OGH vom 25.02.1997, 1Ob5/97k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Adamovic und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** Gesellschaft mbH iL, ***** vertreten durch Dr.Peter Krassnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dr.Wolfdietrich D*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Georg B*****, vertreten durch Dr.Manfred Haslinglehner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 1,800.000 sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgerichts vom , GZ 5 R 64/96-36, womit infolge bzw aus Anlaß der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 23 Cg 327/93-20, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der berufungsgerichtliche Beschluß wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Am wurde die R***** Gesellschaft mbH gegründet. Eduard W***** und der Beklagte wurden zu gemeinsam vertretungsbefugten Geschäftsführern bestellt. In der außerordentlichen Generalversammlung vom beschlossen die anwesenden Gesellschafter Eduard W***** und Johann K***** einstimmig, gegen den Beklagten mit Klage auf Rechnungslegung, Zahlung, Zuhaltung des Mietvertrags, Zuhaltung des Gesellschaftsvertrags und Schadenersatz vorzugehen. Sie beauftragten mit der Durchsetzung dieser Ansprüche den Klagevertreter Dr.Peter Krassnig. Am wurde die R***** Gesellschaft mbH aus Anlaß der Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen aufgelöst. Mit Beschluß vom wurde der Konkurs gemäß § 166 Abs 1 KO mangels Gläubigermehrheit aufgehoben. Am wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Am wurden Eduard W***** und der Beklagte zu gemeinsam vertretungsbefugten Liquidatoren bestellt, was am ebenso wie der Beisatz „in Liquidation“ zur Firma der klagenden Partei im Firmenbuch eingetragen wurde.
Mit der vorliegenden, am eingebrachten Klage nahm die R***** Gesellschaft mbH iL ihren Geschäftsführer Georg B***** aus dem Titel des Schadenersatzes mit der Behauptung in Anspruch, er erfülle einen mit ihr abgeschlossenen Mietvertrag nicht, weshalb die Bezahlung eines Betrags von 1,8 Mio S begehrt wird.
Der Beklagte wendete unter anderem ein, es mangle der klagenden Partei an der gesetzlichen Vertretung. Die R***** Gesellschaft mbH existiere seit der durch die Konkurseröffnung am bedingten Auflösung nicht mehr, die in Liquidation befindliche Gesellschaft werde durch ihn und Eduard W***** als kollektivvertretungsbefugte Liquidatoren vertreten. Er habe aber seine Zustimmung zur Prozeßführung nicht erteilt.
Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 1,425.000 und wies das Mehrbegehren von S 375.000 ab. Die R***** Gesellschaft mbH sei nicht untergegangen, im Stadium der Liquidation habe sich nur der Geschäftszweck geändert. Die klagende Partei werde weiterhin durch den in der außerordentlichen Generalversammlung vom mit der Prozeßführung beauftragten Rechtsanwalt Dr.Krassnig vertreten. (Auf die weiteren Entscheidungsgründe ist hier nicht einzugehen, weil sie für die zu fällende Entscheidung nicht relevant sind.)
Das Berufungsgericht hob das Ersturteil aus Anlaß der Berufung der klagenden Partei und in Stattgebung der Nichtigkeitsberufung des Beklagten einschließlich des vorangegangenen Verfahrens als nichtig auf und wies die auf Zahlung von 1,8 Mio S gerichtete Klage zurück. Der Klagevertreter könne sich nicht auf eine wirksame Bevollmächtigung durch die außerordentliche Generalversammlung vom stützen, die ihm erteilte Vollmacht sei mit der Konkurseröffnung am gemäß § 1024 ABGB erloschen. Eine danach erloschene Vollmacht des Machtgebers lebe auch mit der Aufhebung des Konkurses über dessen Vermögen nicht wieder auf. Der verfahrensrechtliche Schutz des § 35 ZPO könne erst mit Anhängigmachung eines Rechtsstreits bei Gericht eintreten. Die Klage sei aber erst am beim Erstgericht eingebracht worden. Dem vom Gericht zweiter Instanz erteilten Auftrag zur Vorlage einer Erklärung des gesetzlichen Vertreters der klagenden Partei, die bisherige Prozeßführung zu genehmigen, sei diese nicht nachgekommen, der gemäß § 6 Abs 2 ZPO erfolgte Sanierungsversuch sei demnach gescheitert.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichts gerichtete Rekurs der klagenden Partei ist berechtigt.
