Behaltefrist bei der Investitionszuwachsprämie
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Adr., vertreten durch Gangl & Baischer WTH u. Stb GmbH, 5142 Eggelsberg, Marktplatz 2, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ABD, vertreten durch P, vom betreffend Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 für das Jahr 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
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Entscheidungsgründe
Von der Bw. wurde mittels Formular E 108 e am neben anderen, unstrittigen Wirtschaftsgütern, für folgende strittige Wirtschaftsgüter die Investitionszuwachsprämie geltend gemacht: (Beträge in €)
Für diese Wirtschaftsgüter wurden Mietverträge mit Kaufoption abgeschlossen. Steuerrechtlich wurde im Verfahren RV/0204-L/07 festgestellt, dass Teilamortisationsverträge vorliegen, die Wirtschaftsgüter bei der Bw. Anlagevermögen darstellen. Die Wirtschaftsgüter wurden regelmäßig nach 42 Monaten an die Mieter veräußert, die Nutzungsdauer wurde in obigen Verfahren mit mindestens 8 Jahren festgestellt.
Mit Bescheid vom erfolgte ein Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Festsetzung der Investitionszuwachsprämie 2004 und wurde die Investitionszuwachsprämie mit 10.490,96 € festgesetzt. Dies führte zu einer Nachzahlung von 35.947,00 €. Berufungsentscheidung vom wurde der gegenständliche Bescheid aufgehoben, da eine Wiederaufnahme mangels vorheriger bescheidmäßiger Festsetzung der Investitionszuwachsprämie nicht zulässig war.
Mit Bescheid vom erging ein Bescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie 2004 und wurde die Investitionszuwachsprämie wiederum mit 10.490,96 € festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dass die strittigen Wirtschaftsgüter innerhalb der Behaltefrist (50 % der Nutzungsdauer) weiterveräußert worden seien und diese Veräußerung ab Mietbeginn geplant gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom Berufung erhoben und ausgeführt:
Die Bw. beschäftige sich ua. mit der Vermietung von Landmaschinen, insbesondere von Heukränen und Heubaggern mit Zubehör. Für die im Jahr 2004 angeschafften und in weiterer Folge weitervermieteten Landmaschinen wurde daher die Investitionszuwachsprämie in Übereinstimmung mit den Regelungen des § 108e EStG 1988 (Bemessungsgrundlage 359.467,30 €) geltend gemacht. Die daraus resultierende Investitionszuwachsprämie wurde von Seiten der Finanzverwaltung anerkannt und am in Höhe von 35.947,00 € dem Abgabenkonto der Gesellschaft gutgeschrieben. Ein Abgabenbescheid über die Festsetzung der Investitionszuwachsprämie 2004 ist dabei nicht ergangen. Wie bereits angeführt, sei die Investitionszuwachsprämie 2004 damals in Übereinstimmung mit § 108e beantragt, dessen Abs. 1 wie folgt lautete:
Für den Investitionszuwachs von prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern könne eine Investitionszuwachsprämie von 10 % geltend gemacht werden. Voraussetzung sei, dass die Verwendung für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt würden. Da es sich bei den in Frage stehenden Wirtschaftsgütern zweifelsohne um prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter (nämlich ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter) handle, sei es als entscheidendes Kriterium nur noch zu prüfen, ob es dabei um Güter des abnutzbaren Anlagevermögens, deren Anschaffungs- bzw. Herstellkosten im Wege der Absetzung für Abnutzung abgesetzt würden, gegangen sei. Nachdem auch bei vermieteten verleasten Wirtschaftsgütern die Zuordnung zum Anlagevermögen nach der Allgemeinen Literaturmeinung unbestritten sei und diese Wirtschaftsgüter durchschnittlich für einen Zeitraum von mindestens 42 Monaten zur Nutzung gegen Entgelt überlassen worden seien, sei jedenfalls die Anspruchsvoraussetzung des § 108e EStG erfüllt. Von einer Mindestbehaltefrist sei zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls nicht die Rede gewesen und offensichtlich auch vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Die Einkommensteuerrichtlinien in der Fassung AÖF 2003/68 würden dazu ebenfalls keine weitere Präzisierung geben:
Rz 8217 EStR: Aussetzung sei, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung prämienbegünstigter Wirtschaftsgüter (Rz 8218) im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8 EStG 1988) abzusetzen waren. Mit der Absetzung für Abnutzung muss noch nicht im Jahr der Geltendmachung der Prämie begonnen werden.
