Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 04.07.2012, RV/0380-F/10

Wiederaufnahme nach Übermittlung berichtigter Lohnzettel

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/15/0164 eingebracht. Mit Erk. v. abgeändert.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0380-F/10-RS1
Wird ein Lohnzettel seitens der pensionsauszahlenden Stelle insofern berichtigt, als die Lohnzettelartindikation nicht "8" (keine LSt einzubehalten aufgrund DBA), sondern "1" (unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht, "normaler Lohnzettel") lautet, so verkörpert das Hervorkommen der richtigen Indikation einen Wiederaufnahmegrund gemäß § 303 Abs. 4 BAO.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw, vertreten durch BDO Vorarlberg Treuhand GmbH, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, 6800 Feldkirch, Gallmiststraße 13, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 2003 bis 2008 nach der am in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 2, im Beisein des Schriftführers Mag. Erwin Amann durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber brachte durch seinen steuerlichen Vertreter vor, die Wiederaufnahmebescheide für die Streitjahre seien zu Unrecht ergangen. Zum einen sei die Begründung der angefochtenen Bescheide "formelhaft" und "standardisiert", indem sie allgemein gehalten auf die Übermittlung berichtigter und neuer Lohnzettel durch die PVA verweise. Ebenso formelhaft sei auch das Ermessen begründet.

Zum anderen sei dem Finanzamt das Vorliegen von Pensionseinkünften der PVA im Zeitpunkt der Bescheiderlassung (gemeint ist wohl der Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide) nachweislich bekannt gewesen. So seien inländische Pensionseinkünfte im Ergänzungsersuchen vom ausdrücklich erwähnt worden. Weiters seien die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel unter Berücksichtigung der zeitlichen Abfolge des Bekanntwerdens der Neuerungen nicht konkret angeführt worden. Eine Wiederaufnahme diene nicht dazu, die Folgen einer unzutreffenden Würdigung eines bereits offengelegten Sachverhaltes zu beseitigen. Als Wiederaufnahmegründe kämen lediglich "nova reperta", dh im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existente, aber erst später hervorgekommenene Tatsachen in Betracht. Keine Wiederaufnahmegründe seien die sogenannten "nova producta", das sind erst später entstandene Umstände. Im Streitfall hätte die Behörde schon bei Erlassung der Erstbescheide bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der später im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung kommen können. Allenfalls vorliegende geringfügige Abweichungen berechtigten nicht zur Wiederaufnahme. Bei der Ermessensentscheidung, die übrigens mit ihrer formelhaften "Scheinbegründung" effektiv nicht begründet sei, müsse berücksichtigt werden, dass die "belangte" Behörde maßgeblich an der unrichtigen Bescheiderlassung beteiligt sei. Die Vorgangsweise der Behörde sei nicht prozessökonomisch und belaste den Berufungswerber erheblich.

Der Berufungswerber beantragte die Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung vor den Unabhängigen Finanzsenat gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO.

Die Berufungen wurden dem Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde II. Instanz ohne Erlassung von Berufungsvorentscheidungen direkt zur Entscheidung vorgelegt. Das Finanzamt beantragte die Abweisung der Berufungen und nahm wie nachstehend Stellung:

Der Steuerpflichtige habe am die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2009 online eingereicht. Darin war ausgefüllt, dass jeweils eine inländische bezugauszahlende Stelle vorhanden sei (Lohnzettel der PVA). Diese Lohnzettel seien in den daraufhin ergehenden Bescheiden nicht berücksichtigt worden, weil sie die Indikation enthielten, dass die Einkünfte aufgrund von Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht anzusetzen seien. Erst am seien dem Finanzamt berichtigte Lohnzettel der PVA betreffend die Jahre 2003 bis 2008 überspielt worden, in welchen die irreführende Indikation nicht mehr enthalten war. Davon ausgehend kam es zu den in Streit stehenden Wiederaufnahmebescheiden.

Im Akt befindet sich eine E-Mail des Mitarbeiters YY der Finanzverwaltung, der zum Bereich Produktmanagement gehört und seinen Sitz in Wien hat, vom an den Sachbearbeiter des Finanzamtes Feldkirch XX des Streitfalles. Sie lautet wörtlich:

"Bei dem Fall wurde in den Erstbescheiden der LZ (Anm.: = Lohnzettel) nicht berücksichtigt, da die LZ mit der LZ-Art (LZ-Art 8) übermittelt wurden. LZ mit der LZ-Art 8 (DBA-LZ) werden mit Bescheid (mangels Besteuerungsrecht) nicht berücksichtigt. Am 15.8. wurde(n) dann alle LZ nochmals mit der LZ-Art 1 übermittelt."

