Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 22.01.2013, RV/1341-L/12

Nachsicht und Zahlungserleichterung betreffend die Einkommensteuer aus einem Sanierungsgewinn aufgrund eines außergerichtlichen Ausgleiches


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Miterledigte GZ:
RV/1219-L/12

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des Bw., vertreten durch Stb.,

1) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO und

2) vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO

entschieden:

1) Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Nachsicht wird stattgegeben, und von der Einkommensteuer 2010 gemäß § 236 Abs. 1 und Abs. 2 BAO ein Betrag in Höhe von 58.680,00 € durch Abschreibung nachgesehen. Ein Widerruf der Nachsicht wird für den Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Berufungswerbers in der Zeit bis vorbehalten.

2) Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Zahlungserleichterung wird stattgegeben, und die Entrichtung des verbleibenden Abgabenrückstandes in Höhe von derzeit 40.064,49 € in 12 Monatsraten zu je 3.000,00 € und einer letzten Monatsrate in Höhe von 4.064,49 € bewilligt. Die Raten sind jeweils zum 15. des Monats fällig. Die monatlichen Raten sind beginnend ab dem zu leisten. Die laufend anfallenden Einkommensteuervorauszahlungen sind unabhängig von dieser Zahlungserleichterung termingerecht und in voller Höhe zu entrichten.

Gutschriften sind, unabhängig vom Anlass ihres Entstehens, in die zu leistenden Raten nicht einzurechnen, sondern vermindern den aushaftenden Abgabenrückstand und verkürzen dadurch die Laufzeit der Zahlungserleichterung.

Im Falle eines Terminverlustes sind gemäß § 230 Abs. 5 BAO Einbringungsmaßnahmen zulässig. Terminverlust tritt ein, wenn auch nur zu einem Ratentermin eine Zahlung in Höhe der festgesetzten Rate unterbleibt, oder in die Zahlungserleichterung nicht einbezogene Abgaben nicht fristgerecht entrichtet werden.

Die bewilligte Zahlungserleichterung erlischt, wenn über das Vermögen des Berufungswerbers das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

Entscheidungsgründe

Am langte die Einkommensteuererklärung des Berufungswerbers für das Jahr 2010 elektronisch beim Finanzamt ein. In der Beilage E1a wurden die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit 240.430,13 € erklärt. Unter der Kennzahl 9090 wurden übrige Erträge bzw. Einnahmen in Höhe von insgesamt 205.363,39 € angegeben. In der Gewinn- und Verlustrechnung für 2010 wurde als außerordentlicher Ertrag ein Sanierungsgewinn in Höhe von 178.436,29 € ausgewiesen.

Mit E-Mail vom wurde von der steuerlichen Vertreterin unter anderem eine Ablichtung des Schreibens der Sparkasse Oberösterreich vom an das Finanzamt übermittelt, der zufolge bei dieser zu zwei näher bezeichneten Konten per offene Forderungen gegen den Berufungswerber in Höhe von 288.265,54 € bestanden. Die Bank erklärte sich bereit, gegen Leistung einer Abschlagszahlung mit einer Quote von 30 % aus 288.265,54, das sind 86.479,70 €, bis längstens auf die restlichen Forderungen zu verzichten. Handschriftlich ist auf diesem Schreiben vermerkt: "tats. Nachlaß 2010!"

Wie dem vorgelegten Veranlagungsakt zu entnehmen ist, prüfte das Finanzamt eine Abstandnahme von der Festsetzung der Einkommensteuer auf den aus diesem Schuldnachlass resultierenden Sanierungsgewinn nach Rz 7272 der EStR (Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung gemäß § 206 BAO), gelangte jedoch unter Bezugnahme auf Rz 7255 der EStR bzw. das dort zitierte Erkenntnis des , zur Ansicht, dass keine allgemeine Sanierungsmaßnahme vorliege, da der Nachlass der Bank nur 15,23 % der Gesamtverbindlichkeiten betrage. Dabei wurde der in der Gewinn- und Verlustrechnung mit 178.436,29 € bezifferte Sanierungsgewinn in Relation zu den "Verbindlichkeiten per ohne Sanierung" in Höhe von 1.171.354,10 € gesetzt.

Es erfolgte daher mit Bescheid vom eine erklärungsgemäße Veranlagung des Berufungswerbers zur Einkommensteuer 2010 - ohne Abstandnahme von der Festsetzung jener Einkommensteuer, die aus dem Sanierungsgewinn resultiert. Die Einkommensteuer wurde mit 107.350,07 € festgesetzt, wodurch sich gegenüber den Vorauszahlungen eine Nachforderung in Höhe von 82.350,00 € ergab, die am fällig war. Ferner wurden mit Bescheid vom Anspruchszinsen in Höhe von 1.503,80 € festgesetzt, sodass sich ein Abgabenrückstand in Höhe von insgesamt 83.953,80 € ergab.

