Konventionalstrafe als Werbungskosten
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Einkommensteuer 2005 sowie vom gegen den Bescheid vom betreffend Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2006 gemäß § 299 BAO und Einkommensteuer 2006 entschieden:
Der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide werden abgeändert.
Die Berufung gegen den Aufhebungsbescheid wird abgewiesen.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Nachdem die Berufungswerberin (Bw) zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert worden war, brachte sie am eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 ein, in der lediglich Fachliteratur (220 Euro) und Fortbildungskosten (378 Euro) erklärt wurden. Dieser lag ein Schreiben ihres ehemaligen Dienstgebers bei, dem zufolge eine Konventionalstrafe gemäß § 28 Angestelltengesetz (AngG) in Höhe von 7.094,85 Euro in Rechnung gestellt werde, weshalb der aus der Endabrechnung der Bw resultierende Betrag von 1.788,71 Euro einbehalten werde. Laut ebenso beiliegender Arbeitsbescheinigung endete das Dienstverhältnis mit fristloser Entlassung gemäß § 27 AngG.
Mit Bescheid vom erfolgte unter Berücksichtigung der vorliegenden Lohnzettel eine erklärungsgemäße Veranlagung zur Einkommensteuer 2005. Mit einem als "Einspruch" bezeichneten Schriftsatz erhebt die Bw dagegen fristgerecht Berufung und erklärt, sie habe nie Bezüge in der laut Lohnzettel ausgewiesenen Höhe erhalten. Vielmehr seien nach Ende März entstandene Ansprüche vom Dienstgeber einbehalten worden, wie aus dem Schreiben hervorgehe, das sie schon der Einkommensteuererklärung beigelegt habe.
Nach Telefonaten und Mailverkehr zwischen Finanzamt und Bw legt diese am einen Vergleich zwischen ihr und ihrem ehemaligen Dienstgeber vor, in dem sie sich verpflichtet habe, 6.000 Euro in zehn Monatsraten beginnend mit zu zahlen. Dieser Betrag war im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2006 als außergewöhnliche Belastung (§ 34 EStG) berücksichtigt.
Am erließ das Finanzamt eine abweisende Berufungsvorentscheidung über die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2005. Begründend führt das Finanzamt aus, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien gemäß § 2 EStG dem Dienstnehmer ungeachtet einer (zivilrechtlichen) Mittelverwendung in voller Höhe des entstandenen Anspruches zuzurechnen (Quantschnigg/Schuch, ESt-HB, § 2 Rz 48). Die erfolgte Gegenverrechnung stelle daher eine einkommensteuerlich unbeachtliche Mittelverwendung dar.
Weiters wurde am selben Tag der Einkommensteuerbescheid 2006 gemäß § 299 BAO aufgehoben und ohne Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung von 6.000 Euro ein neuer Einkommensteuerbescheid 2006 erlassen. Prozesskosten oder geleisteter Schadenersatz seien keine außergewöhnliche Belastung iSd § 34 EStG, wenn die Prozessführung lediglich eine Verhaltensfolge darstelle bzw. die Schadenersatzzahlungen die Folge eines freiwillig gesetzten (schuldhaften) Verhaltens seien.
Mittels eingeschriebenen Briefes vom , der als "Einspruch" bezeichnet wird, bringt die Bw vor: Betreffend die 2005 aus ihrer Sicht zu Unrecht einbehaltenen Beträge sei es nie zur Forderung einer Konventionalstrafe gekommen, ihr ehemaliger Dienstgeber sei verpflichtet gewesen, die Summe auszubezahlen oder den Lohnzettel zu korrigieren. Die 2006 strittigen Beträge stünden in keinem Zusammenhang mit der vertraglich vereinbarten Konventionalstrafe, aus den vorgelegten Dokumenten gehe hervor, dass von ihr kein verschuldetes oder grob fahrlässiges Verhalten ausgegangen sei. Seitens des Finanzamtes sei ihr bei Erstellung des "Einkommensteuerdokuments" erklärt worden, sie solle die Kosten als außergewöhnliche Belastung oder Werbungskosten absetzen.
