Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.02.2006, RV/2420-W/02

Sicherstellungsauftrag auf Grund eines Haftungsbescheides

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der GU, vertreten durch GR, gegen den Sicherstellungsauftrag des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt die Sicherstellung von Abgabenansprüchen in voraussichtlicher Höhe von S 178.626.235,00 in das Vermögen der Berufungswerberin (Bw.) an.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Bw. aus, dass der Bescheid in mehrerer Hinsicht mangelhaft sei. Es sei nicht einmal angeführt, in welcher Eigenschaft die Bw. Vorsteuerschwindel begangen habe solle. Der Bescheid sei nicht datiert und leide somit auch aus diesem Grunde an einem erheblichen Mangel, und zwar schon deshalb, weil ein derartiger Sicherstellungsbescheid erst erlassen werden könne, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpften. Nachdem der Bescheid nicht datiert sei, könne hier nicht festgestellt werden, ob diese Voraussetzung gegeben sei.

Offensichtlich handle es sich bei den Steuerverbindlichkeiten, für die die Sicherstellung erfolgen solle, um Verbindlichkeiten der B-GmbH, die in der Höhe noch in keiner Weise feststünden. Ebenso gebe es gegen die Bw. keinen rechtskräftigen Haftungsbescheid.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom beantragte die Bw. rechtzeitig die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgabe zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Gemäß § 232 Abs. 2 BAO hat der Sicherstellungsauftrag (Abs. 1) zu enthalten:

a) die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;

b) die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;

c) den Vermerk, daß die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;

d) die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, daß Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Von einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgaben im Sinne dieser Bestimmung ist im Wesentlichen dann zu sprechen, wenn aus der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen und den besonderen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden muss, dass nur bei raschem Zugriff der Behörde die Abgabeneinbringung gesichert erscheint.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () sind derartige Gefährdungen oder Erschwerungen u.a. bei drohendem Konkurs- oder Ausgleichsverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, bei Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben. Auch schwerwiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen, welche die Annahme begründen, dass sich der Abgabepflichtige auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, rechtfertigen ebenso wie eine erhebliche Verschuldung des Abgabepflichtigen, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO.

Die besonderen Umstände des Einzelfalles, die nach der Lage des Falles eine Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgaben befürchten lassen, sind entsprechend der Begründung des Sicherstellungsauftrages insbesondere in dem bisher gezeigten steuerlichen Verhalten der Bw. als gesetzliche Vertreterin und Gesellschafterin der B-GmbH zu erblicken, indem sie als alleinige Geschäftsführerin Vorsteuern mittels gefälschter Rechnungen geltend machte, zumal dem voraussichtlichen Nachforderungsbetrag von € 12,981.274,75 (S 178,626.235,00) laut Aktenlage lediglich bereits belastete Anteile an einer Liegenschaft als bekannte Vermögenswerte gegenüberstanden. Obwohl der Bw. bereits in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Geltendmachung von Vorsteuern mittels gefälschter Rechnungen vorgehalten wurde, hat sie im Berufungsverfahren nichts dagegen vorgebracht. Bestätigt wird der vorgehaltene dringende Verdacht des Vorsteuerschwindels in der im Sicherstellungsauftrag angeführten Höhe zudem durch die Aussage der Bw. anlässlich ihrer Vernehmung als Beschuldigte vom , wonach auf Grund wirtschaftlicher Probleme Mitte der Achtziger-Jahre KK auf die Idee gekommen sei, Vorsteuern auf Grund fingierter Eingangsrechnungen (auf Grund gefälschter Rechnungen der FV) zu lukrieren, wobei die Blankoformulare in Ungarn hergestellt worden seien, sodass sie sich der Abgabenhinterziehung in Höhe von ca. S 100,000.000,00 durch steuerliche Geltendmachung von gefälschten Rechnungen der FV schuldig bekenne.

Soweit die Bw. mit den Einwänden, dass die Verbindlichkeiten der B-GmbH der Höhe nach noch in keiner Weise feststünden und es gegen die Bw. keinen rechtskräftigen Haftungsbescheid gebe, die Verwirklichung des Tatbestandes bestreitet, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, ist auf die Berufungsentscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2419-W702, zu verweisen. Bei potenziell Haftungspflichtigen entsteht die Abgabenschuld als Gesamtschuld gemäß § 7 Abs. 1 BAO mit bescheidmäßiger Geltendmachung von Haftungen. Nach Erlassung von Haftungsbescheiden werden die betreffenden Abgabenschulden nach § 224 Abs. 1 BAO fällig und vollstreckbar. Innerhalb dieser Monatsfrist ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () die Erlassung von Sicherstellungsaufträgen zulässig.

Die Rüge bezüglich des Fehlens ein Bescheiddatums als wesentlicher Bestandteil eines Bescheides ist nicht zielführend, da die Angabe eines Bescheiddatums trotz der Bestimmung des § 96 BAO nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () entbehrlich ist, weil dieser ohnehin erst durch seine Bekanntgabe Wirksamkeit erlangt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 232 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Haftungsbescheid
Geschäftsführer
Gesamtschuld
Bescheiddatum
Vorsteuerschwindel

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at