OGH 23.03.1999, 1Ob56/99p
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder S*****, und zwar Nathalie, geboren am *****, Marlene, geboren am *****, Remi, geboren am *****, Caroline, geboren am *****, und Isabelle, geboren am *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Minderjährigen und deren diese vertretenden Eltern Ingrid S*****, sowie Philippe S*****, sämtliche ***** vertreten durch Dr. Michael Gabler und Mag. Dr. Erich Gibel, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 780/98h-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 8 P 176/98m-2, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag übermittelt, seine Entscheidung durch den Ausspruch zu ergänzen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteigt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht bestellte für die Minderjährigen "im Verfahren zur Errichtung einer Privatstiftung" einen Kollisionskurator und beauftragte diesen, die Vorteilhaftigkeit dieser Stiftung für die Minderjährigen zu überprüfen, darüber zu berichten und gegebenenfalls die Stiftungsurkunde für die Minderjährigen zu unterfertigen.
Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluß und sprach ohne Beifügung eines Bewertungsausspruchs aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Zum "außerordentlichen Revisionsrekurs" der Minderjährigen und ihrer Eltern kann derzeit noch nicht Stellung genommen werden:
Gemäß § 14 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 14a Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 260.000 S nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. In einem solchen Fall kann eine Partei nur nach § 14a Abs 1 und Abs 2 AußStrG beim Erstgericht binnen 14 Tagen nach Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichts einen Antrag an das Rekursgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, daß der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit dem ordentlichen Revisionsrekurs zu verbinden ist, muß hinreichend erkennen lassen, warum - entgegen dem Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz - nach § 14 Abs 1 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig erachtet wird. Nach den Materialien (898 BlgNR 20. GP 29) soll dagegen für Ansprüche nicht rein vermögensrechtlicher Natur der Ausschluß des außerordentlichen Revisionsrekurses bis zu einer Wertgrenze von insgesamt 260.000 S nicht gelten, so daß für diesen Bereich und solche Ansprüche der außerordentliche Revisionsrekurs weiterhin zulässig sein soll.
In der Beurteilung, ob ein Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur vorliegt, trat durch die WGN 1997 keine Änderung ein. Zum Außerstreitgesetz idF der WGN 1989 wurde ausgesprochen, daß die Frage, ob ein Anspruch rein vermögensrechtlicher Natur vorliege, aus seinem materiellrechtlichen Inhalt zu prüfen sei. Als vermögensrechtliche Ansprüche könnten jene angesehen werden, die vererblich oder veräußerbar sind. Personen- und Familienrechte fallen dagegen nicht unter die Vermögensrechte. Unter Entscheidungsgegenständen nicht (rein) vermögensrechtlicher Art hat der Gesetzgeber solche Fälle verstanden, die unmittelbar die Person eines Verfahrensbeteiligten betreffe, etwa im Pflegschaftsverfahren eine Sorgerechts- oder eine Besuchsrechtsregelung. Demgemäß hat der Oberste Gerichtshof auch schon ausgesprochen, der Anspruch auf Bestellung eines Heiratsguts entspringe zwar dem Familienrecht, sei aber dennoch (rein) vermögensrechtlicher Natur (1 Ob 113/98v = ecolex 1998, 764; 6 Ob 113/98f uva).
Der hier zu beurteilende Entscheidungsgegenstand betrifft die Errichtung einer Privatstiftung und damit nicht unmittelbar die Person der Minderjährigen, sondern deren Vermögen. Auch bloß verfahrensrechtliche Entscheidungen, wie hier die Frage, ob ein Kollisionskuratur für die Minderjährigen zu bestellen ist bzw ob die Stiftungserklärung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfe, sind schon wegen ihres Einflusses auf die Entscheidung in der Hauptsache als solche vermögensrechtlicher Natur anzusehen, sofern die Hauptsache selbst - im vorliegenden Fall die Gründung einer Privatstiftung - vermögensrechtlicher Natur ist. Die hier zu beurteilende Entscheidung ist somit als solche rein vermögensrechtlicher Natur, nämlich als Ausfluß der Vermögenspflegschaft, anzusehen (vgl 1 Ob 113/98v = ecolex 1998, 764; 6 Ob 113/98f; 6 Ob 250/98b; 6 Ob 300/98f).
