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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 04.11.2009, RV/2892-W/09

Kein Verstoß von § 122 WKG gegen Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie (keine EU-Widrigkeit der Kammerumlage 1)

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw, vertreten durch Stb, gegen die Bescheide des FA betreffend Kammerumlage gemäß § 122 Wirtschaftskammergesetz 1998 für die Jahre 2002 bis 2008 entschieden:

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

Soweit der Antrag auf die Festsetzung der Kammerumlage 1 für die Jahre 2002 und 2003 gerichtet ist, wird er zurückgewiesen.

Soweit der Antrag auf die Festsetzung der Kammerumlage 1 für die Jahre 2004 bis 2008 gerichtet ist, wird er abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom stellte die Berufungswerberin (Bw.) einen "Antrag auf Rückzahlung der Kammerumlage für die Jahre 2002 bis 2008". Auf Basis der quartalsmäßigen Selbstberechnung seien in nachstehender Höhe die Beträge für die Kammerumlage 1 gemeldet und bezahlt worden:


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2002
10.806,64
2003
14.224,34
2004
12.167,56
2005
14.565,85
2006
16.485,36
2007
16.933,89
2008
22.178,21
Summe
107.361,85

Begründend wurde von der Bw. im Wesentlichen ausgeführt, dass § 122 WKG gegen Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoße. Die Beträge seien zu Unrecht erhoben worden, weshalb beantragt werde, die Abgabenbehörde möge die noch nicht verjährten Jahre 2002 bis 2008 mit je € 0,00 festsetzen.

Das Finanzamt erließ in weiterer Folge für jedes Jahr einen mit datierten Bescheid, mit dem die Kammerumlage 1 in der bereits von der Bw. gemeldeten und entrichteten Höhe festgesetzt wurde.

Die Bw. erhob gegen diese Bescheide fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung und führte in der Begründung aus:

"...Wie in unserem Antrag vom bereits dargestellt, ist die Kammerumlage mit EUR 0,-- festzusetzen. Die [Bw.] ist eine Steuerpflichtige im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ("MWSt-Systemrichtlinie"). Laut Ansicht der [Bw.] ist § 122 Wirtschaftskammergesetz (WKG) nicht mit Artikel 168 MWSt-Systemrichtlinie vereinbar. Die Unvereinbarkeit begründet sich in dem Umstand, dass Artikel 168 MWSt-Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsieht, während § 122 (WKG) diese Beträge der Umlagepflicht unterzieht. Dadurch wird der Vorsteuerabzug in einer Weise eingeschränkt, die gemäß der MWSt-Systemrichtlinie unzulässig ist.

Es wird daher der Antrag auf Festsetzung der Kammerumlage mit EUR 0,-- durch die Abgabenbehörde gestellt. Weiters wird die Rückzahlung des europarechtswidrig durch Bescheid vom festgesetzten Betrages...beantragt..."

Über die Berufung wurde erwogen:

In den Streitjahren 2002 bis 2008 wurden die von der Bw. bekannt gegebenen selbstberechneten Abgabenbeträge betreffend Kammerumlage 1 wie folgt am Finanzamtskonto verbucht:


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Zeitraum
Betrag in €
Buchungstag
1-3/2002
3.840,35
4-6/2002
2.957,72
7-9/2002
1.601,52
10-12/2002
2.407,05
1-3/2003
3.575,26
4-6/2003
4.862,05
7-9/2003
2.079,56
10-12/2003
3.707,47
1-3/2004
4.066,62
4-6/2004
4.466,90
7-9/2004
1.766,21
10-12/2004
1.867,83
1-3/2005
5.039,26
4-6/2005
4.268,15
7-9/2005
2.102,09
10-12/2005
3.156,35
1-3/2006
3.992,33
4-6/2006
5.344,24
7-9/2006
2.961,74
10-12/2006
4.187,05
1-3/2007
4.801,42
4-6/2007
4.140,30
7-9/2007
3.008,06
10-12/2007
4.984,11
1-3/2008
5.571,99
4-6/2008
7.266,97
7-9/2008
3.535,54
10-12/2008
5.803,71

Der Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Kammerumlage für die Jahre 2002 bis 2008 mit € 0 ist mit datiert und am beim Finanzamt eingelangt.

