Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 24.06.2009, RV/1742-W/09

Krankheitskosten der Mutter als außergewöhnliche Belastung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1742-W/09-RS1
Ist eine gemäß § 143 ABGB unterhaltsberechtigte Person durch Heranziehung ihres Vermögens (Veräußerung von Wertpapieren) in der Lage, ihre Krankheitskosten selbst zu tragen, kann die unterhaltsverpflichtete Person diese Kosten mangels Unterhaltsleistung nicht als außergewöhnliche Belastung geltend machen. Werden die freiwillig übernommenen Krankheitskosten auch nicht im Verlassenschaftsverfahren geltend gemacht, scheitert die Anerkennung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung zudem auch daran, dass sie nicht zwangsläufig erwachsen sind.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

In ihrem Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2005 machte die Berufungswerberin (Bw.) Aufwendungen für Krankheitskosten ihrer Mutter in der Höhe von € 27.437,60 als außergewöhnliche Belastung geltend.

Mit Ergänzungsersuchen vom ersuchte das Finanzamt um Vorlage einer Aufstellung sowie der Belege über die Krankheitskosten und fragte, ob seitens der Krankenkasse Ersätze geleistet worden seien.

Mit Eingabe vom übermittelte die Bw. die entsprechenden Unterlagen und teilte mit, dass es sich bei den Kosten im Wesentlichen um die Behandlungs- bzw. Krankheitskosten für ihre Mutter, Frau H, handle, welche im Dezember 2005 unerwartet und auf tragische Weise verstorben sei. Die Mutter habe sich in Guatemala befunden, wo sie am mit starken Bauchschmerzen in das Spital eingeliefert worden sei. Der Zustand habe sich schlagartig verschlechtert und die Ärzte hätten einen Darmverschluss diagnostiziert. Die Bw. sei umgehend benachrichtigt worden und am zusammen mit ihrem Ehemann nach Guatemala geflogen. Frau H sei notoperiert worden und zunächst ins Koma gefallen. Zwei Tage lang hätten die Ärzte vergeblich um das Leben von Frau H gekämpft, welche am dritten Tag im Beisein ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes im Spital in Guatemala verstorben sei.

Abgesehen von den Flugkosten für sich und ihren Ehemann in der Höhe von € 9.166,10 habe die Bw. die Behandlungskosten des Spitals in Guatemala in der Höhe von € 18.271,50 bezahlen müssen. Später habe die Bw., zumal es kein sozialversicherungsrechliches Abkommen zwischen Österreich und Guatemala gäbe und auch kein privater Versicherungsschutz vorgelegen sei, keinerlei Kostenersätze aus der gesetzlichen Krankenversicherung oder aus einer freiwilligen Krankenzusatzversicherung. Abgesehen von der Tatsache, dass die Übernahme der Behandlungskosten zunächst aus der sittlichen Verpflichtung heraus geboten gewesen sei, habe es leider später, infolge des Todes der Mutter der Bw., nicht mehr zu einem Ersatz der übernommenen Kosten (auch nicht mittelbar über den Nachlass) kommen können.

Da die genannten Kosten zwangsläufig erwachsen und außergewöhnlich seien, und zudem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Bw. wesentlich beeinträchtigt hätten, seien sie als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Mit neuerlichem Ergänzungsersuchen vom ersuchte das Finanzamt um Übermittlung der Einantwortungsurkunde in der Verlassenschaftssache von Frau H.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2005 in der Höhe von € 1.036,52 fest und ließ die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Krankheitskosten unberücksichtigt.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung wendete die Bw. ein, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um Begräbniskosten, sondern um Krankheitskosten für die Behandlung der schwerkranken Mutter handle. Außer Streit stehe, dass Krankheitskosten außergewöhnliche Belastungen darstellen könnten, da sie alle drei Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Belastung erfüllten. Unstrittig sei weiters die Zwangsläufigkeit aus der rechtlichen und objektiv sittlichen Verpflichtung, die grundsätzlich unterhaltsberechtigte Mutter (nahe Angehörige) im Kampf um ihr Leben durch die Übernahme der Krankheits- bzw. Behandlungskosten zu unterstützen. Da diese Aufwendungen beim Empfänger bzw. Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, seien sie beim Verpflichteten berücksichtigungsfähig. Durch den Tod der Mutter sei letztlich eine endgültige Vermögensminderung eingetreten. Auch der Unabhängige Finanzsenat habe in seiner Entscheidung vom , RV/0046-S/07, keine Verbindung zwischen der Übernahme der Krankheitskosten für die Mutter und dem Nachlassvermögen hergestellt und im Ergebnis die Übernahme der Krankheitskosten trotz Nachlassvermögens als außergewöhnliche Belastung der Tochter anerkannt. Die Berechnung einer allfälligen Deckung durch das Nachlassvermögen sei nicht vorzunehmen gewesen. Da die Bw. die Kosten selbst getragen habe, könne sie auch die Aufwendungen geltend machen, denn selbst für den Fall, dass es mehrere Unterhaltsverpflichtete gäbe, könne derjenige die Aufwendungen geltend machen, der sie tatsächlich trage.