Vorweg ist klarzustellen, daß die Auflösung der R***** Gesellschaft mbH weder zum Ende der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft noch zu deren Erlöschen geführt hat. Lediglich der Gesellschaftszweck wurde geändert; an die Stelle des ursprünglichen trat der Abwicklungszweck. Die Rechtssubjektivität der Gesellschaft blieb unberührt, sie besteht als juristische Person (mit dem Beisatz „in Liquidation“) fort (3 Ob 24/95; Koppensteiner, Kommentar zum GmbH-Gesetz, Rz 27 zu § 84; Rasner in Rowedder, GmbH-Gesetz3 Rz 5 zu § 60).
Eine gemäß § 1024 ABGB erloschene Vollmacht lebt zwar an sich mit der Aufhebung des Konkurses über das Vermögen des Machtgebers nicht wieder auf (JBl 1966, 370), doch ist zu prüfen, ob auch die von der R***** Gesellschaft mbH am , also vor Eröffnung des Konkurses über deren Vermögen, erteilte Vollmacht an den Klagevertreter durch deren Auflösung am infolge Konkurseröffnung erlosch, was zur Folge hätte, daß es tatsächlich an der gesetzlichen Vertretung der klagenden Partei bei Einbringung der Klage am mangelte:
Gemäß § 1024 ABGB sind alle Handlungen, die der Gewalthaber nach Kundmachung des Konkurses über das Vermögen des Machtgebers im Namen des Konkursschuldners unternommen hat, ohne Rechtskraft. § 35 Abs 1 ZPO bestimmt allerdings, daß die Prozeßvollmacht weder durch den Tod des Vollmachtsgebers noch durch eine Veränderung „in Betreff“ seiner Prozeßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben wird.
In Anbetracht dieser Gesetzeslage sprach der Oberste Gerichtshof in GlUNF 326 aus, daß die Frage, ob eine Prozeßvollmacht durch eine nachfolgende Konkurseröffnung als aufgehoben anzusehen sei, dann zu bejahen sei, wenn lediglich auf die Bestimmung des § 1024 ABGB Bedacht zu nehmen wäre. Es werde aber nach § 35 ZPO die Prozeßvollmacht weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine dort genannte Veränderung aufgehoben. § 1024 ABGB habe durch § 35 ZPO in Ansehung der Prozeßvollmacht eine Einschränkung erfahren, die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Partei hebe die von dieser früher erteilte Prozeßvollmacht nicht auf.
In der Entscheidung SZ 13/71 führte das Höchstgericht aus, § 35 ZPO wolle den Fortgang des Verfahrens gegen Hemmungen schützen, die sich aus dem Tod oder der Veränderung der Prozeßfähigkeit einer Partei während des Verfahrens ergeben. Die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über Fortdauer des Vollmachtsverhältnisses bis zum Beginn der Einleitung eines Rechtsstreits sollten durch die verfahrensrechtliche und in ihrer Wirksamkeit auf das Verfahren beschränkte Bestimmung des § 35 ZPO nicht berührt werden. Zur Lösung der Frage, ob eine nach Erteilung der Prozeßvollmacht eingetretene Handlungsunfähigkeit das Erlöschen der Prozeßvollmacht bewirke, seien die Bestimmungen des ABGB über den Bevollmächtigungsvertrag heranzuziehen. Das ABGB nenne als Auflösungsgründe des Bevollmächtigungsvertrags (§§ 1020 ff) nicht den Eintritt der Handlungsunfähigkeit. Die für den Fall des Konkurses geltende Bestimmung des § 1024 ABGB lasse sich nicht auf Fälle der Handlungsunfähigkeit anwenden. Da das ABGB den Eintritt der Handlungsunfähigkeit nicht als Erlöschungsgrund aufzähle, sei der Schluß gerechtfertigt, daß der nachfolgende Eintritt der Handlungsunfähigkeit den Fortbestand von Auftrag und Vollmacht nicht berühre. Die gültig erteilte Vollmacht berechtige den Prozeßbevollmächtigten, für die Partei zu handeln, auch wenn diese infolge später eingetretener Handlungsunfähigkeit nicht mehr fähig sei, selbst als Partei zu handeln.
In der Entscheidung SZ 26/132 schloß sich das Höchstgericht der in SZ 13/71 vertretenen Ansicht an, wonach die gültig erteilte Vollmacht den Prozeßbevollmächtigten berechtige, für die Partei zu handeln, auch wenn diese infolge später eingetretener Handlungsunfähigkeit nicht mehr fähig sei, selbst als Partei zu handeln.