Mit Bescheiden vom hat das Finanzamt Festsetzungsbescheide für die Jahre 2002 bis 2008 in der von der Bw. bereits entrichteten Höhe erlassen.

1. Zur Kammerumlage 2002 und 2003:

§ 122 Abs. 5 Z 2 und Abs. 7 Wirtschaftskammergesetz (WKG) enthalten eine zwingende Anordnung über die Selbstberechnung der Kammerumlage durch den Schuldner.

Gemäß § 201 BAO in der für das Streitjahr 2002 noch anzuwendenden Fassung vor der Änderung durch das Abgabenrechtsmittelreformgesetz (AbgRmRefG) war ein Abgabenbescheid, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zuließen, nur dann zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet war, unterließ oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erwies.

Zu § 201 Abs. 1 BAO in der nach § 323 Abs. 11 BAO erstmals auf Abgaben, für die der Abgabenanspruch nach dem entstanden ist, anzuwendenden Fassung des AbgRmRefG, BGBl I Nr. 97/2002, wird auf die nachstehenden Ausführungen unter Pkt 2. dieser Berufungsentscheidung verwiesen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung, ob die Voraussetzungen zur Erlassung von Festsetzungsbescheiden für die die Jahre 2002 und 2003 vorliegen, kann jedoch aus folgenden Gründen unterbleiben:

Kammerumlagen stellen nach § 126 Abs. 2 WKG Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung (BAO) dar, weshalb die entsprechenden Verfahrensvorschriften insoweit anzuwenden sind, als das WKG keine abweichenden Bestimmungen enthält.

Da das WKG keine Ausführungen zur Bemessungs- (Festsetzungs-)Verjährung beinhaltet, sind die Verjährungsbestimmungen der BAO anzuwenden.

Gemäß § 207 Abs. 1 und 2 BAO unterliegt das Recht, die Kammerumlage festzusetzen demnach der 5-jährigen Verjährungsfrist. Gemäß § 208 Abs. 1 BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO, die zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führen, sind im gegenständlichen Fall nicht aktenkundig und wurde deren Vorliegen von der Bw. auch nicht behauptet.

Unter Bedachtnahme auf vorstehende Ausführungen ist daher davon auszugehen, dass das Recht zur Festsetzung der Kammerumlage für das Jahr 2002 mit Ablauf des Jahres 2007 und für das Jahr 2003 mit Ablauf des Jahres 2008 verjährt ist.

Der Antrag vom auf bescheidmäßige Festsetzung der Kammerumlage für die Jahre 2002 und 2003 wurde sohin außerhalb der Verjährungsfrist gestellt. Da ungeachtet der bereits eingetretenen Bemessungsverjährung die Kammerumlage 2002 und 2003 vom Finanzamt festgesetzt wurde, waren die bekämpften Bescheide aufzuheben. Weiters war der Antrag, insoweit er die Festsetzung der Kammerumlage für die Jahre 2002 und 2003 mit € 0 begehrt, als unzulässig zurückzuweisen.

2. Zur Kammerumlage 2004 bis 2008:

Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO in der für die Streitjahre 2004 bis 2008 geltenden Fassung nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 der genannten Bestimmung auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Aus § 201 Abs. 1 BAO ergibt sich, dass erstmalige Festsetzungen von Selbstberechnungsabgaben von Amts wegen oder auf Antrag des Abgabepflichtigen zu erfolgen haben bzw. erfolgen können. Die Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe setzt auch nach der nunmehrigen Rechtslage stets voraus, dass sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist oder dass der Abgabepflichtige, obwohl er hiezu verpflichtet ist, keinen selbstberechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt.

Die Festsetzung kann § 201 Abs. 2 BAO zufolge erfolgen,

1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden,

4. wenn sich die Selbstberechnung wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union als nicht richtig erweist, oder

5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b BAO oder des § 295a BAO die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

Gemäß § 201 Abs. 3 BAO hat die Festsetzung zu erfolgen,

1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist, oder

2. wenn bei sinngemäßer Anwendung der §§ 303 bis 304 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag der Partei vorliegen würden.

