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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 24.05.2011, RV/0462-L/11

Nahrungsergänzungsmittel Noni als außergewöhnliche Belastung bei Behinderung

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/0462-L/11-RS1
wie RV/0427-G/06-RS2
Aufwendungen für Maßnahmen der Außenseitermedizin sind nicht grundsätzlich von der Berücksichtigung als Kosten einer Behinderung im Rahmen der §§ 34, 35 EStG 1988 ausgeschlossen. Voraussetzung ist aber - neben dem Vorliegen der sonstigen Merkmale von außergewöhnlichen Belastungen -, dass deren medizinische Notwendigenkeit erwiesen wird. Dies erfordert zwar nicht einen wissenschaftlich gesicherten Wirkungsnachweis, wohl aber, dass hinsichtlich der betreffenden Maßnahmen zumindest auf einen gewissen Heilungserfolg in breiten Kreisen der Bevölkerung , d.h. jedenfalls in einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen, verwiesen werden kann, dass also der Erfolg typischer Weise erzielt wird und sich nicht nur auf eine bloß subjektive Besserung der Beschwerden beschränkt. Zumindest müssen die Maßnahmen im konkreten Fall des Antragstellers tatsächlich mit Erfolg angewendet oder der Erfolg aufgrund der bisherigen Erfahrungen wenigstens berechtigt erwartet worden sein. Der Nachweis ist in schlüssiger und eindeutig nachvollziehbarer Weise zu führen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Bw. erzielt Einkünfte aus unselbständiger Arbeit.

In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2009, datiert mit , beantragte die Bw. die Kosten von 5.707,00 € als außergewöhnliche Belastung (KZ 476: nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen) abzusetzen.

Vorgelegt wurde eine Rechnung der Fa. Tahitian Noni International Österreich GmbH, ausgestellt am , mit Versandadresse und Rechnungsanschrift JZ, Produkt TN Juice (4 x 1 Liter) inklusive Versandkosten und einem Gesamtbetrag von 164,45 €.

Mit Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 vom setzte das Finanzamt bei einem Einkommen von 18.854,01 € die Einkommensteuer mit 2.732,31 € an, wobei die "nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen" auf 3.652,27 € reduziert wurden, wobei u.a. die Kosten für das Tahitian Noni Juice (Vitamingetränk) iHv. gesamt 1.973,40 € als außergewöhnliche Belastung nicht anerkannt wurden.

Die Bw. erhob am Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 und beantragte die Berücksichtigung der Kosten für das Tahitian Noni Juice als außergewöhnliche Belastung. Für die Behandlung und Heilung der Leukämie trage das Noni Juice sehr viel bei. Es sei erwiesen, dass die tropische Frucht Noni durch eine Vielfalt therapeutische Wirkungen dem Körper helfen könne sich selbst zu heilen.

Am richtete das Finanzamt folgenden Vorhalt an die Bw.:

"Legen Sie eine ärztliche Bestätigung vor, dass das Vitamingetränk "Tahitian Noni Juice" therapeutisch notwendig war.
Hat die OöGKK dafür Ersätze geleistet?
Wenn ja, legen Sie eine Bestätigung über die geleisteten Ersätze vor."

Der Vorhalt wurde nicht beantwortet.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass trotz Aufforderung keine Bestätigung vorgelegt worden sei, dass das Vitamingetränk "Tahitian Noni Juice" therapeutisch notwendig gewesen sei. Auch habe die OöGKK keine Ersätze geleistet. Die beantragten Kosten könnten daher nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Die Bw. erhob am "Berufung" gegen den Einkommensteuerbescheid 2009, da für die Behandlung und Heilung der Leukämie das Noni Juice sehr wichtig sei. Es sei erwiesen, dass die tropische Frucht Noni durch eine Vielfalt therapeutischer Wirkungen dem Körper helfe sich selbst zu heilen.

Die Referentin richtete am folgenden Vorhalt an die Bw.:

"Im Akt befindet sich beiliegende Rechnung vom , mit der Ihrem Ehegatten JZ 164,45 € zur Zahlung vorgeschrieben wurden.