Bei den Flugkosten handle es sich ebenfalls um außergewöhnliche Kosten, da diese im gegenständlichen Fall außergewöhnlich und zwangsläufig angefallen seien und es sich nicht um Fahrtkosten für regelmäßige Besuche erkrankter Angehöriger gehandelt habe.

Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom beantragte die Bw. die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sowie die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

Mit Eingabe vom zog die Bw. ihren Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind für den Abzug einer außergewöhnlichen Belastung folgende Voraussetzungen erforderlich:

1. Die Belastung muss außergewöhnlich sein.

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen.

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen.

Alle Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Sie erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Sie beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

Gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG sind jene Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, die zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Darunter fallen insbesondere auch Krankheitskosten die für einkommenslose bzw. einkommensschwache Angehörige übernommen werden.

Im gegenständlichen Fall macht die Bw. einerseits Behandlungskosten ihrer schwer kranken Mutter im Spital von Guatemala und andererseits Flugkosten für deren Besuch im Spital als außergewöhnliche Belastung geltend. Es handle sich dabei um Kosten, die die Bw. zunächst auf Grund ihrer sittlichen Verpflichtung übernommen habe und für die sie infolge des Todes ihrer Mutter keinen Ersatz mehr habe bekommen können.

Eine rechtliche Verpflichtung zur Tragung von Krankheitskosten unterhaltsberechtigter Personen ergibt sich aus der Bestimmung des § 143 ABGB, wonach ein Kind seinen Eltern und Großeltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt schuldet, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten.

Die Übernahme von Krankheitskosten eines über kein ausreichendes Einkommen verfügenden Elternteilsstellt somit auf Grund der rechtlichen Unterhaltsverpflichtung eine außergewöhnliche Belastung dar, welche in diesem Fall auch nicht mit der Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruches begrenzt ist, da Krankheitskosten grundsätzlich eine außergewöhnliche Belastung darstellen und insoweit eine über die rechtliche Verpflichtung hinausgehende sittliche Verpflichtung vorliegt (vgl. Wiesner/Atzmüller/ Grabner/Leitner/Wanke, EStG, Anm 52 zu § 34 EStG 1988).

Ist der Unterhaltsberechtigte jedoch auf Grund eigener Einkünfte oder eigenen Vermögens selbst in der Lage, die strittigen Kosten zu tragen, kann der Unterhaltsverpflichtete diese nicht geltend machen (vgl. z.B. ). Gemäß § 143 Abs. 3 ABGB mindert sich der Unterhaltsanspruch eines Eltern- oder Großelternteils nämlich insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist.

Die Geltendmachung von Krankheitskosten (auf Grund einer rechtlichen Verpflichtung) als außergewöhnliche Belastung wird somit durch die nach bürgerlichem Recht bestehende Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern gemäß § 143 ABGB begrenzt. Eine der beiden Voraussetzungen für die Unterhaltspflicht des Nachfahren ist der Mangel der Selbsterhaltungsfähigkeit des Vorfahren.

Im vorliegenden Fall geht aus dem Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichtes Mödling vom , Geschäftszahl X, betreffend die Verlassenschaftssache H, hervor, dass die Verlassenschaft dem erblichen Enkelsohn von Frau H zum gesamten Nachlass in der Höhe von € 33.581,41 eingeantwortet wurde.

