Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 17.05.2010, RV/0673-G/09

Amtswegige Ermittlung der einem Haftungspflichtigen auferlegten Nachweispflichten?

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des A, vertreten durch Mag. Dr. Melanie Polz, Rechtsanwältin, Hauptstraße 31, 8141 Unterpremstätten bei Graz, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Haftung gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben und die Haftung auf folgende Abgaben im Gesamtbetrag von 8.393,73 € eingeschränkt:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeitstag
Betrag
Umsatzsteuer
09/2005
5.677,52
Körperschaftsteuer
10-12/2005
391,53
Körperschaftsteuer
01-03/2006
390,06
Verspätungszuschlag
08/2005
937,09
Verspätungszuschlag
09/2005
283,87
Säumniszuschlag
2005
488,39
Säumniszuschlag
2005
225,27

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) wurde mit Generalversammlungsbeschluss vom zum handelsrechtlichen Geschäftsführer der A.GmbH. bestellt.

Mit dem Beschluss des Landesgerichtes für ZRS Graz vom wurde über die A.GmbH . das Konkursverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. Mit dem Beschluss des Gerichtes vom wurde der Konkurs gemäß § 139 KO aufgehoben und die Firma gemäß § 40 FBG gelöscht.

Mit dem Vorhalt des Finanzamtes Graz-Stadt vom wurde dem Bw. bekannt gegeben, die am Abgabenkonto der A.GmbH . aushaftenden Abgaben in der Höhe von 11.136,86 € seien als uneinbringlich anzusehen. Die Ermittlung der im Rückstand enthaltenen bescheidmäßig vorgeschriebenen Abgaben sei dem in Ablichtung beiliegenden Bescheid zu entnehmen.

Der Bw. wurde aufgefordert, sofern die GmbH zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben nicht über ausreichende liquide Mittel zur (vollen) Bezahlung aller Verbindlichkeiten verfügt habe, dies durch eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeit gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen darzulegen. In der Aufstellung seien die auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie die verfügbar gewesenen Mittel (Bargeld und offene Forderungen) anzuführen bzw. gegenüber zu stellen.

In der Eingabe vom führte der Bw. unter Bezugnahme auf den Vorhalt vom aus, er verweise auf das im Zuge des Strafverfahrens wegen §§ 146 ff. StGB erstellte Gutachten des H, wonach ihm in dieser Zeit keinerlei Geld zur Verfügung gestanden sei, was auch im Strafverfahren bestätigt worden sei.

Mit dem Bescheid vom nahm das Finanzamt Graz-Stadt den Bw. als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 80 BAO für die folgenden aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der A.GmbH . im Ausmaß von 11.136,86 € in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
09/2005
5.677,52
Lohnsteuer
2005
2.138,74
Körperschaftsteuer
10-12/2005
391,53
Körperschaftsteuer
01-03/2006
390,06
Dienstgeberbeitrag
2005
552,80
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2005
51,59
Verspätungszuschlag
08/2005
937,09
Verspätungszuschlag
09/2005
283,87
Säumniszuschlag
2005
488,39
Säumniszuschlag
2005
225,27

Nach dem vorgelegten Gutachten sei spätestens am die Zahlungsunfähigkeit der GmbH eingetreten. Im Zeitpunkt der Geschäftsführerübernahme durch den Bw. am habe sich ein Betrag von 3.485,24 € auf den beiden Bankkonten der GmbH befunden (S. 34). Im Jahr 2006 seien laut Gutachten Löhne und Kilometergelder ausbezahlt worden (S. 43 f.).

Im Jahr 2006 seien auf den Bankkonten 140006451 und 140006435 der Volksbank Graz-Bruck Bankeingänge in der Höhe von 34.640,00 € bzw. 1.856,70 € und Bankausgänge in der Höhe von 13.040,00 € bzw. 33.750,00 € erfolgt (Gutachten S. 48 f.). Aus dem Umstand, dass Auszahlungen von den Bankkonten geleistet wurden, müsse geschlossen werden, dass andere Gläubiger bedient worden seien.

