Verspachteln von Gipskartonplatten durch polnischen Staatsbürger: Selbständige oder unselbständige Tätigkeit?
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des D P L, 1120 Wien, S-Gasse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf, vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum bis entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (=Bw.), ein polnischer Staatsbürger, beantragte im Juni 2007 für seine beiden bei ihrer Mutter in Polen lebenden minderjährigen Töchter "Familienbeihilfe/Ausgleichszulage für die Jahre 2005 und 2006". Er bezeichnete sich "seit 6/2005" als selbständig. Seit ist er in Wien hauptgemeldet. Seit Mitte Juni 2005 verfügt er über über folgende Gewerbeberechtigungen:
Montage von mobilen Trennwänden durch Verschrauben fertig bezogener Profilteile oder Systemwände mit Anschlusskabeln, die in einfacher Technik ohne statische Funktion Räume variabel unterteilen.
Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten unter Ausschluss jeder einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit.
Laut einem aktenkundigen Versicherungsdatenauszug war der Bw. von bis als gewerbl. selbständig Erwerbstätiger gemeldet. Ab bis laufend ist er als Arbeiter bei einer Wiener Trockenbaufirma beschäftigt.
In den Akten liegt ein Strafantrag des Zollamtes Wien vom an das zuständige Magistratische Bezirksamt gegen zwei namentlich genannte Tatverdächtigte wegen einer "Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes" auf.
Aus dem Strafantrag ergibt sich Folgendes:
"Die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erfolgte durch eine Erhebung am gegen 8:00 Uhr in 1220 Wien, X-Platz (Baustelle) durch den Leiter der Amtshandlung Z und die Erhebungsorgane: R..
Bei der durchgeführten Kontrolle der oben angeführten Baustelle wurden die polnischen Staatsbürger Dy W, Dy Wz, L D und L Zw beim Abladen von Rigipsplatten von einem LKW angetroffen. Weiters wurde beobachtet, wie sie die Platten und Aluschienen transportierten. Diese Wahrnehmungen wurden von den SEG Kontrollorganen Z. und R. (FA 21.u. 22. Bez.) gemacht.
Alle vier Arbeiter trugen Arbeitskleidung der Fa. Pg & Partner. Die o.a. poln. Staatsbürger sind zwar Gewerbeinhaber, aber die ausgestellten Gewerbescheine berechtigen sie nur zum Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten. Die von ihnen durchgeführten Tätigkeiten sind daher ein Verstoß gegen das AuslBG, da keine arbeitsrechtlichen Bewilligungen vorliegen.
In der Folge wurden die Personalien, die ausgeübte Tätigkeit, die Dauer der Beschäftigung sowie die Entlohnung der angetroffenen poln. Staatsbürger, unter anderem des Bw. angeführt. Unter ausgeübte Tätigkeit wurden beim Bw. Abladen von Rigipsplatten von einem LKW; Transport von Platten und Alu-Schienen, unter Dauer der Beschäftigung: am "8 Stunden" und unter Entlohnung "€ 2,00 pro m²" angeführt.
In der Folge wurden gegen die Verantwortlichen der Auftraggeberin/Dienstgeberin der 4 angetroffenen polnischen Staatsbürger Strafen auf Grund des festgestellten Verstoßes gegen die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verhängt. Die Verantwortlichen der Auftraggeberin/Dienstgeberin erhoben Berufung. Das Finanzamt beschaffte eine Kopie des Verhandlungsprotokolls über die vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien am stattgefundene mündliche Berufungsverhandlung, zu der auch der Bw. als Zeuge geladen war aber nicht erschienen ist.
Folgende sachverhaltsrelevante Aussagen wurden festgehalten:
Zeugenaussage des SEG-Organes Z.:
"Ich kann mich an den Sachverhalt erinnern. Es handelte sich um eine routinemäßige Kontrolle. Als wir hinkamen, sahen wir einige Leute, die Material transportierten. Einer davon hängte Material auf einen Kranhaken. Getragen wurden Gipskartonplatten und Aluschienen, was auf dem Kran hing, weiß ich nicht mehr. Wir kontrollierten dann die Arbeiter im Bezug auf Personalpapiere. Wir stellten fest, dass es sich um Polen handelte und dass sie Inhaber von Gewerbescheinen waren, allerdings nicht für die Tätigkeiten, die sie auf der Baustelle ausgeübt haben. Wir ließen sie Personenblätter ausfüllen, die sie unterschrieben haben, wir schickten dann Kontrollmitteilungen an das Zollamt Wien, KIAB zur weiteren Veranlassung.