Hinsichtlich dieses Rückstandes ersuchte der Berufungswerber mit Eingabe vom um Gewährung einer Zahlungserleichterung dahingehend, dass ein Betrag von 20.000,00 € bis bezahlt würde und sodann ab September 2012 monatliche Raten von jeweils 3.000,00 € (zuzüglich zu den laufenden Vorauszahlungen) gewährt werden mögen. Der hohe Gewinn für das Jahr 2010 resultiere aus einem außergerichtlichen Ausgleich, für welchen das Finanzamt die volle Steuerbelastung vorgeschrieben habe. Er werde im Zuge eines Nachsichtsverfahrens versuchen, hier hinsichtlich der Besteuerung eine Gleichstellung mit einem gerichtlichen Schuldennachlass (Sanierung) zu erreichen. Durch den Schuldennachlass, für welchen er eine Einmalzahlung leisten habe müssen, verfüge er über keinerlei finanzielle Reserven. Zur Abstattung des Steuerrückstandes sei er auf seine laufenden Einnahmen angewiesen. Da diese ausreichend hoch seien, wie das Finanzamt auch aus den laufenden Einkommensteuervorauszahlungen ersehe, sei eine Gefährdung der Einbringlichkeit nicht gegeben.

Das Finanzamt wies dieses Zahlungserleichterungsansuchen mit Bescheid vom ab, da die Begründung des Ansuchens für eine stattgebende Erledigung nicht ausreiche. Die angebotenen Raten seien im Verhältnis zur Höhe des Rückstandes zu niedrig, wodurch die Einbringlichkeit gefährdet erscheine.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Berufung erhoben. Es wäre für den Berufungswerber eine unbillige Härte, für einen der Sanierung und damit Erhaltung seiner wirtschaftlichen Existenz dienenden Schuldennachlass die volle Steuerbelastung zahlen zu müssen, wodurch die Absicht einer Sanierung vereitelt würde. Da aufgrund materiell rechtlicher Vorschriften für diese Art von Sanierung nach der aktuellen Gesetzeslage nicht von vorneherein eine Begünstigung zustehe, müsse er - wie im Zahlungserleichterungsansuchen dargelegt - um Nachsicht aus Billigkeitsgründen ansuchen. Gerade dieser Beweggrund, dass nämlich andernfalls seine wirtschaftliche Existenz zerstört würde, bevor er die nur objektiv zustehende Chance auf steuerliche Gleichbehandlung mit gerichtlichen Sanierern überhaupt wahrnehmen könne, erscheine ein ausreichender Grund zu sein. Warum dem nicht so sein sollte, sei der Begründung des abweisenden Bescheides nicht zu entnehmen. Die angebotenen Raten stellten die ihm maximal mögliche "Zwischenlösung" bis zur Erledigung seines Nachsichtsansuchens dar. Er rechne damit, dass das Finanzamt die Sanierung mittrage und ermögliche, weil dies auch für das Finanzamt von Vorteil sei. Müsste er einen höheren Betrag bezahlen, wäre seine laufende Tätigkeit als Zahnarzt gefährdet, insbesondere dadurch, dass er dann nicht genügend Mittel zur Verfügung habe, das notwendige Material und Personal zu bezahlen. Ohne seine nach wie vor hohen Einkünfte aus der zahnärztlichen Tätigkeit sei aber auch die Bezahlung von niedrigen Raten und eines allenfalls reduzierten Rückstandes gefährdet. Die Nichtgewährung der Zahlungserleichterung würde daher zur Uneinbringlichkeit der angebotenen Raten führen und im Falle einer Insolvenz würde der Masseverwalter die bereits erfolgte Teilzahlung anfechten. Hinsichtlich seiner finanziellen und persönlichen (gesundheitlichen) Situation und der sich daraus ergebenden Unbilligkeit verweise er auf die Begründung in seinem mit gleicher Post eingebrachten Nachsichtsansuchen. Es werde daher um Bewilligung der beantragten Ratenzahlung ersucht; jedenfalls möge auf Einbringungsmaßnahmen verzichtet werden, bis über das Nachsichtsansuchen abgesprochen sei.