In der am abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde ausgeführt (zusammengefasst und sinngemäß):


Steuerlicher Vertreter: Es trifft zu, dass sich die Berufungen nur gegen die Wiederaufnahmebescheide, nicht auch gegen die neuen Sachbescheide richten. Mit der online-Einreichung der Steuererklärungen am habe ich die Steuererklärungen 2003 bis 2008 samt voraussichtlicher Steuerberechnung übermittelt, wobei ich auch die inländischen Pensionseinkünfte in die Bemessungsgrundlage einbezogen habe. Dem Finanzamt waren daher alle Entscheidungsgrundlagen bekannt, ob die Indikation LZ-Art 8 oder LZ-Art 1 war, ist unerheblich. Die Erstbescheide vom hätten bereits vollständig und richtig ergehen müssen.

Wenn die Finanzamtsvertreterin einwendet, diese Post sei im Finanzamt erst am eingelangt, so antworte ich, hier handelt es sich um die Einreichung der Steuererklärung für 2009, die nochmals alle nun strittigen Jahre auflistete und die Berechnungsmodelle enthielt. Nach meiner auf der allgemeinen Lebenserfahrung beruhenden Einschätzung fiel nun erst dem Finanzamt auf, dass es einen Fehler gemacht hatte. Wie ich annehme, ergriff es daraufhin die Initiative und benachrichtigte die PVA, die berichtigte Lohnzettel vom erließ. Ich bleibe dabei, dieser zeitliche Zusammenhang kann kein Zufall sein.

Wenn auch das Finanzamt, wie die Finanzamtsvertreterin ausführt, die zuerst eingereichten Lohnzettel nicht überprüft hat, sage ich, es hätte aber die Möglichkeit der Überprüfung gehabt, weil alle erforderlichen Unterlagen und Informationen vorlagen. Im Ergänzungsersuchen vom wurden die inländischen Pensionseinkünfte erwähnt und die Einreichung der Steuererklärungen für 2003 bis 2008 mit in- und ausländischen Pensionseinkünften angefordert. Ich sehe es so, dass mit den Wiederaufnahmen eine unrichtige rechtliche Beurteilung im Nachhinein saniert werden sollte.

Finanzamtsvertreterin: Grundsätzlich ist es nicht unmöglich, dass das Finanzamt die PVA auf einen unrichtigen Lohnzettel hinweist. Ich habe aber jetzt, während laufender Verhandlung, außerhalb des Verhandlungssaales mit dem zuständigen Sachbearbeiter XX des Finanzamtes Feldkirch telefoniert. Er hat mir versichert, im Streitfall ganz sicher nicht die PVA verständigt zu haben. Dass Herr YY, von dem die Mail vom stammt, in dieser Weise tätig geworden ist, kann ich mir nicht vorstellen. Das gehört nicht zu seinen Aufgaben. Er ist ein Mitarbeiter des Produktmanagements mit Sitz in Wien.

Das Finanzamt bestreitet nicht, dass inländische Pensionseinkünfte aufschienen, jedoch wurden diese aufgrund der falschen Indikation nicht als steuerpflichtig im Inland erkannt.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung übermittelte der steuerliche Vertreter nachstehende E-Mail an die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates (Originaltext):

"Wie in der Berufungsverhandlung besprochen, erhalten Sie vereinbarungsgemäß die vollständige Mail vom , mit welcher eindeutig nachgewiesen ist, dass die Pensionseinkünfte der PVA im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen 2002 bis 2008 dem FA Feldkirch bekannt waren (zB Beilage, Steuerübersicht, den jeweiligen Steuererklärungen angeschlossenen Steuerberechnungen). Die Einkommensteuererklärungen 2003 bis 2008 wurden in Gefolge des Ersuchens um Ergänzung vom eingereicht, in welchem das FA Feldkirch wie folgt ausführt: "...... Eine Prüfung des elektronischen Aktes ergab weiters, dass für Sie ab 2001 bis laufend lediglich geringfügige inländische Pensionseinkünfte evident sind.......". Daher waren die inländischen Pensionseinkünfte spätestens im April 2009 dem FA Feldkirch bekannt und waren dementsprechend unter Berücksichtigung des DBA Ö-CH rechtlich zu würdigen. Da auch in den eingereichten Einkommensteuererklärungen 2003 bis 2008 je 1 Lohnzettel angegeben wurde, war dieser Umstand dem FA bekannt und hätte berücksichtigt werden müssen.