Dem § 201 Abs. 2 und 3 BAO zufolge ist die Festsetzung in einigen Fällen stets antragsgebunden. Die Antragsbefugnis steht dem Abgabepflichtigen im Sinne des § 77 BAO zu.

Fristen zur Antragstellung ergeben sich aus:

§ 201 Abs. 2 Z 1 BAO: ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

§ 201 Abs. 3 Z 1 BAO: ein Monat ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages; bei Wahrung dieser Frist liegt die Festsetzung der Abgabe nicht im Ermessen der Abgabenbehörde,

§ 201 Abs. 3 Z 2 BAO: drei Monate ab nachweislicher Kenntnis des "Wiederaufnahmsgrundes", sofern der Antrag innerhalb der für Wiederaufnahme auf Antrag maßgebenden Frist des § 304 BAO eingebracht wird (vgl. Ritz, BAO³, § 201 Tz 25).

Mittelbar ergeben sich weitere Fristen aus § 201 Abs. 2 Z 3 und aus § 201 Abs. 2 Z 4. In beiden Fällen ergibt sich die Antragsfrist de facto aus der jeweils maßgebenden Verjährungsfrist (vgl. Ritz, BAO³, § 201 Tz 26).

Inhaltlich geht aus dem streitgegenständlich zu beurteilenden Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Kammerumlage hervor, dass sich dieser auf § 201 Abs. 2 Z 4 BAO stützt und hinsichtlich der Streitjahre ab 2004 innerhalb der 5 jährigen Verjährungsfrist zwar fristgerecht eingebracht worden ist, aber aus den im Folgenden angeführten Erwägungen dennoch keine Festsetzungsbescheide zu ergehen hatten:

Gemäß § 122 Abs. 1 WKG kann zur Bedeckung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen und durch sonstige Erträge nicht gedeckten Aufwendungen der Landeskammern und der Bundeskammer von den Kammermitgliedern eine Umlage nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme eingehoben werden; die Verhältnismäßigkeit ist auch an dem Verhältnis zwischen den Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu messen. .....Die Umlage ist in einem Tausendsatz zu berechnen von jenen Beträge, die

1. auf Grund der an das Kammermitglied für dessen inländische Unternehmensteile von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen vom anderen Unternehmer, ausgenommen auf Grund von Geschäftsveräußerungen, als Umsatzsteuer geschuldet werden,

2. als Umsatzsteuerschuld auf Grund der an das Kammermitglied für dessen Unternehmen von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen auf das Kammermitglied übergegangen ist,

3. auf Grund der Einfuhr von Gegenständen für das Unternehmen des Kammermitgliedes oder auf Grund des innergemeinschaftlichen Erwerbs für das Unternehmen des Kammermitglieds vom Kammermitglied als Umsatzsteuer geschuldet werden.

Der Tausendsatz beträgt für die Bundeskammer 1,3 vT und für alle Landeskammern einheitlich 1,9 vT der Bemessungsgrundlagen gemäß Z 1 bis 3. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann jeweils geringere Tausendsätze beschließen.

Der Kammertag der Wirtschaftskammer Österreich fasste am , mit Wirkung ab , ua folgenden Beschluss:

a) Der Umlagensatz für die Bundeskammer wird mit 1,2 von Tausend der Bemessungsgrundlagen gemäß § 122 Abs. 1 WKG 1998 festgelegt.

b) Der Umlagensatz für die Landeskammern wird einheitlich mit 1,8 von Tausend der Bemessungsgrundlagen gemäß § 122 Abs. 1 WKG 1998 festgelegt.

Die nunmehr in Geltung stehende Mehrwertsteuersystemrichtlinie trat am in Kraft und löste die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ab. Die Artikel 17 Abs. 2 und Artikel 33 Abs. 1 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie wurden durch die Artikel 168 und 401 der MwSt-Systemrichtlinie ersetzt. Bei den dabei vorgenommenen Änderungen handelt es sich um keine Änderungen inhaltlicher Natur (vgl auch Berger, Was bringt die neue Mehrwertsteuerrichtlinie? in SWK 2007, S 462). Im Folgenden wird daher nur mehr auf die Bestimmungen der MwSt-Systemrichtlinie eingegangen:

Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ("MwSt-Systemrichtlinie") lautet:

"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

b) die Mehrwertsteuer, die für Umsätze geschuldet wird, die der Lieferung von Gegenständen beziehungsweise dem Erbringen von Dienstleistungen gemäß Artikel 18 Buchstabe a sowie Artikel 27 gleichgestellt sind;

c) die Mehrwertsteuer, die für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i geschuldet wird;

d) die Mehrwertsteuer, die für dem innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestellte Umsätze gemäß den Artikeln 21 und 22 geschuldet wird;

e) die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist."