Während der gesamten Geschäftsführertätigkeit des Bw. sei keine einzige Zahlung auf das Konto des Finanzamtes erfolgt. Die Abgabenbehörde sei daher angesichts des Vorhandenseins liquider Mittel gegenüber den anderen Gläubigern schlechter gestellt worden. In welcher Höhe diese Schlechterstellung erfolgt sei, sei trotz diesbezüglicher Aufforderung im Vorhalt bis dato nicht dargelegt worden, weshalb die Inanspruchnahme zu 100 % erfolge.

Gegen diesen Bescheid brachte der Bw. durch seine Vertreterin am das Rechtsmittel der Berufung ein.

Der Spruch des Haftungsbescheides sei unklar und rechtswidrig. Im Haftungsbescheid sei nicht für alle Abgabenarten ersichtlich, für welchen Zeitraum diese Abgaben gegenüber dem Bw. geltend gemacht würden. Dies sei deshalb von wesentlicher Bedeutung, weil den Bw. eine allfällige Verpflichtung gemäß § 80 Abs. 1 BAO nur für jenen Zeitraum treffe, in welchem er die Vertreterstellung inne gehabt habe.

Das erstinstanzliche Verfahren sei mangelhaft, weil der Bw. den Vorhalt vom niemals erhalten habe. Dem Bw. sei daher der Inhalt des Vorhaltes, mit dem offensichtlich die Lohnabgaben für 2005 mittels Bescheid festgesetzt worden seien, nicht bekannt. Dem Bw. sei es daher verwehrt, die Lohnabgaben 2005 zu überprüfen und dazu Stellung zu nehmen. Auch gehe die Behörde von einer 100 %igen Schlechterstellung auf Grund des Umstandes aus, dass sich der Bw. trotz der Aufforderung vom nicht geäußert habe.

Die A.GmbH . sei laut Gutachten im Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit des Bw. bereits zahlungsunfähig gewesen. Diese Zahlungsunfähigkeit habe offensichtlich daher gerührt, dass die Buchhaltung, für die der Gesellschafter der GmbH, J, verantwortlich war, nicht ordnungsgemäß geführt wurde. Dieser sei auch für die Abgabenschulden verantwortlich gewesen; diesbezügliche Abgabenerklärungen habe er jedoch trotz ausdrücklicher Weisung durch den Bw. nicht, verspätet bzw. unvollständig erbracht.

Dem Bw. sei zu Beginn seiner Tätigkeit weder eine Kasse noch alle wesentlichen buchhalterischen Unterlagen übergeben worden; er habe auch keinen Zugriff zu den Computerprogrammen gehabt, weshalb ihm anfangs nicht bekannt gewesen sei, dass die GmbH bereits zahlungsunfähig war. Er habe aber in weiterer Folge sämtliche für ihn mögliche Vorkehrungen getroffen, um die Liquidität der GmbH zu erhalten bzw. wieder herzustellen.

Es sei richtig, dass nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (Teil-) Zahlungen an gewisse Gläubiger erfolgt seien. Dabei habe es sich allerdings um Gläubiger gehandelt, die bedient werden mussten, um den Geschäftsbetrieb der A.GmbH . aufrecht zu erhalten. Diese Verbindlichkeiten seien auch deshalb bezahlt worden, da dies aus der damaligen Sicht des Bw. erforderlich war, um die Liquidität der GmbH wieder herzustellen.

Die Abgabenbehörde übersehe, dass der Bw. im Fall einer schuldhaften Pflichtverletzung nur insoweit hafte, als die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt worden seien. Der vom Bw. in diesem Zusammenhang geforderte Nachweis könne jedoch nicht erbracht werden, da sich sämtliche Belege und Buchhaltungsunterlagen der GmbH im Konkursakt des LG für ZRS Graz und in dem gegen den Bw. vor dem LG für Strafsachen Graz geführten Strafverfahren befänden.