Die berichtigten Lohnzettel wurden im Jahr 2010 übermittelt und waren daher im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides im Jahr 2009 noch nicht existent. Daher sind diese "Beweismittel" nicht neu hervorgekommen und daher kein Wiederaufnahmegrund. Die Tatsache, dass inländische Pensionen bezogen wurden, war dem FA Feldkirch im laufenden Verfahren bereits bekannt (Mail vom und Ersuchen um Ergänzung vom ). Dieser Umstand wurde in den Erstbescheiden rechtlich nicht korrekt gewürdigt. Nunmehr wird versucht, diese unrichtige rechtliche Würdigung im Zuge der angefochtenen Wiederaufnahme zu korrigieren. Die endgültige Steuerpflicht von Pensionseinkünften hat immer das FA und nicht die PVA zu beurteilen. Keine Wiederaufnahmegründe sind aber neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, auch nach einer Fehlbeurteilung (Ritz, BAO, § 303 Rz 9 mit Judikaturnachweisen).

Die Beweislast für das Vorliegen von Wiederaufnahmegründe trägt das FA Feldkirch.

Ich weise nochmals darauf hin, dass die berichtigten Lohnzettel der PVA ( laut Berufungsverhandlung) im Anschluss an die eingereichte Einkommensteuererklärung 2009 und die nachgereichte Beilage laut Schreiben unserer Kanzlei vom übermittelt wurden. In der Beilage laut Schreiben vom wurden alle in- und ausländischen Pensionseinkünfte 2002 bis 2009 nochmals ausgewiesen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung waren diese Eingaben die Auslöser für die Berichtigung der Lohnzettel durch die PVA wenige Tage danach, die vom FA oder vom BMF veranlasst sein muss (vgl auch die Mail vom BMF, Herr YY, vom (Anm.: Gemeint ist wohl "Mail vom ") an das FA Feldkirch). Bei der PVA erfolgte hingegen keine Einreichung von Unterlagen.

Im Vorlagebericht des FA Feldkirch vom bestätigt das FA ausdrücklich zum Fehlen von neuen Tatsachen: " Das ist dem Grunde nach richtig!".

Dieser Mail waren als Anhang angeschlossen Unterlagen, die zum Teil bereits in der mündlichen Verhandlung vorgelegt und der Referentin als Ausdruck zur Verfügung gestellt worden waren:

  • Beilage zu den Steuererklärungen 2002 bis 2008 mit Darstellung der "3 Säulen",

  • Steuererklärungen 2002 bis 2008

  • Steuerberechnungen 2002 bis 2008

  • Bankauszüge der B-er Kantonalbank betreffend Pensionskasse

  • Bestätigung Invalidenrente 2002, Rentenbestätigungen 2004, 2007 und 2008 der A Pensionskasse

  • Kontoauszug B-er Kantonalbank über Buchungen im Zeitraum bis .

Ermittlungen der Referentin des Unabhängigen Finanzsenates:

Die Referentin richtete nachstehende E-Mail an den Mitarbeiter YY des Produktmanagements:

"In Bezug auf obenstehenden Steuerpflichtigen haben Sie am eine E-Mail an XX vom FA Feldkirch gesandt, mit der Sie ihn informierten: Die Lohnzettel (Anm.: für 2003 bis 2008) seien in den Erstbescheiden nicht berücksichtigt worden, weil sie die Indikation LZ-Art 8 enthielten. Am 15.8. (wohl: ) seien berichtigte Lohnzettel seitens der PVA übermittelt worden, die die LZ-Art 1 auswiesen.

Ich habe Berufungen betreffend die Jahre 2003 bis 2008 zu erledigen und müsste wissen, wie die PVA zur Berichtigung der Lohnzettel kam. Was war der Auslöser dafür?"

YY übermittelte nachstehende Antwort:

"Warum die Pensionsversicherungsanstalt erst am berichtigte Lohnzettel (Art-1) übermittelte, kann ich leider nicht beantworten, sondern nur die Pensionsversicherungsanstalt. An der Adresse des Lohnzettels 2001 ist aber erkennbar, dass der Steuerpflichtige anscheinend früher in der Schweiz lebte. (Adresse lt. Lohnzettel 2001 : CH B). In den Lohnzettel ab 2002 wird bereits eine österreichische Adresse ( C) angeführt. Ich vermute daher, dass die Pensionsversicherungsanstalt weiterhin DBA-Lohnzettel (Art-8) fälschlicherweise übermittelte obwohl der Steuerpflichtige bereits in Österreich wohnhaft war. Warum die LZ-Korrektur erst am erfolgte und was der Auslöser dafür war, kann nur die PVA beantworten."

Die Referentin wandte sich mit folgender Mail an die PVA:

"Als Vertreterin des Unabhängigen Finanzsenates habe ich Berufungen des obenstehenden Steuerpflichtigen zu erledigen.

In diesem Zusammenhang bitte ich die PVA um Beantwortung der nachstehenden Frage: Laut Aktenlage hat die PVA dem Finanzamt Feldkirch am berichtigte Lohnzettel für die Jahre 2003 bis 2008 übermittelt. Sie enthielten nun die Indikation "Lohnzettelart 1". Die bisher von der PVA dem Finanzamt bekanntgegebenen Lohnzettel hatten die Indikation "Lohnzettelart 8" enthalten.

