Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 06.04.2012, RV/0437-G/11

Herabsetzung der Altersgrenze für den FB-Anspruch (Budgetbegleitgesetz 2011)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0437-G/11-RS1
Die Herabsetzung der Altersgrenze für den Anspruch auf Familienbeihilfe liegt laut VfGH im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Wenn das (lange) Studium erst mit dem 20. Lebensjahr begonnen wird, liegt ein Familienbeihilfenanspruch nur bis Vollendung des 24. Lebensjahres bzw. bis zum Inkrafttreten des Budgetbegleitgesetzes 2011, das ist der , vor.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Herrn X in XY, vom , gerichtet gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Gewährung der Familienbeihilfe für die Tochter des Berufungswerbers wurde vom Finanzamt Graz-Umgebung festgestellt, dass die Familienbeihilfe ab Juli 2011 nicht mehr zusteht.

Das Finanzamt erließ am einen Abweisungsbescheid unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 FLAG und das Budgetbegleitgesetz 2011, mit dem die Begriffe "26. Lebensjahr und 27. Lebensjahr" durch die Begriffe "24. Lebensjahr und 25. Lebensjahr" ersetzt wurden.

Mit Schreiben vom legte der Berufungswerber das Rechtsmittel der Berufung ein und begründete es wie folgt:

Die Ablehnung der Weitergewährung der Familienbeihilfe für meine Tochter NameTochter ist einerseits ein Eingriff in "wohlerworbene Rechte" der Familien und andererseits ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und ist somit verfassungswidrig.

NameTochter studiert seit Herbst 2007 das Fach "Architektur", davor absolvierte sie die berufsbildende HLW YZ wie vorgesehen in der Mindestzeit von 5 Jahren, somit um 1 Jahr länger. Dadurch erfolgt eine Kürzung der Familienbeihilfe um 1 Jahr gegenüber AHS - Maturanten! Durch die Änderung des Bundesgesetzblattes BGBL. I Nr. 111/2010 Art 135 wird rückwirkend der Anspruch geändert. Es wurden keinerlei Korrekturen der Rahmenbedingungen vorgenommen wodurch der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in nachfolgend angeführten Punkten gegeben und somit verfassungswidrig ist:

Die Anspruchsdauer der Familienbeihilfe wird in Abhängigkeit vona) Geburtsmonat (damit verbunden Schulbeginn mit 6 oder 7 Jahren)b) gewähltem Schultyp (AHS oder BHS)c) Geschlechtd) Absolvierung der allgemeinen Wehrpflicht

der Bezug der Familienbeihilfe bis zu 2 Jahren differenzieren kann. Dies entspricht absolut dem Gleichheitsgrundsatz der Europäischen Union.

Durch die rückwirkende Änderung wird NameTochter, welche nach der Matura zwecks Festigung ihrer Englischkenntnisse für 8 Monate nach England ging, nach dem neuen Gesetz der Anspruch der Familienbeihilfe um ein weiteres Jahr (Mindeststudiendauer 5 Jahre) nicht gewährt weil sie nicht mit 19 Jahren mit dem Studium begonnen hat!Außerdem wurde in dieser Zeit keine Familienbeihilfe ausbezahlt. Hätte diese Regelung schon immer bestanden, wäre NameTochter sicher nicht vor dem Studium nach England gegangen.

..... Das widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz und ist verfassungswidrig!

Deswegen erwarte ich eine Weitergewährung der Familienbeihilfe für meine Tochter Vorname ab Juli 2011.

Mit Bericht vom (ohne Datum), eingelangt am , legte das Finanzamt Graz-Umgebung die Berufung aus verwaltungsökonomischen Gründen, ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung, dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß,

c) für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen,

d) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird,

e) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird,

f) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG vorgesehenen Studiendauer,

h) für volljährige Kinder, die erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

i) für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

j) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

k) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und die sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer.

Im gegenständlichen Fall liegt laut Aktenlage folgender Sachverhalt vor:

Die Tochter des Berufungswerbers hat das Studium Architektur (F 600) erst in dem Kalenderjahr, in dem sie das 20. Lebensjahr vollendet hat, begonnen. Zuvor war sie laut eigenen Angaben für 8 Monate in England um ihre Englischkenntnisse zu festigen.

Rechtlich folgt daraus:

Festgehalten sei zunächst, dass die sublit aa) bis cc) des § 2 Abs. 1 lit. j FLAG 1967 durch "und" verbunden sind. Dies bedeutet somit, dass die darin normierten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.

