OGH vom 28.04.2020, 1Ob57/20v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. HoferZeniRennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die KosesnikWehrle Langer Rechtsanwälte KG, Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH, Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 152/19f12, in der Fassung des Beschlusses vom , GZ 4 R 152/19f14, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 11 Cg 49/19x8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR (darin enthalten 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist ein klageberechtigter Verein nach § 29 Abs 1 KSchG.
Die Beklagte betreibt das Bankgeschäft und bietet ihre Leistungen im gesamten Bundesgebiet an. Sie tritt dabei in ihrer geschäftlichen Tätigkeit auch laufend mit Verbrauchern im Sinn des § 1 KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Verträge ab. Im Verkehr mit Konsumenten verwendet sie gegenüber Interzedenten ein Formblatt mit der Überschrift „Aufklärung des Mitschuldners/Bürgen gem. § 25c KSchG“, in dem es unter anderem heißt:
„Mit Unterfertigung dieses Aufklärungsformulars bestätigen Sie, über nachstehende Punkte ausdrücklich und abschließend informiert worden zu sein:
[...]
3. Mit Ihnen wurden folgende Unterlagen betreffend der wirtschaftlichen Lage des oben genannten Kreditnehmers durchgegangen sowie nachstehende wirtschaftlich relevanten Umstände erörtert: Gehaltszettel, bestehende Verbindlichkeiten, wiederkehrende Zahlungen (zB: Wohnkosten, Gas, Strom, Kosten für Fahrzeuge, Unterhaltsverpflichtungen, Kreditraten, Leasingraten, Telefon, Lebensmittel, Kleidungs- und Hygieneartikel). Somit ist Ihnen die wirtschaftliche Lage von [Name des jeweiligen Kreditnehmers] umfassend zur Kenntnis gebracht worden.“ [Klausel 1]
„4. Auf Grund der eben dargestellten wirtschaftlichen Lage des Kreditnehmers gewährt die Bank die Finanzierung lediglich unter der Bedingung, dass Sie als Mitschuldner/Bürge und Zahler der Finanzierung beitreten, da die Gefahr besteht, dass die Finanzierung vom oben genannten Kreditnehmer nicht oder nicht vollständig zurückgezahlt werden kann.“ [Klausel 2]
Der Kläger begehrt, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und/oder in Vertragsformblättern die Verwendung der beiden oder sinngleicher Klauseln sowie die Berufung auf diese Klauseln zu untersagen und ihn zur Veröffentlichung des klagestattgebenden Teils des Urteilsspruchs zu ermächtigen. Die beiden beanstandeten Klauseln seien Teil eines von der Beklagten verwendeten Vertragsformblatts und keine reine Tatsachenbestätigungen; sie unterlägen der Kontrolle nach § 28 KSchG. Die Klauseln verstießen gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB, weil sie dem Verbraucher eine Beweislast auferlegten, die ihn von Gesetzes wegen nicht treffe. Grundsätzlich treffe die Behauptungs- und Beweislast für die Erfüllung der sich aus § 25c KSchG ergebenden Aufklärungsobliegenheit den Kreditgeber und damit die Beklagte. Klausel 1 fingiere die Erfüllung der sie treffenden Informationspflicht und solle diesbezüglich ein Beweismittel erzeugen. Auch Klausel 2 schaffe im Fall einer Inanspruchnahme des Solidarschuldners eine für die Beklagte ungleich günstigere Beweislage. Sie ermögliche es ihr, geltend zu machen, der Schuldner hätte trotz ausreichender Warnung die Haftung auch für den Fall übernommen, dass der Kreditnehmer seine Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig erfüllen werde. Demgegenüber habe der Schuldner den ihn sonst nicht treffenden Beweis zu erbringen, dass ihn die Beklagte nicht konkret aufgeklärt habe. Damit bewirke auch Klausel 2 eine Verschiebung der Beweislage zu ihren Gunsten. Die bloß formularmäßige Aufklärung des Interzedenten in Klausel 2 entspreche auch nicht den Vorgaben des § 25c KSchG, wonach der Interzedent über die im Einzelfall vorliegenden konkreten Gründe, aus denen der Kreditnehmer den Kredit voraussichtlich nicht ordnungsgemäß werde zurückzahlen können, aufgeklärt werden müsse. Der Hinweis habe dem Interzedenten klar zu machen, dass bereits Schwierigkeiten bestünden und seine Haftung voraussichtlich schlagend werde. Klausel 2 verstoße daher auch gegen das dem Transparenzgebot immanente Richtigkeitsgebot und damit gegen § 6 Abs 3 KSchG.