1) Gibt es noch andere Rechnungen das Jahr 2009 betreffend? Um Vorlage wird ersucht

2) Als Rechnungs- und Lieferadresse scheint Ihr Ehegatte JZ auf. Es hat daher den Anschein, dass der Ehegatte die Kosten für das Noni Vitamingetränk übernommen hat.
Falls das nicht der Fall sein sollte, weisen Sie bitte nach, dass Sie die Überweisungen von Ihrem Konto getätigt haben.

3) Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung einer außergewöhnlichen Belastung obliegt in erster Linie der Partei (Doralt, Kommentar zur Einkommensteuer, Tz. 7 zu § 34).
Sie behaupten in Ihrer Berufung, dass Noni Vitamingetränk sehr viel zur Behandlung und Heilung Ihrer Leukämie beiträgt.
Für die steuerliche Berücksichtigung der Kosten für das Vitamingetränk Noni als außergewöhnliche Belastung ist es unbedingt erforderlich, dass Sie den Nachweis für positive Erfahrungen vom Nahrungsergänzungsmittel Noni in Bezug auf das Krankheitsbild Krebs erbringen.Sie werden daher nochmals aufgefordert, den Nachweis zu erbringen. Ansonsten können die Kosten leider nicht berücksichtigt werden."

Der Vorhalt blieb trotz Verlängerung der Frist bis zum unbeantwortet.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988, BGBl.Nr. 400/1988 in der anzuwendenden Fassung, sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einem Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 iVm. Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen von höchstens € 7.300,00 6 %, mehr als € 7.300,00 bis € 14.600,00 8 %, mehr als € 14.600,00 bis € 36.400,00 10 %, mehr als € 36.400,00 12 %. Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt, wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht und für jedes weitere Kind (§ 106).

Die in § 34 Abs. 6 EStG 1988 und § 35 Abs. 7 EStG 1988 vom Gesetzgeber normierten Verordnungsermächtigungen berechtigen den Bundesminister für Finanzen die gesetzlichen Bestimmungen § 34 EStG 1988 und § 35 EStG 1988 im Hinblick auf behinderte Personen durch Verordnung näher zu konkretisieren.

Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigungen wurde die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. 1996/303 idF BGBl.II 1998/91 idF BGBl. II 2001/416, erlassen. Der für den gegenständlichen Fall relevante Inhalt dieser Verordnung ist folgender:

Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen sind, wenn der Steuerpflichtige u.a. Aufwendungen durch eine eigene körperliche Behinderung hat, die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen liegt eine Behinderung vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25 % beträgt.

Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Strittig ist, ob die Bw. mit dem Krankheitsbild Leukämie die Kosten für das Vitamingetränk Noni von gesamt 1.973,40 € als außergewöhnliche Belastung absetzen kann oder nicht.

Voraussetzung für die Absetzbarkeit dieser Kosten sind die allgemeinen Anforderungen an außergewöhnliche Belastungen wie Außergewöhnlichkeit (§ 34 Abs. 2 EStG 1988) und Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs. 3 EStG 1988).

Bei der Überprüfung der Zwangläufigkeit des Anfalls der Kosten kommt im gegenständlichen Fall in Betracht, dass sich die Bw. den Kosten aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen hat können.

Bei Krankheitskosten liegt das Merkmal der Zwangsläufigkeit grundsätzlich vor.

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in seiner Judikatur nur die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbundenen Kosten als zwangsläufig an. Aufwendungen, die lediglich auf eine Verbesserung des Allgemeinzustandes abzielen, sind davon nicht erfasst, selbst wenn sich die betreffende Maßnahme auf den Verlauf einer konkreten Krankheit positiv auswirken kann (E , 95/15/0018).

Aber auch Kosten für Mittel bzw. Behandlungsformen aus dem Bereich der Alternativmedizin können Kosten der Heilbehandlung und damit eine außergewöhnliche Belastung darstellen, jedenfalls wenn diese Aufwendungen medizinisch indiziert sind, also solche, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit vorgenommen wurden (vgl. BFH , III R 84/96).