Dem Rekursgericht ist daher die Ergänzung seiner Entscheidung durch Vornahme des entsprechenden Bewertungsausspruchs nach § 13 Abs 2 AußStrG aufzutragen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Nathalie, geboren am *****, Marlene, geboren am *****, Remi, geboren am ***** Caroline, geboren am ***** und Isabelle S*****, geboren am *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Minderjährigen und deren diese vertretenden Eltern Ingrid S*****, sowie Philippe S*****, sämtliche ***** vertreten durch Dr. Michael Gabler und Mag. Dr. Erich Gibel, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 780/98h-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 8 P 176/98m-2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Minderjährigen legten eine Stiftungsurkunde vom , eine Zusatzurkunde gleichen Datums und einen Nachtrag zu dieser Stiftungsurkunde vom mit dem Antrag vor, diese Rechtsgeschäfte pflegschaftsgerichtlich zu genehmigen. Die ins Leben gerufene Privatstiftung habe unter anderem den Zweck, die begünstigten Personen durch Gewährung verschiedener Geldleistungen zu unterstützen. Die Eltern der Minderjährigen hätten die Stiftungsurkunden als gesetzliche Vertreter unterfertigt. Die von den Kindern eingebrachten Vermögenseinlagen im Betrag von je S 10.000 seien durch deren gesetzliche Vertreter schenkungsweise geleistet worden. Mit der Teilnahme an der Privatstiftung sei keine Verpflichtung der Minderjährigen verbunden. Somit erwüchsen den Kindern nur rechtliche Vorteile, insbesondere die Ausübung von nur Stiftern zustehenden Gestaltungsrechten. Dennoch habe das Firmenbuchgericht die Vorlage einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung der Stiftungsurkunden aufgetragen, weshalb ein entsprechender Antrag gestellt werde.
Das Erstgericht bestellte für die Minderjährigen "im Verfahren zur Errichtung einer Privatstiftung" einen Kollisionskurator und beauftragte diesen, die "Vorteilhaftigkeit dieser Stiftung für die Minderjährigen zu überprüfen und darüber zu berichten und gegebenenfalls die Stiftungsurkunde für die Minderjährigen zu unterfertigen". Da die Mutter der Kinder Mitstifterin und auch gesetzliche Vertreterin im Verfahren zur Unterfertigung der Stiftungserklärung sei, handle es sich um ein Insichgeschäft, das in den "Anwendungsbereich des § 271 ABGB" falle. Eine Interessenkollision zwischen der gesetzlichen Vertreterin und den Minderjährigen könne objektiv nicht ausgeschlossen werden.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach letztlich aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs als nicht zulässig. Es läge ein Insichgeschäft im Sinne des § 271 ABGB vor, weil einer der Stifter gleichzeitig gesetzlicher Vertreter der minderjährigen Stifter sei. Das Auftreten einer Interessenkollision zwischen der gesetzlichen Vertreterin der Kinder und diesen könne keineswegs objektiv ausgeschlossen werden, weil die Kinder als Stifter der dritten Generation erst nach dem Ableben von Stiftern der zweiten Generation Ansprüche auf Zuwendungen aus der Stiftung geltend machen könnten, den Stiftern der zweiten Generation aber bereits die Möglichkeit zustehe, die Stiftung zu widerrufen oder Änderungen des Stiftungszwecks herbeizuführen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Kinder und deren Eltern ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Zur Frage der Bestellung eines Kurators ordnet § 271 ABGB an, daß das Gericht in Geschäften, die zwischen Eltern und einem minderjährigen Kinde vorfallen, das Gericht "angegangen werden" muß, für den Minderjährigen einen besonderen Kurator zu bestellen. Der Ausdruck "Geschäfte" in § 271 ABGB ist weit auszulegen: Darunter fallen ein- und mehrseitige Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen, Rechtsverhältnisse, Rechtsstreite und behördliche Verfahren; der Begriff ist so weit zu fassen, wie Kollision im materiellen Sinn droht. Eine solche Kollision droht, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht. Dieser kann sich auch aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, wenn letzterer geneigt sein könnte, diese Interessen denen des von ihm Vertretenen vorzuziehen. Kollision im formellen Sinn liegt vor, wenn ein zufolge Gesetzes oder behördlicher Verfügung Vertretungsbefugter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte. Voraussetzung für die Kuratorbestellung ist Kollision im formellen und materiellen Sinn. Ein Kurator ist also (schon) dann zu bestellen, wenn aufgrund eines objektiv gegebenen Interessenwiderspruchs eine Gefährdung der Interessen des Minderjährigen möglich ist (1 Ob 252/97h; 2 Ob 102/97g, 2 Ob 103/97d; 1 Ob 2410/96k; 10 ObS 5/95; ÖA 1991, 106). Ein Insichgeschäft ist (nur dann) zulässig, wenn nicht einmal die Gefahr einer Interessenkollision zu befürchten ist, so etwa, wenn das Rechtsgeschäft dem Vertretenen nur rechtliche Vorteile bringt und keine Gefahr der Schädigung des Vertretenen droht, insbesondere wenn Verpflichtungen daraus nicht entstehen können (EvBl 1983/39; SZ 54/20).
Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze ist im vorliegenden Fall die hier zu beurteilende Privatstiftung ohne Bestellung eines Kollisionskurators nicht wirksam. Die Stiftungserklärung der Minderjährigen fällt in den Anwendungsbereich des § 271 ABGB, weil einer ihrer gesetzlichen Vertreter Mitstifter ist, und eine Interessenkollision kann - zumindest derzeit - zwischen diesem gesetzlichen Vertreter und den Minderjährigen objektiv nicht ausgeschlossen werden. Wenngleich die Kinder durch das angestrebte Rechtsgeschäft ausschließlich Befugnisse (zur Ausübung bestimmter Gestaltungsrechte), derer sie ohne Stiftungserklärung nicht teilhaftig würden, erlangen, und die von den minderjährigen Mitstiftern einzubringenden Vermögenseinlagen (je S 10.000) nach der Stiftungsurkunde von ihren gesetzlichen Vertretern aus deren Mitteln einbezahlt werden, so daß den Minderjährigen aus der Aufbringung der Mittel für deren Einlagen keine finanzielle Belastung erwachsen kann, bedürfen die Minderjährigen bei der Stiftungserklärung doch der Vertretung durch beide obsorgende Elternteile und deren pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung - und damit aufgrund der Mitstiftereigenschaft eines der gesetzlichen Vertreter auch der Bestellung eines Kollisionskurators - , weil die minderjährigen Stifter eine Haftung für die Gründungskosten treffen könnte. So könnte die Haftung der Stifter dafür eintreten, daß das gewidmete Stiftungsvermögen zum Zeitpunkt der Eintragung der Stiftung ins Firmenbuch noch vorhanden ist (RdW 1999, 409; Csoklich in Csoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch zum Privatstiftungsgesetz 55; Martin C. Huber in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz, Rz 20 zu § 7). Es kann daher auch nicht gesagt werden, daß mit der Mitstiftungserklärung keinerlei Gefahr für die Minderjährigen verbunden wäre, auch wenn es sich um eine sogenannte "Zwergstiftung" handelte, und daß mangels Gefahr eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung gemäß § 154 Abs 3 ABGB nicht erforderlich sei (so aber Arturo in RdW 1998, 6 ff; derselbe in RdW 1997, 442 ff).
Wenngleich durch die nicht ausschließbare Möglichkeit, daß die Minderjährigen nicht mehr in den Genuß des Stiftungsvermögens gelangen werden, etwa wenn die Stifter der zweiten Generation - darunter ihre Eltern - den Stiftungsvertrag entsprechend ändern, für sich noch keine Interessenkollision heraufbeschworen wird, weil die Minderjährigen mit der Stiftung letztlich nur Rechte erlangen, von deren Ausübung sie durch eine solche Entwicklung zwar ausgeschlossen werden könnten, wodurch sie aber - bezogen auf ihre gegenwärtige Vermögenslage - keinerlei finanzielle Einbuße erleiden könnten, ist aus der oben angeführten Erwägung die Bestellung eines Kollisionskurators doch erforderlich.
Dem Revisionsrekurs ist demnach ein Erfolg zu versagen.
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1999:0010OB00056.99P.0323.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
NAAAD-04745