Geschäftsführerhaftung im Falle der Schätzung der zu Grunde liegenden Abgaben, Sicherstellungsauftrag und Aussetzung der Einhebung
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Miterledigte GZ: |
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RV/0958-W/12 |
RV/1502-W/12 |
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/0959-W/12-RS1 | Wenn ein Geschäftsführer im Falle seines Rücktrittes oder der Konkurseröffnung nicht mehr zur Abgabe der Steuererklärungen verpflichtet war, besteht keine Bindung an die mit rechtskräftiger Schätzung festgestellte Höhe einer nichtentrichteten Abgabennachforderung, da das Erfordernis der Schätzung nicht im Rahmen einer schuldhaften Pflichtverletzung des Vertreters lag, sofern er seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Abgabe von Voranmeldungen der Selbstbemessungsabgaben nachgekommen war. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw., vertreten durch Rechtsanwälte, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO, Sicherstellung gemäß § 232 BAO und Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO entschieden:
I. und II. Den Berufungen betreffend Haftung und Sicherstellung wird Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
III. Die Berufung betreffend Aussetzung der Einhebung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Gesellschaft D-GmbH wurde am errichtet und im Firmenbuch am mangels Vermögens von Amts wegen gelöscht.
Mit Bescheid vom wurde der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 9 Abs. 1 BAO iVm § 80 BAO als Geschäftsführer der genannten Gesellschaft für Umsatzsteuer 2007 in der Höhe von € 19.610,95 zur Haftung herangezogen, da diese durch die schuldhafte Verletzung der ihm als Vertreter der Gesellschaft auferlegten Pflichten nicht hätte eingebracht werden können.
Zugleich ordnete das Finanzamt mit Sicherstellungsauftrag zur Sicherung der mit Haftungsbescheid gegenüber dem Bw. geltend gemachte Umsatzsteuer 2007 im Betrag von € 19.610,95 die Sicherstellung in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Bw. an, da die Einbringung der Abgabe gefährdet wäre, weil das bisherige Verhalten erkennbar darauf gerichtet wäre, sich der Entrichtung der Abgaben zu entziehen.
In der gegen den Haftungsbescheid am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass keine Abgabenrückstände bei der Gesellschaft bestünden. Weiters schicke er voraus, dass die D-GmbH ins Leben gerufen worden wäre, weil ein Teil des Geschäftsbereichs der J-GmbH, und zwar der Vertrieb von Dentalimplantaten, hätte ausgegliedert und eben durch die neu gegründete Firma wahrgenommen werden sollen. Es hätte der damalige Prokurist und gewerberechtliche Geschäftsführer der J-GmbH , Herr J.T., der zur Ausübung des Gewerbes des Handels mit Medizinprodukten berechtigt gewesen wäre, auch für die D-GmbH die Funktion eines gewerberechtlichen Geschäftsführers übernehmen sollen. Herr T. wäre dazu jedoch nach mehrfachen Gesprächen mit dem Eigentümer letztlich nicht bereit gewesen.
Es hätte daher an einem für die Gewerbeausübung erforderlichen gewerberechtlichen Geschäftsführer gefehlt, was auch der Grund für eine seitens des Schutzverbandes gegen unlauteren Wettbewerb an die D-GmbH gerichtete Unterlassungsaufforderung gewesen wäre. Bereits mit Schreiben der Abgabepflichtigen an den Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb, ebendort eingelangt am , wäre seitens der D-GmbH ausdrücklich zugesagt worden, bis auf Weiteres, weil durch eine unglückliche Verkettung personal- und vertragstechnischer Angelegenheiten keine Lösung für die Frage der Gewerbeberechtigung hätte gefunden werden können, vertriebliche Aktivitäten zu unterlassen.
Angedacht wäre gewesen, den Betrieb nach Ablegung der für das Gewerbe des Handels mit Medizinprodukten erforderlichen Prüfung durch den Bw., die allerdings frühestens im Herbst 2008 hätte abgelegt werden können, wieder aufzunehmen, wozu es aber nicht mehr gekommen wäre, weil der Bw. seine Funktionen als handelsrechtlicher Geschäftsführer der J-GmbH sowie der D-GmbH zurückgelegt hätte.