Mit weiterer Eingabe vom ersuchte der Berufungswerber von dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rückstand in Höhe von 85.827,61 € einen Teilbetrag von 70 %, somit 58.680,00 € gemäß § 236 BAO nachzusehen. Die Steuerbelastung sei aufgrund eines außergerichtlichen Sanierungsgewinnes entstanden. Durch dessen volle Versteuerung würde er das Ziel einer Sanierung aber nicht erreichen. Es würde bei ihm - verglichen mit ähnlichen Fällen - zu einer anormalen Steuerbelastungswirkung und damit zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen. Damit liege sachliche Unbilligkeit vor. Der Gesetzgeber habe zwar die steuerliche Begünstigung des Sanierungsgewinnes ohne weitere Überprüfung den Sanierungsfällen vorbehalten, wo bereits eine gerichtliche Überprüfung erfolgt sei. Das bedeute aber nicht, dass für alle anderen Fälle eine Begünstigung des Sanierungsgewinnes ausgeschlossen sei, sondern - im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung - nur, dass in diesen Fällen eben das Finanzamt die Überprüfung der Sanierung im Wege der sachlichen Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO selbst durchführe. In seinem Fall habe die Sparkasse OÖ, bei welcher mehr als 50 % seiner Bankverbindlichkeiten ausgehaftet hätten, nach Leistung einer Abschlagszahlung einen Betrag von 201.785,00 € (70 %) nachgelassen. Bezogen auf die gesamten Bankverbindlichkeiten sei dies ein Nachlass von 35,6 %. Dieser Nachlass sei unabdingbar für die Sanierung und Fortführung seiner zahnärztlichen Praxis gewesen. Er habe in seine Ordination insgesamt rund 851.500,00 € investiert, davon in Um- und Ausbau rund 315.700,00 €. Leider habe sich in weiterer Folge herausgestellt, dass die Ordination in einem Überschwemmungsgebiet liege. Die Ordination sei zum ersten Mal vor fünf Jahren, dann wieder vor einem Jahr und zuletzt am komplett überschwemmt worden. Damit sei ein möglicher Veräußerungswert der Ordination extrem gesunken und der tatsächliche Wert derselben bestehe im Wesentlichen in einer Nutzung durch ihn. Dazu komme, dass er in den letzten Jahren mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen gehabt habe, sodass die Gewinne nicht so hoch ausgefallen wären, wie geplant und die Zinsen "übermächtig" geworden wären und teilweise mehr als das halbe Betriebsergebnis verbraucht hätten. Es sei bei ihm vor mehreren Jahren eine Muskeldystrophie diagnostiziert worden, die er nur sehr schwer in den Griff bekommen habe. Vor vier Jahren habe er einen Unfall mit einer Mittelgesichtsfraktur erlitten, vor drei Jahren habe er sich einer Hodentumoroperation, und in den letzten Jahren Kanaltunneloperationen an beiden Händen unterziehen müssen, was ihn als Zahnarzt ganz besonders beeinträchtige. Inzwischen habe er aber seine gesundheitlichen Probleme so weit überwunden, dass er seit dem Jahr 2010 wieder voll arbeiten könne. Durch den Schuldennachlass hätten sich seine Finanzierungskosten mehr als halbiert. Die gesamte Steuerbelastung für den Nachlass ohne Ermäßigung bezahlen zu müssen, würde die erfolgreich eingeleitete Sanierung aber stark gefährden, wenn nicht vereiteln, und damit auch seine wirtschaftliche Existenz gefährden. In seiner Bilanz schienen neben den Bankverbindlichkeiten auch noch Lieferverbindlichkeiten und Privatdarlehen auf. Diese könnten für die Beurteilung der Sanierung aber insofern nicht herangezogen werden, als die Privatdarlehen sowieso nachrangig und unbesichert und ohne Fälligkeit und Zinsen seien und damit de facto einem Besserungsgeld entsprechen würden. Die Lieferverbindlichkeit bestünde bei seinem Hauptlieferanten, auf den er als Zahnarzt zur Fortführung seiner Tätigkeit absolut angewiesen sei. Dieser dominiere den Markt mit den angebotenen Produkten (Porzellan Inlays) und sei auf den Berufungswerber insofern nicht angewiesen, als er bei dessen wirtschaftlichem Untergang eben den Nachfolger beliefere. Es liege daher sowohl sachliche als auch persönliche Unbilligkeit vor.

Das Finanzamt wies dieses Nachsichtsansuchen mit Bescheid vom im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass eine sachliche Unbilligkeit nicht vorliege, wenn sie ganz allgemein die Auswirkung genereller Normen sei. Eine begünstigte Besteuerung des Sanierungsgewinnes sei nicht beantragt worden. Das Nachsichtsverfahren könne nicht dazu dienen, allfällige Versäumnisse im Festsetzungsverfahren nachzuholen. Eine persönliche Unbilligkeit wurde verneint, weil der Berufungswerber nach Überwinden der gesundheitlichen Probleme wieder voll arbeiten würde. Auch hätten sich durch den Schuldennachlass die Finanzierungskosten mehr als halbiert. Zudem bestünden auch Lieferverbindlichkeiten und Privatdarlehen. Die Gewährung einer Abgabennachsicht würde sich somit zu Gunsten der anderen Gläubiger auswirken.