Ich war damals bei der SEG als Kontrollorgan tätig.
Ich kann mich nicht erinnern, ob ich damals mit einem Verantwortlichen der Firma gesprochen habe.
Über Befragen, wie die Arbeiter bekleidet waren: Sie trugen Arbeitsanzüge mit der Aufschrift "Pg ". Wir machten unsere Beobachtungen nur außerhalb der Baustelle, nämlich wie die Arbeiter das Material transportiert haben. Ich meine damit, auf dem Baustellengelände, nicht innerhalb des Gebäudes.
Befragt dazu, ob die Arbeiter die Gewerbescheine mitgehabt haben: Das weiß ich nicht mehr.
Die im Akt einliegenden Auszüge aus dem Gewerberegister waren nicht von der Baustelle, weil es dort keine Kopiermöglichkeiten gegeben hat.
Über Befragen des Vertreters des Berufungswerbers: Ich habe nicht mit dem LKW-Fahrer gesprochen. Die Platten wurden sowohl abgeladen sowie getragen. Befragt dazu, wie sich die Polen verantwortet hätten: Das was in den Personenblättern drinnen steht, ich habe nicht gefragt, warum sie die Platten getragen haben."
Das ebenfalls als Zeuge befragte KIAB-Organ R. tätigte folgende Aussagen:
"Ich kann mich an die Kontrolle erinnern. Beim Betreten der Baustelle trafen wir 4 Arbeiter an, die gerade Rigipsplatten und Aluschienen entluden. Nach der Anmeldung der AH, forderten wir die Personen zur Ausweisleistung auf. Ich weiß nicht mehr, ob sie sich mit RP oder Identitätskarten auswiesen. Ich glaube sie legten auch Gewerbescheine vor, mit der Berechtigung zum Verspachteln.
Über Befragen des Vertreters des Berufungswerbers:
Ich kann mich nicht mehr an die Lieferantenfirma erinnern. Ich weiß nicht mehr, ob die Polen irgendetwas sagten, warum sie die Platten entluden. In weiterer Folge wurde die ganze Baustelle kontrolliert.
Keine weiteren Fragen.
Über Befragen des Kiab-V:
Befragt zur Arbeitskleidung: Sie trugen beschmutzte Kleidung, ich kann aber nicht mehr sagen, von welcher Firma."
Der Vertreter eines der beiden Berufungswerber gab auf die Frage, ob es eine noch nicht aktenkundige Vereinbarung zwischen der Fa. Pg und den Polen hinsichtlich eines Werkes im Sinne eines Werkvertrages gegeben habe, Folgendes aus:
"Es hat zum damaligen Zeitpunkt nur mündliche Vereinbarungen gegeben,
Über Befragen des Beisitzers;
Die Arbeiten wurden vom Berufungswerber l alle 2 bis 3 Tage kontrolliert. Es wurde der Arbeitsfortschritt kontrolliert. Von unserer Firma waren Monteure anwesend, die die Gipskartonplatten aufgestellt haben.
Aufgaben der Polen wären lediglich das Verspachteln der bereits fertig montierten Rigipsplatten gewesen. Inhalt der mündlichen Vereinbarung mit den Polen war in zeitlicher Hinsicht, dass sie ihre Aufgabe bis zu einem feststehenden Endtermin durchzuführen hätten, für die Leistung an sich wurde ein m² Preis ausgemacht. Das Abladen der Rigipsplatten hatte sicher damit zu tun, dass die Monteure nicht rechtzeitig auf die Baustelle kamen und die Polen dadurch beim Abladen halfen, damit der LKW wieder weg fahren konnte. Es handelte sich nicht um die erste Lieferung der Platten. Normalerweise wurden die Platten vom LKW von den Monteuren abgeladen, welche diese Platten in der Folge auch montierten.
Befragt dazu, ob den einzelnen Arbeitern gewisse Bereiche zugewiesen waren, gibt der Berufungswerber l an: Wer was macht, war mir egal. Ich beeinflusste nicht wie sie die Arbeitsgänge einteilten. Wichtig war die Einhaltung der Termine.
Befragt dazu, ob es einen Chef gegeben hat bei den vier Polen: Einen Ansprechpartner. Der Berufungswerber II erläutert, es kommt darauf an, wer am besten Deutsch kann.
