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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 12.10.2006, RV/0610-G/05

Vorsteuererstattungsverfahren - Vorlage von Rechnungskopien

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0610-G/05-RS1
Werden dem Vorsteuererstattungsantrag lediglich Rechnungskopien beigefügt, da die Originalrechnungen nach der elektronischen Archivierung vernichtet worden sind, mangelt es an der zwingenden Anspruchsvoraussetzung des § 3 Abs. 1 letzter Satz der VO BGBl. Nr. 279/1995. Nach (Societe general) ist der Nachweis des Erstattungsanspruches durch Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung neben weiteren Voraussetzungen nur zulässig, wenn das Abhandenkommen der Rechnung vom Antragsteller nicht zu vertreten ist.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Herstellung und Vertrieb von Fahrzeugheizungen, D., vertreten durch Ernst & Young Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei, 1220 Wien, Wagramer Straße 19, IZD-Tower, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2003 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) hat dem Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer (U 5) für den Vergütungszeitraum Jänner bis Dezember 2003 die Rechnungen mit folgender Begründung nicht im Original sondern in Kopie beigeschlossen:

Die Belege würden mit Genehmigung der deutschen Finanzbehörde elektronisch archiviert. Auf Grund der ordnungsgemäßen elektronischen Archivierung sei der Nachweis gegeben, dass die Rechnungen ursprünglich im Originalzustand vorhanden gewesen seien, was nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/13/0279, für den Vorsteuerabzug genüge. Nach der RZ 1840 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 dürften die Vorsteuern entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes geschätzt werden, wenn als erwiesen angenommen werden könne, dass dem Unternehmer Rechnungen im Sinne des § 11 UStG 1994 ausgestellt worden sind.

Das Finanzamt hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, dass eine Erstattung der Vorsteuern nach § 3 Abs. 1 der Verordnung des BM Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995, grundsätzlich nur bei Vorlage der Originalbelege möglich sei.

Die dagegen eingebrachte Berufung wurde von der Bw. folgendermaßen begründet:

Auf Grund der ordnungsgemäßen elektronischen Archivierung sei der Nachweis gegeben, dass die Rechnungen ursprünglich im Originalzustand vorhanden gewesen sind. Dies sei gemäß der RZ 1559 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 die Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Demnach sei, wenn Rechnungen nicht mehr vorhanden seien (aber vorhanden gewesen wären) ein anderer Beweis zulässig. So könne dieser Beweis erbracht werden, wenn die mittels Scanner erfassten und urschriftgetreu gespeicherten Rechnungen nicht mehr verändert werden könnten. Ebenso dürften nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () die Vorsteuern geschätzt werden, wenn als erwiesen angenommen werden könne, dass Unternehmerrechnungen im Sinne des § 11 Abs. 1 UStG 1994 ausgestellt worden sind. Darauf werde auch in den Umsatzsteuerrichtlinien 2000 unter RZ 1840 Bezug genommen.

Die abweisende Berufungsvorentscheidung wurde vom Finanzamt im Wesentlichen folgendermaßen begründet:

Das nach der Erstattungsverordnung BGBl. Nr. 279/1995 zwingende Erfordernis der Vorlage von Originalrechnungen werde durch Art. 3 Buchstabe a) der 8. EG-RL untermauert, weshalb die in der Berufungsschrift angeführten Gründe als auch die Genehmigung des elektronischen Archivierungsverfahrens durch die deutsche Finanzbehörde ohne Bedeutung seien.

Im Vorlageantrag hat die Bw. ausgeführt, dass der Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerrecht grundsätzlich nicht nur bei Vorlage der Originalrechnungen, sondern auch durch Beweisführung anderer Art über die Erfüllung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 zulässig sei. Die Beweiskette sei von ihr lückenlos erbracht worden, ausgehend vom Bescheid der deutschen Finanzbehörde für die Aufbewahrung der Belege auf optischen Speicherplatten bis hin zur entsprechenden Vorlage der Dokumente.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß Artikel 3 Buchstabe a) der Achten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (79/1072/EWG), muss ein in Artikel 2 genannter Steuerpflichtiger, der im Inland keine Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, um die Erstattung zu erhalten, bei der in Artikel 9 bezeichneten zuständigen Behörde nach dem in Anhang A angeführten Muster einen Antrag stellen, dem die Originale der Rechnungen oder Einfuhrdokumente beizufügen sind. Die Mitgliedstaaten stellen den Antragstellern eine Erläuterung zur Verfügung, die auf jeden Fall die Mindestinformationen laut Anhang C enthalten muss.

Laut Anhang C Buchstabe H der vorhin zitierten Richtlinie sind dem Antrag die Originale der Rechnungen bzw. Einfuhrdokumente beizufügen, auf denen die Beträge der Mehrwertsteuerbelastung des Antragstellers aufgeführt sind.

Die Verpflichtung, dem Erstattungsantrag die Originalrechnung beizufügen, ergibt sich auch aus Artikel 7 Absatz 3 der Achten Richtlinie, wonach die "zuständige Behörde ... jede Rechnung und jedes Einfuhrdokument mit ihrem Sichtvermerk [versieht], damit diese nicht für einen weiteren Antrag dienen können, und ... sie dem Steuerpflichtigen binnen einem Monat zurück[gibt]".

Zufolge § 3 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung des BM Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995, sind dem Erstattungsantrag die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.

Der EuGH hat im Urteil vom , C-361/96 (Societe general) auf die Vorlagefrage des Finanzgerichtes Köln bezüglich der Auslegung des Art. 3 Buchstabe a) der 8. EG-RL geantwortet, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt sei, in seinem innerstaatlichen Recht die Möglichkeit vorzusehen, dass ein nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger bei von ihm nicht zu vertretendem Abhandenkommen einer Rechnung oder eines Einfuhrdokuments den Nachweis seines Erstattungsanspruches durch Vorlage einer Zweitschrift der Rechnung oder des fraglichen Einfuhrdokuments führt, wenn der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Erstattungsanträge gestellt werden.