In der gegen diesen Bescheid mit Eingabe vom erhobenen Berufung wurde einleitend ausgeführt, dass die gesetzliche Regelung der Besteuerung des Sanierungsgewinnes mehrfach geändert wurde, und derzeit gemäß § 36 EStG nur Schulderlässe im Rahmen eines Insolvenzverfahrens begünstigt wären. Die Voraussetzungen dieser Bestimmungen lägen im Fall des Berufungswerbers nicht vor, sodass er keinen Anspruch auf diese Begünstigungsbestimmung des materiellen Steuerrechtes habe. Die von ihm beantragte Nachsicht diene daher nicht dazu, allfällige Versäumnisse im Festsetzungsverfahren nachzuholen. In seinem Fall gewähre jedoch das Verfahrensrecht einzelfallgerechte Lösungen zur Vermeidung einer inadäquaten Steuerlast. Es seien dies grundsätzlich die Lösungen, die vor der Neufassung des § 36 EStG (im Jahre 2005) zum Tragen kamen. Die "Umsatzsteuerrichtlinien" (gemeint wohl: Einkommensteuerrichtlinien) verwiesen zwar lediglich auf § 206 BAO, die Literatur verweise aber in diesem Zusammenhang auch auf § 236 BAO. Die Unbilligkeit im Sinne dieser Bestimmung ergäbe sich im gegenständlichen Fall aus dem Gesamtbild der Umstände: Der Nachlass sei von seinem Hauptgläubiger ausschließlich in Sanierungsabsicht gegeben worden. Der Nachlass sei geeignet, eine Sanierung zu bewirken, sofern er auch eine abgabenrechtliche Erleichterung analog jener des § 36 EStG im Nachsichtsverfahren erhalte. Der Nachlass habe einerseits seine Schulden und damit seine Rückzahlungsverpflichtungen, andererseits seine Belastung mit Finanzierungskosten so weit reduziert, dass es ihm möglich sein werde, die verbliebenen Verbindlichkeiten langfristig abzustatten, sofern er nicht die volle Steuerbelastung für den Sanierungsgewinn tragen müsse und seine Gesundheit in ausreichendem Ausmaß erhalten werden könne. Auch wenn er derzeit voll arbeiten könne, könnte er ohne den beantragten Nachlass die langfristige Abstattung nicht verdienen. Es sei nicht einsichtig, warum in der Beurteilung der Finanzverwaltung der Umstand, dass er voll arbeite, gegen eine persönliche Unbilligkeit spreche. Eine persönliche Unbilligkeit ergebe sich aus seiner wirtschaftlichen Situation. Sie bestehe im dargestellten wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der vollen Abgabe für den Sanierungsnachlass einerseits und andererseits in den in seinem Bereich entstehenden Nachteilen, nämlich dass er in diesem Fall auch unter Hintanstellung seiner mehr als schonungsbedürftigen Gesundheit die Sanierung und Fortführung seines Betriebes nicht schaffen würde. Damit ginge ihm und seiner Familie die Existenzgrundlage verloren. Die sachliche Unbilligkeit ergebe sich in seinem Fall dadurch, dass der Gesetzgeber besondere Schuldnachlässe grundsätzlich dieser besonderen Situation adäquat besteuern will und nicht wie "ganz normale" Gewinne. Die derzeitige Rechtslage (§ 36 EStG) baue auf insolvenzrechtlichen Vorfragen auf, welche die Verfahren und Entscheidung für die Finanzverwaltung einfacher machten. Diese Regelung lasse aber nicht den Schluss zu, dass davon nicht erfasst Fälle, nicht sachlich unbillig sein könnten. Grundsätzlich liege eine sachliche Unbilligkeit vor, wenn es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff komme. Sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung sei grundsätzlich in Fällen anzunehmen, in denen das ungewöhnliche Entstehen einer Abgabenschuld zu einem unproportionalen Vermögenseingriff beim Steuerpflichtigen führe. Der in der anormalen Belastungswirkung und im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch in der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss dabei seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der eine vom Steuerpflichtigen nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist. Dass sich die Abgabennachsicht "quasi als Randerscheinung" indirekt auch zugunsten anderer Gläubiger auswirken würde, ändere nichts an der sachlichen und persönlichen Unbilligkeit.

Aus dem Einkommensteuerbescheid 2011 vom ergab sich eine Nachforderung in Höhe von 30.718,00 €, aus dem Umsatzsteuerbescheid 2011 vom selben Tag eine Nachforderung von 31,90 €.

Mit elektronisch am eingebrachter Eingabe ersuchte der Berufungswerber um Entrichtung dieser Nachforderung in monatlichen Raten von je 3.000,00 €.

Das Finanzamt sprach über dieses Zahlungserleichterungsansuchen bisher nicht ab, sondern forderte den Berufungswerber auf, bis zur Entscheidung vorläufig die angebotenen Raten beginnend ab zu entrichten.

Diese Raten wurden ebenso entrichtet wie die im Nachsichtsansuchen erwähnte "Anzahlung" von 20.000,00 €.

Die steuerliche Vertreterin präzisierte das berufungsgegenständliche Zahlungserleichterungsbegehren dahingehend, dass sich dieses auch auf den nach einer allfälligen Gewährung der beantragten Nachsicht verbleibenden Restrückstand beziehe und im Falle einer Bewilligung der Zahlungserleichterung (Monatsraten von 3.000,00 €) daneben die laufenden Einkommensteuervorauszahlungen pünktlich entrichtet würden.

Über die Berufungen wurde erwogen:

1) Nachsicht gemäß § 236 BAO

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Diese Bestimmung findet gemäß § 236 Abs. 2 BAO auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung.