Die Beklagte wendete ein, mit Klausel 1 bestätige der Mitschuldner lediglich den Erhalt konkret angeführter Informationen sowie die Tatsache, dass ihm die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers umfassend zur Kenntnis gebracht worden sei. Klausel 2 sei untrennbar mit Klausel 1 verbunden, weil diese auf die „eben dargestellte wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers“ verweise. Beide Klauseln seien keine Vertragsbestimmungen, sondern Wissenserklärungen, auf die § 6 Abs 1 Z 11 KSchG nicht anwendbar sei. Außerdem führten sie zu keiner Belastung des Verbrauchers mit einem Beweis, der ihm nicht ohnedies obliege.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Wissenserklärungen in Formblättern unterlägen nur dann der Inhaltskontrolle und seien gemäß § 6 Abs 1 Z 11 KSchG nichtig, wenn sie zum Vertragsinhalt würden und zu einer Beweislastverschiebung zu Lasten des Konsumenten führen könnten. Dies gelte nicht für reine Wissenserklärungen wie etwa die Bestätigung der Warenübernahme. Das als „Aufklärung des Mitschuldners/Bürgen gem. § 25c KSchG“ bezeichnete Blatt solle nicht ein Vertragsverhältnis gestalten, sondern diene der Bestätigung der erfolgten Aufklärung. Aus Sicht eines durchschnittlichen Lesers erweise es sich als Tatsachenbestätigung über die erfolgte Aufklärung und nicht als ein AGB-Vertragswerk oder Vertragsformblatt. Auch inhaltlich seien die angefochtenen Formulierungen reine Wissenserklärungen über ein stattgefundenes Aufklärungs- und Beratungsgespräch. Würden derartige Bestätigungen, die nicht das gesamte Gespräch ausführlich wiedergäben, eine Beweislastumkehr für den Konsumenten bedeuten und deshalb unzulässig sein, wäre jede schriftliche Bestätigung über erfolgte Aufklärungen unzulässig und anfechtbar, was „mit der österreichischen Rechtsordnung“ nicht in Einklang zu bringen sei. Ein Unterlassungsanspruch bestehe daher nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem Unterlassungs- und Veröffentlichungsbegehren statt. Rechtlich führte es zur Klausel 1 aus, mit Unterfertigung des von der Beklagten verwendeten Formblatts über die „Aufklärung des Mitschuldners/Bürgen gem. § 25c KSchG“ bestätige der Interzedent, über die darin angeführten Punkte 1 bis 5 ausdrücklich und abschließend informiert worden zu sein. Damit enthalte das Formblatt selbst zwar keine den Vertrag gestaltenden Bedingungen im Sinne „echter“ rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen, es sehe aber (mit Ausnahme des Namens des jeweiligen Kreditnehmers und der Höhe des jeweiligen Kredits) keine Möglichkeit vor, das individuelle Vertragsverhältnis etwa durch Streichungen oder Ergänzungen oder Ankreuzen verschiedener Punkte zu berücksichtigen. Vor allem biete das Formular keinen Platz zum Anführen konkreter Informationen zur wirtschaftlichen Lage des Kreditnehmers, über die der Interzedent bereits mündlich aufgeklärt worden sein oder über die er auf diesem Weg schriftlich aufgeklärt werden solle. Das Formblatt werde daher – anders als die zu 1 Ob 46/10m beurteilten „Gesprächsnotizen“ – beim Verbraucher nicht den Eindruck erwecken, die Urkunde solle den Inhalt des Aufklärungsgesprächs dokumentieren. Gerade im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit zur Individualisierung und die Tatsache, dass dem Interzedenten damit ganz allgemein eine Erklärung abverlangt werde, mit der er die umfassende Information über die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers bestätige, werde der Verbraucher diese Erklärung als Ergänzung zu jenem Regelwerk betrachten, mit dem sein Vertragsverhältnis zur Beklagten ausgestaltet worden sei. Damit unterlägen die beanstandeten Klauseln aber auch, wenn sie ihrem Wortlaut nach bloße Tatsachenbestätigungen beinhalten, der Klauselkontrolle des § 28 KSchG. Für die Erfüllung der Aufklärungsobliegenheit des § 25c KSchG sei der Kreditgeber behauptungs- und beweispflichtig. Die Erklärung des Verbrauchers in Klausel 1, ihm sei die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers umfassend zur Kenntnis gebracht worden, führe als Tatsachenbestätigung im Streitfall dazu, dass die grundsätzlich beweispflichtige Beklagte hinsichtlich der Aufklärung ein Beweismittel für sich in Anspruch nehmen könne, das der Verbraucher entkräften müsste. Im Ergebnis erschwere sie daher die Rechtsdurchsetzung des Verbrauchers, indem sie ihn mit einem Beweis belaste, den er sonst nicht erbringen müsste, und verstoße damit gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG.
