Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 27.04.2012, RV/3591-W/11

Arbeitgebereigenschaft bei konzerninterner Kurzentsendung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., geb. XX.XX.19XX, A_whft., vertreten durch Ernst & Young Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungs-GmbH, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei, 1220 Wien, Wagramerstraße 19, vom gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom (Arbeitnehmerveranlagung) entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (idF Bw. genannt) ist leitende Angestellte in der in Wien befindlichen Unternehmenszentrale für Mittel- und Osteuropa eines internationalen Konsumgüterkonzerns.

Die Bw. erhob durch ihre steuerliche Vertretung gegen den erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheid 2009 mit Schriftsatz vom form- und fristgerecht Berufung und begehrte, dass von ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit € 19.245,16 (Kz. 210) nicht in Österreich besteuert werden, weil für diesen Bezugsteil in Kroatien Einkommensteuer geleistet worden sei. Zur Begründung wird vorgebracht:

"Die Bw. wurde von ihrem Arbeitgeber für 24 Monate von Anfang Oktober 2009 bis Ende September 2011 zur kroatischen Konzerngesellschaft, T-Gesellschaft mit Sitz in Zagreb als Marketing-Managerin entsandt. Ihr Lebensmittelpunkt hat sich dadurch nicht geändert und ist nach wie vor in Österreich gelegen. Die Bw. ist während der Auslandentsendung sowohl in Österreich als auch in Kroatien tätig. Im Zeitraum von 1.10. - hat die Bw. an 46 Tagen in Kroatien gearbeitet. Die Lohnkosten für ihre Arbeitsleistungen in Kroatien wurden von der österreichischen Zentrale (ihrem Arbeitgeber) der kroatischen Gesellschaft weiterverrechnet. Da die kroatische Finanzverwaltung die Arbeitgebereigenschaft an eine wirtschaftliche Betrachtungsweise knüpft, wurde der, auf die Aufenthaltstage in Kroatien entfallende, Lohnanteil in Kroatien besteuert. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ihrer Einkünfte sind gemäß Art. 23 Abs. 1 lit. a DBA-Kroatien die in Kroatien versteuerten Einkünfte von der österreichischen Besteuerung zu befreien. Korrigierte Lohnzettel, bestehend aus einem Inlandslohnzettel (Kz. 245: € 54.722,79 bisher € 73.967,95) und einem Auslandslohnzettel (Kz. 245: € 19.245,16), wurden erstellt, dem Betriebsstättenfinanzamt übermittelt und auch der Berufung angeschlossen."

Vom Betriebsstättenfinanzamt wurde der Antrag auf Lohnzettelberichtigung abgelehnt, weil die Arbeitnehmerin im Kalenderjahr 2009 nur an 46 Tagen in Kroatien gearbeitet habe. Gemäß der 183-Tage-Regel des Art. 15 Abs. 2 DBA-Kroatien seien somit die Voraussetzungen für ein Besteuerungsrecht des Tätigkeits- oder Quellenstaates nicht erfüllt worden und die gesamten Einkünfte in Österreich (Ansässigkeitsstaat) steuerpflichtig geblieben.

Mit Vorhalt vom und wurde die Bw. vom Finanzamt aufgefordert den entscheidungswesentlichen Sachverhalt der gegenständlichen befristeten konzerninternen Arbeitskräfteüberlassung im Detail offenzulegen und nachzuweisen (insb. Vorlage des kroatischen Steuerbescheides und der Steuerzahlung, arbeitsvertragliche Gestaltung und Darlegung welche Gesellschaft die einzelnen Arbeitgeberfunktionen gegenüber der Bw. ausübt, usw.).

Die Bw. übermittelte einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid (Privremeno Porezno Rjesenje) der kroatischen Abgabenbehörde vom über Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von Kunar 151.905 (€ 20.695,51; Umrechnungskurs lt. Bw. 7,34) und eine Steuerschuld von Kunar 42.665 (€ 5.812). Ein Nachweis über die Entrichtung dieser Steuer wurde - wie mit dem Finanzamt telefonisch vereinbart - vorerst nicht vorgelegt, weil dies mit erheblichen Kosten für die Bw. verbunden sei. Weiters gab die Bw. folgende Stellungnahme vom ab:

"Aus dem beiliegenden Assignment Letter über die Entsendung zur kroatischen Gesellschaft ist ersichtlich, dass das Dienstverhältnis der Bw. mit der österreichischen Gesellschaft aufrecht bleibt. Die typischen Arbeitgeberfunktionen kommen daher alle dem österreichischen Arbeitgeber, der M-Gesellschaft, zu.