Das Verneinen einer Mindestbehaltefrist spiegle auch die Aussage des damaligen Bundesministers für Finanzen vom wieder, der zu Punkt 5 der parlamentarischen Anfrage des Abgeordneten Öllinger vom laut Beilage wie folgt Stellung nehme:
Zu 5): Im Gesetzestext sei keine Behaltefrist vorgesehen. Allerdings könne die Inanspruchnahme einer Investitionszuwachsprämie immer nur einmal und für ein und dasselbe Wirtschaftsgut erfolgen. Wirtschaftsgüter, die zum Zweck der Weiterveräußerung kurz nach der Anschaffung erworben würden, würden kein Anlagevermögen, sondern ein Umlaufvermögen darstellen. Die Anschaffung eines solchen Wirtschaftsgutes sei daher von der Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie ausgeschlossen. Da die in Frage stehenden Wirtschaftsgüter bei der steuerlichen Gesellschaft zweifelsohne Anlagevermögen darstellen würden und dies im gegenständlichen Fall vom UFS in seiner Berufungsentscheidung (GZ. RV/0204-L/07) definitiv bestätigt worden sei, werde die Investitionszuwachsprämie jedenfalls eine Übereinstimmung mit den geltenden Normen beantragt und gewährt. Als dann anlässlich der am begonnenen und am abgeschlossenen Betriebsprüfung über den Zeitraum 2004 bis 2006 die Investitionszuwachsprämie teilweise versagt worden sei, ging es bei der von der Finanzverwaltung ins Treffen geführte Begründung immer nur um die Frage, ob die betroffenen Wirtschaftsgüter für die Gesellschaft Anlage- oder Umlaufvermögen darstellen würden. Diese Frage sei jedoch vom UFS eindeutig beantwortet worden. Erst im Jahr 2007 sei den Einkommensteuerrichtlinien basierend auf einem Erkenntnis des folgende Bestimmung Rz 8217a hinzugefügt worden:
Die prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter müssen zum langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt sein (). Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten müssten daher mindestens zu mehr als die Hälfte ihrer Nutzungsdauer im Wege der AfA abgesetzt werden. Ist dies nicht der Fall, stellt das vorzeitige Ausscheiden ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar, das nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu einer Änderung der Prämiengewährung führt. Davon ist nur abzusehen, wenn das Wirtschaftsgut, das zunächst für den langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt war, aufgrund nachträglicher Unwägbarkeiten (zB Schaden aufgrund höherer Gewalt, unvorhergesehene Unbrauchbarkeit im Betrieb) aus dem Betriebsvermögen ausscheide. Auffallend sei, dass im oben zitierten Erkenntnis von einer exakten Mindestbehaltefrist ebenfalls nicht die Rede sei, sondern es wird lediglich das Erfordernis aufgestellt, das prämienbegünstigte Wirtschaftsgut über einen längeren Zeitraum den Betrieb als Anlagevermögen dienen müsse, zumal nur in einem solchen Fall von Absetzung im Wege der Abnutzung (§§ 7 und 8) die Rede sein könne. Der VwGH stütze sich dabei in seiner Begründung einerseits auf Ausführungen von Zorn im Kommentar Hofstätter/Reichel und andererseits auf einen Artikel von Quantschnigg in der Österreichischen Steuerzeitung (ÖStZ 2003/239). Bei beiden Literaturstellen finde man jedoch keine eindeutige Aussage zur Behaltefrist, es sei immer nur von langfristig dem Unternehmen gewidmet die Rede. Erst nach dem VwGH-Erkenntnis vom habe Zorn in SWK 1/2007, Seite 28, eine vorsichtige Äußerung zur Behaltefrist veröffentlicht. Er stelle nämlich auch fest, dass das oben zitierte VwGH-Erkenntnis über das genaue Ausmaß des längeren Zeitraumes keine Aussage treffe