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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 30.06.2009, RV/1997-W/09

Vom Alter des Kindes abhängige unterschiedliche Beurteilung des Grades der Behinderung

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/1997-W/09-RS1
wie RV/0660-G/05-RS1
Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit können je nach Alter des Kindes eine unterschiedliche Beurteilung erfahren und folglich einen unterschiedlichen Grad der Behinderung bewirken. Bei Beeinträchtigungen im Kindes- und Jugendalter wird unterschieden zwischen Beeinträchtigungen im Kleinkindesalter und Einschränkungen im Schul- und Jugendalter. Im Schul- und Jugendalter wird abermals unterschieden zwischen Zeiten des Schulbesuches und Zeiten nach Abschluss der Schule (berufliche Eingliederung).

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., W, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihres minderjährigen Sohnes, S, geboren am xx.xx.xxxx, ab März 2001 entschieden:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird folgendermaßen abgeändert:

Der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des minderjährigen Sohnes, S, wird für März 2001 bis Juli 2008 abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) beantragte am die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ihres minderjährigen Sohnes, S, ab März 2001 und führte als Behinderung eine Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen (sensorische Integrationsstörung), MCD, eine Seitenventrikelassymetrie bzw. einen Herzfehler an.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag für den Zeitraum ab Juli 2003 abgewiesen. In der Begründung wurde nach Wiedergabe des § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG 1967) auf die Bescheinigung des Bundessozialamtes vom verwiesen, der zufolge das bei dem Sohn der Bw. festgestellte Ausmaß der Behinderung nur 30% betrage, weshalb der Antrag ab Juli 2003 abzuweisen gewesen sei. Für den davor liegenden Zeitraum von März 2001 bis Juni 2003 wird festgehalten, dass für diesen Zeitraum der Anspruch bereits verjährt sei, da eine Antragstellung nur innerhalb von fünf Jahren möglich sei.

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung wandte die Bw. ein, ihr Sohn sei seit seiner Geburt erheblich geistig und körperlich behindert. Der Entwicklungsrückstand sei groß, weshalb er eine Integrationsklasse besuche. Ausdauersport sei wegen seines Herzfehlers verboten. Ihr Sohn benötige Ergotherapie und Logopädie. Sie werde einen neuen orthopädischen Befund, mit welchem seine körperliche Behinderung bestätigt werde, vorlegen, sobald sie diesen erhalte. Sie ersuche daher um neuerliche Begutachtung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde der Bescheid dahingehend abgeändert, dass nunmehr ab August 2008 rückwirkend erhöhte Familienbeihilfe gewährt wurde, da laut neuerlich eingeholter Bescheinigung des Bundessozialamtes das Ausmaß der Behinderung ab 50% betrage.

In dem dagegen fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag wandte die Bw. ein, ihr Sohn sei schon seit seiner Geburt behindert, weshalb ihm auch rückwirkend für fünf Jahre die erhöhte Familienbeihilfe zustünde. Sie werde einen neuerlich eingeholten Befund vorlegen, sobald dieser vorliege.

Ein weiterer Befund wurde jedoch nicht vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Bw. bezieht laut Auskunft des Finanzamtes erst seit Februar 2007 für ihren minderjährigen Sohn S in Österreich Familienbeihilfe, da sie und ihr Sohn erst ab diesem Zeitpunkt über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügen und damit auch erst ab diesem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt werden.

Der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung wurde - wie dem von der Bw. auf der Eingabe vermerkten Datum sowie dem Eingangsstempel des Finanzamtes entnommen werden kann - am gestellt.