In der Entscheidung SZ 26/164 legte der Oberste Gerichtshof dar, daß § 35 ZPO nur auf eine als Prozeßvollmacht bereits wirksam gewordene Vollmacht, daher auf den Fall eines bereits eingeleiteten Prozeßverfahrens Anwendung finden könne. Bis zum Beginn der Einleitung eines Rechsstreits würden die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Fortdauer des Vollmachtsverhältnisses durch diese verfahrensrechtliche und ihrer Wirksamkeit nach auf das Verfahren beschränkte Bestimmung des § 35 ZPO nicht berührt.
In der Entscheidung JBl 1966, 370 wurde ausgeführt, daß die Vollmacht gemäß § 1024 ABGB und § 26 Abs 1 KO durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Machtgebers erlösche; es war aber in diesem Fall nicht das Erlöschen einer Prozeßvollmacht zu beurteilen.
In der Entscheidung EvBl 1967/267 sprach der Oberste Gerichtshof aus, in Lehre und Rechtsprechung werde die Ansicht vertreten, daß die Prozeßvollmacht durch den Tod des Machtgebers erlösche, wenn der Tod bereits eingetreten ist, bevor ein Rechtsstreit anhängig gemacht wurde. Dann würden nicht die Bestimmungen des § 35 ZPO, sondern die materiellrechtlichen Bestimmungen des ABGB gelten.
In SZ 44/147 war der Fall zu beurteilen, daß der Kläger im Verlauf eines bereits anhängig gewordenen Rechtsstreits prozeßunfähig geworden war. Hier sprach der Oberste Gerichtshof aus, daß die Prozeßvollmacht nach § 35 ZPO weder durch den Tod des Machtgebers noch durch eine Veränderung seiner Prozeßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben werde.
In 4 Ob 564/72 wurde ausgeführt, die Bestimmung des § 35 ZPO könne nur Anwendung finden, wenn die Prozeßvollmacht bereits als solche wirksam geworden sei. Im Fall des Todes des Klägers werde die Prozeßvollmacht wohl wirksam, sobald die Klage noch vor dem Tod des Klägers bei Gericht eingelangt sei; in einem solchen Fall habe der Bevollmächtigte bereits im Prozeß gehandelt. Trete der Tod einer Partei aber vor Eintritt der Streitanhängigkeit ein, dann seien die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über die Fortdauer des Vollmachtsverhältnisses anzuwenden, die Vollmacht werde gemäß § 1022 ABGB durch den Tod des Gewaltgebers in der Regel aufgehoben.
Der Entscheidung 5 Ob 704/77 lag zugrunde, daß die dem Klagevertreter erteilte Vollmacht vom datierte, die Klage am bei Gericht einlangte, und über das Vermögen der klagenden Partei am der Konkurs eröffnet wurde. Hier sprach das Höchstgericht aus, es treffe zwar zu, daß § 1024 ABGB den Konkurs über das Vermögen des Machtgebers als Ursache des Erlöschens der Vollmacht erkläre, die Prozeßvollmacht falle aber nicht unter diese Bestimmung, weil § 35 ZPO den Konkurs über das Vermögen des Vollmachtgebers nicht unter ihren Aufhebungsgründen nenne.
In der Entscheidung ÖBl 1981, 86 wurde ganz allgemein zum Ausdruck gebracht, daß ein vom Gemeinschuldner erteilter Auftrag und damit auch jede Vollmacht gemäß § 26 Abs 1 KO erlösche, ausgenommen die Prozeßvollmacht.
In 2 Ob 542/82 sprach der Oberste Gerichtshof aus, Prozeßvollmachten würden durch eine spätere Konkurseröffnung nicht erlöschen, weil § 35 ZPO den Konkurs über das Vermögen des Vollmachtgebers nicht unter den Aufhebungsgründen nenne. Ebenso wurde in 2 Ob 504/85 ganz allgemein die Ansicht vertreten, durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vollmachtgebers erlösche die einem Rechtsanwalt erteilte Prozeßvollmacht nicht.
Die Entscheidung EvBl 1992/76 bringt zum Ausdruck, daß der Verlust der Geschäftsfähigkeit (und damit auch der Prozeßfähigkeit) des Machtgebers den Fortbestand einer vorher erteilten Prozeßvollmacht nicht berühre. Das gelte auch, wenn die Prozeßunfähigkeit nach der Erteilung der Vollmacht, aber noch vor der Einleitung des Rechtsstreits eingetreten sei. In diesem Fall ergebe sich allerdings das Fortbestehen der Prozeßvollmacht aus den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, die den Eintritt der Handlungsunfähigkeit nicht als Grund für das Erlöschen eines gültig zustandegekommenen Vollmachtsverhältnisses vorsähen.