und dass man möglicherweise zumindest die Hälfte der Nutzungsdauer annehmen könne. Obigen Begründungen zufolge komme man daher zu dem Schluss, dass sowohl die Rechtsprechung als auch die Kommentatoren den Gesetzestext des § 108e EStG genau analysiert hätten. Die nachträgliche Aufnahme einer nicht nachvollziehenden Mindestbehaltefrist ist in die Einkommensteuerrichtlinien (Rz 8217a) und deren undifferenzierte Anwendung nicht nachvollziehbar und widerspreche auch der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers, durch die Ankurbelung der Investitionstätigkeit einen entscheidenden Impuls zur Belebung der heimischen Wirtschaft zu setzen (vgl. auch Anfragebeantwortung des BMF, GZ. BMF-310205/0074-i/4/2005). Aus verfahrensrechtlicher Sicht sei ebenfalls bezüglich der Regelung der Rz 8217a EStR, wonach das vorzeitige Ausscheiden ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO darstelle, das nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu einer Änderung der Prämiengewährung führe, erhebliche Bedenken anzumelden. Das BMF definiere in Punkt 2 des Erlasses GZ. BMF-010103/0083-VI/2006 vom was kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO sei:
Rückwirkende Änderungen von Abgabenvorschriften, Änderungen oder erstmaliges Ergehen von Rechtsprechung, Änderung von Erlässen oder erstmalige Äußerungen von Rechtsauslegungen in Erlässen des BMF.
Die Tatsache, dass die Finanzverwaltung in die Aufnahme der Rechtsprechung in die Einkommensteuerrichtlinien ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO erblicke, sei daher jedenfalls abzulehnen.
Die Berufung wurde dem UFS am ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom wurde seitens der Referentin ein Vorhalt ausgefertigt und der Berufungswerberin die beabsichtigte Aussetzung der Entscheidung bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zu GZ. 2009/15/0082 anhängigen Verfahrens anzukündigen.
Da dagegen keine Einwände erhoben wurden, wurde das Verfahren mit Bescheid vom ausgesetzt.
Mit Schreiben vom wurde seitens der Referentin neuerlich ein Vorhalt ausgefertigt und ausgeführt:
"Das Berufungsverfahren wird nach Ergehen der VwGH-Entscheidung zu Zl. 2009/15/0082 vom fortgesetzt.
Der VwGH hat in diesem Erkenntnis zur Investitionszuwachsprämie zwar vordergründig eine explizite Mindestbehaltedauer verneint, aber seine Beurteilung aus dem Jahr 2006 bekräftigt (vgl. ), dass begünstigte Wirtschaftsgüter über einen "längeren Zeitraum" dem investierenden Betrieb als Anlagevermögen dienen müssen, weil nur in einem solchen Fall von Absetzung "im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8 EStG)" die Rede sein könne. Nun sprach er zusätzlich aus, ein Ausmaß der Absetzung für Abnutzung von 50 % der Anschaffungskosten könne als Indiz für die Bejahung eines solchen längeren Zeitraums gewertet werden. Diesem Vergleich ist die AfA (Ganz- und Halbjahres-AfA) zugrunde zu legen und nicht die Anzahl der Monate.
Für den Unabhängigen Finanzsenat lässt diese Rechtsprechung erkennen, dass der VwGH eine Mindestnutzung der begünstigten Wirtschaftsgüter im investierenden Betrieb für notwendig hält.
Aus dem Normzweck ergibt sich, dass die Prämie auch zusteht, wenn das Wirtschaftsgut zwar zunächst für den langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt war, nach der Anschaffung eintretende Unwägbarkeiten (zB Schaden aufgrund höherer Gewalt, unvorhergesehene Unbrauchbarkeit im Betrieb) aber zum Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen geführt haben.