Der Bw. beantrage daher zum Beweis, dass er schuldhaft keine Abgabepflicht verletzt habe bzw. im Falle seiner Haftung nur für einen Teil der begehrten Abgaben hafte, die Beischaffung des Konkursaktes des LG für ZRS Graz sowie des Strafaktes des LG für Strafsachen Graz und in weiterer Folge die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Buchfache.

Die ersatzlose Behebung des Haftungsbescheides werde beantragt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg.cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Laut Firmenbuch war der Bw. im Zeitraum bis zur Eröffnung des Konkurses am alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der A.GmbH . und zählt somit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter, welche zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden können.

Die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen gegen die Primärschuldnerin haften im vorliegenden Fall unbestritten nach wie vor offen aus. Bei der Gesellschaft ist eine Einbringung dieser Abgaben angesichts der Aufhebung des Konkurses und der amtswegigen Löschung der A.GmbH . im Firmenbuch im Juli 2007 nicht mehr möglich. Die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin steht daher fest.

Die der Aktenlage entsprechende Feststellung im angefochtenen Bescheid, während des Zeitraumes, in welchem der Bw. für die Abgabenentrichtung der GmbH verantwortlich war, sei keine einzige Zahlung auf dem Abgabenkonto der GmbH eingegangen, blieb unwidersprochen.

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Der Spruch eines Haftungsbescheides hat daher anzuführen, für welche Abgaben die Haftung in Anspruch genommen wird, bis zu welchem Zeitpunkt die Haftungsschuld zu entrichten ist, und darauf hinzuweisen, auf welche Vorschrift sich die geltend gemachte Haftungspflicht stützt (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 224 Rz 6 mit Hinweis auf RAE Rz 1203).

Der Bw. wurde gemäß § 9 in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für tabellarisch nach Abgabenart, Zeitraum und Höhe aufgegliederte Abgabenschuldigkeiten in der Höhe von insgesamt 11.136,86 € herangezogen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monates ab Zustellung des Bescheides zu entrichten. Für welchen Zeitraum die Abgaben gegenüber dem Bw. geltend gemacht wurde, ist bei jeder einzelnen Abgabe ersichtlich.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter eine Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgabe nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wäre. Bei Selbstbemessungsabgaben ist maßgebend, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wäre.

Nach der Aktenlage steht fest, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben im Zeitraum vom bis zum fällig geworden sind, weshalb es zu den Pflichten des Bw. als in diesem Zeitraum fungierender Geschäftsführer gehörte, für die rechtzeitige Entrichtung dieser Abgaben Sorge zu tragen.

§ 248 BAO in der geltenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 151/1980 räumt dem Haftungspflichtigen im ersten Satz die Möglichkeit ein, innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch zu berufen. Im vorliegenden Fall wurde dem Bw. nicht nur im erstinstanzlichen Haftungsbescheid, sondern schon vor dessen Erlassung im Vorhalt vom die Abgabenart und deren jeweilige Höhe mitgeteilt, für die er als Haftender in Anspruch genommen werden sollte. Die Abgabenbehörde hat im Hinblick auf das im § 248 BAO vorgesehene Berufungsrecht dem Bw. rechtzeitig und vollständig Kenntnis über den Abgabenanspruch verschafft, weshalb es dem Bw. nach der Aktenlage möglich gewesen wäre, von der im § 248 BAO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen (siehe ).

Der Vorhalt vom wurde dem Bw. am durch Hinterlegung des RSb-Kuverts zugestellt. Das Vorbringen, der Bw. habe diesen Vorhalt nie erhalten, ist aktenwidrig, weil der Bw. in seiner Eingabe vom die Sachbearbeiterin des Vorhaltes persönlich anspricht und ausdrücklich auf das "Schreiben" vom Bezug nimmt.

Unrichtig ist weiters, dass mit dem in Rede stehenden Vorhalt Lohnabgaben bescheidmäßig festgesetzt wurden. Nach der Aktenlage wurde dem Bw. zusammen mit dem Vorhalt eine Ablichtung der im Rückstand enthaltenen, bescheidmäßig der GmbH erst nach Konkurseröffnung vorgeschriebenen Lohnabgaben übermittelt.