Das Finanzamt begründete die Abweisung des gegenständlichen Nachsichtsansuchens zunächst damit, dass eine begünstigte Besteuerung des Sanierungsgewinnes vom Berufungswerber nicht beantragt worden sei, und das Nachsichtsverfahren nicht dazu dienen könne, allfällige Versäumnisse im Festsetzungsverfahren nachzuholen.

Die Nachsicht dient zwar nicht dazu, im Festsetzungsverfahren unterlassene Einwendungen (vor allem Berufungen) nachzuholen (Ritz, BAO4, § 236 Tz 14 mit Judikaturnachweisen). Zutreffend weist der Berufungswerber aber darauf hin, dass ihn kein solches Versäumnis trifft.

Die Besteuerung des Sanierungsgewinnes wurde wiederholt geändert (vgl. zur Rechtsentwicklung eingehend Hofstätter/Reichel, EStG, § 36 Tz 1 und 11).

§ 36 EStG 1988 idF des Abgabenänderungsgesetzes 2005 (AbgÄG 2005, BGBl I 161/2005; anzuwenden ab dem Veranlagungsjahr 2006) lautet:

(1) Sind im Einkommen eines Steuerpflichtigen aus einem Schulderlass resultierende Gewinne enthalten, hat die Steuerfestsetzung in den Fällen des Abs. 2 nach Maßgabe des Abs. 3 zu erfolgen.

(2) Aus dem Schulderlass resultierende Gewinne sind solche, die entstanden sind durch:

1. Erfüllung der Ausgleichsquote nach Abschluss eines gerichtlichen Ausgleichs im Sinne der Ausgleichsordnung oder durch

2. Erfüllung eines Zwangsausgleiches (§§ 140ff der Konkursordnung) oder durch

3. Erfüllung eines Zahlungsplanes (§§ 193ff der Konkursordnung) oder durch Erteilung einer Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens (§§ 199ff der Konkursordnung).

(3) Für die Steuerfestsetzung gilt:

1. Es ist die Steuer vom Einkommen sowohl einschließlich als auch ausschließlich der aus dem Schulderlass resultierenden Gewinne zu berechnen und daraus der Unterschiedsbetrag zu ermitteln.

2. Auf den nach Z 1 ermittelten Unterschiedsbetrag ist der dem Schulderlass entsprechende Prozentsatz (100 Prozent abzüglich der Quote) anzuwenden.

3. Der nach Z 2 ermittelte Betrag ist von der Steuer abzuziehen, die sich aus dem Einkommen einschließlich der aus dem Schulderlass resultierenden Gewinne ergibt.

Diese Bestimmung des § 36 Abs. 2 EStG wurde durch das Insolvenzrechtsänderungs-Begleitgesetz (BGBl I 58/2010) dahingehend abgeändert, dass aus dem Schulderlass resultierende Gewinne solche sind, die durch Erfüllung eines Sanierungsplans (§§ 149 bis 156 Insolvenzordnung; IO), Erfüllung eines Zahlungsplans (§§ 193 bis 198 IO) oder Erteilung einer Restschuldbefreiung nach Durchführung eines Abschöpfungsverfahrens (§§ 199 bis 216 IO) entstanden sind.

Seit dem Inkrafttreten des AbgÄG 2005 trifft § 36 EStG ausschließlich Regelungen für Gewinne aus Schuldnachlässe in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren. Ein solches lag im gegenständlichen Fall nicht vor. Dem Berufungswerber wurde daher im angefochtenen Bescheid zu Unrecht vorgehalten, dass er im Festsetzungsverfahren keine begünstigte Besteuerung des Sanierungsgewinnes beantragt habe.

Auf Gewinne aus Schuldnachlässen im Rahmen eines außergerichtlichen Ausgleiches ist § 36 EStG nicht anwendbar. Für Gewinne aufgrund außergerichtlicher Schulderlässe ist nach den Einkommensteuerrichtlinen (EStR 7268 bzw. 7272) vorgesehen, dass die Finanzämter gemäß § 206 BAO befugt sind, von der Abgabenfestsetzung in einer dem § 36 EStG entsprechenden Weise Abstand zu nehmen. Für den außergerichtlichen Ausgleich eines Einkommensteuerpflichtigen bedeutet der Verweis auf § 36 EStG ab der Veranlagung 2006, dass der Schulderlass - analog zur gesetzlichen Bestimmung - nicht mehr alle Kriterien eines "Sanierungsgewinnes" erfüllen muss. Auf die Betriebsfortführung (Sanierungseignung) kommt es nicht mehr an (EStR 7272), wohl aber müssen die Kriterien der allgemeinen Sanierungsmaßnahme, Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsabsicht (EStR 7254 bis 7257) erfüllt sein (Jakom, EStG, 2012, § 36 Tz 31).

