Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 23.05.2012, RV/0246-W/08

Bemessung der Erbschaftssteuer unter Zugrundelegung des auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches bezogenen Wert des Pflichtteils

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Marschall & Heinz Rechtsanwalts-Partnerschaft, 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom xyz betreffend Erbschaftssteuer entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

A.A. verstarb im Dezember 2005. Mit Testament vom setzte er seine Ehefrau A.B. als Erbin ein, und setzte seinen Sohn, den Berufungswerber, (Bw.), auf den Pflichtteil mit der Verfügung, dass die von ihm für seinen Sohn bereits bezahlten Schulden, in noch festzusetzender Höhe, voll auf den Pflichtteil anzurechnen sind.

In dem vor dem Bezirksgericht X. zu Zahl xxx durchgeführten Verlassenschaftsverfahren machte der Bw. am seinen Pflichtteilsanspruch geltend und beantragte die Inventarisierung und Schätzung der ganzen Verlassenschaft.

Die Erbin gab vor diesem Gericht am gleichen Tage eine bedingte Erbserklärung ab.

In der Verlassenschaftsabhandlung vom 12 .Juli 2006, wurde der Pflichtteilsanspruch mit € 49.853,20 (=1/3 der Verteilungsmasse = € 315.917,14 abzüglich folgender bereits enthaltener Vorempfänge: bisherige Bezahlung der Kredite der B1 (fortan B1genannt) idHv. € 33.740,99; bisherige Bezahlung der Kredite der B2 (fortan B2 genannt) idHv € 21.504,33; bezahlter vollstreckbarer Rückstand der C. (fortan C genannt) idHv. € 207,19) bestimmt.

Mit Einantwortungsbeschluss vom wurde die Verlassenschaft nach A.A. dessen erblicher Witwe zur Gänze eingeantwortet und der mit € 49.853,20 berechnete Pflichtteil abhandlungsgerichtlich genehmigt.

Mit Bescheid vom 2 .August 2007 schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien dem Bw. die Erbschaftssteuer mit € 1.808,72 vor. Als steuerpflichtiger Erwerb wurde der abhandlungsgerichtlich genehmigte Pflichtteil idHv 49.853,20 abzüglich Kosten der Regelung des Nachlasses: € 2.435,00 sowie abzüglich Freibetrag gemäß § 14 Abs.1 ErbStG 1955 mit € 45.218,20 in Ansatz gebracht.

Dagegen erhob der Bw. durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung. mit der Begründung, er hätte lediglich einen Pflichtteil von € 30.000,000 erhalten. Er beantragte die Neuberechnung der Erbschaftssteuer ausgehend von einem steuerpflichtigen Erwerb idHv € 25.365,00.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der bekämpfte Bescheid dahin gehend abgeändert dass, ausgehend von einen steuerpflichtigen Erwerb idHv € 44.905,00 (Pflichtteil. € 49.540,00 Abzüge w.o.) die Erbschaftssteuer auf € 1.796,20 herabgesetzt wurde.

Als Begründung wurde ausgeführt, dass erbschaftssteuerrechtlich ein Pflichtteil nur dann von Bedeutung wäre, wenn er geltend gemacht worden ist. Eine Geltendmachung wäre auch in einem zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten abgeschlossenem Übereinkommen zu erblicken. Der Pflichtteilsberechnung wäre grundsätzlich der volle Wert des Anspruches zu Grunde zu legen, wobei der Pflichtteilsberechtigte nur den von ihm geltend gemachten Pflichtteil zu versteuern hätte. Die Höhe würde sich nach dem tatsächlich zugekommenen Wert richten. Im vorliegenden Fall wären- laut Angaben der Erbin- dem Bw. nicht nur € 30.000,00 sondern auch 19.540,00 zur Begleichung seiner Kreditschulden zur Abgeltung seines Pflichtteilsanspruches überwiesen worden.