Aus diesem Sachverhalt ist zu schließen, dass die Mutter der Bw. zum Zeitpunkt des Anfalles der Krankheits- und Behandlungskosten im Ausmaß von € 18.271,50 über ausreichend Vermögen verfügte, um diese Kosten selbst zu tragen. Die Heranziehung dieses Vermögens durch Veräußerung ihrer Wertpapiere wäre ihr - im Sinne des § 143 Abs. 3 ABGB - auch durchaus zumutbar gewesen. Da die Mutter der Bw. somit infolge ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit im Sinne des § 143 ABGB in der Lage gewesen wäre, die strittigen Kosten aus ihrem Vermögen zu bestreiten, schuldete ihr die Bw. keinen Unterhalt. Mangels Unterhaltsleistung können die seitens der Bw. übernommenen Kosten auch nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.

Nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates scheitert die Anerkennung der von der Bw. geltend gemachten Krankheits- und Behandlungskosten der Mutter als außergewöhnliche Belastung darüber hinaus auch daran, dass die strittigen Kosten im Ausmaß von € 18.271,50 nicht zwangsläufig erwachsen sind.

Gemäß § 547 ABGB wird die Verlassenschaft vor der Annahme des Erben so betrachtet, als wenn sie noch von dem Verstorbenen besessen würde. Bis zum Zeitpunkt der Abgabe der Erbserklärung hat der Nachlass also ein selbständiges rechtliches Schicksal und ist Subjekt der nicht untergegangenen Rechte und Pflichten des Erblassers.

Da die Bw. die für ihre Mutter übernommenen Kosten im Verlassenschaftsverfahren nicht geltend gemacht hat, obwohl sie Anspruch auf Ersatz der Krankheitskosten aus der Verlassenschaft gehabt hätte, hat sie es in Kauf genommen, die streitgegenständlichen Krankheitskosten aus ihrem eigenen Einkommen und auf freiwilliger Basis bestreiten zu müssen. Diese Kosten können daher auch mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden.

Der Einwand der Bw., wonach sich die Zwangsläufigkeit aus der rechtlichen und objektiv sittlichen Verpflichtung, die unterhaltsberechtigte Mutter im Kampf um ihr Leben durch die Übernahme der Krankheits- bzw. Behandlungskosten zu unterstützen, ergäbe, kann der gegenständlichen Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in seinem Erkenntnis vom zur Zahl 1027/56 ausgesprochen, dass eine moralische Verpflichtung zur Unterstützung von Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nicht gesetzlich unterhaltspflichtig ist, nicht besteht.

Auch der Hinweis auf die Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0046-S/07, ist nicht zielführend, da sich diese auf einen anders gelagerten Sachverhalt stützte. Konkret ging es hier um Kosten, die durch das Einkommen der Mutter der Bw. nicht gedeckt waren, sodass die Unterhaltspflicht der Tochter gegenüber ihrer Mutter zu bejahen war.

Betreffend die geltend gemachten Flugkosten ist der Bw. beizupflichten, dass diese im gegenständlichen Fall außergewöhnlich und zwangsläufig angefallen sind und es sich nicht um Fahrtkosten für regelmäßige Besuche erkrankter Angehöriger handelt. Infolge des Umstandes, dass jedoch nur die Bw. - nicht aber ihr Ehegatte - als Angehörige von Frau H zu betrachten ist, kommen lediglich die Aufwendungen für das Flugticket der Bw. in der Höhe von € 4.583,05 als außergewöhnliche Belastung in Frage.

Trotz des Vorliegens der Außergewöhnlichkeit und der Zwangsläufigkeit scheitert die Berücksichtigung der Flugkosten als außergewöhnliche Belastung an der nicht wesentlichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bw. Da diese Kosten des Flugtickets für die Bw. in der Höhe von € 4.583,05 den von der Bw. zu tragenden Selbstbehalt in der Höhe von € 7.338,94 nicht überschreiten, liegt keine wesentliche Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bw. vor.

Aus den dargelegten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Zitiert/besprochen in
UFSjournal 2009, 300

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at