Über Befragen des Beisitzers, warum die (Anmerkung: 4 polnischen Arbeitskräfte?) mit dem Arbeitsgewand mit der Firma gekommen sind.
Wir geben allen unseren Subfirmen Arbeitskleidung der Firma Pg , weil das besser aussieht. Dafür gibt es nicht nur Imagegründe, auch die Architekten und Auftraggeber wünschen eine einheitliche Kleidung der Arbeitnehmer, die einer Firma zugeordnet werden können, damit im Falle von Beanstandungen, die sich aus der Tätigkeit eines Arbeiters ergeben, die sozusagen verantwortliche Firma auch feststeht."
Über Befragen des Beisitzers:
"Werkzeuge und Material, wie Spachtelmasse haben die Polen selber mitgebracht."
Der BwV legt eine Niederschrift vom von der WGKK vor. Eine Kopie wird zum Akt genommen und der Kiab-V ausgehändigt.
Die Berufungswerber Ing. Ht Rr und J Pg halten ihre Anträge aufrecht.
Der Kiab-V stellt keine weiteren Anträge."
Das Finanzamt wies den Antrag auf Familienbeihilfe/Differenzzahlung für den Zeitraum Juni 2005 bis Dezember 2006 mit folgender Begründung ab:
"Gemäß Artikel 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern in Verbindung mit der Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 574/72 hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten. Mit dem EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz, BGBl I 2004/28, hat Österreich den Beitritt der neuen Mitgliedsstaaten umgesetzt und von der vertraglichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Staatsbürger einzuschränken. Für Staatsangehörige der neu beigetretenen Staaten wird im § 32a Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) normiert, dass sie nicht unter die Ausnahme für EWR-Bürger (§ 1 Abs. 2 lit 1 AuslBG) fallen. Neue EU-Bürger unterliegen für die Dauer der Anwendung des Übergangsarrangements (d.h. bis maximal ) weiterhin dem AuslBG. Die von Ihnen in Österreich auf Basis des gelösten Gewerbescheines ausgeübte Tätigkeit war nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt als Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu beurteilen und wäre daher nach dem AuslBG bewilligungspflichtig. Da Sie die erforderliche Berechtigung zur Arbeitsaufnahme nicht nachgewiesen haben, üben sie in Österreich weder eine rechtmäßige Beschäftigung als Arbeitnehmer aus, noch kann von einer Beschäftigung im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 ausgegangen werden. Die obige Verordnung (EWG) ist in Ihrem Fall nicht anwendbar."
Der Bw. erhob Berufung:
"Im oben genannten Bescheid begründen Sie ihre Ablehnung damit, dass Sie meine Tätigkeit aus Gewerbebetrieb nicht als solche anerkennen und meine Tätigkeit als keine rechtmäßige Beschäftigung darstellen.
Laut Auskunft Ihres Finanzamtes übt jemand eine gewerbliche Tätigkeit aus, wenn der Gewerbeinhaber "persönlich und wirtschaftlich unabhängig, auf Dauer gerichtet, mit Gewinnabsicht und im Rahmen seiner Gewerbeberechtigung" arbeitet.
Alle diese genannten Punkte wurden von mir erfüllt. Ich habe mit mehreren Auftraggebern gearbeitet (Werkverträge), habe immer freie Zeiteinteilung gehabt, war nie verpflichtet, die Arbeiten selber durchzuführen (bloße Schuld des Werkes nicht der Arbeitszeit) und habe Gewinn gemacht.
Im Jahr 2007 habe ich zusammen mit meinem Bruder eine Kommanditgesellschaft gegründet und erziele dort Einkünfte als Komplementär. Trotz der obigen Sachlage und obwohl ich sogar schon € 100,00 auf das Konto des Finanzamtes als Zeichen meines guten Willens eingezahlt habe, verwehren Sie mir die Vergabe einer Steuernummer ebenso wie einer UID-Nummer und nun in der Folge die Gewährung der mir zustehenden Differenzzahlung für meine Kinder KA und ND.
Ich bitte Sie aus oben genannten Gründen, Ihren Bescheid vom entsprechend abzuändern und die Differenzzahlung für die Familienbeihilfe zu gewähren. ..."
Neben Einkommensteuererklärungskopien legte der Bw. auch eine Einnahmen/Ausgabenrechnung für das Jahr 2005 und einen Zahlscheinabschnitt (³ 100,00) der Berufung bei.