Die Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung steht im Ermessen der Abgabenbehörde. Im Falle einer Ausübung der Befugnis durch das Finanzamt ist die Steuer auf den Gewinn aus dem Schulderlass im Ergebnis nur in Höhe der Quote festzusetzen. Macht das Finanzamt von der Möglichkeit zur abweichenden Abgabenfestsetzung keinen Gebrauch, wird die Steuer auf den Gewinn aus dem Schulderlass in voller Höhe festgesetzt. Ein Rechtsanspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung iSd § 36 EStG besteht nicht. Die erlassmäßigen Regelungen in den EStR stellen auch keine beachtliche Rechtsquellen dar, auf die sich der Steuerpflichtige berufen könnte, ihnen kommt keine Gesetzeskraft zu. Ein Antrag des Steuerpflichtigen auf Ausübung der Befugnis zur abweichenden Steuerfestsetzung ist in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehen und unterläge nicht der Entscheidungspflicht (Jakom, EStG, 2012, § 6 Tz 32).

Im gegenständlichen Fall hat das Finanzamt eine solche Abstandnahme von der Festsetzung gemäß § 206 BAO geprüft. Dem im Veranlagungsakt dazu erliegenden Unterlagen (aktuelle Fallinformation samt Anmerkungen, Excel-Tabelle, Ablichtungen der EStR mit Markierungen) ist zu entnehmen, dass das Vorliegen einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme deswegen verneint wurde, weil der Nachlass der Bank nur 15,23 % der Gesamtverbindlichkeiten betrug. In der (vom Finanzamt besonders markierten) Tz 7255 der EStR wird zwar unter Hinweis auf das Erkenntnis des , ausgeführt, dass kein steuerfreier Sanierungsgewinn vorliege, wenn die Forderungen der Gläubiger, welche Schulden erlassen haben, nur 18 % betragen. Tatsächlich hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschwerdefall aber ausgeführt, dass auch ein bloß teilweiser Schulderlass dem Zweck der Sanierung dienen kann, wenn er zur Sanierung ausreicht. Im damaligen Fall wurde dies jedoch nicht deswegen verneint, weil ein teilweiser Schuldnachlass in Höhe von 18 % als Sanierungsmaßnahme stets zu gering und damit ungeeignet wäre, sondern weil für die Sanierung des Betriebes entscheidend war, dass die Beschwerdeführer selbst die Überschuldung durch eine Einlage von rund 2 Mio. ATS abgedeckt haben. Einer Einbeziehung der von den Beschwerdeführern selbst geleisteten Einlage in eine Verhältnisrechnung zwischen Verbindlichkeiten und Schulderlass stand jedoch der eindeutige Wortlaut der damals anzuwendenden Bestimmung des § 36 EStG 1972 entgegen.

Eine allgemeine Sanierungsmaßnahme kann daher auch dann vorliegen, wenn der oder ein Hauptgläubiger einen Forderungsverzicht gewährt, und dieser in seiner Wirkung einer allgemeinen Sanierungsmaßnahme gleichkommt, also entsprechend dem Wesen und der Zielsetzung einer solchen Sanierungsmaßnahme geeignet erscheint, die Sanierung des Schuldners tatsächlich herbeizuführen. Werden somit Schulden in einem Ausmaß nachgelassen, dass der Erlass zur Sanierung des Schuldners geeignet ist, bildet die durch den Schulderlass eingetretene Vermögensvermehrung selbst dann einen Sanierungsgewinn, wenn nur ein einziger Gläubiger durch seinen Schulderlass zur Sanierung beiträgt und im Einzelfall weniger als 50 % der Gesamtschulden nachgelassen werden (Hofstätter/Reichel, EStG, § 36 Tz 6 mit Judikaturnachweisen). Eine allgemeine Sanierungsmaßnahme setzt also keineswegs voraus, dass alle Gläubiger Schuldnachlässe gewähren, oder der Steuerpflichtige durch die Sanierungsmaßnahme schuldenfrei werden muss. Wenn - wie im gegenständlichen Fall - ein teilweiser Nachlass der Bankschulden ausreicht, um die "übermächtig" gewordene Zinsbelastung so weit zu reduzieren, dass die Rückzahlung der verbleibenden Darlehensschuld sowie der laufend anfallenden Zinsen wieder möglich wird, kann darin eine Sanierungsmaßnahme im oben aufgezeigten Sinn erblickt werden. Tatsächlich wurde durch den Forderungsverzicht der Bank die Belastung mit Finanzierungskosten (Zinsen und ähnliche Aufwendungen) massiv reduziert. Betrugen diese im Jahr 2009 noch 43.365,93 €, reduzierten sie sich im Jahr 2010 auf nur mehr 23.280,68 € und im Jahr 2011 auf 18.176,97 €. Nicht unberücksichtigt bleiben kann in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass ein großer Teil der in der Bilanz ausgewiesenen Verbindlichkeiten auf ein Privatdarlehen (Dr. H) und Privatdarlehen der Ehefrau des Berufungswerbers entfällt. Da diese nach dem Vorbringen des Berufungswerbers "nachrangig, unbesichert, ohne Fälligkeit und Zinsen" sind, kommt dem Forderungsverzicht der Bank umso größeres Gewicht bzw. Eignung als Sanierungsmaßnahme zu. Dieser Nachlass war daher durchaus geeignet, den Betrieb des Berufungswerbers vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsabsicht bedürfen bei einem Forderungsverzicht einer Bank über 200.000,00 € keiner näheren Erörterung. Die dem Schuldnachlass zugrunde liegende wirtschaftliche Situation ist auch nicht auf unangemessen hohe Entnahmen zurückzuführen bzw. lagen keine zum Schuldnachlass Anlass gebende Verluste vor, die sich bereits steuerlich ausgewirkt hätten. Es wären daher die Voraussetzungen für eine Abstandnahme von der Abgabenfestsetzung gemäß § 206 BAO vorgelegen.

