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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 19.11.2008, RV/2878-W/08

Rückforderung von Familienbeihilfe, wenn im Anschluss an ein abgeschlossenes Studium ein zweites begonnen wird und die Einkommensgrenze des § 5 FLAG überschritten wird.

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zl.-B 18/09 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/16/0066 (2009/13/0048) eingebracht. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
Auch wenn ein Kind in einem Kalenderjahr ein Studium abgeschlossen hat und ein zweites, "neues" beginnt, befindet es sich in Berufsausbildung i.S des § 2 Ans.1 lit.b FLAG, sodass bei Überschreiten der Einkommensgrenze des § 5 Abs. 1 FLAG innerhalb dieses Kalenderjahres, die bereits ausbezahlte Familienbeihilfe zurückzuzahlen ist.
§ 9 Zustellgesetz i.d. Fassung BGBL I 2004/10 wurde durch das Verwaltungsverfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz ab insoweit geändert, als ein Zustellbevollmächtigter nicht ausdrücklich bestellt werden muss.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., 1160 Wien, S.gasse, vertreten durch Dr. S., 1010 Wien, xx, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen ab bis September 2007 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Bw. bezog für ihren Sohn B. geb. am xxx, Familienbeihilfe. Er studierte an der Fachhochschule "Technikum Wien" Informatik. Mit Schriftsatz vom teilte die Bw. dem Finanzamt mit, dass ihr Sohn den ersten Studienabschnitt erfolgreich abgeschlossen habe, und seit Juli 2007 teilzeitbeschäftigt sei. Da er die Freigrenze voraussichtlich überschreiten werde, ersuche sie, die Auszahlung der Familienbeihilfe einzustellen. In der Folge legte sie zum Nachweis die "Bachelor-Urkunde" vor.

Über Aufforderung des Finanzamtes wurden im November 2007 folgende Unterlagen vorgelegt: Die Studienbestätigung für das 1. Semester an der Fachhochschule "Technikum Wien" für das Wintersemester 2007 (Beginn ) für das Masterstudium "Informationsmanagement und Computersicherheit", der Dienstvertrag zwischen B. und der F. GmbH, wonach das Dienstverhältnis am begonnen hat, B. für 25 Stunden beschäftigt ist und einen Bruttolohn von € 1.100.- erhält.

Lt. Arbeitnehmerveranlagung vom bezog B. im Jahr 2007 ein zu versteuerndes Einkommen von insgesamt € 10.613,46. Diese setzte sich zusammen aus Einkünften von xxxx von bis i. H. von 623,20, von der F. GmbH von 2.7.bis i. H. von € 5.402 und der F. GmbH von 12.3.bis i. H. von € 4.588,26.

Mit Bescheid vom wurden die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für die Monate Jänner bis September i. H. von insgesamt € 1.832,40 zurückgefordert. Zur Begründung wurde auf § 5 Abs. 1 FLAG verwiesen, wonach kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, in einem Kalenderjahr ein zu versteuerndes Einkommen beziehe, das den Betrag von € 8.725.- übersteige. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom fristgerecht berufen und als Begründung folgendes ausgeführt:

Die Bw. habe mit Schreiben vom den Abschluss des Studiums ihres Sohnes mit bekanntgegeben und um Einstellung der Familienbeihilfe ersucht. Weiters habe sie in der Folge eine Studienbestätigung für das Wintersemester 2007/2008 vorgelegt, die aber, wie sich schon aus der Studienrichtung, dem Studiensemester und Personenkennzeichen ergebe, tatsächlich ein völlig neues Studium bedeute. In rechtlicher Hinsicht sei daher von einem Abschluss der Ausbildung im Sommersemester 2007 auszugehen. Ab Juli 2007 bestehe daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr. Die Bw. verwies auf die §§ 5 Abs. 1 lit. a und 2 Abs. 1 lit. d FLAG, sodass nur das zu versteuernde Einkommen ab Oktober 2007 heranzuziehen sei, das weit unter € 8.725 liege.

Ergänzend gab die Bw. mit Schriftsatz vom an, dass sich an der Haupttätigkeit des Sohnes nichts geändert habe: er betreibe vorrangig sein zweites Studium und sei daneben immer noch bei der F. GmbH teilzeitbeschäftigt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit.b haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. ... Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

Lit. d gilt für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluss der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten.