Der Oberste Gerichtshof führte in SZ 67/106 aus, das ABGB habe den Fall nicht geregelt, daß der Machtgeber handlungsunfähig oder beschränkt handlungsfähig werde, die analoge Anwendung des § 1022 ABGB sei strittig. Nach der Rechtsprechung erlösche die Vollmacht durch den nachträglichen Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Machtgebers nicht.
Schließlich sprach das Höchstgericht in 3 Ob 24/95 aus, § 35 Abs 1 ZPO sei auch auf den Fall der Auflösung der machtgebenden juristischen Person, jedenfalls wenn sie über Vermögen verfüge oder von ihr oder gegen sie vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden können, anzuwenden.
Die Lehre nimmt zu der hier relevanten Frage kontroversiell Stellung:
Rintelen (Handbuch des österreichischen Konkurs- und Ausgleichsrechts, 174) verweist auf die zuvor zitierte Entscheidung GlUNF 326.
Bartsch-Pollak I3 , 150 meinen, daß jede Vollmacht, die sich auf die Masse beziehe, gemäß § 1024 ABGB durch die Konkurseröffnung erloschen sei und damit die Ermächtigung des Machthabers, den Machtgeber zu vertreten, aufhöre. Eine Ausnahme bilde nach allgemeiner Ansicht gemäß § 35 ZPO die Prozeßvollmacht.
Auch Holzhammer (Österreichisches Insolvenzrecht5 , 56) führt aus, vom Gemeinschuldner erteilte Vollmachten würden, wenn sie sich auf das konkursunterworfene Vermögen beziehen, erlöschen, ausgenommen die Prozeßvollmacht. Derselben Ansicht ist Wegan (Österreichisches Insolvenzrecht, 25).
Bartsch-Heil (Grundriß des österreichischen Insolvenzrechts4 , Rz 245) vertreten die Ansicht, daß Aufträge des Gemeinschuldners und von ihm erteilte Vollmachten mit der Konkurseröffnung erlöschen; die durch den Gemeinschuldner erteilte Prozeßvollmacht werde an sich durch den Konkurs nicht berührt (§ 35 ZPO), allerdings wirke sie nicht im Verhältnis zur Masse.
Nach Petschek-Reimer-Schiemer (Das österreichische Insolvenzrecht, 275) fällt die Prozeßvollmacht nicht unter die Bestimmung des § 1024 ABGB, weil § 35 ZPO den Konkurs über das Vermögen des Vollmachtgebers nicht unter ihren Aufhebungsgründen nenne.
Stanzl führt in Klang IV/12, 877 aus, daß die Prozeßvollmacht trotz des Konkurses des Machtgebers bestehen bleibe. Dafür spreche trotz des unklaren Wortlauts des § 35 ZPO die Absicht des Gesetzes, die Prozeßvollmacht möglichst fest und dauerhaft zu gestalten.
Strasser vertritt in Rummel, ABGB2 , Rz 30 zu §§ 1020 bis 1026 die Ansicht, § 1024 ABGB erfasse neben Vollmacht auch Auftrag und damit auch den Bevollmächtigungsvertrag.
Fasching differenziert in seinem Kommentar (II 286 f) danach, ob die Prozeßunfähigkeit vor oder nach Einleitung des Rechtsstreits eingetreten ist. Eine nach Einleitung des Rechtsstreits eingetretene Prozeßunfähigkeit sei für den Bestand der Prozeßvollmacht unbeachtlich. Auch der Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Vollmachtgebers vor Einleitung des Rechtsstreits lasse den Bestand einer rechtmäßig erteilten Prozeßvollmacht unberührt, die Erteilung der Prozeßvollmacht selbst sei eine Prozeßhandlung, die zu den im Gesetz (§ 31 ZPO) umschriebenen Aufgaben und Prozeßhandlungen ermächtige. Werde Prozeßvollmacht erteilt, dann decke sie rechtswirksam auch die Führung eines erst nach Verlust der Prozeßfähigkeit vom Prozeßbevollmächtigten eingeleiteten Rechtsstreits. Die Konkurseröffnung über das Vermögen einer Prozeßpartei während eines laufenden Prozesses lasse die Vollmacht unberührt. Eine vor Einleitung des Rechtsstreits über die Partei erfolgte Konkurseröffnung bringe hingegen gemäß § 1024 ABGB die Prozeßvollmacht zum Erlöschen, weil der verfahrensrechtliche Schutz des § 35 ZPO erst eintreten könne, wenn die Rechtssache bei Gericht anhängig gemacht worden sei. Die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Machtgebers bringe eine für einzelne Prozeßhandlungen erteilte Vollmacht in jedem Fall zum Erlöschen. In seinem Lehrbuch (2.Aufl., Rz 431) differenziert dieser Autor indes nicht mehr, sondern er beschränkt sich auf den Hinweis, der Bestand der Prozeßvollmacht werde durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Machtgebers nicht berührt.