Das Finanzamt gab der Berufung mittels Berufungsvorentscheidung keine Folge:
"Gemäß § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Gemäß Artikel 73 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige und deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern in Verbindung mit der Durchführungsverordnung (EWG) Nr. 574/72 hat ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates unterliegt, für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnen.
Mit dem EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetz, BGBI l 2004/28, hat Österreich den Beitritt der neuen Mitgliedsstaaten umgesetzt und von der vertraglichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen EU-Staatsbürger einzuschränken. Für Staatsangehörige der neu beigetretenen Staaten wird im § 32a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AusIBG) normiert, dass sie nicht unter die Ausnahme für EWR-Bürger (§ 1 Abs. 2 lit. 1 AusIBG) fallen. Neue EU-Bürger unterliegen für die Dauer des Übergangsarrangements (d.h. bis maximal ) weiterhin dem AusIBG.
1. Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland
Nach den von Ihnen vorgelegten Unterlagen leben Ihre Ehefrau, LM, sowie Ihre Kinder, L KA und L ND., ständig in Polen. Aus diesem Grund steht Ihnen gemäß § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) für Ihre Kinder kein Anspruch auf Familienbeihilfe zu.
2. Legale Ausübung einer nichtselbständigen Tätigkeit
Sie haben am die Gewerbe "Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten unter Ausschluss jeder einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit" und "Montage von mobilen Trennwänden durch Verschrauben fertig bezogener Profilteile oder Systemwände mit Anschlusskabeln, die in einfacher Technik ohne statische Funktion Räume variabel unterteilen" angemeldet.
Am wurden Sie im Zuge einer Kontrolle der KIAB (Kontrolle der illegalen Arbeitnehmerbeschäftigung) auf einer Baustelle in Wien,R-Platz 48 beim "Abladen von Rigipsplatten von einem LKW" und beim "Transport von Platten und Alu-Schienen" betreten. Die KIAB qualifizierte die von Ihnen ausgeübte Tätigkeit, trotz dem Vorhandensein der oben angeführten Gewerbeberechtigungen als illegale Beschäftigung im Sinne des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AusIBG) und ist zwischenzeitig auch ein erstinstanzliches Straferkenntnis gegen Ihren damaligen Arbeitgeber ergangen.
Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 2 AusIBG vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgeblich. Maßgeblich sind dabei weder die Bezeichnung noch subjektive Gesichtspunkte, sondern ausschließlich die objektiven Umstände.
Auf Grundlage des durch die KlAB-Kontrollorgane festgestellten Sachverhaltes ist eindeutig ersichtlich, dass Sie im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2006 keiner selbständigen, sondern einer im Sinne des AusIBG bewilligungspflichtigen unselbständigen Tätigkeit nachgegangen sind.
Wie soeben ausgeführt, ist für die Beurteilung dieses Sachverhaltes der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht dessen äußere Erscheinungsform maßgeblich. Dabei sind weder die Bezeichnung noch subjektive Gesichtspunkte (in Ihrem Fall bezeichnen Sie sich als Gewerbetreibenden und Sie gehen davon aus dass Sie selbständig tätig gewesen sein), sondern ausschließlich die objektiven Umstände (in Ihrem Fall ist ausschlaggebend, dass Sie im Zuge einer KlAB-Kontrolle bei einer illegale Beschäftigung im Sinne des AusIBG betreten worden sind) relevant.
In Ihrer Berufung bemängeln Sie weiters den Umstand, dass das zuständige Finanzamt Ihnen für Ihre angeblich selbständige Tätigkeit eine Steuernummer und eine UID-Nummer verweigert. Dazu ist noch einmal festzustellen, dass für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgeblich ist. Wie oben ausgeführt, ist die von Ihnen im Zeitraum von Juni 2005 bis Dezember 2006 ausgeübte Tätigkeit nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt nicht als selbständige Tätigkeit, sondern als illegale unselbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des AusIBG zu qualifizieren. Am Ergebnis dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise ändert auch der Umstand nichts, dass Sie an das Finanzamt nach Ihren Ausführungen einen Betrag € 100,00 "als Aconto" als Zeichen Ihres "guten Willens" eingezahlt haben.