Zu den in § 3 des Studienförderungsgesetztes aufgezählten Einrichtungen gehören auch die Fachhochschul-Studiengänge.

§ 2 FLAG Abs. 1 lit. b enthält also keine Sonderregelung für Doppel- bzw. Zweitstudien. Auch die Bestimmungen über Studienwechsel kommen nicht zur Anwendung. Daraus folgt einerseits, dass es auch noch nach Abschluss der Berufsausbildung möglich ist, für ein weiteres Studium Familienbeihilfe zu beziehen, andererseits aber auch, dass für dieses weitere Studium die Anspruchsvoraussetzungen so zu prüfen sind, als wäre kein Erststudium absolviert worden. So hält der VwGH im Erkenntnis vom , 2000/15/0035 folgendes fest: "Wird eine Ausbildung abgeschlossen, ist es möglich für eine weitere im Rahmen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen Familienbeihilfe zu beziehen." Dies wäre lt. VwGH vom 17.1.189, Zl. 86/14/0025 nur dann nicht der Fall, wenn das Zweitstudium mit dem abgeschlossenen Erststudium derart qualifiziert verflochten wäre, dass nicht von "Ausbildung" sondern von "Fortbildung" gesprochen werden müsse. Dafür bietet allerdings der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt: das am abgeschlossene Studium wurde im Fach "Informatik/Computer science" absolviert, während mit September 2007 der Master-Studiengang "Informationsmanagement und Computersicherheit" belegt wurde. Auch betont die Bw. selbst, dass B. mit die Ausbildung in der Studienrichtung "Informatik" beendet habe und es sich bei dem Masterstudiengang um ein "völlig neues Studium" handle. Er habe jeweils "vorrangig" studiert und sei "daneben" teilzeitbeschäftigt gewesen (vgl. das Schreiben vom ).

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass sich der Sohn sowohl von Jänner bis August 2007 (Beginn des Wintersemesters mit ) als auch von September bis Dezember 2007 in Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit.b FLAG befand.

Dieser grundsätzliche Familienbeihilfenanspruch wird allerdings durch den Ausschließungsgrund des § 5 Abs. 1 FLAG beseitigt. Demnach besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für das Kalenderjahr, in dem das Kind ein zu versteuerndes Einkommen von über € 8.725.- bezogen hat. Gemäß lit. a leg.cit. bleibt allerdings bei Ermittlung dieser Einkommensgrenze das zu versteuernde Einkommen außer Betracht, dass vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht. D.h., dass ein zu versteuerndes Einkommen, das in Zeiträumen erzielt wird, für die kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, in diese Berechnung nicht miteinzubeziehen ist. Das gleiche gilt gemäß dieser Bestimmung auch für Einkünfte, die bis zu drei Monaten nach Abschluss einer Berufsausbildung bezogen werden.

Da sich der Sohn allerdings nach dem oben Gesagten während des gesamten Jahres 2007 in Berufsausbildung befand und Beobachtungszeitraum für den Ausschließungstatbestand des § 5 FLAG das Kalenderjahr ist, war zu überprüfen, ob der Gesamtbetrag des von ihm im Jahr 2007 bezogenen, zu versteuernden Einkommens den gesetzlich fixierten Betrag von € 8.725.- überstieg. Wurden die Einkünfte im Veranlagungsweg ermittelt und ist dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen, so sind die auf diesem Weg ermittelten Einkünfte zu Grunde zulegen (siehe den rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid vom , in dem das Einkommen auf Grund der dem Finanzamt bekannten Lohnzettel mit € 10. 421,46 ermittelt wurde). Da es keine Einkünfte gab, die in einem Zeitraum bezogen worden wären, in dem kein grundsätzlicher Anspruch auf Familienbeihilfe bestand, war somit dieser bescheidmäßig ermittelte Gesamtbetrag der Einkommensgrenze von € 8.725.- des § 5 Abs. 1 FLAG gegenüberzustellen. Da diese unzweifelhaft überschritten wurde, stand somit für das gesamte Kalenderjahr 2007 keine Familienbeihilfe zu.