Die Verwendung einer mit Klausel 2 vergleichbaren Klausel habe der Oberste Gerichtshof bereits zu 4 Ob 221/06p [Klausel 40] wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB untersagt. Die Klausel bewirke eine Verschiebung der Beweislast zu Gunsten der beklagten Bank und erschwere die Rechtsdurchsetzung bzw Rechtsverteidigung des Schuldners. Da die beanstandeten Klauseln weder Bezug auf ein konkretes mündliches Aufklärungsgespräch nehmen, noch bestimmte mündlich besprochene Urkunden über die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers anführten, setze die Verwendung des beanstandeten Vertragsformblatts den von der Beklagten behaupteten dreistufigen Aufklärungsprozess nicht zwingend voraus. Darauf, ob dieser von der Beklagten gegenüber dem Interzedenten tatsächlich eingehalten werde, komme es nicht an.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof – soweit ersichtlich – die Frage, ob ein Formblatt mit Tatsachenbestätigungen über die Aufklärung des Interzedenten gemäß § 25c KSchG auch der Klauselkontrolle nach § 28 KSchG unterliege, wenn es nicht in die dem Vertrag zugrunde liegenden AGB integriert, sondern davon getrennt zu unterfertigen sei, noch nicht zu beurteilen gehabt habe und die beanstandeten Klauseln eine große Anzahl von Kunden betreffen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene, vom Kläger beantwortete, Revision der Beklagten ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
Zu Klausel 1:
1. Nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen ihm eine Beweislast auferlegt wird, die ihn von Gesetzes wegen nicht trifft.
2. § 6 Abs 1 Z 11 KSchG dient der Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Nach deren Art 3 Abs 1 ist eine AGB-Klausel als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Im Anhang der Richtlinie werden demonstrativ Klauseln angeführt, die als missbräuchlich erklärt werden können (Art 3 Abs 3 der Richtlinie). Nach Nr 1 lit q des Anhangs sind unter anderem Klauseln verpönt, die dem Verbraucher die Beweislast auferlegen, die nach dem geltenden Recht einer anderen Vertragspartei obläge. Der Richtlinienwortlaut erfasst somit nur Klauseln, die die Beweislast rechtlich verschieben. Im Lichte des europarechtlichen Effektivitätsgebots kann aber für Klauseln, die faktisch dazu führen, dass der Verbraucher eine Beweislast zu tragen hat, die rechtlich seinem Vertragspartner obliegt, nichts anderes gelten. Eine analoge Anwendung des § 6 Abs 1 Z 11 KSchG auf Tatsachenbestätigungen kommt somit grundsätzlich in Betracht (6 Ob 120/15p [3.22.]).
3. Mit Klausel 1 bestätigt der Interzedent, dass er von der Beklagten umfassend über die wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers aufgeklärt wurde. Eine solche Tatsachenbestätigung ist eine widerlegbare Erklärung des Verbrauchers über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Tatsache (RIS-Justiz RS0121955). Solche Wissenserklärungen haben bloß deklarative Wirkung und sind widerlegbar, dienen aber als Beweismittel und haben dabei typischerweise eine Umkehr der Beweislast zur Folge (1 Ob 113/17z [4.] mwN; vgl RS0032812 [T1]).