Dazu haben Haunold, Tumpel, Widhalm in SWI 1998, 387 in einer Glosse zur österreichischen Rechtslage Nachstehendes festgestellt:

"Nach § 3 Abs. 1 der VO BGBl. Nr. 279/1995 sind für eine Erstattung von Vorsteuern an ausländische Unternehmer ebenfalls die Rechnungen bzw. Belege im Original beizufügen (vgl. dazu ausführlich Haunold-Widhalm, ÖStZ 1995, 235ff). Für inländische Unternehmer kann der Vorsteuerabzug allerdings auch im Schätzungsweg vorgenommen werden, wenn als erwiesen angenommen werden kann, dass dem Unternehmer entsprechende Vorsteuern in Rechnung gestellt wurden [vgl. ; ; vgl. dazu auch Ruppe, UStG-Kommentar (1995), § 12, Tz 48]. In Fällen, in denen ein Unternehmer aus einem anderen Mitgliedstaat eine Rechnung ohne sein Verschulden verliert und die mit dem Sachverhalt, mit dem sich der EuGH im vorliegenden Urteil beschäftigt hat, vergleichbar sind, müsste auf Grund des Diskriminierungsverbotes des Art. 6 EGV eine Schätzung von Vorsteuern entgegen der ausdrücklichen Bestimmung des § 3 Abs. 1 VO BGBl. Nr. 279/1995 ebenfalls möglich sein, sofern das Vorliegen einer Rechnung glaubhaft gemacht werden kann".

Unter Bedachtnahme auf die vorhin dargelegte Rechtslage konnte der Berufung aus nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein:

Da im gegenständlichen Fall die für die Geltendmachung der Vorsteuern im Rahmen des Erstattungsverfahrens grundsätzlich erforderlichen Originalrechnungen nach entsprechender elektronischer Archivierung auf optischen Speicherplatten bewusst vernichtet worden sind, liegt der nach der Auslegung des EuGH im vorhin zitierten Urteil vertretbare außergewöhnliche Ausnahmefall - das Abhandenkommen der Originalrechnung ist vom Steuerpflichtigen nicht zu vertreten - nicht vor (vgl. auch Kolacny-Caganek, UStG 1994, Kurzkommentar, Wien 2005, § 21, Anm 28). Somit erübrigt sich die Prüfung der weiteren vom EuGH geforderten Bedingungen, wonach der dem Erstattungsantrag zugrunde liegende Vorgang zweifelsfrei stattgefunden haben muss und in Anbetracht der Umstände feststehen muss, dass die Gefahr weiterer Erstattungsanträge nicht gegeben ist.

An dieser Beurteilung vermag auch die Tatsache, dass die Archivierung der Originalrechnungen von der deutschen Finanzbehörde genehmigt worden ist, nichts zu ändern. Denn diese sich an den Erfordernissen der 6. EG-RL [vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchstabe a) und Art. 22 Abs. 3 - die Ausübung des Rechtes auf Vorsteuerabzug ist in der Regel an den Besitz der Originalrechnung oder des Dokuments geknüpft, das nach den vom jeweiligen Mitgliedstaat festgelegten Kriterien als an die Stelle der Rechnung tretend betrachtet werden kann] orientierende Genehmigung ist auf Grund der abweichenden Regelung in der 8. EG-RL im Rahmen des Erstattungsverfahrens nicht rechtswirksam. Die Sonderregelung steht im Einklang mit dem Ziel der 8. EG-RL, bestimmte Formen der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung zu bekämpfen und zu verhindern, dass ein nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger die Rechnung oder das Einfuhrdokument für weitere Erstattungsanträge verwenden kann.

Im Übrigen sind auch nach Abschn. 243 Abs. 3 der deutschen Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 dem Vergütungsantrag die Rechnungen und Einfuhrbelege im Original beizufügen. "Kann ein Antragsteller in Einzelfällen den erforderlichen Nachweis der Vorsteuerbeträge nicht durch Vorlage von Originalbelegen erbringen, sind Zweitschriften nur anzuerkennen, wenn der Antragsteller den Verlust der Originalbelege nicht zu vertreten hat, der dem Vergütungsantrag zu Grunde liegende Vorgang stattgefunden hat und keine Gefahr besteht, dass weitere Vergütungsanträge gestellt werden".

Daraus erhellt, dass auch die deutsche Finanzverwaltung im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens unter Bedachtnahme auf die Interpretation durch den EuGH nur in besonderen Ausnahmefällen vom grundsätzlich zwingenden Erfordernis der Vorlage einer Originalrechnung absieht.

Zum Hinweis auf die Randziffern 1559 und 1840 der Umsatzsteuerrichtlinien 2000 ist Folgendes zu bemerken:

Abgesehen davon, dass aus den Umsatzsteuerrichtlinien über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten nicht abgeleitet werden können und diese im Übrigen mangels Publikation im Bundesgesetzblatt keine Rechtsquelle [vgl. Rechtsqualität von Steuerrichtlinien - eine endlose Geschichte ? in SWK 28/2006 (T 099)] darstellen, betreffen die von der Bw. zitierten Randziffern das allgemeine Besteuerungsverfahren, während die Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer im Abschnitt 21.9. unter den Randziffern 2828 bis 2835 behandelt wird.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 3 Abs. 1 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995
Schlagworte
Vorsteuererstattungsverfahren
Originalrechnung
Rechnungskopie
Zweitschrift
elektronische Archivierung
optische Speicherplatte
Rechnung im Original
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2007, 25

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