Von Wichtigkeit für die Entscheidung der Berufungen ist es, zu wissen, wodurch die PVA erkannte, dass eine Berichtigung vorgenommen werden müsse. War das Zufall oder gab es dafür einen Anstoß, eine Information von außen?"

Es langte nachstehende Antwort von Frau SW, PVA, ein:

"Auf Ihre Anfrage vom teile ich Ihnen mit, dass bei der Übermittlung von Lohnzetteldaten drei Arten von Lohnzettel unterschieden werden:

  • LZ-Art = 1: Lohnzettel § 84 (1) und (4) EStG 1988
    Lohnzettel für beschränkt oder unbeschränkt Steuerpflichtige.

  • LZ-Art = 8: Lohnzettel für beschränkt Steuerpflichtige, für die auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen keine Lohnsteuer einzubehalten ist.
    Lohnzettel für im Ausland Wohnhafte.

  • LZ-Art = 11: Lohnzettel für Pflegegeldbezug ohne Grundleistung.

Im vorliegenden Fall bezieht der im Betreff angeführte Pensionist seit eine Eigenpension von unserer Anstalt. In der Zeit vom bis lag der Wohnsitz des Pensionisten im Ausland (Schweiz), weshalb für diesen Zeitraum das Doppelbesteuerungsabkommen anzuwenden war (= Lohnzettelart 8).
Bei Durchführung der Übersiedlung vom Ausland ins Inland ab wurden von unserer Anstalt die Lohnsteuerdaten ab nicht korrigiert, wodurch die Lohnzetteldaten ab Übersiedlungszeitpunkt weiterhin mit der Lohnzettelart 8 anstatt mit der Lohnzettelart 1 ans Finanzamt übermittelt wurden.
Aufgrund einer im Juli 2010 durchgeführten Auswertung (Übersiedlung vom Ausland ins Inland - Kontrolle der Lohnsteuerdaten) wurde der vorliegende Fall zwecks Korrektur der Lohnsteuerdaten ab Übersiedlungszeitpunkt ausgeschieden. Durch diese vorgenommene Korrektur wurden daher an ihrer Stelle am für die Jahre 2003 bis 2009 berichtigte Lohnzettel mit der korrekten Lohnzettelart 1 übermittelt.

Die Referentin hielt weiters telefonisch Rücksprache mit XX, dem Sachbearbeiter im Finanzamt Feldkirch. Er erläuterte:

"Im Streitfall gab es eine inländische bezugauszahlende Stelle, die PVA. Im EDV-System befand sich der Lohnzettel der PVA. Nicht sichtbar für den Bearbeiter/Eingeber im Finanzamt ist die Lohnzettelart. Um Details wie die Lohnzettelart zu sehen, müsste man "in den Lohnzettel einsteigen", erst dann würde man die Indikation erkennen.

Im Rahmen der finanzamtlichen Direktbearbeitung erfolgt die Veranlagung erklärungsgemäß, wenn keine Bedenken an der Richtigkeit der Erklärungen bestehen. Eine Kontrollfunktion nimmt das EDV-System wahr (Nachbescheidkontrollen). Es soll eine Gleichstellung zwischen jenen Steuerpflichtigen, die ihre Erklärung schriftlich an das Finanzamt schicken und den online-Einbringern erreicht werden. Elektronische Eingabe bedeutet ja, dass der Steuerpflichtige oder sein Vertreter selbst die Daten eingibt, das Finanzamt gibt sie dann im Regelfall nur noch frei und der Bescheid ergeht.

Auch im Streitfall wurden die Erklärungen elektronisch eingereicht, dh, der steuerliche Vertreter hat die Eingaben gemacht, die die bescheidmäßige Verarbeitung nach sich zogen. Zuletzt kam 2002 eine schriftlich übermittelte Steuererklärung des Berufungswerbers. Wohl wurden Unterlagen, zB auf die Renten des Berufungswerbers bezogen, auch schriftlich an das Finanzamt übersandt.

Bei den online-Erklärungen war eingetragen "1" bei "Bezugs-, pensionsauszahlende Stellen im Jahr ...", "Anzahl". Auf den diesbezüglichen Lohnzettel der PVA hat das Verarbeitungssystem nach Freigabe automatisch zugegriffen. Die Lohnzettelart war für niemanden ersichtlich.

Warum es im August 2010 zur Übermittlung berichtigter Lohnzettel durch die PVA kam, kann ich nicht sagen. Mit Herrn YY in Wien kann das wohl nichts zu tun haben. Die Leute vom Produktmanagement unterstützen die Finanzämter bei Computerangelegenheiten, etwa, wenn es um Kennzahlen oder um Risikokriterien geht. Mit verfahrens- und materiellrechtlichen Hintergründen haben diese Leute nichts zu tun.