Die von Ihnen in Österreich auf Basis des gelösten Gewerbescheines ausgeübte Tätigkeit war daher nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt als Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Einkommensteuergesetz (EStG) zu beurteilen und wäre daher nach dem AusIBG bewilligungspflichtig. Es kann daher für den Zeitraum Juni 2005 bis Dezember 2006 weder von einer rechtmäßigen Beschäftigung als Arbeitnehmer noch von einer Beschäftigung im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 ausgegangen werden. Die obige Verordnung (EWG) war in dem oben angeführten Zeitraum auf Ihren Sachverhalt nicht anwendbar."
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Berufungsfall die Abweisung der beantragten Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2005 bis Dezember 2006 für die beiden bei der Mutter in Polen lebenden Töchter des Bw.
Der Bw. erwarb Mitte 2005 die Gewerbeberechtigung für das "Verspachteln von bereits montierten Gipskartonplatten unter Ausschluss jeder einem reglementierten Gewerbe vorbehaltenen Tätigkeit" und für die "Montage von mobilen Trennwänden durch Verschrauben fertig bezogener Profilteile oder Systemwände mit Anschlusskabeln, die in einfacher Technik ohne statische Funktion Räume variabel unterteilen". In den aktenkundigen Erklärungsbeilagen für 2005 bezeichnet er selbst seine Tätigkeit als Bauhilfsgewerbe.
Im Rahmen einer Kontrolle durch SEG (= Schnelle Eingreif-Gruppe) und KIAB (= Kontrolle illegaler Arbeitnehmerbeschäftigung) wurde der Bw. und 3 andere polnische Staatsbürger beim Abladen und Tragen von Gipskartonplatten und Aluminiumschienen angetroffen. Alle 4 wurden bei dieser Gelegenheit in Arbeitskleidung des Auftraggebers angetroffen. Als Dauer/Ausmaß der Beschäftigung gaben sie jeweils 8 Stunden täglich und als Entlohnung € 2,00 pro m² an.
Die verantwortlichen Organe der Auftraggeberin des Bw. erhoben gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien wegen des Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz Berufung. Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien wurde auf die Frage, wie die angetroffenen polnischen Staatsbürger zur Arbeitskleidung der Auftraggeberfirma gekommen seien, angegeben, dass sie allen ihren Subfirmen Arbeitskleidung ihres Unternehmens zur Verfügung stelle. Dafür gebe es nicht nur Imagegründe, auch die Architekten und Auftraggeber würden eine einheitlichen Kleidung der Arbeitnehmer, die einer Firma zugeordnet werden können wünschen, damit im Falle von Beanstandungen, die sich aus der Tätigkeit eines Arbeiters ergeben, die sozusagen verantwortliche Firma feststehe. Werkzeuge und Material wie Spachtelmasse hätten die polnischen Staatsbürger selbst mitgebracht.
Seitens des Finanzamtes wurde der Antrag um Gewährung von Familienbeihilfe mit dem Hinweis, dass die Tätigkeit des Bw. sich in der abgabenrechtlich gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise als unselbständige Tätigkeit darstelle, für die jedoch infolge des Vorbehaltes Österreich zum Beitrittsvertrag bis zum eine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz erforderlich sei, die jedoch nicht vorliege, abgewiesen.
Im Rechtsmittelverfahren beharrte der Bw. auf seinem Standpunkt, wonach er im Streitzeitraum 06/2005 bis 12/2006 Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen habe. Er habe für mehrere Auftraggeber auf Werkvertragsbasis bei freier Zeiteinteilung gearbeitet und habe nur das Werk, nicht seine Arbeitszeit geschuldet und habe auch Gewinn gemacht. (Werkverträge über seine Aufträge wurden vom Bw. jedoch nicht vorgelegt.)
Aus niederschriftlich festgehaltenen Aussagen eines Organes des Auftraggeberunternehmens im Zuge der Berufungsverhandlung vor dem UVS Wien geht in diesem Zusammenhang weiters hervor, dass keine schriftlichen Werkverträge, aus denen das vereinbarte Werk entnommen werden hätte können, verfasst worden sind. Es habe nur mündliche Vereinbarungen gegeben. Aufgabe der 4 polnischen Staatsbürger sei nur das Verspachteln der von den eigenen Monteuren aufgestellten Gipskartonplatten gewesen, wofür eine Zeitvorgabe festgelegt wurde. Wer welche Bereiche bearbeitet habe, sei der Auftraggeberin gleichgültig gewesen.