Aus der Ablichtung des Bescheides geht jedoch hervor, dass der Bescheid über die Festsetzung der Lohnabgaben 2005 an die Gemeinschuldnerin A.GmbH . und nicht an den Masseverwalter ergangen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Masseverwalter für die Zeit seiner Bestellung betreffend die Konkursmasse - soweit die Befugnisse des Gemeinschuldners beschränkt sind - gesetzlicher Vertreter des Gemeinschuldners im Sinne des § 80 BAO. Auch in einem Abgabenverfahren tritt nach der Konkurseröffnung der Masseverwalter an die Stelle des Gemeinschuldners, soweit es sich um Aktiv- oder Passivbestandteile der Konkursmasse handelt. Die Abgaben sind daher während des Konkursverfahrens gegenüber dem Masseverwalter, der insofern den Gemeinschuldner repräsentiert, festzusetzen (siehe und die darin zitierte Vorjudikatur). Die Erledigung des Finanzamtes konnte daher gegenüber der Gemeinschuldnerin keine Rechtswirksamkeit entfalten.

Da die Geltendmachung abgabenrechtlicher Haftungen insbesondere auch voraussetzt, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht erloschen ist (Grundsatz der materiellenAkzessorietät derHaftung , vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 7 Tz 10), kann der Bw. für der Gesellschaft nicht rechtswirksam vorgeschriebene Abgaben nicht zur Haftung herangezogen werden. Der Haftungsbetrag war daher insoweit auf 8.393,73 € einzuschränken.

Eine weitere Voraussetzung zur Erfüllung des Tatbestandes des § 9 BAO ist eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter. Zu dessen Pflichten gehört es, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen (, 0038). ^

Er hat also darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, andernfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (u.a. ; ). Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht die Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang ().

Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung der Verbindlichkeiten verwendet hat (), er die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten (Gleichbehandlungsgrundsatz).

Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht daher nur insoweit, als hierfür liquide Mittel vorhanden sind. Hatte der Vertreter Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, liegt es an ihm, nachzuweisen, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat

Die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers oder einiger Gläubiger stellt eine schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter dar, sofern dieses Verhalten eine Verkürzung der Abgaben bewirkt hat. Auch Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind, sind vom Gleichbehandlungsgebot umfasst ().

Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt nicht der Abgabenbehörde, sondern dem Vertreter.

Trotz Aufforderung der Abgabenbehörde vom , eine Auflistung sämtlicher Gläubiger mit den zum Zeitpunkt der Abgabenfälligkeiten gleichzeitig oder früher fällig gewordenen Forderungen sowie alle verfügbar gewesenen liquiden Mittel darzulegen, und ungeachtet der den Geschäftsführer treffenden qualifizierten Behauptungs- und Nachweispflicht, weil in der Regel nur dieser in die Gebarung des Vertretenen Einsicht hat, die ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (Ritz, BAO³, § 9 Tz 22), blieb der Bw. einen Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger der GmbH schuldig.

In der vorliegenden Berufung vom wird hingegen eingeräumt, dass im Haftungszeitraum des Bw. Zahlungen an andere Gläubiger erfolgten, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Deren Bevorzugung gegenüber dem Abgabengläubiger wird somit vom Bw. selbst zugestanden.

Auch aus dem vorliegenden Gutachten des H und der Buchungsabfragen der A.GmbH . geht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass der Gesellschaft im verfahrensgegenständlichen Zeitraum liquide Mittel zur Verfügung standen, die zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten eingesetzt wurden, während keinerlei Zahlungen an die Abgabenbehörde geleistet wurden. So wurden vom Bw. die Vorschreibungen der Gebietskrankenkasse immer vorrangig bezahlt (siehe Gutachten S. 32). Im Jahr 2006 erfolgten Banküberweisungen an Lieferanten in der Höhe von 34.640,00 € sowie Barauszahlungen vom Bankkonto in der Höhe von 13.040,00 € (Gutachten S. 48). Auf die weiteren diesbezüglichen - in der Berufung nicht bestrittenen - Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides wird verwiesen.