Es ist keineswegs ungewöhnlich, dass im Finanzamt berichtigte Lohnzettel einlangen, sei es seitens der GPLA, sei es seitens der Arbeitgeber. In diesen Fällen erhält der Sachbearbeiter des Finanzamtes eine Liste, die eine automatisierte Wiederaufnahme vorschlägt. Durch Freigabe ergeht in der Folge der Wiederaufnahmebescheid mit neuem Sachbescheid."

Über die Berufung wurde erwogen:

A) Chronologische Sachverhaltsdarstellung:

: Seitens des Finanzamtes wird ein Ergänzungsersuchen an den Berufungswerber gesandt. Dem Finanzamt seien geringfügige inländische Pensionseinkünfte bekannt. Es werde um eine Offenlegung und Deklarierung der ausländischen Pensionseinkünfte ersucht, die es zumindest ab 2002 geben müsse und die bis dato nicht erklärt worden seien.

: Einkommensteuererklärungen für 2002 bis 2008 werden online eingereicht.

: Es ergehen Einkommensteuererstbescheide für die Jahre 2003 bis 2008, die lediglich "Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" in Ansatz bringen.

: Einreichung der Steuererklärung für 2009 durch den steuerlichen Vertreter, gleichzeitig auch nochmalige Übermittlung aller Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2002 bis 2008.

: Es werden dem Finanzamt berichtigte Lohnzettel ("LZ-Art 1") seitens der PVA übermittelt.

: Auf Grundlage der berichtigten Lohnzettel ergehen Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO hinsichtlich Einkommensteuer sowie neue Sachbescheide für die Jahre 2003 bis 2008. Diese enthalten neben den "Einkünften ohne inländischen Steuerabzug" auch die Einkünfte laut Lohnzetteln der PVA.

B)Wiederaufnahme

B1) Begründung:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ua in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

§ 307 Abs. 1 BAO normiert, dass mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid unter gleichzeitiger Aufhebung des früheren Bescheides die das wiederaufgenommene Verfahren abschließende Sachentscheidung zu verbinden ist.

Die Wiederaufnahmegründe sind in der Begründung zum Wiederaufnahmebescheid ausdrücklich anzuführen. Dabei ist die zeitliche Abfolge des Bekanntwerdens der maßgeblichen Tatsachen und Beweismittel darzustellen. Sind mehrere Jahre betroffen, so besteht dieses Begründungserfordernis für jeden Bescheid gesondert. Dies ist nicht zuletzt deshalb notwendig, weil sich die Berufungsbehörde bei der Erledigung der gegen die Verfügung der Wiederaufnahme gerichteten Berufung auf keine neuen Wiederaufnahmegründe stützen kann. Sie hat lediglich zu beurteilen, ob die von der Abgabenbehörde I. Instanz angeführten Gründe eine Wiederaufnahme rechtfertigen. Bei jeder Wiederaufnahme des Verfahrens ist im Übrigen zu differenzieren zwischen dem Vorliegen der Wiederaufnahmegründe einerseits und - sofern solche Gründe als gegeben erachtet werden - der daran anschließenden Frage der Ermessensübung, liegt doch die Verfügung der Wiederaufnahme im behördlichen Ermessen.

Im Streitfall wurden die Wiederaufnahmebescheide damit begründet, "dass ein berichtigter oder neuer Lohnzettel übermittelt worden sei, aus dem sich eine geänderte Einkommensteuerfestsetzung ergebe". Zusätzlich wurde auf die Begründung der im wiederaufgenommenen Verfahren neu erlassenen Einkommensteuerbescheide verwiesen. Darin war nochmals zu lesen, dass ein berichtigter Lohnzettel der PVA beim Finanzamt eingelangt sei, der "eine Wiederaufnahme erforderlich mache". Das Ermessen wurde mit dem überwiegenden Interesse an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung begründet. Darüber hinaus wurde auf die nicht geringfügigen steuerlichen Auswirkungen hingewiesen.

Es kann daher nicht mit Erfolg behauptet werden, dass die Wiederaufnahmebescheide im Streitfall lediglich einen formelhaften und standardisierten Text enthalten. Ein derartiger Fall läge etwa vor, wenn ausschließlich der Gesetzestext zitiert worden wäre. Gegenständlich ist aber zweifelsfrei erkennbar, welche "Tatsachen und Beweismittel" neu hervorgekommen sind (berichtigter, neuer Lohnzettel, der von der PVA nach Ergehen der Erstbescheide übermittelt wurde). Es wird darauf verwiesen, dass dieser neue Lohnzettel zu geänderten Einkommensteuerfestsetzungen führen muss. Schon aus den Wiederaufnahmebescheiden heraus ist daher die behördliche Vorgangsweise nachvollziehbar. Hinzu kommt der Verweis auf die neuen Sachbescheide.