Eine Tatsachenbestätigung, die in einem Vertragsformular zum Abschluss eines Schuldverhältnisses enthalten ist, unterliegt unter bestimmten Voraussetzungen der Klauselkontrolle nach § 28 Abs 1 KSchG. Nichts anderes kann aber für eine vorformulierte Tatsachenbestätigung in einem Formular gelten, die – wie von der Beklagten in der Revision zugestanden – vom Mitschuldner zwar getrennt vom Vertrag, aber jedenfalls zu unterzeichnen ist. Im Ergebnis macht es keinen Unterschied, ob der Verbraucher regelungstechnisch von der Durchsetzung seiner Rechte durch eine vorformulierte Bestätigung in einem Vertragswerk oder durch eine solche Bestätigung in einem Formular, das zusammen mit dem Vertrag zu unterfertigen ist, abgehalten wird. Für diese Beurteilung spricht, dass es für Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinn des § 28 Abs 1 KSchG gleichgültig ist, ob die vorformulierten Vertragsbedingungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (RS0123499 [T7]).
Der vorliegende Fall unterscheidet sich vom Sachverhalt, den der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 46/10m (= VRInfo 2010 H 9, 2 [krit Kolba]) zu beurteilen hatte, waren doch die dort zu beurteilenden „Gesprächsnotizen“ über Beratungvorgänge Formulare, in denen individuelle Tatsachen des Kunden, wie dessen Einkommensverhältnisse, Risikobereitschaft etc im Sinne der Aufklärungs- und Dokumentationspflichten des Wertpapieraufsichtsgesetzes festgehalten wurden. Deshalb kam der Senat 1 zum Ergebnis, dass die enthaltenen Tatsachenbestätigungen im Zusammenhang mit der Beratung und Belehrung über die Risken oder die dem Kunden nach dem Gesetz zustehenden Rechte nicht § 28 Abs 1 KSchG unterliegen, sondern Beweismittel für den Individualprozess seien.
Erschwert eine Tatsachenbestätigung die Rechtsdurchsetzung des Verbrauchers, indem sie ihn mit einem Beweis belastet, den er sonst nicht erbringen müsste, ist die Klausel nach § 6 Abs 1 Z 11 KSchG nichtig (RS0121955; Krejci in Rummel3§ 6 KSchG Rz 139; zu bloßen Tatsachenbestätigungen im Zuge der Vertragserfüllung [zB Quittung] vgl dagegen RS0121188). Diese Bestimmung ist – wie auch schon vom Berufungsgericht dargelegt – analog anzuwenden, wenn zwar keine formelle Beweislastvereinbarung getroffen wird, der Konsument aber eine Wissenserklärung abgibt, die zumindest im Ergebnis den Wirkungen einer entsprechenden Vereinbarung nahekommen kann. Immer ist aber zu fordern, dass durch eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Tatsachenbestätigung (bzw eine – wie hier – in Ergänzung zum Vertrag über die Interzession zu unterfertigende formularmäßige Tatsachenbestätigung) eine Erschwerung der Beweissituation für den Konsumenten denkbar ist (RS0121955 [T6]).
4. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass der Gläubiger die wirtschaftliche Notlage des Hauptschuldners kannte oder kennen musste, trifft den Interzedenten (RS0120350), wenn er sich darauf beruft, dass der Gläubiger seine diesbezügliche Hinweisobliegenheit verletzt habe. Gelingt dem Verbraucher dieser Beweis, trifft den Kreditgeber die volle Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er seiner sich aus § 25c KSchG ergebenden Aufklärungsobliegenheit gänzlich nachgekommen ist (RS0120256; Krejci in Rummel3§ 25c KSchG Rz 10; Jantschgi in Keiler/Klauser, Verbraucherrecht § 25c KSchG Rz 45; Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB4§ 25c KSchG Rz 3; Kathrein/Schoditsch in KBB5§ 25c KSchG Rz 7).