Dagegen stellte der Bw. durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter, fristgerecht einen Vorlageantrag nach § 276 Abs.2 Bundesabgabenordnung, (BAO), an den Unabhängigen Finanzsenat, UFS), als Abgabenbehörde zweiter Instanz, und führte darin aus, dass im zu beurteilenden Fall kein Pflichtteilsübereinkommen zwischen ihm und der Erbin existieren würde. Das Protokoll vom wäre einseitig nach den Angaben der Erbin erstellt worden. Die zusätzliche Überweisung von € 19.540,00 zur Abgeltung seines Pflichtteils wäre vom Finanzamt ohne seine Anhörung- nur auf die Angaben der Erbin hin- festgestellt worden. Tatsächlich wären ihm aber lediglich € 30.000,00 zur Abgeltung seines Pflichtteils zugekommen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die auf den zu beurteilenden Fall wesentlichen Bestimmungen des Erbschafts-und Schenkungssteuergesetzes 1955, (ErbStG 1955) lauten in ihrer verfahrensmaßgeblichen Fassung wie folgt:

Der Steuer nach diesem Bundesgesetz unterliegen

1.der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs.1 Z 1 ErbStG 1955)

Als Erwerb von Todes wegen gilt

1.der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches ( § 2 Abs.1 Z 1 ErbStG 1955)

Die Steuerschuld entsteht für den Erwerb eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung (§ 12 Abs.1 Z 1 lit.b ErbStG 1955)

Für die Wertermittlung ist, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgeblich. (§ 18 ErbStG 1955)

Im zu beurteilenden Fall ist die Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs im Zusammenhalt mit der Geltendmachung eines bestehenden Pflichtteilsanspruches strittig.

Dazu ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen festzustellen:

Pflichtteil ist jener Erbteil, den bestimmte im Gesetz taxativ angeführte Personen infolge besonders nahen Verwandtschaft zum Erblasser mindestens erhalten müssen, sofern der Erblasser aus einem gesetzlich anerkannten Grund (§ 868 ff ABGB) nicht eine gänzliche oder teilweise Entziehung des Pflichtteils letztwillig verfügt hat.

Der Pflichtteilsberechtigte ist kein Erbe. Sein Anspruch ist eine Forderung auf einen verhältnismäßigen Teil des Nachlasswertes in Geld.

Das Recht auf den Pflichtteil entsteht wie beim Erbteil mit dem Tode des Erblassers als Anwartschaftsrecht, es muss vom Berechtigten ausdrücklich geltend gemacht werden. Mit der Geltendmachung des Pflichtteils entsteht dem Berechtigten ein klagbarer Anspruch darauf.

Als Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteils ist jener auszunehmen, in dem der Pflichtteilsberechtigte oder sein Vertreter nach aussen hin zu erkennen gibt, er wolle seinen Pflichtteilsanspruch wahren und nicht darauf verzichten. ( z.B. )

Zur Bemessung der auf das Pflichtteil entfallenden Erbschaftssteuer kommt es gegenüber der Bemessung des Pflichtteils aus bürgerlich rechtlicher Sicht, nicht auf den Betrag mit dem die wirkliche Zuteilung erfolgt ist an, sondern auf den Wert zur Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteils.(Siehe Fellner Gebühren und Verkehrsteuern Band III, Erbschafts-und Schenkungssteuer § 2 Rz 44)

Der Betrag mit dem die wirkliche Zuteilung des Pflichtteils erfolgt, ist für die Bemessung der Erbschaftssteuer im Hinblick auf die Bestimmung des § 18 ErbStG nicht von Bedeutung. (vgl. ,0130)

Im gegenständlichen Verfahren wurde vom UFS vom Bezirksgericht X. der Bezug habende Verlassenschaftsakt beigeschafft und darin Einsicht genommen.

Laut Aktenlage machte der Bw. seinen Pflichtteil am in Gegenwart der gesetzlichen Erbin gerichtlich geltend und beantragte gleichzeitig die Inventarisierung und Schätzung der ganzen Verlassenschaft. Darüber würde vom zuständigen Gerichtskommissär am gleichen Tage ein Protokoll verfasst welches vom Bw. und der Erbin unterfertigt worden ist.

Darüber hinaus gibt es auch keine Anhaltspunkte, dass der Bw. seinen Pflichtteil mit € 30.000,00 oder mit € 49.450,00 geltend gemacht hat.

Da es keine Anhaltspunkte gibt, dass der Bw. bereits vor dem nach aussen hin zu erkennen gab, seinen Pflichtteilsanspruch zu wahren, ist daher der als Zeitpunkt der Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruches anzusehen.