Artikel 401 der MwSt-Systemrichtlinie hat folgenden Wortlaut:

"Unbeschadet anderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften hindert diese Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist."

Art. 401 der MwSt-Systemrichtlinie regelt die Zulässigkeit anderer Abgaben und Steuern neben der Mehrwertsteuer und sind nach dieser Bestimmung grundsätzlich konkurrierende Abgaben zulässig. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie soll durch diese Bestimmung die Einführung von Steuern, Abgaben und Gebühren verhindert werden, die das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen, indem sie den Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belasten, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist (vgl. , "Banca popolare di Cremona").

Eine Belastung liegt jedenfalls dann vor, wenn die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer gegeben sind:

- Allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte

- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen

- Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe

- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, sodass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird.

Im Zuge einer gesamthaften Beurteilung ist jedoch zu prüfen, ob die Abgabe das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems beeinträchtigt, es ist besonderes Augenmerk auf das Erfordernis zu legen, dass die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems jederzeit gewährleistet ist.

Wendet man diese Kriterien auf die streitgegenständliche Kammerumlage 1 an, so ist festzustellen, dass der Kammerumlage 1 die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer fehlen und sich eine der Mehrwertsteuer vergleichbare Abgabe auch nicht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ergibt.

1. Die Kammerumlage 1 ist von den Beträgen zu rechnen, die von anderen Unternehmern auf Grund der an das Kammermitglied erbrachten Lieferungen und sonstigen Leistungen geschuldet werden. Es liegt damit aber keine Bemessung von den Umsätzen der Gegenstände und Dienstleistungen des umlageverpflichteten Kammermitglieds vor.

2. Die Abgabe wird von der Mehrwertsteuer des Vorlieferanten berechnet, daher ist keine proportionale Zuordnung zum Preis des Gegenstandes und der Dienstleistung gegeben.

3. Sie wird auf der Einzelhandelsstufe nicht erhoben.

4. Eine Zuordnung der Belastung der Kammermitglieder auf allfällige Verbraucher ist nicht möglich; die Abgabe wird nicht vom Verbraucher getragen.

Im Zuge der nach der Rechtsprechung des EuGH darüber hinaus anzustellenden Gesamtbeurteilung ist auf die Belastungskonzeption und die Besteuerungstechnik der Kammerumlage abzustellen. Im Gegensatz zur Mehrwertsteuer ist bei der Kammerumlage von der Belastungskonzeption her eine Abwälzung auf den Letztverbraucher nicht beabsichtigt und auch nicht möglich, weil eine genaue Zuordnung der Belastung nicht erfolgen kann. Auch die Besteuerungstechnik der Kammerumlage, und zwar die Bemessung von den Vorsteuern, Einfuhrumsatzsteuern und Erwerbssteuern, deutet nicht auf eine mit der Umsatzsteuer vergleichbare Abgabe hin.