Die Rückforderung der zunächst für die Monate Jänner bis September ausbezahlten Familienbeihilfe sowie der mit dieser gemeinsam ausbezahlten Kinderabsetzbeträge erfolgte daher zu Recht.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG zu verweisen, wonach zu Unrecht bezogenen Beträge zurückzuzahlen sind. Dabei handelt es sich um eine objektive Rückerstattungspflicht ohne Rücksicht darauf ob die Beträge gutgläubig empfangen worden sind oder nicht und ob die Rückgabe eine Härte bedeutet (vgl. Zl. 90/13/0241). Die Rückerstattungspflicht besteht selbst dann, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich auf einer Fehlleistung der Behörde beruht (UFS, RV/1030-W/08). Umso weniger kann es daher, wie von der Bw. in der Berufung ausgeführt, als "unbillig" erachtet werden, wenn die Familienbeihilfe für das gesamte Kalenderjahr zurückgefordert wird, obwohl der Wegfall der Voraussetzungen angeblich "rechtzeitig" bekanntgegeben worden sei. Abgesehen davon, dass die Benachrichtigung des Finanzamtes im Hinblick auf die Aufnahme der Beschäftigung am erst eineinhalb Monate später erfolgte, nämlich am , handelt es sich dabei ebenso um eine subjektive Komponente, wie bei der Frage, ob die Bw. im Zeitpunkt der Bekanntgabe gewusst habe, dass die Familienbeihilfe für das gesamte Kalenderjahr zurückgefordert werde.

Ergänzend wird hinsichtlich der von der Bw. im Vorlageantrag aufgeworfenen Frage, ob die Berufungsvorentscheidung zulässigerweise an sie selbst statt an den steuerlichen Vertreter zugestellt wurde, folgendes ausgeführt: Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG in der ab dem BGBl I 2004/10 geltenden Fassung konnten Parteien andere Personen gegenüber der Behörde "ausdrücklich" zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen. Durch das Verwaltungsverfahrens-und Zustellrechtsänderungsgesetz vom ist das Erfordernis, eine Zustellvollmacht "ausdrücklich" zu erteilen, entfallen. Der steuerliche Vertreter der Bw., ein Rechtsanwalt, beruft sich in der Berufung vom auf die ihm gemäß § 8 Abs. 1 RAO erteilte Vollmacht. Eine solche unbeschränkte Bevollmächtigung schließt grundsätzlich die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken ein (vgl. Ritz, Kommentar zur BAO, 3. Aufl., Tz. 20 zu § 9 ZustG, wobei die an dieser Stelle als obsolet bezeichnete Judikatur des VwGH nunmehr durch die Herstellung der Rechtslage wie vor BGBl I 2004/10 wiederum zu berücksichtigen ist). Die Bw. ist daher insofern im Recht, als die Berufungsvorentscheidung an ihren steuerlichen Vertreter hätte zugestellt werden müssen. Gem. § 9 Abs. 3 ZustG in der geltenden Fassung allerdings gilt die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten als in jenem Zeitpunkt bewirkt, in dem diesem das Dokument tatsächlich zugekommen ist, wenn die Behörde nicht den Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger bezeichnet hat. Der Unabhängige Finanzsenat erachtet den Zustellmangel gemäß dieser gesetzlichen Bestimmung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles dadurch geheilt, dass der Zustellungsbevollmächtigte zugleich auch der Ehegatte der Bw. ist und an der gleichen Adresse wohnt. Die Zustellung erfolgte am durch Hinterlegung. Da der Vorlageantrag von der Bw. "vertreten durch xxxx" bereits am durch persönliche Überreichung beim Finanzamt gestellt wurde, ist auf Grund der familiären Verhältnisse davon auszugehen, dass der Zustellungsbevollmächtigte, zugleich steuerlicher Vertreter und Ehegatte der Bw., zumindest am gleichen Tag in den Besitz des Schriftstückes gelangt ist (nur dann handelt es sich um ein "tatsächliches Zukommen) wie die Bw., also zwischen dem 27.8.und .

Gemäß § 9 Abs. 1 ZustG in der ab dem geltenden Fassung erfolgt die Zustellung der Berufungsentscheidung "zu Handen" des steuerlichen Vertreters.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
VwGH, 86/14/0025
VwGH, 2000/15/0035

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
IAAAD-15845