In diesem Zusammenhang ist auf die anerkannte, herrschenden Praxis hinzuweisen, wonach in der Begründung eines Wiederaufnahmebescheides auf die Ausführungen eines Betriebsprüfungsberichtes verwiesen werden kann. Dagegen bestehen keine Einwände, soweit aus dem entsprechenden Bericht die Begründung des Wiederaufnahmebescheides erkennbar ist (vgl. Unger in UFS-Journal 2012, Heft Nr. 2, "Möglichkeiten und Grenzen einer amtswegigen Wiederaufnahme"). Sogar ein bloßer Verweis kann demnach eine taugliche Begründung darstellen.

Noch weiter geht ein neues Erkenntnis des : Der Gerichtshof hält darin zu einem Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO fest, die Aufhebungsgründe könnten in Zusammenschau miteinander verbundener Bescheide, dh des Aufhebungsbescheides und des neuen Sachbescheides, ergründet werden. Wegen der engen rechtlichen Verknüpfung eines Aufhebungsbescheides mit dem zugleich erlassenen neuen Sachbescheid könne im Fehlen eines Verweises in der Begründung des Aufhebungsbescheides auf den neuen Sachbescheid kein inhaltlicher Mangel erblickt werden. Eine sinngemäße Anwendung dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung auf Wiederaufnahmebescheid und gleichzeitig zu erlassenden neuen Sachbescheid liegt auf der Hand.

Somit ist der Abgabenbehörde I. Instanz im Hinblick auf die in Streit stehenden Bescheide nicht schon a priori ein schwerwiegender Begründungsmangel unterlaufen, der die Abgabenbehörde II. Instanz einer weiteren Überprüfung entheben und zu einer sofortigen Stattgabe führen würde.

B2) Nova reperta - nova producta:

Im Weiteren ist die Rechtsfrage zu untersuchen, ob die angeführten Wiederaufnahmegründe den Wiederaufnahmetatbestand erfüllen. Nach der ständigen Rechtsprechung und herrschenden Lehre stellen nur solche Tatsachen Wiederaufnahmegründe dar, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bereits existent waren, jedoch - weil unbekannt - im Verfahren unberücksichtigt blieben und später (neu) hervorgekommen sind ("nova reperta", siehe oben). Demgegenüber kommen solche Tatsachen, die erst nach Bescheiderlassung entstanden sind ("nova producta") von vornherein nicht als Begründung einer Wiederaufnahme des Verfahrens in Betracht, da diese auch nicht in dem mit Bescheid abgeschlossenen Verfahren berücksichtigt hätten werden können (vgl. Unger a. a. O.).

Gemäß § 84 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 hat der Arbeitgeber bzw. die auszahlende Stelle dem Finanzamt ohne besondere Aufforderung die Lohnzettel zu übermitteln. Nach Z 2 leg. cit. hat ein Lohnzettel alle für die Erhebung von Abgaben maßgeblichen Daten zu enthalten. Nun ist gegenständlich nicht strittig, dass die Lohnzettel der PVA, die inländische Pensionseinkünfte ausweisen, bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide () beim Finanzamt elektronisch vorhanden waren. Es besteht aber auch kein Zweifel daran, dass diese Lohnzettel als solche der Art "L8" deklariert waren. In den Lohnsteuerrichtlinien 2002, Rz 1408, Lohnzettelarten, heißt es:

  • Lohnzettelart 1, Lohnzettel für beschränkt oder unbeschränkt Steuerpflichtige ("normaler" Lohnzettel);

  • Lohnzettelart 8, Lohnzettel für Steuerpflichtige, für die aufgrund DBA keine Lohnsteuer einzubehalten ist (bei Anwendung der Befreiungsmethode; zB Lohnzettel für im Ausland Ansässige).

Es ist dem steuerlichen Vertreter Recht zu geben und wird dies auch von Seiten des Finanzamtes nicht bestritten, dass er alle erforderlichen Unterlagen schon vor Erlassung der Erstbescheide eingereicht hat. Wie dargestellt entspricht es aber der gängigen Praxis der Finanzämter in Österreich, dass Veranlagungen im Regelfall erklärungsgemäß ohne weitere Kontrolle von Unterlagen durchgeführt werden. Der "im Hintergrund wartende", von der bezugauszahlenden Stelle (hier: PVA) automatisiert überspielte Lohnzettel wird dabei keiner Prüfung unterzogen, er ist für das freigebende Finanzamtsorgan nicht einmal sichtbar. Eine Einsichtnahme in den Lohnzettel ist grundsätzlich nicht vorgesehen (siehe Ermittlungen durch die Referentin). Daher war im Streitfall die bei Erstbescheiderlassung vorgegebene, unzutreffende Indikation "8" dem freigebenden Amtsorgan ebensowenig bekannt wie dem steuerlichen Vertreter, aufgrund dessen online-Eingabe es nach Freigabe im Finanzamt zum Zugriff auf den Lohnzettel mit der Indikation "8" und entsprechender Bescheiderlassung kam.

