nicht zur normalen Betriebsführung eines Rechtsanwaltes gehört, Aufträge mangelhaft zu erfüllen - ua. durch Verzögerung von Auftragsbearbeitungen und mangelnde Auftragserfüllung bzw. Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit bei Besorgung der Vertretungen vermissen zu lassen (wie im berufungsgegenständlichen Fall vorliegend) ist im oa. Gesamtkontext der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Pönalcharakters von Geldstrafen unter Beachtung des Beibehaltens des Vertrauens von Mandanten und Patienten in das Verhalten von Vertretern selbständiger Berufe (w.o.a.) die Bezahlung der berufungsgegenständlichen Geldstrafen nicht als Betriebsausgabe zu qualifizieren. |
Da die berufungsgegenständlich, für die Büroangestellte, entrichteten Lohnabgaben unstrittig als Betriebsausgaben zu qualifizieren sind, ist der Berufung in diesem Punkt stattzugeben.
Es war aus den angeführten Gründen spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 4 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 119 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 171 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 2 RAO, Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868 § 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at