Auf Nachfrage des Referenten gibt die Bw weiters in persönlicher Vorsprache an: "Ursprünglich wollte ich eine einvernehmliche Kündigung. Nachdem ich im alten Abfertigungssystem war, wollte sich [Dienstgeber] Kosten ersparen und hat mich - wie andere Dienstnehmer damals auch systematisch - fristlos entlassen. Die dagegen angestrengten Prozesse sind leider im Sand verlaufen. Mangels Rechtsschutzversicherung für derartige Belange konnte ich mir die Fortsetzung des Rechtsstreites gegen meine fristlose Entlassung nicht leisten. Daher habe ich über die Konventionalstrafe und die angefallenen Prozesskosten dem vorliegenden Vergleich über 6.000 Euro zugestimmt. Die Monatsraten habe ich vereinbarungsgemäß geleistet. Leider hat mein Anwalt vergessen, auch die von [Dienstgeber] nicht ausbezahlten und bereits vorab mit der Konventionalstrafe gegengerechnete Gehaltsgutschrift von 1.788,71 Euro in den Vergleich mit einzubeziehen, weshalb ich diese nicht zurück erhalten oder auf die Vergleichssumme angerechnet bekommen habe."
Das Finanzamt nimmt dazu dahingehend Stellung, dass sehr wohl eine Konventionalstrafe vorliege, weshalb die Berufung abzuweisen sei.
Über die Berufung wurde erwogen:
Die Bw wurde im Jahr 2005 von ihrem damaligen Arbeitgeber fristlos entlassen. Aufgrund der dienstvertraglichen Vereinbarung stellte der Dienstgeber der Bw eine Konventionalstrafe in Höhe von 7.094,85 Euro in Rechnung. Offene Gehaltsforderungen der Bw in Höhe von 1.788,71 Euro wurden vom Dienstgeber der Lohnsteuer unterzogen und auf ihre Verbindlichkeit die Konventionalstrafe betreffend angerechnet. Der von der Bw gegen die fristlose Entlassung und die Konventionalstrafe angestrengte Prozess mündete in einem Vergleich, mit dem sie sich verpflichtete, 6.000 Euro in zehn Monatsraten, beginnend mit November 2005 an den ehemaligen Dienstgeber zu zahlen.
Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen (§ 16 Abs 1 EStG). Trotz des finalen Wortlautes sind Werbungskosten wie Betriebsausgaben kausal zu sehen (Zorn in Hofstätter/Reichel, EStG, § 16 Tz 2; Doralt, EStG13, § 16 Tz 3; Jakom/Lenneis, EStG, 2012, § 16 Tz 2). Entscheidend ist die berufliche Veranlassung, der Zusammenhang mit der Einkunftsquelle ().
Gemäß § 28 Abs 1 AngG steht dem Dienstgeber ein Anspruch auf Schadenersatz zu, wenn den Angestellten ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft. In der dem Finanzamtsakt inneliegenden UFS-Entscheidung vom , RV/0943-S/02, heißt es:
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgeführt, dass auch Schadenersatzleistungen, die auf ein Fehlverhalten des Betriebsinhabers bzw. des Steuerpflichtigen zurückzuführen sind, Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten sein können. Voraussetzung ist aber, dass das Fehlverhalten und die sich daraus ergebenden Folgen der betrieblichen (beruflichen) Sphäre zuzuordnen sind. Das wird in der Regel dann der Fall sein, wenn der Betriebsinhaber (Steuerpflichtige) in Ausübung seiner betrieblichen (beruflichen) Tätigkeit aus Versehen oder einem sonstigen ungewollten Verhalten einen Schaden verursacht. In solchen Fällen ist zwar das Fehlverhalten an sich nicht durch den Betrieb (Beruf) veranlasst, es tritt aber als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem Betriebszweck (Beruf) derart in den Hintergrund, dass es bei einer notwendigen Gesamtbetrachtung des betrieblichen Geschehens (Berufes) von diesem mit umfasst wird ( sowie vgl. die Erkenntnisse vom , 92/15/0171; , 93/14/0030; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 4 Rz 39 Stichwort: "Schadenersatzleistungen").