Wie die Ermittlungen der Referentin ergeben haben, sind die schließlich im August 2010 dem Finanzamt von der PVA bekanntgegebenen, berichtigten Lohnzettel nicht auf eine Initiative amtlicherseits zurückzuführen. Weder besteht ein Anlass an den glaubwürdigen und widerspruchsfreien Auskünften des Vertreters XX des Finanzamtes Feldkirch, noch an der prompten und schlüssigen Rückmeldung des Produktmanagementmitarbeiters YY zu zweifeln. Auch die bereits im Akt aufliegende und oben zitierte Mail von YY an XX sagt keineswegs aus, dass die Lohnzettelberichtigung von ihm oder dem Amt in die Wege geleitet wurde. Bestätigt wird dies durch die Nachricht der PVA-Mitarbeiterin SW, aus der sich ablesen lässt, dass die PVA die Übersiedlung des Berufungswerbers im Jahr 2002 vom Aus- ins Inland vorerst nicht berücksichtigte. Erst durch eine im Juli 2010 stattgefundenen Datenauswertung wurde die Übermittlung berichtigter Lohnzettel im August 2010 ausgelöst.

Der neue Erkenntnisstand der PVA hat seine Wurzel also in einer internen Datenauswertung vom Juli 2010. Insofern findet auch die Annahme des steuerlichen Vertreters, wonach seine an das Finanzamt gerichtete Post vom 9. August 2010 die Übersendung der berichtigten Lohnzettel vom nach sich gezogen habe, keine Stütze mehr, war doch der PVA seit Juli 2010 bekannt, dass ihr ein Fehler bei der Indikation der Lohnzettelart unterlaufen war.

Die Bescheidgrundlagen waren daher zwar schon im Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide vorhanden und wurde dies auch nie seitens der Abgabenbehörde I. Instanz bestritten, aufgrund der - wie sich später herausstellte -nicht zutreffenden (und nicht wahrnehmbaren, siehe obenstehende Ausführungen) Indikation "8" unterblieb aber im Zuge der automatisierten Verarbeitung eine steuerliche Erfassung. Wäre schon von Anfang an die Indikation "1" aufgeschienen, die aber erst im August 2010 neu hervorkam, so wären anderslautende Erstbescheide erlassen worden. Es handelt sich somit um "nova reperta". Nicht Recht zu geben ist in diesem Punkt dem steuerlichen Vertreter, der die berichtigten Lohnzettel in ihrer Gesamtheit als erst nach Erlassung der Erstbescheide entstandene - nicht zur Wiederaufnahme berechtigende - nova producta wertete. Sämtliche Lohnzetteldaten blieben die selben wie die schon im Zeitpunkt der Erstbescheiderlassung vorliegenden, jedoch machte erst die neu hervorgekommene Indikation "1" die Pensionseinkünfte zu solchen, die im Inland steuerpflichtig sind. Die inländische Steuerpflicht der in Streit stehenden Einkünfte war schon im Zeitpunkt der Erlassung der Erstbescheide gegeben, dies kam aber erst später hervor.

In welchen Fällen die Abgabenbehörde zur Erfüllung ihrer Aufgabe, die Abgabenerklärungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, von Amts wegen Ermittlungen durchzuführen hat, lässt sich nach der Judikatur des VwGH den §§ 138 und 161 BAO entnehmen. Es sind dies jene Fälle, in denen Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärungen zu Zweifeln Anlass geben. Standen der Abgabenbehörde alle Erkenntnismittel zur Verfügung, die die Grundlage für ihren Bescheid bildeten, hat die Partei die wesentlichen Unterlagen vorgelegt oder zur Einsicht angeboten, ist sie somit ihrer Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vollständig nachgekommen und sprechen die näheren Umstände für die berechtigte Annahme, dass die Behörde über alle entscheidungserheblichen Informationen verfügt, dann kann sie auf weitere Erhebungen verzichten. Es entspricht dann der freien Beweiswürdigung, dass weitere Beweise nicht mehr aufgenommen werden. Angaben eines Abgabepflichtigen, gegen deren Richtigkeit keine begründeten Zweifel bestehen, kann die Abgabenbehörde ohne weitere Überprüfung ihrer Entscheidung zugrundelegen. Sie verstößt damit nicht gegen den Grundsatz der amtswegigen Ermittlungspflicht, weil bereits das Entgegennehmen unbedenklicher Mitteilungen des Abgabepflichtigen in Erfüllung der amtswegigen Ermittlungspflicht geschieht (vgl. Gunacker-Slawitsch: Auskunftspflicht als Grundlage für die "Nachbescheidkontrolle", RdW Heft 11/2011, 699).