Diese angeführten Beispiele von unschädlichen Unwägbarkeiten weisen nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates klar in eine Richtung, wo der Verbleib eines Wirtschaftsgutes im Betrieb aus Gründen, die nicht der Steuerpflichtige zu verantworten hat, tatsächlich unmöglich oder wirtschaftlich unsinnig wäre. Betriebswirtschaftliche Überlegungen fallen nicht unter den Begriff Unwägbarkeit, handelt es sich dabei um ein gewöhnliches Risiko, das bei einer unternehmerischen Tätigkeit typischerweise anfällt.
Die Referentin beabsichtigt daher unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen die Berufung abzuweisen.
Bitte geben Sie innerhalb oben angeführter Frist bekannt, ob die Berufung aufrechterhalten wird bzw. legen Sie dar, warum die obigen Ausführungen in ihrem Fall nicht zutreffend sind."
Dieser Vorhalt wurde wie folgt beantwortet:
Es werde mitgeteilt, dass die Berufung aufrechterhalten werde. Zur Begründung werde auf die Ausführungen in der gegenständlichen Berufung vom verwiesen. Es werde aber nochmals festgehalten, dass die in Frage stehenden prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter zweifelsfrei Anlagevermögen darstellen und da jedenfalls dazu bestimmt waren längerfristig den Betrieb zu dienen. Dies sei auch vom UFS in seiner Berufungsentscheidung (GZ. RV/0204-L/07) definitiv bestätigt worden. Das in Frage stehende Ausmaß der Absetzung für Abnutzung von 50 % der Anschaffungskosten zeigt kein objektives Kriterium zur Beurteilung der Zugehörigkeit zum Anlagevermögen und in weiterer Folge zur Beurteilung der Frage, ob ein Wirtschaftsgut als prämienbegünstigt im Sinne des § 108e EStG einzustufen wäre. Dazu komme noch, dass zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie 2004 weder im Gesetz noch in sonstigen Quellen von einer Mindestbehaltedauer die Rede gewesen sei. Im Gegenteil - die Intention des Gesetzgebers sei eindeutig gewesen, durch die Geltendmachung der Prämie eine Konjunkturbelebung zu erreichen. Vorzieheffekte seien sogar erwünscht gewesen. Wie auch im Erkenntnis des VwGH (GZ. 2009/15/0082) vom zum Ausdruck komme, müssen die Wirtschaftsgüter lediglich über einen längeren Zeitraum dem Anlagevermögen des investierenden Unternehmens zur Verfügung stehen. Dies sei im gegenständlichen Fall jedenfalls zutreffend. Auf die Bedenken in verfahrensrechtlicher Sicht (kein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a) werde ebenfalls nochmals verwiesen.
Im Zuge einer Firmenbuchabfrage am wurde festgestellt, dass die Bw. am gelöscht wurde. Unbeschränkt haftende Gesellschafterin war die Firma H, Kommanditistin war AL. Lt. Schreiben der steuerlichen Vertretung wurde die Forderung in Zusammenhang mit der Investitionszuwachsprämie an die H zediert und ist die Fa. H Vertreter nach § 81 BAO.
Über die Berufung wurde erwogen:
1) Verfahrensrechtliches
a) Zustellung
Die Auflösung (etwa durch Auflösungsbeschluss, Erreichung oder Verfehlung des Gesellschaftszweckes, Zeitablauf, Konkurseröffnung über das Vermögen der Gesellschaft oder eines Gesellschafters einer Personengesellschaft) und . Löschung einer im Firmenbuch eingetragenen juristischen Person oder Personengesellschaft hat bloß deklaratorischen Charakter () und beendet die Rechtsfähigkeit nicht, so lange Vermögen vorhanden ist () und Rechtsverhältnisse zu Dritten nicht vollständig abgewickelt - also zB Abgaben noch festzusetzen - sind (Ritz, BAO4, § 79, Tz 10, 11; ; ).
Im Firmenbuch eingetragene Personengesellschaften und juristische Personen verlieren somit ihre Rechtsfähigkeit ungeachtet einer früheren Entprotokollierung erst mit ihrer Vollbeendigung, dh. nach Abwicklung aller Rechtsverhältnisse (zB ). Bis zu diesem Zeitpunkt (Vollbeendigung) bleibt die aufgelöste oder gelöschte Gesellschaft in ihrem Rechtsbestand erhalten. Um auch handlungs- und prozessfähig zu sein und damit als taugliche Bescheidadressatin in Frage zu kommen, bedarf sie - so wie bisher - eines gesetzlichen oder gewillkürten Vertreters.