Eine im voraus vereinbarte Konventionalstrafe stellt einen pauschalierten Schadenersatz dar. Daher kommt einer Konventionalstrafe kein Strafcharakter zu, sie ist als Betriebsausgabe bzw. Werbungskosten abziehbar (Doralt, EStG11, § 4 Tz 261, mit Verweis auf EStR 2000 Rz 1649).
Das Finanzamt hat in seiner Berufungsvorentscheidung für das Jahr 2005 die Rechtslage verkannt, indem es zwar den Lohnsteuerabzug für das offene Gehaltsguthaben der Bw als richtig befunden hat, die Gegenrechnung mit einem Teil der Konventionalstrafe in der Bescheidbegründung aber ohne weitere Auseinandersetzung mit dem Charakter der Konventionalstrafe als Einkommensverwendung abgetan hat. Ebenso hat das Finanzamt die Rechtslage im Einkommensteuerbescheid 2006 verkannt, wenn es lediglich den Charakter der Ratenzahlungen als außergewöhnliche Belastung verneint hat, ohne sich im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht mit dem tatsächlichen Rechtssubstrat des Sachverhaltes auseinanderzusetzen.
Im vorliegenden Fall liegt die berufliche Veranlassung sowohl des Aufwandes von 1.788,71 Euro durch Gegenrechnung mit dem Gehaltsguthaben 2005, als auch der von November 2005 bis August 2006 gezahlten Raten zu je 600 Euro auf der Hand. Beides hängt mit der vereinbarten Konventionalstrafe und damit ursächlich mit dem Dienstverhältnis der Bw zu [Dienstgeber] zusammen.
Die Rechtsmittelbehörde schenkt den Ausführungen der Bw Glauben, es habe sich um eine grundlose fristlose Entlassung gehandelt, mit der sich der Dienstgeber die Abfertigungskosten ersparen wollte, einkalkulierend, dass ein nicht rechtsschutzversicherter Dienstnehmer sich den langwierigen Rechtsstreit nicht leisten kann. Das vom Finanzamt angenommene zumindest grob fahrlässige Verhalten der Bw wird somit verneint. Das von der Bw gesetzte Verhalten war somit geeignet, die ertragsteuerliche Abziehbarkeit der Konventionalstrafe zu begründen (vgl. das obige Zitat aus UFS, , RV/0943-S/02). Allerdings lässt schon die bloße Ausgestaltung des Zahlungsanspruches als Konventionalstrafe für sich alleine den Werbungskostenabzug zu (vgl. Doralt, EStG11, § 4 Tz 261).
Nach den obigen Ausführungen sind somit im Jahr 2005 1.788,71 Euro sowie die Raten aus November und Dezember (1.200 Euro) als Werbungskosten anzuerkennen (in Summe 2.988,71 Euro), im Jahr 2006 die restlichen acht Raten (4.800 Euro). Die zeitliche Zuordnung richtet sich nach dem Zahlungsfluss (§ 19 Abs 2 EStG)
Soweit die Berufung auch gegen den Bescheid gemäß § 299 BAO gerichtet war, mit dem der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 2006 aufgehoben worden ist, war sie abzuweisen. Im aufgehobenen Bescheid waren die Werbungskosten darstellenden Ratenzahlungen fälschlich als außergewöhnliche Belastungen (§ 34 EStG) behandelt worden und zur Gänze im Jahr 2006 berücksichtigt worden, obwohl sie teilweise schon 2005 abgeflossen sind. Der Spruch des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides erwies sich somit als nicht richtig (§ 299 Abs 1 BAO), die Aufhebung erfolgte zu Recht.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 2 Berechnungsblätter
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 28 AngG, Angestelltengesetz, BGBl. Nr. 292/1921 § 27 AngG, Angestelltengesetz, BGBl. Nr. 292/1921 § 28 Abs. 1 AngG, Angestelltengesetz, BGBl. Nr. 292/1921 § 299 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | StExp 2013/135 ARD 6339/7/2013 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at