Diese Aussagen bestätigen die Annahme des Finanzamtes, wonach in wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Werkvertragsverhältnisse vorgelegen sind:
Zum einen wurden keine schriftlichen Werkverträge abgeschlossen, aus denen Umfang und Art der vereinbarten Leistung für den Fall von Reklamationen entnommen hätten werden können. Zum anderen bestanden feste zeitliche Vorgaben für die Fertigstellung und keine freie Einteilung der Zeiten zur Erfüllung der Verspachtelungsarbeiten, welche nach der ständigen Judikatur des Gerichtshofes ohnehin keine eigenständigen Leistungen auf Basis eines Werkvertrages darstellen können (vergl. Erk. des Verwaltungsgerichtshof 2009/09/0065, 2009/09/0129, beide v. , 2007/09/0345 v. und 2007/09/0213 v. sowie die darin jeweils zitierten früheren Entscheidungen des Gerichtshofes). Die Auftragnehmer waren daher gleich Arbeitnehmern in den betrieblichen Ablauf eingebunden; ein Umstand der sich sowohl aus der mit 8 Stunden täglich angegebenen Arbeitszeit als auch aus der Verwendung der Arbeitskleidung der Auftraggeberin eindeutig ergibt.
Die Anschaffung von Baumaschinen, die Anmietung eines Lagers zwecks Aufbewahrung von Baumaschinen und Material, von Transportmitteln, einem Telefon- und Internetanschluss unter den der Bw. für künftige Auftraggeber erreichbar und kontaktierbar wäre, ergaben sich aus der vorgelegten Einnahmenausgabenrechnung nicht. Eine Internetrecherche mit dem Namen des Bw. (Google.at) und im Herold Telefonbuch ergab lediglich Hinweise auf die Anfang 2007 gemeinsam mit seinem Bruder gegründete KG in Wien 18.
Die offenbar nur mündlich vereinbarte Entlohnung von € 2,00 pro m² verspachtelte Fläche ist zwar nicht typisch kommt dennoch im Arbeitsleben vor.
Die Arbeitskleidung diente aber auch zur eindeutigen Abgrenzung der Verantwortung hinsichtlich Beanstandungen bezüglich der Tätigkeit u.a. des Bw. Durch das Tragen der Kleidung der Auftraggeberin ergab sich auch nach deren Überzeugung eindeutig die Haftung der Auftraggeberin für fehlerhafte Arbeiten u.a. des Bw., für die demzufolge nicht er, sondern die Auftraggeberin des Bw. gegenüber deren Kunden die Verantwortung zu übernehmen hatte.
Aus den Feststellungen im Zuge der Überprüfung durch die SEG- und KIAB-Organe und die Aussagen der Organe der Auftraggeberin des Bw. ergibt sich eindeutig, dass die Leistungen (Verspachtelung etc.) keineswegs im Rahmen eines Werkvertrages erfolgt sind, da von einer Eingliederung gleich einem Arbeitnehmer in das Unternehmen der Auftraggeberin ausgegangen werden muss und ein eigenständiges Unternehmerrisiko für fehlerhafte Leistungen durch den Bw. nicht vorlag, sondern durch die Auftraggeberin übernommen wurde.
Der Umstand, dass der Bw. Konzessionen im Rahmen des Baunebengewerbes erwarb und sich bei der Versicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft versicherte, können daran genau so wenig ändern, wie die Übernahme der eher geringfügigen Kosten für Werkzeuge und Spachtelmasse durch den Bw. lt. Einnahmen/Ausgabenrechnung und Aussagen der Organe der Auftraggeberin, da es auf den wirtschaftlichen Sachverhalt und nicht auf die äußere Erscheinungsform, in die die Tätigkeit des Bw. gleichsam gekleidet wurde, ankommt.
Da somit nicht von einer selbständigen, auf Werkvertragsbasis ausgeübten Tätigkeit, sondern vielmehr von einer Tätigkeit gleich einem angestellten Bauhilfsarbeiter, für die jedoch keine Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz vorlag, ausgegangen werden musste und sich aus dem Vorbehalt Österreichs zum Beitrittsvertrag bis einschließlich jedoch die verpflichtende Beschäftigungsbewilligung für unselbständig Tätige u.a. aus Polen ergibt, lagen die Voraussetzungen für die Anwendung der EWG-VO 1408/71, nach der Familienbeihilfenansprüche im Gegensatz zum Familienlastenausgleichgesetz 1967 (FLAG) auch für in Polen wohnhafte Kinder zustehen, nicht vor und war die Berufung deshalb als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 3 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Zitiert/besprochen in | UFSjournal 3/2011, 85 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at