Anders als Österreich knüpft jedoch Kroatien die Arbeitgebereigenschaft an eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Der in der 183-Tage-Regel des Art. 15 Abs. 2 DBA-Kroatien verwendete Arbeitgeberbegriff ist im DBA nicht näher definiert und bleibt daher gemäß Art. 3 Abs. 2 DBA-Kroatien der Auslegung nach dem nationalen Steuerrecht der Vertragsstaaten überlassen. Dadurch können - wie im gegenständlichen Fall - Auslegungsdivergenzen auftreten.

Die Bw. vertritt hierzu die Auffassung, dass zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung ihres Arbeitslohnes Österreich als Ansässigkeitsstaat an die Anwendung des Abkommens durch den Tätigkeitsstaat Kroatien und damit an den wirtschaftlichen Arbeitsgeberbegriff des kroatischen Einkommensteuerrechts gebunden ist."

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung vom mit einer ergänzenden Bescheidbegründung, in der an der bisherigen Rechtsansicht festgehalten wurde. Maßgebend für die Zuteilung eines Besteuerungsrechtes des Tätigkeitsstaates an den Lohneinkünften sei die 183-Tage-Regel und nach dieser stehe eben Österreich für die gesamten Einkünfte im Jahr 2009 das Besteuerungsrecht zu.

Nach mehreren Firstverlängerungsansuchen, weil noch auf Unterlagen aus Kroatien zu warten sei, stellte die Bw. fristgerecht mit Eingaben vom den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweier Instanz. Im Schriftsatz wurde nochmals darauf hingewiesen, dass der Lohnaufwand für die Bw. mit Beginn ihrer Entsendung von T-Gesellschaft und nicht von der inländischen M-Gesellschaft getragen worden sei. Während der Dauer der Entsendung blieb zwar die Inlandsgesellschaft der rechtliche Arbeitgeber der Bw. aber auf Grund der Weiterbelastung der Gehaltskosten für die Bw. an die Auslandsgesellschaft war diese wirtschaftlicher Arbeitgeber. Das kroatische Steuerrecht knüpfe grundsätzlich die Arbeitgebereigenschaft an eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Zur Untermauerung ihres Rechtsstandpunktes verwies die Bw. auf zu kurzfristen Personalentsendungen ins Ausland ergangene Erlässe des BMF (EAS 3201 und EAS 3206). Im Erlass, EAS 3201 vom heißt es:

"Da Art. 3 Abs. 2 des Abkommens beiden DBA-Partnerstaaten den Rückgriff auf ihr nationales Recht aufträgt, kann bei unterschiedlichem nationalem Recht ein Qualifikationskonflikt mit der Wirkung einer Doppelbesteuerung eintreten, der aber sodann auf der Grundlage von Artikel 23 des Abkommens auf Seiten des Ansässigkeitsstaates zu beseitigen ist (vorletzter Satz in Z 8.10 des OECD-Kommentars zu Art. 15 OECD-MA).

Dieser Entlastungsmechanismus kann allerdings nur dann wirksam werden, wenn der Ansässigkeitsstaat anerkennt, dass der Quellenstaat den Rückgriff auf sein innerstaatliches Recht in rechtlich vertretbarer Weise vorgenommen hat; andernfalls müsste der Qualifikationskonflikt durch ein Verständigungsverfahren bereinigt werden (letzter Satz in Z 8.10 des OECD-Kommentars zu Art. 15 OECD-MA).

Kein rechtlich vertretbarer Rückgriff auf nationales Recht würde in einem EU-Staat vorliegen, wenn dieser infolge einer Diskriminierung der Personalüberlassung aus Österreich gegenüber einer vergleichbaren landesinternen Personalüberlassung unionsrechtlich unzulässiges nationales Recht anwendet (siehe in diesem Sinn zum Salzburger Steuerdialog, BMF-010221/2575-IV/4/2010, betr. Arbeitgeberbegriff des Art. 15 DBA-CSSR). Ein solcher Rückgriff wird durch Art. 3 Abs. 2 DBA nicht gedeckt.