Die Abgabenpflichtige wäre daher jedenfalls nur über einen kurzen Zeitraum von ca. drei Monaten tätig gewesen und schon Anfang Dezember 2007 de facto stillgelegt worden. Der Bw. hätte keine Kenntnis davon, dass über die D-GmbH der Konkurs eröffnet worden wäre.
Es wäre in Abstimmung mit der Steuerberatungskanzlei stets darauf geachtet worden, dass Abgaben- und Beitragsschuldigkeiten fristgerecht und vollständig berichtigt worden wären, sodass auch keine Abgabenrückstände aufgelaufen wären. Es treffe nicht zu, dass die Umsatzsteuer nicht oder unzureichend gemeldet und entrichtet worden wäre. Es wäre dem Bw. in diesem Zusammenhang auch keine Pflichtverletzung oder sonstiges schuldhaftes Verhalten anzulasten, zumal die steuerliche Vertretung durch die W-GmbHwahrgenommen worden wäre und sich für den Bw. niemals Hinweise darauf ergeben hätten, dass bei der Abgabenentrichtung Fehler aufgetreten bzw. Abgaben nicht oder nicht vollständig entrichtet worden sein könnten.
Tatsächlich wäre dies auch nicht geschehen. Die hier verfahrensgegenständlichen angeblichen Abgabenrückstände hätten ihre Grundlage nicht etwa darin, dass dem Bw. anzulastende Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Abgabenentrichtung festgestellt worden wären, sondern darin, dass - lange nach Ausscheiden des Bw. aus seiner Funktion als Geschäftsführer - die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege ermittelt worden wären und dabei offenbar über die kurze Zeit tatsächlicher operativer Tätigkeit der Abgabepflichtigen hinaus noch weitere Zeiträume, in denen die Gesellschaft jedoch mangels Unternehmensbetriebs keinerlei Umsätze generiert hätte, in die Betrachtung - und in die mit Umsatzsteuerbescheid vorgenommene Festsetzung - mit einbezogen und in weiterer Folge zum Gegenstand des angefochtenen Haftungsbescheides gemacht worden wären.
Die vorgenommene Ermittlung im Schätzungsweg und insbesondere auch die Heranziehung der Festsetzung der Umsatzsteuer und eines monatlichen Umsatzes von € 16.000,00 ab Betriebsbeginn als Bemessungsgrundlage wären verfehlt, zumal die Primärschuldnerin nur über einen ganz kurzen Zeitraum von etwa drei Monaten tätig gewesen und dann stillgelegt worden wäre.
Weiters erscheine eine Inanspruchnahme des Bw. jedenfalls auch als unbillig. Gemäß § 20 BAO wären Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Umstände zu treffen. Zu den Ermessensentscheiden würde auch die Haftungsinanspruchnahme gehören (), sodass auch hier unter Zugrundelegung von Billigkeitserwägungen, sohin unter Berücksichtigung der Angemessenheit in Bezug auf die berechtigten Interessen des Bw. zu entscheiden wäre.
Darüber hinaus erhob der Bw. den Einwand der Verjährung.
Abschließend brachte der Bw. vor, dass gegen ihn wegen der den Gegenstand des hier bekämpften Haftungsbescheides bildenden Abgabenrückstände bereits Vollstreckungsmaßnahmen gesetzt worden wären, wobei diesen Maßnahmen ein nicht an die Abgabenstelle des Bw. zugestellter Haftungsbescheid vom zu Grunde gelegt worden wäre. Mit Bescheid des Finanzamtes vom wäre den dagegen seitens des Bw. erhobenen Einwendungen mit der Begründung, dass der Haftungsbescheid keine Rechtswirkungen entfaltet hätte und die Vollstreckungsmaßnahmen ohne Rechtsgrundlage erfolgt wären, stattgegeben und die Vollstreckung eingestellt worden. Gleichzeitig mit diesem Bescheid wäre dem Bw. auch der hier bekämpfte Haftungsbescheid zugestellt worden, ohne dass ihm vor seiner Inanspruchnahme die Verfahrensergebnisse in ausreichender Weise zur Kenntnis gebracht worden wären. Er stelle daher den Antrag auf Gewährung der Akteneinsicht.