Da diesbezüglich jedoch weder ein Antragsrecht des Steuerpflichtigen noch ein Rechtsanspruch auf Nichtfestsetzung besteht, verbleibt als antragsgebundene und im Rechtsweg durchsetzbare verfahrensrechtliche Möglichkeit zur Vermeidung einer effektiven Steuerlast nur das Nachsichtsverfahren gemäß § 236 BAO. Steuern auf Sanierungsgewinne können nach § 236 BAO nachgesehen werden (Doralt, EStG, § 36 Tz 63; vgl. auch Fröhlich/Unger, SWK 2005, 853 ff).

Vom Berufungswerber wurde zunächst das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit ins Treffen geführt. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit anderen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist (). Eine steuerliche Auswirkung, die ausschließlich Folge eines als generelle Norm mit umfassendem persönlichen Geltungsbereich erlassenen Gesetzes ist und durch die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise berührt werden, kann jedoch nicht durch Nachsicht behoben werden ( mit Hinweis auf und ). Mängel eines Gesetzes, die alle von diesem Gesetz erfasste Abgabepflichtige berühren, können nicht als Unbilligkeiten gelten, die in den Besonderheiten des Einzelfalles begründet sind (Stoll, BAO, 2438).

Angesichts der klaren und eindeutigen Entscheidung des Gesetzgebers im Rahmen des § 36 EStG ausschließlich Gewinne aus Schuldnachlässe in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren zu berücksichtigen, liegt schon der für die Annahme einer sachlichen Unbilligkeit erforderliche Widerspruch der Rechtsanwendung zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnissen nicht vor.

Zu prüfen bleibt damit nur mehr das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit, auf die sowohl im bereits zitierten Beitrag von Fröhlich/Unger als "im gegebenen Zusammenhang naheliegender" eingegangen wird, als auch von Doralt in der ebenfalls bereits zitierten Kommentarstelle besonders hingewiesen wird.

Eine persönliche Unbilligkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdete. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus persönlichen Gründen) nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (z.B. mwN). Überschuldung oder Liquiditätskrisen, finanzielle Engpässe, wirtschaftliche Bedrängnisse allein werden den strengen Unbilligkeitsanforderungen der Rechtsprechung nicht gerecht. Eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann aber diesfalls gegeben sein, wenn die wirtschaftliche Situation von solcher Art ist und die gehäuften wirtschaftlichen Schwierigkeiten von der Intensität und Dauer sind, dass die Einhebung der Abgaben zur Gefährdung der Existenz des Unternehmens und damit des Abgabepflichtigen führen kann. Die Rechtsprechung verlangt in diesem Zusammenhang, dass gerade die Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgabe existenzbedrohend erscheint, sodass mit einer Nachsicht gerade dieser Abgabe die Existenzgefährdung abgewendet wäre (Stoll, BAO, 2435).

Ein solcher Fall liegt gegenständlich vor. Die finanzielle Lage des Berufungswerbers hat sich durch den Forderungsverzicht der Bank nur insofern gebessert, als die drohende Zahlungsunfähigkeit abgewendet werden konnte. Durch den Nachlass wurde die wirtschaftliche Situation nur so weit verbessert, dass die laufenden Dalehensrückzahlungen (hinsichtlich der übrigen Kreditverbindlichkeiten) und Finanzierungskosten (Zinsen) geleistet werden können. Auch nach dem Forderungsverzicht der Sparkasse werden in der Bilanz zum noch Verbindlichkeiten in Höhe von 992.917,81 € (davon vor allem Verbindlichkeiten bei anderen Kreditinstituten in Höhe von 401.830,58 €, Privatdarlehen Dr. H 160.000,00 €, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 254.095,11 € und Privatdarlehen der Gattin rund 200.000,00 €) ausgewiesen. Bei dieser Sachlage ist aber davon auszugehen, dass gerade durch die Einhebung der vollen Nachforderung aus dem Einkommensteuerbescheid 2010 die wirtschaftliche Existenz des Berufungswerbers neuerlich gefährdet würde.