Bei einer kurzfristigen konzerninternen Mitarbeitergestellung in einen anderen EU-Staat kann die Steuerfreistellung auf österreichischer Seite daher nur in Anspruch genommen werden, wenn ausreichende Belege über das Vorliegen eines durch Art. 3 Abs. 2 DBA gedeckten Qualifikationskonfliktes vorhanden sind. Ein derartiger Beleg könnte in einer Bestätigung eines im Quellenstaat zur steuerlichen Beratung zugelassenen Wirtschaftstreuhänders oder Anwaltes bestehen, wenn in dieser Bestätigung die betreffende Rechtsgrundlage in deutscher, englischer oder französischer Sprache und im Fall einer anderen Landessprache auch in dieser zitiert ist und ausdrücklich bestätigt wird, dass diese Regelung nicht nur im Fall einer Arbeitskräftegestellung aus Österreich, sondern auch im Fall vergleichbarer landesinterner Arbeitskräftegestellungen zur Anwendung gelangt.

Als Rechtsvorschriften gelten im gegebenen Zusammenhang nicht nur Vorschriften im Gesetzesrang, sondern auch Durchführungsregelungen über die Gesetzesauslegung (zB in der äußeren Form vergleichbar mit LStR 2002 Rz 923, wenn darin der Gestellungsnehmer als Arbeitgeber bezeichnet ist, oder behördliche Anfragebeantwortungen). Kann als Auslegungsquelle nur die Rechtsprechung des betreffenden Landes angegeben werden, bedarf die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung auf die Arbeitskräftegestellung aus Österreich einer abgabenbehördlichen Bestätigung, aus der auch die diskriminierungsfreie Anwendung dieser Rechtsprechung hervorgeht.

Können keine ausreichend verlässlichen Belege beschafft werden, wird in Anwendung der "183-Tage-Klausel" die steuerliche Erfassung in Österreich vorzunehmen sein. Im Fall einer nachträglichen Außenprüfung im Ausland kann eine nachträgliche Steuerentlastung in Österreich erwirkt werden, wenn in dem ausländischen Prüfungsverfahren die landesinterne Rechtsgrundlage für die Nichtanerkennung des mit dem österreichischen Arbeitgeber abgeschlossenen Dienstvertrages bekanntgegeben und deren unionsrechtlich diskriminierungsfreie Anwendung bestätigt wird. Bei Bedarf kann diese Frage sodann auch im Wege eines Verständigungsverfahrens noch näher untersucht werden."

Mit Vorhalt des wurde die Bw. aufgefordert die behauptete Kostentragung des Lohnaufwandes für die Bw. durch T-Gesellschaft durch geeignete Unterlagen nachzuweisen. Weiters wurde von der Bw. der kroatische Rechtsquellennachweis mit deutscher Übersetzung verlangt, dass in Kroatien beim ausländischen Arbeitskräfteverleih (auch Konzernentsendung) in gleicher Weise wie beim inländischen Arbeitskräfteverleih der Entleiher (Gestellungsnehmer) steuerrechtlich als Arbeitgeber beurteilt werde.

Beiden Nachweisverlangen hat die Bw. nicht entsprochen. In der Vorhaltsantwort vom teilte die Bw. mit, dass ihr Arbeitgeber, die M-Gesellschaft, leider keine Unterlagen über die Kostenweiterbelastung an den ausländischen Entleiher, T-Gesellschaft, vorlegen könne. Rechnungen zur Weiterverrechnung gebe es erst ab dem Jahr 2010. Nachweise hierzu wurden jedoch ebenfalls keine erbracht.

Als Rechtsquellennachweis wurde eine E-Mail vom Sept. 2011 der kroatischen Niederlassung der steuerlichen Vertretung übermittelt mit allgemein gehaltenen Aussagen zum Arbeitsrecht und der Übereinstimmung des kroatischen Steuerrechts mit Art. 15 Abs. 2 des OECD-Musterabkommens.

Über die Berufung wurde erwogen:

Einigkeit besteht, dass die Bw. im Inland ihren ständigen Wohnsitz und Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat und daher in Österreich ansässig und unbeschränkt steuerpflichtig ist. Übereinstimmung besteht auch, dass sich die Bw. im Steuerjahr 2009 nicht länger als 183 Tage (lt. Bw. 46 Tage) auf Grund ihrer Auslandsentsendung in Kroatien aufgehalten hat und auch die übrigen Kriterien des Art. 15 Abs. 2 DBA-Kroatien in der Weise erfüllt sind, dass Österreich als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht an den gesamten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusteht.