Schließlich beantragte der Bw. die Aussetzung der Einhebung der in Haftung gezogenen Umsatzsteuer 2007 gemäß § 212a BAO sowie die Gewährung von Akteneinsicht.
In der gegen den Sicherstellungsauftrag ebenfalls am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass in der Begründung eines Sicherstellungsauftrages der Darstellung jener Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung einer Abgabe ergebe, besondere Bedeutung zukomme, und dass Sicherstellungsaufträge, die nicht alle im § 232 Abs. 2 BAO geforderten Inhaltsbestandteile hätten, auch keine für die Bewilligung der Exekution geeigneten Titel darstellen würden (Ritz, BAO, § 232 Tz 9). § 232 Abs. 2 lit. b BAO schreibe insbesondere auch vor, dass ein Sicherstellungsauftrag die Gründe, aus denen sich eine Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung einer Abgabe ergebe, zu enthalten hätte.
Abgesehen davon, dass der Haftungsbescheid gegen den früheren handelsrechtlichen Geschäftsführer nicht am erlassen, sondern an diesem Tag ausgefertigt worden wäre, fehle es dem gegenständlichen angefochtenen Bescheid an jeglicher nachvollziehbarer Begründung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages. Welches "bisherige Verhalten" des Bw. die Behörde hier vor Augen gehabt hätte bzw. inwiefern dieses von der Behörde nicht offengelegte Verhalten darauf hätte gerichtet sein sollen bzw. sogar "erkennbar" darauf hätte gerichtet sein sollen, sich der Entrichtung der Abgaben zu entziehen, bleibe vollständig im Dunkeln. Es liege in diesem Zusammenhang eine bloße Scheinbegründung vor, die die Erwägungen der Behörde, die der Erlassung des Sicherstellungsauftrages zu Grunde gelegen wären, nicht offenlege und daher auch einer Überprüfung nicht zugänglich wäre.
Tatsächlich wären Umstände, die den Schluss zulassen würden, dass das bisherige Verhalten des Bw. darauf gerichtet sein könnte, sich der Abgabenentrichtung zu entziehen, auch nicht gegeben. Der Bw. hätte im Anschluss an gegen ihn gesetzte Vollstreckungshandlungen Einwendungen erhoben und dargetan, dass es den Vollstreckungsmaßnahmen an einer Rechtsgrundlage gefehlt hätte, weil ihm der Haftungsbescheid, auf den sich die Maßnahmen gestützt hätten, niemals wirksam zugestellt worden wäre. In diesem Zusammenhang wäre auch festzuhalten, dass der Bw. bereits in dem anhängigen Verfahren betreffend Haftung für Abgabenrückstände der J-GmbH im Zuge einer Vorsprache am das Finanzamt davon in Kenntnis gesetzt hätte, dass seine Zustelladresse nicht Adr-1, sondern vielmehr Adr-2, wäre und um Vornahme allfälliger Zustellungen an die zuletzt genannte Adresse ersucht hätte. Dementsprechend wäre in diesem Verfahren auch eine Anfrage des Finanzamtes vom bereits - zutreffend - an die von ihm bekanntgegebene Zustellanschrift adressiert. Ungeachtet dessen wäre aber hier im gegenständlichen Verfahren der den Vollstreckungsmaßnahmen zu Grunde gelegte Haftungsbescheid wiederum an die Adresse Adr-1 , gerichtet, bei der es sich eben nicht um eine Abgabestelle des Bw. handle.
Zutreffend wäre daher mit Bescheid des Finanzamtes gleichfalls vom den Einwendungen des Bw. gegen den Vollstreckungsauftrag vom und gegen die Durchführung der Vollstreckung stattgegeben und die Vollstreckung eingestellt worden mit der Begründung, dass die Zustellung des den Vollstreckungshandlungen zu Grunde liegenden Haftungsbescheides vom an eine Anschrift erfolgt wäre, die zum damaligen Zeitpunkt keine Abgabestelle des Bw. mehr dargestellt hätte, der Haftungsbescheid daher keine Rechtswirkungen zu entfalten vermocht hätte und dass die auf diesem Bescheid basierenden Vollstreckungshandlungen ohne Rechtsgrundlage erfolgt wären.