Wenn vorgebracht wird, § 122 WKG verstoße gegen Artikel 168 der MwSt-Systemrichtlinie, da Artikel 168 der MwSt-Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsehe, während § 122 WKG diese Beträge der Umlagepflicht unterziehe und somit den Vorsteuerabzug in einer Weise einschränke, die nach der MwSt-Systemrichtlinie nicht ausdrücklich zugelassen sei, ist auf das , zu verweisen, zumal - wie bereits erwähnt - die Artikel 17 Absatz 2 und 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie inhaltlich praktisch unverändert in die Artikel 168 und 401 der MwSt-Systemrichtlinie übernommen wurden. Ruppe gelangt in seinem Beitrag "Kein Verstoß der KU 1 gegen Gemeinschaftsrecht" () zur Auffassung, dass die Regelung des § 122 WKG mit einer Beschneidung des Vorsteuerabzuges inhaltlich nichts zu tun habe, da die Kammerumlage 1 nicht an die abziehbaren Vorsteuern anknüpfe, sondern die in Rechnung gestellten Vorsteuern die Bemessungsgrundlage bildeten. Das bedeute aber, so Ruppe aaO, dass ein Unternehmer auch dann mit Kammerumlage 1 belastet sei, wenn er seine Vorsteuern gar nicht oder nur teilweise abziehen könne, weil er zum Beispiel ausschließlich oder teilweise steuerfreie Umsätze im Inland tätige. In diesem Fall bedeute die Kammerumlage 1 offensichtlich keine Beschneidung des Vorsteuerabzuges, sondern eine Zusatzbelastung. Wäre die Kammerumlage 1 inhaltlich als Regelung zu verstehen, die den Vorsteuerabzug wieder teilweise rückgängig machen solle, dürfte sie selbstverständlich nicht erhoben werden, wenn der Steuerpflichtige ohnehin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Damit sei aber bestätigt, dass die Kammerumlage 1 nicht eine Beschneidung des Rechts auf Vorsteuerabzug bezwecke, sondern dass man eine praktikable und objektive Bemessungsgrundlage für eine Beitragsfinanzierung gesucht habe, die lediglich bemessungstechnisch mit dem Vorsteuerabzug in Verbindung stehe.

Der Unabhängige Finanzsenat hat bereits mehrfach entschieden, dass die Kammerumlage 1 (§ 122 WKG) gemeinschaftsrechtskonform ist, wobei an dieser Stelle auf die umfangreichen Berufungsentscheidungen verwiesen wird (vgl zB ; , RV/0428-L/09; , RV/0427-L/09; , RV/0462-L/09, , RV/2116-W/09). Zusammenfassend dargestellt kam der Unabhängige Finanzsenat in diesen Entscheidungen - die Berufungsvorbringen stimmen mit dem gegenständlichen Berufungsvorbringen inhaltlich weitestgehend überein - unter Hinweis auf die Ausführungen von Laudacher zur Gemeinschaftsrechtskonformität der Kammerumlage 1 (SWK 2009, T 145) zum Schluss, dass

- die Einforderung der Umlage keine "Rückgängigmachung" der gemäß Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie gewährten Vorsteuer darstellt;

- ein Verstoß gegen Art. 33 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie (neu Art. 401) nicht gegeben ist, weil die Kammerumlage keine der Mehrwertsteuer ähnliche Abgabe ist;

- die Niederlassungsfreiheit und das Beihilfenrecht durch das WKG in diesem Zusammenhang nicht verletzt werden.

Unter Bedachtnahme auf vorstehende Ausführungen bestand auch im vorliegenden Verfahren keine Veranlassung von der bisherigen Spruchpraxis des UFS abzugehen.

Das Finanzamt gelangte offensichtlich zur Ansicht, dass die der Entrichtung zu Grunde liegende Bemessung durch die Bw. richtig sei und setzte die Kammerumlage in derselben Höhe fest, welche die Bw. in ihrem Antrag vom als abgeführt erklärt hatte.

Ein Bescheid nach § 201 BAO über die Festsetzung einer Selbstbemessungsabgabe hätte allerdings nur dann zu ergehen gehabt, wenn das Finanzamt von der Selbstberechnung der Bw. abgewichen wäre. Ist jedoch - wie im gegenständlichen Fall - davon auszugehen, dass die Kammerumlage in der von der Bw. gemeldeten und entrichteten Höhe entstanden ist, so wäre der Antrag vom auf Festsetzung der Kammerumlage mit € 0 abzuweisen gewesen.

Da das Finanzamt dies verkannt hat und mit den in Berufung gezogenen Bescheiden die Kammerumlage 1 für die Jahre 2004 bis 2008 zu Unrecht festsetzte, waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Antrag auf Festsetzung der Kammerumlage hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2008 als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 122 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
Art. 168 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
Art. 401 RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Kammerumlage 1
Vorsteuerrückgängigmachung
mehrwertsteuerähnliche Abgabe

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at