Zum Zeitpunkt der Auflösung oder Löschung bestehende Vertretungsbefugnisse bleiben bis auf Weiteres (Liquidation) aufrecht. Bei eingetragenen Personengesellschaften bleibt die Vertretungsbefugnis gemäß § 81 Abs. 2 BAO und in Feststellungsverfahren (§ 188 BAO) auch die Zustellfiktion (Ermessen) gemäß § 101 Abs. 3 zweiter Satz BAO erhalten (Abschnitt 4.2).
Die Fa. H ist Vertreterin gem. § 81 BAO, demnach wird die gegenständliche Berufungsentscheidung an sie zugestellt.
b) § 201 BAO
Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Eine Festsetzung kann von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages erfolgen (§ 201 Abs. 2 Z. 1 BAO), wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht wird (§ 201 Abs. 2 Z. 2 BAO), wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden (§ 201 Abs. 2 Z. 3 BAO) sowie nach der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Rechtslage dann, wenn sich die Selbstberechnung wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union als nicht richtig erweist (§ 201 Abs. 2 Z. 4 BAO; mit BGBl. Nr. I 20/2009 mit Wirkung aufgehoben) oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b BAO oder des § 295a BAO die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden (§ 201 Abs. 2 Z. 5 BAO).
Weitere Anwendungsfälle einer - diesfalls verpflichtenden - Festsetzung nach § 201 BAO sind dann gegeben, wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist (§ 201 Abs. 3 Z. 1 BAO), wenn bei sinngemäßer Anwendung der §§ 303 bis 304 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag einer Partei vorliegen würden (§ 201 Abs. 3 Z. 2 BAO) oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 BAO die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würde (§ 201 Abs. 3 Z. 3 BAO).
Gemäß § 295a BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, dass abgabenrechtliche Wirkungen für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.
Diese mit dem AbgÄG 2003 in die BAO eingefügte Regelung ist nach dem Vorbild der deutschen Abgabenordnung (AO) geschaffen. Sie ist eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung und nimmt in keiner Weise Einfluss auf den Bestand materieller Abgabengesetze. Es ist vielmehr den materiellen Abgabengesetzen zu entnehmen, ob einem nachträglich eingetretenen Ereignis abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit zukommt, ob also ein Anwendungsfall des § 295a BAO vorliegen kann ( mwN).
Grundsätzlich verändern nach Entstehen des Abgabenanspruches eingetretene Ereignisse nicht den Bestand und Umfang des Abgabenanspruches (vgl. zB Stoll, BAO, 58 ff). Da sich die Rückwirkung von Ereignissen aus den Abgabenvorschriften ergeben muss, ist § 295a BAO nur der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden (Ritz, BAO-Kommentar, § 295a Tz. 3). Es ist daher eine Frage des Inhaltes bzw. der Auslegung der Abgabenvorschriften, welchen Ereignissen Rückwirkung (bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches) zukommt (Ritz, aaO, Tz. 4).
Das Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat, muss nachträglich eintreten, weil nur dann die Notwendigkeit besteht, die Bestandskraft zu durchbrechen. Folglich darf das Ereignis bei Erlass des ursprünglichen Bescheides noch nicht eingetreten sein (Tipke/Kruse, Kommentar zur AO, § 175 Tz. 23).
Die Abänderung gemäß § 295a BAO ist lediglich eingeschränkt zulässig (arg "insoweit"). Durch diese Maßnahme wird die Rechtskraft eines Bescheides nur hinsichtlich der abgabenrechtlichen Folgen rückwirkender Ereignisse durchbrochen. Dem nach § 295a abändernden Bescheid kommt somit die Wirkung einer Berichtigung des abgeänderten Bescheides zu. Der abändernde Bescheid ist kein an die Stelle eines Bescheides tretender Bescheid im Sinne des § 251 und § 274 BAO (Ritz, BAO-Kommentar, § 295a RZ 42). Er ist daher nur hinsichtlich der Abänderung mit Berufung anfechtbar (siehe auch Ellinger-Iro-Kramer-Sutter-Urtz, BAO, § 295a, Anm 10).