Der Umstand, dass der Bw. sich gegen ihn gerichtete Vollstreckungshandlungen - denen es, wie das Finanzamt mit dem den Einwendungen des Bw. gegen die Durchführung der Vollstreckung stattgebenden und die Vollstreckung einstellenden Bescheid zutreffend erkannt hätte, an jeglicher Rechtsgrundlage gefehlt hätte - erfolgreich durch Erhebung von Einwendungen zur Wehr gesetzt und die Zustellung jenes Haftungsbescheides, mit welchem er zur Haftung für Rückstände der Gesellschaft hätte herangezogen werden sollen, beantragt hätte, stelle jedenfalls kein Verhalten dar, das darauf gerichtet wäre, sich der Abgabenentrichtung zu entziehen. Das Beharren auf einer rechtswirksamen Zustellung eines Haftungsbescheides und das Ergreifen von Maßnahmen gegen rechtsgrundlose Vollstreckungsmaßnahmen gehöre vielmehr zu den gesetzlich eingeräumten Verfahrensgarantien eines rechtsstaatlichen Verfahrens.
Abschließend hielt der Bw. fest, dass er keinerlei Verhalten gesetzt hätte, das darauf gerichtet wäre, sich der Abgabenentrichtung zu entziehen. Die Voraussetzungen für die Erlassung des hier bekämpften Sicherstellungsauftrages würden somit nicht vorliegen.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Einhebung ab und führte nach Anführung der bezughabenden Norm aus, dass eine Gefährdung der Einbringlichkeit gegeben wäre, ohne dies näher zu begründen.
In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass ein Verfahrens- und Begründungsmangel vorliege, der eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides nicht zulasse und bei dessen Vermeidung das Finanzamt zur Ansicht, dass die beantragte Aussetzung der Einhebung zu bewilligen wären, und damit im Ergebnis zu einem anders lautenden Bescheid gelangen hätte können.
Zudem liege auch eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor, weil die Behörde erster Instanz offenbar übersehe, dass die Aussetzung gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO nur dann nicht zu bewilligen wäre, wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet wäre. Selbst eine Gefährdung der Einbringlichkeit - für deren Vorliegen sich aus dem angefochtenen Bescheid freilich, wie schon gesagt, keinerlei Anhaltspunkte ergeben würden - stünde einer Aussetzung nicht entgegen. Eine Aussetzung wäre vielmehr grundsätzlich auch zulässig, wenn die Einbringlichkeit der Abgabe gefährdet wäre (Ritz, BAO, § 212a Tz 18). Maßgeblich wäre in diesem Zusammenhang nur, ob ein mit einer objektiven Gefährdungsneigung verbundenes Verhalten des Abgabepflichtigen vorliege (a.a.O. TZ 19).
Die Bescheidbegründung enthalte allerdings nicht den geringsten Hinweis darauf, dass der Bw. irgendein Verhalten gesetzt hätte, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet wäre. Ein derartiges Verhalten des Bw. werde in der Bescheidbegründung nicht einmal behauptet.
Tatsächlich hätte der Bw. auch kein derartiges Verhalten gesetzt, sondern sich lediglich, wie er auch schon in seiner Berufung gegen den Sicherstellungsauftrag näher dargelegt hätte, gegen die gegen ihn gerichteten Vollstreckungshandlungen - berechtigter Weise, weil es diesen Maßnahmen, wie das Finanzamt mit dem den Einwendungen des Bw. gegen die Durchführung der Vollstreckung stattgebenden und die Vollstreckung einstellenden Bescheid zutreffend erkannt hätte, an jeglicher Rechtsgrundlage gefehlt hätte - zur Wehr gesetzt und die Zustellung jenes Haftungsbescheides, mit welchem er zur Haftung für Rückstände der D-GmbH herangezogen hätte werden sollen, beantragt. Im Beharren auf einer rechtswidrigen Zustellung eines Haftungsbescheides und dem Ergreifen von Maßnahmen gegen rechtsgrundlose Vollstreckungsmaßnahmen könne allerdings ein auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben gerichtetes Verhalten nicht erblickt werden.