Wenn auch ein im Zug der Verlassenschaft zwischen dem Erben und dem Pflichtteilsberechtigten abgeschlossenes Übereinkommen ohne Zweifel die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches darstellt, ( vgl. VwGH, , 98/16/0361, 0362) so gibt es laut Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass im verfahrensgegenständlichen Verlassenschaftsverfahren ein solches Pflichtteilsabkommen zwischen dem Bw. und der Erbin- sei es nun über einen Betrag von € 49.540,00 oder über einen Betrag von € 30.000,00- zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruches abgeschlossen wurde.

Da die Steuerschuld für einen Pflichtteil gemäß § 18 ErbStG 1955 im Zusammenhalt mit § 12 Abs.1 Z 1 lit.b ErbStG 1955 im Zeitpunkt seiner Geltendmachung entsteht, ist auf diesen Zeitpunkt daher die Wertermittlung des Pflichtteils vorzunehmen.

In zu beurteilenden Fall ist daher die Bemessung der Erbschaftssteuer von dem auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Pflichtteilanspruches () bezogenen Wert des Pflichtteiles auszugehen.

Nach dem Entstehung des Steueranspruches zwischen den Erben und den Pflichtteilsberechtigten getroffene Erfüllungsabreden, können den einmal entstandenen Steueranspruch weder aufheben noch abändern. (BFH , II R 1/06)

Somit ist es im gegenständlichen Fall für die Bemessung der Erbschaftssteuer unerheblich ob dem Bw. aufgrund einer, nach dem18.1.2012, zwischen ihm und der Bw. getroffenen Vereinbarung, ein anderer Wert als der auf den Zeitpunkt der Geltendmachung ermittelte, zur Abgeltung seines Pflichtteilsanspruches zugeteilt worden ist.

Für den UFS erübrigt sich daher die Höhe des dem Bw. tatsächlich zugekommenen Geldbetrages zu ermitteln.

Im Lichte der vorstehenden rechtlichen Ausführungen ist als der, für die Bemessung der Erbschaftssteuer maßgebliche, Wert der Wert anzusehen, welcher vom Verlassenschaftsgericht im Anschluss an die gerichtliche Geltendmachung am ziffernmäßig als Pflichtteil festgestellt und protokolliert worden ist, und welcher im Pflichtteilsnachweis, nach Schätzung und danach erfolgter Inventarisierung der Verlassenschaft vom gleichen Tag (Aktiva: € 493.869,24 minus Passiva: € 145.796,73 = Reinnachlass: €. 348.072,51), wie folgt ermittelt wurde.

Pflichtteilsnachweis:


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I) Reinnachlass
€ 348.072,51
Übertrag
€ 348.072,51
II) Abfall:
a)
Mietforderung der Y. für
den yyy. Bezirk für die Monate März
und April 2006 von € 688,94 zuzügl. Abwohnbetrag
von € 35,43 für die erbl. Ordination lt. im Akt
erliegender Mitteilung sohin zusammen
724,37
b)
Forderung der Immobilienverwaltung
Z. für Jänner bis März 2006
lt. Blg./11 von zusammen
1.153,80
c)
bezahlte Ordinationsvertretungskosten für Jänner
und Februar 2006 von €5.330,00 sowie noch offene
Ordinationsvertretungskosten für März bis
Juni 2006 von €9.490,00 von Dr. U.
V. lt. Blg./12
sohin zusammen von
14.820,00
II) Verfahrenskosten:
a)
Gerichtskommissionsgebühr
9.032,60
b)
Schätzgebühr SV D.D.
243,20
c)
Schätzgebühr SV E.E.
229,40
d)
Schätzgebühr SV Ing. F.F.
1.187,00
e)
Schätzgebühr SV G.G.
3.720,00
f)
gerichtliche Pauschalgebühr
1.043,00 €
ergibt sohin eine Verteilungsmasse von € 315.917,14
III) Berechnung des Pflichtteiles:
Der Pflichtteilsanspruch des erbl. Sohnes
beträgt 1/3 Anteil, das ist ein Betrag von € 105.305,71 € 105.305,71 105105.305,71
(Euro einhundertfünftausenddreihundertfünf 05/100)
IV) abzüglich bereits erhaltene Vorempfänge:
a)
bisherige Bezahlung der Kredite der B1
lt. Blg./III zusammen
33.740,99
b)
bisherige Bezahlung der Kredit der B2
lt. Blg./IV zusammen
21.504,33
c)
bezahlter vollstreckbarer Rückstand der C.
lt. Blg./V
207,19
sohin ein ziffernmäßiger Betrag von € 49.853,20
(Euro vierzigneuntausendachthundertfünfzigdrei 20/100)

Sämtliche im Protokoll vom festgeschriebenen Werte des Inventars und des Pflichtteilsnachweises beruhen nicht auf der einseitigen Darstellung der Erbin, sondern gründen sich auf amtswegige Ermittlungen des zuständigen Gerichtskommissärs.