Unter einem "Ereignis" ist jeder rechtlich relevante Vorgang zu verstehen. Dazu gehören Tatsachen des Lebenssachverhaltes, aber auch rechtliche Vorgänge, wie die Einwirkung auf oder durch Rechtsgeschäfte, Rechtsverhältnisse, Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsakte. Dem Ereignisbegriff unterfallen nur "sachverhaltsändernde" Geschehnisse, nicht jedoch Fälle rückwirkender Gesetze und Gesetzesänderungen (Tipke/Kruse, aaO, Tz. 25).
In ständiger Rechtsprechung stellt der BFH zur deutschen Vorbildbestimmung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fest, dass sich die Sachverhaltsänderung darüber hinaus steuerlich in die Vergangenheit auswirken muss, und zwar in der Weise, dass anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts nunmehr der veränderte Sachverhalt der Besteuerung zugrunde zu legen ist. Dabei bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen materiellen Recht, ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt (BFH , V R 79/01, unter Hinweis auf den oa. Beschluss des Großen Senats des BFH vom , GrS 2/92, BStBl II 1993, 897, unter C. II. 1.; mit weiteren Nachweisen).
Generell kein Ereignis mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit ist die Änderung der Rechtsprechung, denn der Steuerpflichtige muss grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass die Rechtslage gilt, die im Zeitpunkt der Sachverhaltsverwirklichung existiert. Dies gilt auch für Urteile des EuGH (Ritz, Abänderung nach § 295a BAO, SWK 2003, S 880 unter Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung zu § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO; weiters: Tipke/Kruse, aaO, Tz 45). So führte der BFH im Urteil vom , XI R 36/95, zur deutschen Vorbildbestimmung des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO aus, dass im Hinblick auf ein EuGH-Urteil, demzufolge bei Geldspielgeräten ein bestimmter Teil des Spieleinsatzes nicht zur Bemessungsgrundlage gehört, eine Änderung bereits rechtskräftiger Umsatzsteuerbescheide nicht in Betracht kommt (BStBl. 1996 II 399).
Gleiches gilt für die erstmalige (innerstaatlich) höchstgerichtliche Rechtsprechung, die ebenfalls nur "inter pares" gilt: Eine höchstgerichtliche Entscheidung hat nur Wirkung für den Einzelfall. Eine generelle rückwirkende Anpassung anderer vom Höchstgericht nicht entschiedener Sachverhalte, die andere Abgabepflichtige betreffen, würde die Rechtskraftwirkung aushöhlen und dem im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz der Rechtskraft zuwiderlaufen.
Ebenso wenig sind rückwirkende Änderungen von Steuergesetzen bzw. rückwirkend in Kraft gesetzte DBA Ereignisse mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit. Diese verändern nur den gesetzlichen Tatbestand rückwirkend, nicht aber den Lebenssachverhalt selbst (Tipke/Kruse, aaO, Tz. 42).
Diesbezüglich wird also den Ausführungen der Berufung zugestimmt, dass weder die höchstgerichtliche Rechtsprechung () noch das Einfügen der RZ 8217a in die EstRL ein solches rückwirkendes Ereignis darstellen.
Nur sachverhaltsändernde Geschehnisse können unter den Ereignisbegriff subsumiert werden. In Frage kommt somit nur das vorzeitige Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen als sachverhaltsänderndes Geschehen.
Die Buchung auf dem Abgabenkonto erfolgte am (Stempel der Einhebungsgruppe auf dem Formular E 108 e).
Zu diesem Zeitpunkt waren die Mietverträge und die Kaufoptionen bereits unterfertigt, kommen also als sachverhaltsändernde Geschehnisse nicht in Betracht. Die tatsächlichen Käufe erfolgten jedoch erst nach Ablauf der Mitverträge mit Ausübung der Kaufoptionen, die demgemäß im gegenständlichen Verfahren die sachverhaltsändernden Geschehnisse darstellen. Erst mit Ausüben der Option erfolgte das Ausscheiden der Wirtschaftsgüter aus dem Anlagevermögen der Bw.