Am gewährte der Unabhängige Finanzsenat dem Bw. gemeinsam mit seinem steuerlichen Vertreter die Einsicht in die Abgabenakten und setzte eine Frist von vier Wochen für eine eventuelle Berufungsergänzung.
Diese erfolgte mit Schreiben vom , wobei überwiegend auf das Berufungsvorbringen verwiesen wurde. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die damalige steuerliche Vertretung unter Hinweis auf das Insolvenzverfahren der Firmengruppe in einem an das Finanzamt gerichteten Schreiben ausgeführt hätte, dass die D-GmbH über keine liquiden Mittel verfüge, der damalige (offenbar nach dem Ausscheiden des Bw. bestellte) Geschäftsführer infolge U-Haft nicht erreichbar wäre und daher die Steuererklärungen 2007 frühestens bis hätten erstellt werden können.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 238 Abs. 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.
Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Bescheides gemäß §§ 201 und 202 leg.cit. unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Dem unbegründeten Einwand des Bw., dass die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer 2007 gemäß § 238 BAO verjährt wäre, ist die Gesetzes- und Aktenlage entgegenzuhalten, wonach ab (dem Fälligkeitstag) folgende Unterbrechungshandlungen, die die fünfjährige Einhebungsverjährungsfrist jeweils neu in Gang setzten, gesetzt wurden:
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Unterbrechungshandlung | Datum | Verjährungsfrist |
Festsetzung | ||
Vollstreckungsversuch | ||
Pfändung | ||
Haftungsbescheid |
Daraus erhellt, dass eine Verjährung der Einhebung nach § 238 Abs. 1 BAO zufolge der regelmäßigen Unterbrechungshandlungen gemäß § 238 Abs. 2 BAO nicht eingetreten ist. Darüber hinaus wird der Vollständigkeit halber noch angemerkt, dass die Einhebungsverjährung auch ohne Unterbrechungshandlungen noch nicht eingetreten wäre.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann gemäß § 248 BAO unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen.
Die Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO ist eine Ausfallshaftung (). Voraussetzung ist die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (). Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären ().
Im gegenständlichen Fall steht die Uneinbringlichkeit fest, da die Gesellschaft D-GmbH im Firmenbuch am mangels Vermögens von Amts wegen gelöscht wurde.
Unbestritten ist auch, dass dem Bw. als Geschäftsführer der genannten GmbH im Zeitraum vom bis die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag. Insbesondere ist im Rahmen dieser Verpflichtung für die rechtzeitige und vollständige Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen.
Dem Einwand des Bw., dass die Umsatzsteuern stets vollständig entrichtet worden wären, muss entgegengehalten werden, dass die Festsetzung der Umsatzsteuer 2007 mit Bescheid vom die gegenständliche Nachforderung ergab. Aus dem Umstand, dass die Festsetzung erst nach dem Ausscheiden des Bw. aus der Geschäftsführung erfolgte, lässt sich für den Bw. vorerst nichts gewinnen, da sich der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, danach bestimmt, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (). Bei Selbstbemessungsabgaben ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (); maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (diesfalls der ), somit unabhängig davon, ob und wann die Abgabe bescheidmäßig festgesetzt wird ().
Dem Vorbringen des Bw., dass die Nachforderung auf einer Schätzung basiere und ihm keine Möglichkeit eingeräumt worden wäre, zu den Feststellungen Stellung zu nehmen, war insofern zu folgen, weil die Abgabenbehörde zwar von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hat (), die Haftung nach § 9 BAO allerdings eine schuldhafte Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten erfordert. Deshalb hat sich die Behörde mit den Einwänden des zur Abgabenhaftung herangezogenen Geschäftsführers zu befassen, dass ihn kein Verschulden getroffen hätte ().
Erst wenn man zu dem Schluss kommt, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung vorliegt, ist in einem zweiten Prüfungsschritt für eine Haftungsinanspruchnahme ein Vorbringen zur Höhe der festgesetzten, schuldhaft nicht entrichteten Abgabe als irrelevant zu bewerten und die Partei darauf zu verweisen, dass Streitigkeiten darüber im Festsetzungsverfahren gemäß § 248 BAO auszutragen sind.
