Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 21.06.2012, RV/1179-W/12

Aufhebung eines Bescheides über den Mehrkindzuschlag

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Lilienfeld St. Pölten vom betreffend Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO betreffend Bescheid über den Mehrkindzuschlag für das Jahr 2011 auf Grund der Verhältnisse des Jahres 2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Bw. stellte beim Finanzamt im Jänner 2011 einen Antrag auf den Mehrkindzuschlag auf Grund der Verhältnisse des Jahres 2010.

Dem Antrag wurde mit Bescheid über den Mehrkindzuschlag vom auf Grund der Verhältnisse des Jahres 2010 stattgegeben. Hingewiesen wird im Bescheid, dass der Mehrkindzuschlag auf Grund der Verhältnisse des Jahres 2010 20,00 € pro Monat für das dritte und jedes weitere Kind betrage. Sollte sich nachträglich herausstellen, dass das tatsächliche Familieneinkommen den für den Mehrkindzuschlag maßgebenden Grenzbetrag übersteige, werde das Finanzamt den zu Unrecht gutgeschriebenen Mehrkindzuschlag zurückfordern.

Mit Aufhebungsbescheid gemäß § 299 Bundesabgabenordnung (BAO) vom , zugestellt am , wurde der Bescheid vom betreffend den Bescheid über den Mehrkindzuschlag auf Grund der Verhältnisse des Jahres 2010 aufgehoben. Begründend wird ausgeführt, gemäß § 299 Abs. 1 BAO könne die Abgabenbehörde einen Bescheid aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweise. Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung habe, sei die Aufhebung des im Spruch bezeichneten Bescheides von Amts wegen zu verfügen.

Da das (Familien)Einkommen den für den Mehrkindzuschlag maßgeblichen Grenzwert (Zwölffache der Höchstbeitragsgrundlage zu Sozialversicherung gemäß § 45 ASVG) übersteige (= € 55.000,--), bestehe kein Anspruch auf den Mehrkindzuschlag.

Mit Schriftsatz vom wurde gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO Berufung mit der Begründung eingebracht, das Familieneinkommen habe im Steuerjahr 2010 netto "bei" € 53.000,-- ohne Familienbeihilfe betragen, und sei auch die Anzahl der Kinder nicht berücksichtigt worden. Als Familieneinkommen sei das tatsächliche Einkommen (netto) anzusehen. Auch aus dem Formular des Finanzamtes gehe das nicht hervor. Daher sei die Aufhebung als gegenstandslos anzusehen. Die Bw. werde auch 2011 den Mehrkindzuschlag beanspruchen, der auch gesetzlich zustehe. Die Bw. vermisse in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung die Angabe, ob es sich um netto oder brutto handle.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung die gegen den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO gerichtete Berufung ab. Begründend wurde u.a. ausgeführt, der Mehrkindzuschlag stehe nur zu, wenn das zu versteuernde Vorjahreseinkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des anspruchsberechtigten Elternteiles und seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten oder Lebensgefährten € 55.000,-- nicht übersteige.

Das zu versteuernde Einkommen 2010 habe diesen Betrag überschritten, die Aufhebung des Bescheides (und Rückforderung) des Mehrkindzuschlages erfolge daher zu Recht. Da der Steuertarif auf das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) anzuwenden sei, hätte auch die Anwendung eines anderen Steuersatzes keine Auswirkung auf den Mehrkindzuschlag.

Im gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung eingebrachten Vorlageantrag wird darauf verwiesen, dass bei der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung nicht ersichtlich sei, welches Einkommen herangezogen werde. Da für unselbständig Erwerbstätige nur das Nettoeinkommen zähle, sei dieses heranzuziehen und das Familieneinkommen im gegenständlichen Fall knapp unter dem Grenzbetrag.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren, ob die Aufhebung des Bescheides über den Mehrkindzuschlag für das Jahr 2011 auf Grund der Verhältnisse des Jahres 2010 gemäß § 299 BAO zu Recht erfolgte.

Der Aufhebungsbescheid des Finanzamtes vom wurde wie folgt begründet:
"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabebehörde einen Bescheid aufheben, wenn der Spruch des Bescheides als sich nicht richtig erweist. Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung hat, war die Aufhebung des im Spruch bezeichneten Bescheides von Amts wegen zu verfügen.
Da Ihr (Familien)Einkommen den für den Mehrkindzuschlag maßgeblichen Grenzwert (Zwölffache der Höchstbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung gemäß § 45 ASVG) übersteigt (= € 55.000,--), besteht kein Anspruch auf den Mehrkindzuschlag."