Weder wendet sich der Bw. im gegenständlichen Berufungsverfahren gegen die Höhe der im Inventar ausgewiesene, Werte, noch ergeben sich laut Akteninhalt gegen die Richtigkeit dieser Werte sprechende Anhaltspunkte, wodurch der UFS angehalten wäre, die im Inventar ausgewiesenen Werte aus eigenem- im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu bestimmen.

Dem o.a. Gerichtsakt ( Schreiben des rechtlichen Vertreters des Bw. vom und vom an den zuständigen Gerichtskommissär) ist zu entnehmen, dass der Bw im Verlassenschaftsverfahren nicht die vollständige Bezahlung unter Punkt IV lit.a und b des Pflichtteilsnachweises angeführten Schulden durch den Erblasser bestritten hatte, sondern dass er sich gegen den Abzug dieser Beträge als Vorempfänge, iSd § 877 ABGB, gewendet hatte, mit der Begründung, der Erblasser habe diese Schulden als Bürge und Zahler den Gläubigerinnen bezahlt. Daher wurde es sich um keine freiwillige Schuldenbezahlung an den pflichtteilsberechtigten Sohnes handeln. Dieser rechtlichen Sichtweise ist das Abhandlungsgericht nicht gefolgt, sondern es genehmigte mit mittlerweile rechtskräftigem Beschluss vom den ziffernmäßigen Pflichtteil von € 859.853,20 und antwortete gleichzeitig der bedingt erbserklärten Erbin die Verlassenschaft zur Gänze ein.

In abgabenrechtlicher Hinsicht ist dazu festzustellen:

Eine Ausnahme von der grundsätzlich gegebenen Bindungswirkung an rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte normiert § 116 Abs. 2 Bundesabgabenordnung, (BAO), für die Entscheidungen der Gerichte über privatrechtliche Fragen dann, wenn das Gericht bei Ermittlung des Sachverhaltes nicht von Amts wegen vorzugehen hat.

Im zu beurteilenden Fall traf, im Vorfeld des Abgabenverfahrens, das zuständige Gericht im mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenem Verlassenschaftsverfahren, die Entscheidung, dass die vorstehend angeführten vom Erblasser bezahlten Schulden des Bw. als, den Pflichtteil einschränkende, Vorempfänge iSd § 788 ABGB anzusehen sind. Diese Entscheidung traf das Gericht in einem vom Grundsatz der amtswegigen Ermittlungspflicht getragenen Ausserstreitverfahren.

Somit ist der UFS an diese gerichtliche Entscheidung gebunden.

Aus den aufgezeigten Gründen erfolgte daher die mit dem bekämpften Bescheid erfolgte Festsetzung der Erbschaftssteuer mit € 1.808,72 unter Zugrundelegung eines steuerpflichtigen Erwerbs von € 45.218,20 (= gerichtlich festgestellter Pflichtteil von € 49.853,20 abzüglich Kosten der Regelung des Nachlasses € 2.435,00 und abzüglich Freibetrag gemäß § 14 Abs.1 ErbStG 1955: € 2.200,00) unter Beachtung der Rundungsvorschrift des § 28 ErbStG 1955 und des § 8 Abs.1 ErbStG 1955 (abgerundeter steuerpflichtiger Erwerb : € 45.218,00 davon 4% ) zu Recht.

Hingegen ging das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung vom zu Unrecht davon aus, dass der Pflichtteilsanspruch in der Verlassenschaft durch Pflichtteilsübereinkommen zwischen dem Bw. und der Erbin, über die Abgeltung des Pflichtteilsanspruches mit € 49.540,00, geltend gemacht worden ist.

Aus den aufgezeigten Gründen war der Berufung daher der Erfolg zu versagen und spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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