Hinsichtlich des Termins zur Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2007 ist aus der Datenbank der Finanzverwaltung ersichtlich, dass unter Bedachtnahme auf die Quotenvereinbarung für berufsmäßige Parteienvertreter eine Fristverlängerung bis bestand. Da dieser Termin nach dem Ausscheiden des Bw. als Geschäftsführer lag (), hat er es auch nicht schuldhaft unterlassen, eine entsprechende Jahreserklärung einzureichen, und hat die dadurch bewirkte Notwendigkeit, die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege zu ermitteln (Bescheid vom ), nicht zu verantworten.
Es besteht daher keine Bindung an die mit rechtskräftiger Schätzung festgestellte Höhe einer nicht entrichteten Abgabennachforderung, da das Erfordernis der Schätzung nicht im Rahmen einer schuldhaften Pflichtverletzung des Bw. lag.
Auf Grund des Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. als Haftungspflichtiger für die Abgabenschuldigkeiten der D-GmbH nicht zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
II. Sicherstellung
Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabenpflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung zu begegnen.
Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, werden durch Geltendmachung dieser Haftung ( § 224 Abs. 1 BAO ) gemäß § 7 Abs. 1 BAO zu Gesamtschuldnern.
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt gemäß § 232 die Entstehung eines noch nicht vollstreckbaren Abgabenanspruches sowie die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgaben voraus.
Bei potenziell Haftungspflichtigen entsteht die Abgabenschuld als Gesamtschuld gemäß § 7 Abs. 1 BAO erst mit der bescheidmäßigen Geltendmachung der Haftung. Nach Erlassung des Haftungsbescheides werden die betreffenden Abgaben nach § 224 Abs. 1 BAO fällig und vollstreckbar. Innerhalb dieser Monatsfrist ist die Erlassung von Sicherstellungsaufträgen zulässig (Ritz, BAO4, § 232 Tz 4).
Der Einwand des Bw., dass der Haftungsbescheid nicht am erlassen, sondern an diesem Tag lediglich ausgefertigt worden wäre, geht ins Leere, weil zwar nach § 97 Abs. 1 BAO die Wirksamkeit eines schriftlichen Bescheides erst mit dessen Zustellung eintritt und ein Sicherstellungsauftrag nach dem oben Festgestellten nur in der kurzen Zeitspanne zwischen der Erlassung (Zustellung laut Bw. am ) - gleichbedeutend mit der Entstehung der Steuerschuld iSd § 232 Abs. 1 BAO iVm § 7 Abs. 1 BAO - und der Vollstreckbarkeit gemäß § 226 BAO (Nichtentrichtung bis zum Fälligkeitstag) - daher ein Monat nach seiner Erlassung gemäß § 224 Abs. 1 BAO - erlassen werden darf, jedoch der gegenständliche Sicherstellungsauftrag ohnehin gleichzeitig mit dem Haftungsbescheid am zugestellt und damit innerhalb dieser Monatsfrist erlassen wurde.
Da allerdings der Haftungsbescheid mit derselben Berufungsentscheidung (siehe Punkt I.) aufgehoben wurde, ist daher die Voraussetzung der Entstehung der Abgabenschuld nicht erfüllt und kann somit auch kein Sicherstellungsauftrag erlassen werden.
Lediglich informativ wird festgestellt, dass auch die weitere kumulative Voraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages, nämlich das Vorliegen einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der betreffenden Abgabe Umsatzsteuer 2007 nicht vorgelegen wäre:
Von einer Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung von Abgaben im Sinne der Bestimmung des § 232 BAO ist im Wesentlichen dann zu sprechen, wenn aus der wirtschaftlichen Lage und den sonstigen Umständen des Einzelfalles geschlossen werden kann, dass nur bei raschem Zugriff der Abgabenbehörde die Abgabeneinbringung voraussichtlich gesichert erscheint (). Dabei reicht der objektive Tatbestand einer Gefährdung oder Erschwerung aus; eine vom Abgabenschuldner selbst gesetzte Gefährdungshandlung ist nicht erforderlich ().