Die Bw. wendet allerdings auf Basis unbewiesener Behauptung ein, dass T-Gesellschaft als konzerninterner Personalentleiher den Arbeitslohn für ihre Arbeitsleistung in Kroatien wirtschaftlich getragen habe. Die Lohnkosten seien vom ihrem inländischen Arbeitgeber der kroatischen Konzerngesellschaft weiterverrechnet worden. Da T-Gesellschaft wirtschaftlich den Lohnaufwand zu Lasten seines Unternehmensgewinnes getragen habe, sei der Personalentleiher nach kroatischem Steuerrecht Arbeitgeber und ihr Arbeitslohn in Kroatien einkommensteuerpflichtig. Aus diesem Grunde habe Österreich trotz seines Besteuerungsrechtes nach der 183-Tage-Regel als Ansässigkeitsstaat zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung diese Lohneinkünfte von der Besteuerung freizustellen.

Wie die Bw. zutreffend feststellt, ist die Tatsache der Kostentragung des Lohnaufwandes für ihre Arbeitsleistung während der Entsendung und somit das Faktum der Kostenweiterverrechnung vom ihrem Arbeitgeber an die kroatische Konzerngesellschaft die Grundvoraussetzung für die rechtliche Beurteilung ihrer Einwendung.

Genau dieser Sachverhalt der Kostenverrechnung und Kostentragung ihres Arbeitslohnes wurde von der Bw. - ohne eine plausible Begründung abzugeben - nicht nachgewiesen. Aus dem Umstand, dass ihr Arbeitgeber, ein namhaftes Großunternehmen, über keine Unterlagen einer Kostenweiterbelastung des Arbeitslohnes der Bw. des Jahres 2009 verfügt, muss geschlossen werden, dass eine solche Kostenweiterverrechnung auch nicht erfolgt ist.

Damit steht aber fest, dass im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2009 zu Recht auf Grund des Art. 15 Abs. 1 und 2 DBA-Kroatien ihre gesamten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zur Bemessungsgrundlage herangezogen wurden. Eine Auseinandersetzung mit den rechtlichen Einwendungen der Bw. muss unterbleiben und wäre nur Rechtstheorie, weil schon die Sachverhaltsvoraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Zudem wurde von der Bw. auch der notwendige Rechtsquellennachweis nicht erbracht, dass nach kroatischem Steuerrecht bei ausländischer Personalentsendung - in der Art und Weise wie sie im gegenständlichen Fall vorgelegen ist (offenbar keine Vertragsbeziehung zum Entleiher, keine Direktzahlung des Lohnes durch den Entleiher, usw.) - ebenso wie bei inländischer Personalentsendung der Entleiher als Arbeitgeber zu beurteilen ist und daran die Lohnsteuerpflicht anknüpft.

Auf Grund der Aktenlage kann nicht einmal gänzliche ausgeschlossen werden, dass die Bw. sogar von beiden Gesellschaften, nämlich von ihrem inländischen Arbeitgeber und vom kroatischen Entleiher während der Entsendung direkt Lohnzahlungen erhalten hat. Die im kroatischen Steuerbescheid nachgewiesenen Einkünfte der Bw. also von der kroatischen Gesellschaft stammen, für jene Arbeitsleistungen, die in ihrem Interesse erfolgt sind und die Bezüge des Inlandsarbeitgebers der Bw. zusätzlich zugeflossen sind.

Diese denkbare Sachverhaltsannahme wird vom UFS im Hinblick auf das im mittleren Management nach allgemeiner Lebenserfahrung bestehende Lohnniveau für nicht sehr wahrscheinlich erachtet. Weitere Ermittlungen waren daher im Rechtsmittelverfahren entbehrlich und nicht verwaltungsökonomisch. Es ist zudem nicht ausgeschlossen, dass von der Abgabenbehörde erster Instanz im Rahmen ihrer Abgabenprüfungskompetenz Erhebungen hierzu angestellten werden.

Der angefochtene Bescheid war somit als rechtmäßig zu beurteilen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Doppelbesteuerung - Einkommen-, Vermögens- u. Ertragssteuern, BGBl. Nr. 101/1978
Zitiert/besprochen in

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at