Im Kalenderjahr 2010 erzielte die Bw. laut Einkommensteuerbescheid vom ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) von 9.245,24 €; ihr Gatte erzielte in diesem Jahr laut Einkommensteuerbescheid vom ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) von 52.709,96; das zu versteuernde Einkommen der Bw. und ihres Gatten betrug daher in diesem Jahr zusammen 61.955,20 €.

Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Nach Abs. 2 leg. cit. ist mit dem aufhebenden Bescheid der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist. Gemäß § 299 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.

Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht (vgl. ; Ritz, BAO4, Tz 13 zu § 299). § 299 gestattet Aufhebungen nur, wenn der Bescheid sich als nicht richtig erweist. Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht (vgl. Ritz, BAO4, § 299 Tz 9f). Weiters gilt § 299 Abs. 1 BAO auch für "dynamische", also erst später erweisliche Unrichtigkeiten (vgl. abermals Ritz, BAO4, Tz 10 zu § 299).

Die Aufhebung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde; dies unabhängig davon, ob sie von Amts wegen oder auf Antrag erfolgt oder ob sich die Maßnahme zu Gunsten oder zu Ungunsten des Abgabepflichtigen auswirkt.

Bei der Erledigung einer gegen eine amtswegige Bescheidaufhebung gerichtete Berufung hat die Berufungsbehörde wie bei der amtswegigen Wiederaufnahme lediglich zu beurteilen, ob die vom Finanzamt angeführten Gründe eine Bescheidaufhebung rechtfertigen.

Ein Mehrkindzuschlag steht nach § 9 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 für jedes dritte und weitere im Bundesgebiet lebende Kind zu für das Familienbeihilfe gewährt wird und beträgt im berufungsgegenständlichen Jahr 2011 monatlich für das dritte und jedes weitere Kind 20 €.

§ 9a Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl. I Nr. 90/2007 lautet - auszugsweise zitiert - wie folgt:
"(1) Der Anspruch auf Mehrkindzuschlag ist abhängig vom Anspruch auf Familienbeihilfe und vom Einkommen des Kalenderjahres, das vor dem Kalenderjahr liegt, für das der Antrag auf Gewährung des Mehrkindzuschlages gestellt wird. Der Mehrkindzuschlag steht nur zu, wenn das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) des anspruchsberechtigten Elternteils und seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten oder Lebensgefährten 55 000 € nicht übersteigt. ..."

Einkommensgrenze
Die Regelungen hinsichtlich der Einkommensgrenze beziehen sich auf das "Familieneinkommen", welches in dem Jahr, das vor dem Jahr, für welches der Mehrkindzuschlag beantragt wird, erzielt wurde und den Betrag von 55.000 € nicht übersteigen durfte. Für den Mehrkindzuschlag des Jahres 2011 ist daher das Einkommen des Jahres 2010 ausschlaggebend.

Unter "Familieneinkommen" ist jenes nach § 33 Abs. 1 EStG 1988 zu versteuernde Einkommen zu verstehen, das von der anspruchsberechtigten Person und deren Ehepartner oder Lebensgefährten erzielt wurde (vgl. Kuprian in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 9 Rz 4 u. 5).

Das Berufungsvorbringen, wonach sich das Familieneinkommen auf einen Betrag netto "bei" € 53.000,00 belaufe und die Einkommensgrenze nicht überschreite, steht im Widerspruch zu den in den für die Bw. und ihren Ehegatten vorliegenden Einkommensteuerbescheiden 2010 festgestellten zu versteuernden Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988). Es kann dahingestellt bleiben, auf welchen Nettobetrag sich die Bw. dabei bezieht, denn laut unzweifelhafter gesetzlicher Anordnung ist gemäß § 9a Abs. 1 FLAG 1967 zur Beurteilung des Anspruches auf Mehrkindzuschlag das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) heranzuziehen.

Wie oben in der Sachverhaltsdarstellung ausgeführt, betrug das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Bw. und ihres Gatten im Kalenderjahr 2010 61.955,20 € und überstieg somit die für dieses Jahr geltende Höchstgrenze für den Mehrkindzuschlag von 55.000,00 €. Da somit die Einkommensgrenze überschritten wurde, steht der Mehrkindzuschlag im gegenständlichen Streitjahr nicht zu.

Da die vom Finanzamt herangezogenen und angeführten Gründe somit die Bescheidaufhebung rechtfertigen, erfolgte die durchgeführte Bescheidaufhebung zu Recht.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at