Im hier bekämpften Sicherstellungsauftrag legte das Finanzamt allerdings nicht dar, worin die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung gelegen wäre, da lediglich behauptet wurde, dass das bisherige Verhalten des Bw. erkennbar darauf gerichtet wäre, sich der Entrichtung der Abgaben zu entziehen.
Zieht man den bisherigen Verfahrensverlauf laut Einbringungsakt zur Auslegung dieser Behauptung heran, dann ist - der Rechtfertigung des Bw. folgend - festzustellen, dass dieser lediglich ihm (durch gesetzlich eingeräumte Verfahrensgarantien eines rechtstaatlichen Verfahrens) zustehende Maßnahmen zur Abwehr der auf Grund eines nicht wirksam erlassenen Haftungsbescheides, daher rechtswidrig gegen ihn gerichteten Vollstreckungshandlungen ergriff.
So hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom VwGH, , 96/08/0104, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die abstrakte Möglichkeit von Vermögensverminderungen nicht ausreicht.
Hingegen sind derartige Gefährdungen oder Erschwerungen beispielsweise bei drohendem Insolvenzverfahren, bei Exekutionsführung von dritter Seite, bei Auswanderungsabsicht, bei Vermögensverschiebung ins Ausland oder an Verwandte oder bei dringendem Verdacht einer Abgabenhinterziehung gegeben. Auch schwer wiegende Mängel in den Büchern und Aufzeichnungen, welche die Annahme begründen, dass sich der Abgabenpflichtige auch der Vollstreckung der noch festzusetzenden Abgaben zu entziehen trachten wird, rechtfertigen ebenso wie eine erhebliche Verschuldung des Abgabenpflichtigen, die einen Zugriff anderer Gläubiger auf sein Vermögen befürchten lässt, eine Maßnahme nach § 232 BAO ().
Da solche Umstände vom Finanzamt nicht dargelegt wurden und sich auch nicht aus dem Akteninhalt ergeben, ist die weitere kumulative Voraussetzung des § 232 Abs. 1 BAO nicht als erfüllt anzusehen.
Aus den dargelegten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.
III. Aussetzung der Einhebung
Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zu Grunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.
Gemäß § 212a Abs. 2 BAO ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen,
a) insoweit die Berufung nach der Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder
b) insoweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder
c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet ist.
Im gegenständlichen Fall wurde die Berufung vom gegen den Haftungsbescheid vom , die Grundlage für den mit Schreiben vom gestellten Antrag auf Aussetzung der Einhebung war, mit diese Berufungsentscheidung (siehe Punkt I.) erledigt.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch ein Aussetzungsantrag als unbegründet abzuweisen, wenn er nach der Berufungserledigung betreffend den Grundlagenbescheid (hier: Haftungsbescheid) noch unerledigt ist ().
Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung kann ein Bescheid, der eine beantragte Aussetzung der Einhebung verweigert, außerdem ab dem Zeitpunkt, zu dem über die Berufung, von deren Erledigung die Höhe der Abgabe, deren Aussetzung beantragt wurde, unmittelbar oder mittelbar abhing, bereits abgesprochen ist, den Abgabepflichtigen nicht mehr in seinen subjektiven Rechten verletzen ().
Darüber hinaus haftet durch die Aufhebung des Haftungsbescheides auch keine Abgabe mehr aus, deren Einbringung ausgesetzt werden könnte.
Informativ wird zur Begründung des Finanzamtes festgestellt, dass dem Einwand der Bw., dass die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit einer Abgabe die Aussetzung der Einhebung noch nicht unzulässig mache, sondern erst ein bestimmtes, auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten, beizupflichten ist, da der Gesetzeswortlaut des § 212a Abs. 2 lit. c BAO dies eindeutig normiert.
Weiters war dem Bw. auch zu folgen, dass er durch die Anfechtung der rechtswidrigen Vollstreckungsmaßnahmen kein aussetzungsschädliches Verhalten gesetzt hatte.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 238 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 238 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 232 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | UFS Newsletter 2012/05 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at