5. Klausel 1 dient dem beklagten Kreditunternehmen zum Nachweis, dass es seiner sich aus § 25c KSchG ergebenden Aufklärungsobliegenheit nachgekommen ist. Durch die Klausel droht eine Erschwerung der Rechtsverfolgung für den Verbraucher, weil nicht auszuschließen ist, dass die – keinen Raum für eine Konkretisierung im Einzelfall lassende, formelhaft abverlangte – Wissenserklärung im Individualprozess zum Nachteil des Verbrauchers verwertet wird (RS0032812 [T1]), wodurch dieser in die Situation versetzt wird, den Gegenbeweis antreten zu müssen. Die Klausel kann nicht als bloße, nur Beweiszwecken dienende Wissenserklärung – wie etwa eine Quittung oder eine Übernahmebestätigung – verstanden werden. Es liegt vielmehr eine unzulässige beweislastverschiebende Tatsachenbestätigung vor. Die in Klausel 1 enthaltene – mit Ausnahme des Namens des Kreditnehmers – vorformulierte Tatsachenbestätigung verstößt damit gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG und ist unverbindlich sowie unzulässig.
Zu Klausel 2:
6. Dass die vorformulierte Klausel 2 in einem separaten Formblatt enthalten ist, spielt – wie zu Punkt 3. dargelegt wurde – für die Überprüfung im Verbandsprozess keine Rolle.
7. Zutreffend wies bereits das Berufungsgericht darauf hin, dass der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 221/06t (Klausel 40; vgl auch 8 Ob 121/05k = SZ 2006/11) eine vergleichbare – sogar weniger massive – Klausel als unzulässig beurteilt hat. Diese Klausel hatte eine Bestätigung des Solidarschuldners zum Gegenstand, über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers und über die wesentlichen Folgen seiner Solidarhaftung informiert worden und zur Übernahme der Solidarhaftung auch für den Fall bereit zu sein, dass der Kreditnehmer seine Verpflichtung nicht oder nicht vollständig erfüllt. Die Verwendung der Klausel wurde wegen Verstoßes gegen § 6 Abs (gemeint:) 1 Z 11 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB untersagt und dazu ausgeführt, dass derartige Klauseln – und damit auch die hier beanstandete Klausel 2 – darauf abzielten, die Erfüllung der der beklagten Bank auferlegten Informationspflicht zu fingieren. Sie verschafft der Beklagten im Fall einer späteren Inanspruchnahme des Solidarschuldners eine für sie ungleich günstigere Beweislage, weil sie unter Hinweis auf die mit dieser Klausel getroffene Vereinbarung geltend machen könnte, sie habe den Schuldner ausreichend gewarnt und dieser habe dennoch die Haftung auch für den Fall übernommen, dass der Kreditnehmer seine Verpflichtungen nicht oder nicht vollständig erfüllen werde. Demgegenüber werde der Schuldner mit dem ihn sonst nicht treffenden Beweis belastet, dass ihn die Bank nicht ausreichend konkret aufgeklärt habe und er mit einer Vertragsbestimmung wie einer solchen Klausel nicht habe rechnen müssen. Eine solche Klausel kann somit faktisch eine Verschiebung der Beweislast zu Gunsten der beklagten Bank bewirken und die Rechtsdurchsetzung bzw Rechtsverteidigung des Schuldners erschweren. Dies gilt umso mehr für die hier zu beurteilende Klausel 2, in der – formularmäßig und unabhängig von der tatsächlichen finanziellen Situation des Hauptschuldners – stets die aktuelle Gefahr eines Zahlungsausfalls behauptet wird, womit sie in Wahrheit keinen brauchbaren Informationswert besitzt.
8. Die von der Beklagten als fehlend monierten Feststellungen beziehen sich auf die von ihr behauptete „gelebte Praxis“. Der Einwand, eine gesetzwidrige Klausel werde in der Praxis anders gehandhabt, ist aber im Verbandsprozess unerheblich (RS0121943).
9. Die Revision, die ansonsten keine weiteren Rechtsfragen anschneidet, ist daher nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und 50 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00057.20V.0428.000 |
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