Von der Kenntnis einer Tatsache kann nach herrschender Lehre erst dann gesprochen werden, wenn der Abgabenbehörde die Tatsache in ihrem für die abgabenrechtliche Beurteilung wesentlichen Umfang bekannt ist. Ob der Behörde im Streitfall allenfalls eine Unstimmigkeit hätte auffallen können, mag dahingestellt bleiben, zumal der Neuerungstatbestand bei amtswegigen Wiederaufnahmen verschuldensneutral ist (ein behördliches Verschulden ist nach der Judikatur des VwGH gegebenenfalls bei der Ermessensübung zu berücksichtigen, siehe Ritz, BAO4, § 303, Tz 53). Die erklärungsgemäße Veranlagung ohne weitere Erhebung des Sachverhalts steht der amtswegigen Wiederaufnahme nicht entgegen (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 303, E 164a, E 177, E 180).

Zusammenfassend ist festzustellen: Der Berufungswerber ist durch seinen steuerlichen Vertreter seiner Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht vollständig nachgekommen. Die Abgabenbehörde I. Instanz hatte keinen Zweifel an der Richtigkeit der online eingebrachten Erklärungen. Sie musste daher keine weiteren Ermittlungen durchführen. Dass der im System gespeicherte, von der PVA überspielte Lohnzettel die Indikation "L8" ("aufgrund DBA keine Lohnsteuer einzubehalten") enthielt - was zu einer Nichterfassung der Bezüge laut Lohnzettel im Inland führen musste - war für die Abgabenbehörde nicht erkennbar.

Das Hervorkommen der Indikation "L1" in den berichtigten Lohnzetteln der PVA vom verwirklicht daher einen Wiederaufnahmetatbestand. Das Finanzamt durfte die Wiederaufnahmen aus den von ihm in den Wiederaufnahmebescheiden und - durch Verweis - in den neuen Sachbescheiden genannten Gründen vornehmen. Keinesfalls kann darin eine Sanierung einer vorerst unrichtigen rechtlichen Würdigung erblickt werden. Die auf einen Fehler der PVA zurückzuführenden Indikation "L8" war dem Finanzamt ebenso unbekannt wie dem steuerlichen Vertreter, der die online-Erklärungen einbrachte.

C) Ermessen:

Soweit die Begründung des Ermessens als unzureichend in Kritik gezogen wurde, ist auszuführen: Das Fehlen der Begründung bei der Ermessensübung im Zuge einer amtswegigen Wiederaufnahme bewirkt einen Verfahrensmangel, der nur bei Wesentlichkeit eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach sich zieht. Gegenständlich vermag die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates keinen solchen Verfahrensmangel zu erblicken, wurde doch in den Begründungen der Wiederaufnahmebescheide auf den Vorrang der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung hingewiesen. Überdies unterstreichen die neuen Sachbescheide die nicht geringfügigen Auswirkungen (Anm.: Nach Berechnung des Unabhängigen Finanzsenates ergibt sich nach Wiederaufnahme über die Jahre 2003 bis 2008 ein Mehr an Einkommensteuer von 5.380,82 €).

Selbst wenn man die Begründung für die Ermessensentscheidung bei sehr strenger Auslegung als zu ungenau interpretieren wollte, läge jedenfalls kein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der ohne weiteres eine Aufhebung der Bescheide rechtfertigen würde. Nicht zuletzt der Hinweis auf die ins Auge springenden steuerlichen Auswirkungen überzeugt.

Wenn der Berufungswerber durch seinen steuerlichen Vertreter hinsichtlich der Ermessensentscheidung anmerkt, hier sei zu berücksichtigen, dass die Behörde "maßgeblich an der unrichtigen Bescheiderlassung beteiligt" gewesen sei und damit wohl ein ermessensübungsrelevantes Behördenverschulden aufzeigen will, ist ihm zu entgegnen: Die unrichtige Indikation in den von der PVA übermittelten Lohnzetteln fällt - wie auch das von der Referentin des Unabhängigen Finanzsenates durchgeführte Ermittlungsverfahren dargetan hat -nicht in die Verschuldenssphäre des Finanzamtes. Eine Unbilligkeit der Ermessensentscheidung zu Lasten des Berufungswerbers kann insofern verneint werden. Der für eine Ermessensentscheidung erforderlichen "Zweckmäßigkeit", das ist das öffentliche Interesse an der Einbringung von Abgaben, wird mit den angefochtenen Bescheiden entsprochen.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 307 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 84 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Zitiert/besprochen in
ARD 6299/12/2013
Fellner in BFGjournal 2015, 152

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at