Der Bw. wäre nur dann exkulpiert, wenn er nachgewiesen hätte, dass die fristgerechte Begleichung der haftungsgegenständlichen Abgaben deshalb unterblieben ist, weil er insgesamt über keine Mittel verfügt hat und deshalb keine Zahlungen leisten konnte, oder zwar über Mittel verfügt hat, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Abgaben nur zum Teil entrichtet und damit den Abgabengläubiger nicht in einem geringeren Ausmaß befriedigt hat als andere Gläubiger. Da dieser Nachweis nicht erfolgt ist, ist die Abgabenbehörde berechtigt, von einer schuldhaften Verletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO auszugehen (vgl. ).

Insoweit in der Berufung vorgebracht wird, die Abgabenbehörde übersehe, dass der Bw. nur anteilig im Ausmaß der Schlechterstellung des Abgabengläubigers zur Haftung herangezogen werden könne, übersieht der Bw. seinerseits, dass er nicht nur kein wie immer geartetes Vorbringen zur Gleichbehandlung der Gläubiger der Gesellschaft, sondern auch keinerlei Nachweis, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, erstattet hat, weshalb ihm die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden kann (, , 97/17/0144, , 94/14/0147).

Ob den Bw. an der Nichterbringung des ihm auferlegten Beweises ein Verschulden trifft, ist dabei unerheblich. In diesem Zusammnhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe Erkenntnis vom , 2008/15/0220) zu verweisen, wonach es dem Vertreter obliegt, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa auch im Erkenntnis vom , 97/14/0160, ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind.

Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung oder die Höhe des Betrages, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an alle Gläubiger an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel bzw. das Ausmaß der Schlechterstellung des Abgabengläubigers. Die Beischaffung der Akten des Konkursverfahrens der A.GmbH . bzw. der Akten des gegen den Bw. vor dem Landesgericht für Strafsachen abgeführten Strafverfahrens sowie die Einholung eines Sachverständigengutachten zur offensichtlich amtswegigen Ermittlung der dem Bw. auferlegten Nachweise kann daher unterbleiben.

Dass dem Bw. selbst eine Einsichtnahme in diese Akten verwehrt wäre, wird im Übrigen nicht behauptet.

Insoweit der Bw. vorbringt, ihm seien bei der Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit keine Buchhaltungsunterlagen übergeben worden und er habe keinen Zugriff auf die Computerprogramme gehabt, ist entgegen zu halten, dass ein zur Vertretung einer juristischen Person Berufener, der an der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten gehindert wird, dieBehinderung der Ausübung seiner Funktion sofort abzustellen und - wenn sich dies als erfolglos erweist - seine Funktion niederzulegen hat. Der vertretungsbefugte Geschäftsführer ist von seiner Verantwortung zur Entrichtung der Abgaben nicht deshalb befreit, weil die Geschäftsführung faktisch anderen Personen zusteht und der Geschäftsführer dadurch der Möglichkeit einer ausreichenden Kontrolle beraubt ist (vgl. etwa die Erkenntnisse des , vom , 2001/14/0202, und vom , 2003/15/0080).

Nach Lehre und Rechtssprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme wird vor allem dann gesprochen, wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann.

In diesem Fall ist die Einbringlichmachung beim Primärschulder unzweifelhaft nicht gegeben, daher kann in Umsetzung des öffentlichen Anliegens auf Sicherung des Steueraufkommens nur auf den Bw. zurückgegriffen werden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis , 97/16/0006) kann die Frage der Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftenden von der Abgabenbehörde bei ihren Zweckmäßigkeitsüberlegungen vernachlässigt werden.

Aus den genannten Gründen hat daher die Abgabenbehörde erster Instanz bei Ausübung des freien Ermessens zu Recht dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse des Bw., nicht zur Haftung herangezogen zu werden, den Vorzug gegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at