Maßnahmen der Außenseitermedizin sind - neben dem Vorliegen der sonstigen Merkmale von außergewöhnlichen Belastungen - dann als Heilbehandlung iSd. § 4 der Verordnung des Bundesministers für außergewöhnliche Belastungen absetzbar, wenn ihre medizinische Notwendigkeit nachgewiesen wird. Dies erfordert keinen wissenschaftlich gesicherten Nachweis, wohl aber, dass hinsichtlich der betreffenden Maßnahmen zumindest auf einen gewissen Heilungserfolg in breiten Kreisen der Bevölkerung, d.h. jedenfalls in einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen, verwiesen werden kann, dass also der Erfolg typischerweise erzielt wird und sich nicht nur auf eine bloß subjektive Besserung der Beschwerden beschränkt ( RV/0427-G/06).

Der Nachweis oder die Glaubhaftmachung obliegt in erster Linie der Partei ().

Die Wirkungsweise des Vitamingetränks Noni muss in Hinblick auf das konkrete Krankheitsbild hinreichend nachgewiesen werden.

Zu Noni-Produkten, einer indischen Baumfrucht, vermerkt die Internet-Enzyklopädie Wikipedia (http:// de.wikipedia.org), dass es keine wissenschaftlich gesicherten Belege über deren Wirkungsweise gäbe. In einem im Dezember 2002 veröffentlichen Schreiben halte das wissenschaftliche Gremium für Lebensmittel der EU Noni-Saft in den angebotenen Mengen zwar für akzeptabel, halte allerdings auch fest, dass die Angaben und Informationen über Noni keinerlei Beweise für eine gesundheitsfördernde Wirkung von "Noni-Saft" liefern, die über diejenigen von anderen Fruchtsäften hinausgehen.

Die Bw. wurde mit Schreiben vom nochmals ersucht, den Nachweis für positive Erfahrungen vom Nahrungsergänzungsmittel Noni in Bezug auf das Krankheitsbild Krebs zu erbringen. Der Vorhalt blieb aber unbeantwortet.

Auch die Bw. konnte nicht nachweisen, dass sie durch die Einnahme des Vitamingetränks Noni aufgrund bisheriger Erfahrungsberichte berechtigt erwarten durfte, ihre Leukämie zu heilen oder zu lindern.

Da die Kosten für das Vitamingetränk Noni in Hinblick auf Heilung und Linderung der Leukämie nicht zwangsläufig iSd. § 34 Abs. 3 EStG 1988 angefallen sind, stellen diese keine außergewöhnliche Belastung dar und sind einkommensteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen (ebenso RV/0427-G/06).

Es kann dahingestellt bleiben, zu überprüfen, ob das Krankheitsbild Leukämie bei der Bw. zu einer mindestens 25 %igen Minderung der Erwerbstätigkeit (§ 1 Abs. 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen) geführt hat.

2) Vorgelegt wurde lediglich eine Rechnung, ausgestellt am , mit Versandadresse und Rechnungsanschrift JZ (= Ehegatte der Bw.) und einem Rechnungsbetrag von 164,45 € für die Lieferung von Noni Juice, nicht aber der Überweisungsbeleg dazu.

Dem äußerem Anschein nach hat der Ehegatte JZ die Rechnung beglichen.

Die Bw. kann den strittigen Betrag von 1.973,40 € nur dann einkommensmindernd geltend machen, wenn ihr Einkommen im Berufungsjahr 2009 tatsächlich mit diesem Betrag belastet worden ist. Nachweispflichtig ist die Bw..

Der Bw. wurde die Gelegenheit eingeräumt, den Abfluss des Geldes von ihrem Konto belegmäßig nachzuweisen. Sie ist diesem Ansinnen aber nicht nachgekommen.

Da die Bw. die Belastung ihres Einkommens im Berufungsjahr mit 1.973,40 € zur Gänze nicht nachgewiesen hat, ist dieser Betrag auch aus diesem Grund nicht als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG 1988 iVm. § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen absetzbar.

Aus den oben angeführten Gründen war der Berufung der Erfolg zu versagen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung
Behinderung
Leukämie
Vitamingetränk
Noni
Verweise
BFH , III R 84/96
RV/0427-G/06
Zitiert/besprochen in

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at