In der Bescheinigung des Bundessozialamtes Wien vom wird eine Behinderung des minderjährigen Sohnes der Bw. im Ausmaß von 30% festgestellt. Dem dieser Bescheinigung zu Grunde liegenden ärztlichen Sachverständigengutachten ist Folgendes zu entnehmen:

"Anamnese:

Geburt in Deutschland, seit 2 Jahren in Österreich. Seit Geburt besteht ein Herzfehler, der mit 18 Mo operiert worden ist. Im Kindergarten und der Vorschule ist eine Entwicklungsverzögerung aufgefallen, er entspricht nicht der Altersnorm. Er wird jetzt in eine Integrationsklasse eingeschult. Er braucht beim Anziehen Hilfe, er ist sauber. Vom Herz her gibt es seit der OP keine Probleme.

Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):

Keine, Ergotherapie und Logopädie ist geplant.

Untersuchungsbefund:

Normaler AZ; EZ, klinisch: 1/6 Systolikum PM 2. ICR li parasternal, Hohlfüße bd, Hammerzehen, blande Narbe nach Thoracotomie, übriger klinischer Status unauffällig.

Status psychicus/Entwicklungsstand:

Altersentsprechend, unauffällig, freundlich, offen

Relevante vorgelegte Befunde:

2008-07-07 AKH WIEN, KINDERKLINIK

St.p. Fallot IV OP , eine kardiale Therapie ist derzeit nicht erforderlich, kein Einwand gegen Schulturnen.

2008-08-26 DR. W., PSYCHOLOGIN

Auffallend unterdurchschnittliche Entwicklung gegenüber Gleichaltrigen.

Diagnose(n):

St.p. OP einer Fallotschen Tetralogie

Richtsatzposition: 328 Gdb: 0% ICD: Q20.0

Rahmensatzbegründung:

Unterer Rahmensatz, da die kardiale Situation zufriedenstellend ist, keine Medikation erforderlich ist und keine Leistungseinschränkung besteht.

Psychomotorische Retardierung:

Richtsatzposition: 578 Gdb: 030% ICD: F83.0

Rahmensatzbegründung: Gesamtgrad der Behinderung: 30 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.

GdB1 wird durch GdB2 nicht erhöht

Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich n i c h t dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen."

Die Bescheinigung des Bundessozialamtes vom weist einen Grad der Behinderung von 50% ab aus. In dem dieser Bescheinigung zu Grunde liegenden ärztlichen Sachverständigengutachten wird die Anamnese des Erstbefundes dahin gehend ergänzt, als vermerkt wird, dass im Kindergartenalter eine Entwicklungsverzögerung aufgefallen sei. Aktuell besuche der minderjährige S eine 1. Klasse Volksschule. Ab 1/2009 sei eine sonderpädagogische Förderung mit Unterricht nach Allgemeinem Sonderschul-Lehrplan vorgesehen.

Kardial leide der Sohn der Bw. an einer Pulmonalklappenstenose und -Insuffizienz nach Korrektur einer Fallot-Tetralogie. Somit liege eine kombinierte Störung der schulischen Fertigkeiten vor, wofür ein GdB von 40% anerkannt werde.

Als Behandlung sei Ergotherapie vorgesehen.

Zur Beurteilung des Herzfehlers zieht das Gutachten vom die Richtsatzposition 313 (Kompensierte Herzklappenfehler ohne vorausgegangene Dekompensation) mit einem Rahmenssatz von 30 - 40% heran und kommt mit der Begründung, es sei keine Therapie notwendig, weshalb der untere Rahmensatz heranzuziehen sei, zu einem Grad der Behinderung von 30%.

Hinsichtlich der Entwicklungsstörung geht das Gutachten von einer kombinierten Störung schulischer Fertigkeiten aus, die unter die Richtsatzdisposition 597 (Schwere Form der Agraphie) eingeordnet werden, welche einen Rahmensatz von 40% vorsieht. Dieses Leiden wird durch den Herzfehler um eine Stufe erhöht, womit sich ein 50%iger Grad der Behinderung ergibt.

Der Zeitpunkt der Erhöhung des festgestellten Grades der Behinderung auf 50% wird damit begründet, dass ab der Befundung durch Dr. W. ein Sonderschullehrplan für den Minderjährigen notwendig wird.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten wird davon ausgegangen, dass der Grad der Behinderung erst ab August 2008 50% beträgt.