Die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu BGBl. I 111/2010 führen hierzu aus:

"Die Familienbeihilfe soll nach dem Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich nur bis zum Abschluss einer Berufsausbildung gewährt werden. Durch Änderungen des Studienrechts in den letzten Jahren, zu denen nicht zuletzt die Einführung des Bachelor-Studiums an Fachhochschulen und in den meisten der an österreichischen Universitäten angebotenen Studienrichtungen zählt, wird die Selbsterhaltungsfähigkeit nunmehr in der Regel bereits nach sechs Semestern (Mindeststudiendauer) erreicht. Im Gleichklang mit diesen studienrechtlichen Änderungen führt die Herabsetzung der Altersobergrenze für den Bezug der Familienbeihilfe grundsätzlich vom abgeschlossenen 26. auf das abgeschlossene 24. Lebensjahr nicht zu einer Verschlechterung der Möglichkeit der Studierenden, ein Studium in jenem Zeitraum, für den Familienbeihilfe gewährt wird, erfolgreich abzuschließen...

Für Mütter bzw. Schwangere sowie für Personen, die den Präsenz-, Zivil- oder Ausbildungsdienst absolvieren bzw. absolviert haben und für erheblich behinderte Kinder, die sich in Berufsausbildung befinden, wird die Altersgrenze - analog zur bisherigen Rechtslage - mit der Vollendung des 25. Lebensjahres festgelegt.

Ergänzend zu diesen Verlängerungsgründen wird auch die besondere Situation bei Studierenden berücksichtigt, deren Studium mindestens zehn Semester dauert. Des Weiteren wird auch eine Ausnahmeregelung für jene Personen aufgenommen, die vor dem Studium eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle ausgeübt haben. Bei den genannten Personenkreisen wird demzufolge bei der Altersgrenze ebenfalls auf die Vollendung des 25. Lebensjahres abgestellt..."

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl I 111/2011) traten die o.a. Änderungen mit in Kraft. Diese wirkten sich für den Berufungswerber insoweit aus, als kein Anspruchstatbestand mehr zur Gewährung der Familienbeihilfe für die Tochter gegeben war.

Der Berufungswerber erachtet sich dadurch beschwert, dass die Ablehnung der Weitergewährung der Familienbeihilfe für seine Tochter ein Eingriff in "wohlerworbene Rechte" der Familien und andererseits ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellt und somit verfassungswidrig sei.

Der Einwand des Berufungswerbers führt bedauerlicherweise nicht zum Erfolg. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , G 6/2011 zum Vertrauensschutz folgendes festgehalten:

In ständiger Rechtsprechung vertritt der VfGH die Auffassung, dass auf das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl. VfSlg. 16.687/2002). Vielmehr bleibt es dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtpolitischen Gestaltungsspielraumes unbenommen, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zB Vfslg. 18.010/2006 mwN). Nur unter besonderen Umständen muss den Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen (Vgl. VfSlg. 13.657/1993, 15.373/1998, 16.754/2002 mnN).

Solche Umstände liegen hier nicht vor. Weder handelt es sich im vorliegenden Fall um die Kürzung von beitragsfinanzierten Anwartschaften, die einen Versorgungszweck erfüllen, noch hat der Gesetzgeber den Normunterworfenen im Hinblick auf eine Begünstigung zu besonderen Aufwendungen oder Dispositionen veranlasst. Es geht vielmehr um abgabenfinanzierte Transferleistungen, bei denen ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf unveränderten Fortbestand nicht besteht.

Auch ein verfassungsrechtliches Gebot, diesen Anspruch bis zu einer bestimmten Altersgrenze vorzusehen, ist nicht anzunehmen. Es liegt vielmehr im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Altersgrenze, bis zu der ein Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich eingeräumt wird, nach Maßgabe familienpolitischer Zielsetzungen und budgetärer Bedeckungsmöglichkeiten hinaufzusetzen oder auch wieder herabzusetzen, sofern er dabei sachlich vorgeht.

Vor diesem Hintergrund kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, dass der Gesetzgeber mit der Herabsetzung der Altersgrenze für den Anspruch auf Familienbeihilfe - wie immer diese familienpolitisch zu beurteilen sein mag - den ihm nach der hg. Judikatur zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten hat.

Über die Berufung war daher wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at