Die Abgabenbehörde durfte also einen Bescheid gemäß § 201 BAO erlassen.
2) Behaltefrist
Gemäß § 108e Abs. 1 EStG kann für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern eine Investitionszuwachsprämie von 10 % geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8 EStG) abgesetzt werden.
§ 108e Abs. 1 EStG normiert als Voraussetzung für die Investitionszuwachsprämie, dass die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten der prämienbegünstigten Wirtschaftsgüter im Wege der AfA abgesetzt werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis, dass prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter über einen längeren Zeitraum dem Betrieb als Anlagevermögen dienen, zumal nur in einem solchen Fall von Absetzung "im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8 EStG)" die Rede sein kann (vgl. Zorn in Hofstätter/Reichel, § 108e EStG 1988, Tz 3; mwN).
Der VwGH hat in seinem jüngsten Erkenntnis zur Investitionszuwachsprämie vom , 2009/15/0082 zwar vordergründig eine explizite Mindestbehaltedauer verneint, aber seine Beurteilung aus dem Jahr 2006 bekräftigt (vgl. ), dass begünstigte Wirtschaftsgüter über einen "längeren Zeitraum" dem investierenden Betrieb als Anlagevermögen dienen müssen, weil nur in einem solchen Fall von Absetzung "im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8 EStG)" die Rede sein könne. Nun sprach er zusätzlich aus, ein Ausmaß der Absetzung für Abnutzung von 50 % der Anschaffungskosten könne als Indiz für die Bejahung eines solchen längeren Zeitraums gewertet werden. Diesem Vergleich ist die AfA (Ganz- und Halbjahres-AfA) zugrunde zu legen und nicht die Anzahl der Monate.
Für den Unabhängigen Finanzsenat lässt diese Rechtsprechung erkennen, dass der VwGH eine Mindestnutzung der begünstigten Wirtschaftsgüter im investierenden Betrieb für notwendig hält.
Die Nutzungsdauer der verfahrensgegenständlichen Geräte wird wie im Verfahren RV/0204-L/07 mit 8 Jahren angenommen.
Es wurden somit nicht 50 % der Nutzungsdauer abgeschrieben, da diese Geräte bereits nach 42 Monaten veräußert wurden. Es wurde auch nicht vorgebracht, dass hinsichtlich einzelner Wirtschaftsgüter das erforderliche Abschreibungsausmaß erreicht worden wäre.
Aus dem Normzweck ergibt sich, dass die Prämie auch zusteht, wenn das Wirtschaftsgut zwar zunächst für den langfristigen Einsatz im Betrieb bestimmt war, nach der Anschaffung eintretende Unwägbarkeiten (zB Schaden aufgrund höherer Gewalt, unvorhergesehene Unbrauchbarkeit im Betrieb) aber zum Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen geführt haben.
Diese angeführten Beispiele von unschädlichen Unwägbarkeiten weisen nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates klar in eine Richtung, wo der Verbleib eines Wirtschaftsgutes im Betrieb aus Gründen, die nicht der Steuerpflichtige zu verantworten hat, tatsächlich unmöglich oder wirtschaftlich unsinnig wäre.
Als Unwägbarkeiten können demnach nur Ereignisse, die nicht dem üblichen Wirtschaftsverlauf entsprechen und in der Regel keinen Kausalzusammenhang zu einem gewollten Verhalten des Steuerpflichtigen aufweisen, angesehen werden.
Im gegenständlichen Fall war bereits mit Unterfertigung der Mietverträge ein späterer Kauf der Geräte durch die Mieter nach Ablauf des Mietvertrages geplant und gewollt.
Ein Vorliegen einer Unwägbarkeit kommt demnach nicht in Betracht.
Die Rückforderung der Investitionszuwachsprämie erfolgte demnach zu Recht, die Berufung war abzuweisen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 108e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at