Dies gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:

Während im Erstgutachten noch ein weniger gravierender Entwicklungsrückstand diagnostiziert wird, ergibt sich aus dem im Rahmen der weiteren Untersuchung vorgelegten Befund eine Verschlechterung des Zustandes des Sohnes der Bw., der darin zum Ausdruck gebracht wird, dass nunmehr ein Unterricht nach dem Sonderschullehrplan erforderlich wird.

Diese Begründung ist insofern nachvollziehbar, als sich das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes je nach Alter des Kindes unterschiedlich darstellt, da die Fertigkeiten, die ein Kind im Kindergartenalter beherrschen sollten, sich wesentlich von jenen, die von einem Schulkind erwartet werden, unterscheiden. Das Ausmaß eines Entwicklungsrückstandes ist daher immer im Vergleich zum Entwicklungsstand gleichaltriger gesunder Kinder zu sehen. Dementsprechend ist zwar anhand der vorgelegten Befunde auch schon im Kindergartenalter ein gewisser Entwicklungsrückstand zu bemerken, dieser hat sich aber - wie die Sachverständigengutachten schlüssig darlegen - bis zum Schulalter weiterhin vergrößert, und ab Eintritt in die 1. Klasse Volksschule zu einer 40%igen Behinderung geführt.

Dem Einwand der Bw., ihr Sohn sei von Geburt an behindert gewesen, ist entgegenzuhalten, dass dieser zunächst an einem schweren Herzfehler litt, welcher jedoch im Rahmen der vorgenommenen Operation insoweit behoben wurde, als er nunmehr lediglich zu einer 30%igen Behinderung führt. Ausschlaggebend für den nunmehr festgestellten Grad der Behinderung ist der festgestellte Entwicklungsrückstand, der nicht schon von Geburt an bestand, sondern sich erst im Lauf der Entwicklung des Kindes manifestierte. Dementsprechend erscheint es auch durchaus schlüssig, wenn ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 50% erst ab dem Zeitpunkt diagnostiziert wird, zu dem festgestellt wird, dass der Sohn der Bw. nach dem Sonderschullehrplan zu unterrichten sein wird.

Der als erwiesen angenommene Sachverhalt ist folgendermaßen rechtlich zu beurteilen:

Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4 leg. cit.) ist besonders zu beantragen.

Die Familienbeihilfe wird § 10 Abs. 2 FLAG 1967 zufolge vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4 FLAG 1967) werden gemäß § 10 Abs. 3 FLAG 1967 höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. Mit Ablauf dieser Frist ist der Anspruch auf Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für weiter zurückliegende Zeiträume erloschen.

Da der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe erst am gestellt wurde, kann es für Zeiträume vor Juli 2003 schon aus dem Grund der Verjährung zu keiner Gewährung von erhöhter Familienbeihilfe kommen.

Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um 138,3 €.

Daraus ergibt sich, dass ein Erhöhungsbetrag nur für jene Zeiträume gewährt werden kann, für die ein Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe besteht. Da ein solcher erst ab Februar 2007 besteht, kommt für die davor liegenden Monate schon mangels Anspruchs auf Familienbeihilfe die Gewährung eines Erhöhungsbetrages nicht in Frage.

Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs. 5 Flag 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist § 8 Abs. 6 FLAG 1967 zufolge durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

Da die Bescheinigung des Bundessozialamtes vom , die auf Grund des ärztlichen Sachverständigengutachtens vom erstellt wurde, für den minderjährigen Sohn der Bw. einen Grad der Behinderung von 50% erst ab August 2008 ausweist, und die Schlüssigkeit des ärztlichen Gutachtens von der Bw. nicht widerlegt werden konnte, kann erst ab August 2008 ein Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe gewährt werden.

Das darüber hinausgehende Begehren war daher aus den dargelegten Gründen abzuweisen.

Wien, am

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