Bei neuerlicher Prüfung der hier zur Beurteilung anstehenden Fragen findet der erkennende Senat keine stichhältigen Argumente für eine Differenzierung je nachdem, ob der Konkurs vor oder nach Einleitung des Rechtsstreits über das Vermögen der Partei eröffnet wurde:
Im Gegensatz zu § 1024 ABGB, der anordnet, daß die Vollmacht infolge Konkurses des Machthabers oder des Machtgebers erlischt, bestimmt § 35 Abs 1 ZPO, daß die Prozeßvollmacht - also die dem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht zur Prozeßführung (§ 31 Abs 1 ZPO) - weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in dessen Prozeßfähigkeit oder dessen gesetzlichen Vertretung aufgehoben wird. Zu Recht führt Stanzl (aaO) dazu aus, hinter diesem „unklaren“ Wortlaut stehe die Absicht des Gesetzgebers, die Prozeßvollmacht möglichst fest und dauerhaft zu gestalten. Kein Zweifel kann auch daran gegeben sein, daß § 35 Abs 1 ZPO im Verhältnis zu § 1024 ABGB, soweit davon die Prozeßvollmacht betroffen ist, die speziellere Norm ist. § 35 Abs 1 ZPO läßt den Bestand der Prozeßvollmaht - also der Vollmacht gemäß § 31 ZPO - bei Veränderungen in der Prozeßfähigkeit oder der gesetzlichen Vertretung des Machtgebers und damit auch bei Eröffnung des Konkurses über dessen Vermögen schlechthin unberührt; dieser Bestimmung kann insbesondere nicht entnommen werden, daß sich ihr Anwendungsbereich auf den Zeitraum von der Vollmachtserteilung bis zur Einleitung des Rechtsstreits, für welchen sie (auch) erteilt wurde, nicht erstrecke.
Die in der weiter oben dargestellten Rechtsprechung und Literatur zum Teil befürwortete Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung wird auch dem Wesen der Prozeßvollmacht nicht gerecht. Mit dieser wird der Rechtsanwalt kraft Gesetzes dem Gegner gegenüber jedenfalls (§ 32 ZPO) zu den im § 31 Abs 1 Z 1 ZPO umschriebenen Handlungen - vor allem zur Anbringung der Klage - ermächtigt. Soweit sie - wie auch im vorliegenden Fall - auch schon dazu erteilt wurde, den Rechtsstreit durch die Anbringung der Klage bei Gericht anhängig zu machen, muß sie naturgemäß bereits vor dem Zeitpunkt, in dem das Verfahren eingeleitet wurde, erteilt worden sein. Es ist kein stichhältiger Grund ersichtlich, weshalb die Prozeßvollmacht gerade in diesem - entscheidenden - Stadium anders zu behandeln wäre als nach Einleitung des Rechtsstreits, zumal § 35 Abs 1 ZPO eine solche Unterscheidung keineswegs trifft. Die Regelung des § 1024 ABGB kann schon deshalb dagegen nicht ins Treffen geführt werden, weil sie - wie erwähnt - von § 35 Abs 1 ZPO in dessen Anwendungsbereich als der spezielleren Norm verdrängt wird. Auch kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Rechtsstreit bereits unmittelbar nach Erteilung der Prozeßvollmacht oder ob er - wie im vorliegenden Fall - erst geraume Zeit danach anhängig gemacht wrude. Gerade bei Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Machtgebers ist letzteres die Regel, weil der Prozeßbevollmächtigte während des Konkurses angesichts des § 26 KO keine wirksame Prozeßhandlung vornehmen kann, solange der Masseverwalter den Rechtsstreit nicht dem Gemeinschuldner zur Fortführung überlassen hat (Fasching, LB2 Rz 431).
Daraus folgt, daß eine schon erteilte Prozeßvollmacht nicht deshalb erlischt, weil über das Vermögen des Machtgebers noch vor der Klagsanbringung der Konkurs eröffnet wurde.
In Stattgebung des Rekurses ist die Entscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben, das die Berufungen der Streitteile somit meritorisch zu erledigen haben wird.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.