Die Bewilligung der Nachsicht liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Gemäß § 20 BAO müssen sich Ermessensentscheidungen in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei der Ermessensübung im Rahmen des Nachsichtsverfahrens ist vor allem das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen (Ritz, BAO4, § 236 Tz 16 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Es sind in diesem Zusammenhang keine Umstände aktenkundig, die gegen die Gewährung einer Nachsicht sprechen würden (als Beispiele werden in der Judikatur etwa die jahrelange Verletzung von Zahlungspflichten gegenüber der Abgabenbehörde, Ausstellung von Scheinrechnungen, keine Führung von Aufzeichnungen, keine Einreichung von Abgabenerklärungen, Verletzung der abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht über mehrere Jahre angeführt; vgl. die bei Ritz, BAO4, § 236 Tz 16 angeführten Entscheidungen des VwGH).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () müssen Zweckmäßigkeitserwägungen auch unter Bedachtnahme auf den Umstand, dass eine Nachsicht durchaus mit den öffentlichen Interessen der Abgabeneinhebung vereinbar sein kann, angestellt werden, da die Vorschriften über eine Nachsicht sinnlos wären, wenn die Gesamtsteuerrechtsordnung keinen anderen Zweck verfolgte als den, alle Abgaben ausnahmslos einzubringen. Die Abwendung eines drohenden Insolvenzverfahrens und die Ermöglichung der Erholung und Gesundung der wirtschaftlichen Lage des Abgabepflichtigen und die damit verbundene Erhaltung einer Steuerquelle liegen durchaus auch im Interesse des Abgabengläubigers.

Gegen eine Nachsichtgewährung kann zwar der Umstand sprechen, dass sich die Nachsicht nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (Ritz, BAO4, § 236 Tz 17 mit Judikaturnachweisen). Mit diesem Argument allein würde jedoch eine Nachsicht schon immer dann und stets ausgeschlossen, wenn von mehreren Gläubigern nur der Hauptgläubiger oder nur einige Gläubiger oder selbst die Mehrheit der Gläubiger Forderungsverzichte gewähren, weil in diesen Fällen noch immer Gläubiger verbleiben, zu deren Gunsten sich eine Nachsicht des Abgabengläubigers auswirken würde. Abgesehen davon wurde im vorhergehenden Absatz gerade aufgezeigt, dass die Erhaltung der Steuerquelle im Interesse des Abgabengläubigers liegen kann. Dieses Interesse kann eine allfällige Begünstigung jener Gläubiger, die keine Nachlässe gewähren, durchaus überwiegen.

Die Bemessung des Ausmaßes einer Teilnachsicht, die erforderlich ist um einerseits eine (neuerliche) Existenzgefährdung des Berufungswerbers zu vermeiden und andererseits den öffentlichen Interessen des Abgabengläubigers an der Abgabeneinhebung ausreichend Rechnung trägt, ist schwierig. Als Richtschnur biete sich in Fällen wie dem gegenständlichen an, sich an der Quote zu orientieren, auf die der Abgabengläubiger bei einer Abstandnahme der Abgabenfestsetzung gemäß § 206 BAO "verzichten hätte können". Wie bereits oben aufgezeigt, lehnt sich die Verwaltungspraxis dabei wiederum an die Regelung des § 36 EStG an (EStR Rz 7272). Die Einkommensteuer 2010 wurde im Bescheid vom unter Berücksichtigung des in der Bilanz mit einem Betrag von 178.436,29 € ausgewiesenen Sanierungsgewinnes mit 107.350,07 € festgesetzt. Die Einkommensteuer hätte ohne Berücksichtigung des Sanierungsgewinnes nur 18.417,34 € betragen. Daraus ergibt sich ein Differenzbetrag von 88.932,73 €. Der Verzicht der Bank betrug 70 %. Wird dieser Prozentsatz auf den Differenzbetrag angewendet, ergibt sich ein Betrag von 62.252,91 €. Der vom Berufungswerber begehrte Nachlass von 58.680,00 € entspricht im Wesentlichen diesem Betrag. Auch unter Berücksichtigung sowohl der verbleibenden beträchtlichen Schulden bei den übrigen Gläubigern als auch der nach Abschreibung der nachgesehenen Abgabenschuld noch verbleibenden Abgabenrückstände, deren Einbringung im Rahmen einer Zahlungserleichterung realistisch erscheint, ist im vorliegenden Fall die Gewährung einer Teilnachsicht im beantragten Umfang angemessen. Diese trägt sowohl den Bedürfnissen des Abgabepflichtigen als auch den Interessen des Abgabengläubigers ausreichend Rechnung.

Zu berücksichtigen ist noch, dass ein Teil der Einkommensteuer 2010 durch die vom Berufungswerber geleistete Anzahlung von 20.000,00 € sowie die ebenfalls bereits geleisteten monatlichen Raten von 3.000,00 € bereits abgedeckt wurde. Die eingangs zitierte Bestimmung des § 236 Abs. 2 BAO ermöglicht jedoch auch eine Nachsicht bereits entrichteter Abgabenschuldigkeiten. Dabei ist zu beachten, dass daraus dem Berufungswerber kein Vorteil erwächst. Die Einkommensteuer 2010 haftet derzeit zwar nur noch mit 41.100,54 € am Abgabenkonto aus, sodass die Gewährung der Nachsicht mit einem Betrag von 58.680,00 € zu einer Gutschrift von 17.579,46 € führt, die jedoch gemäß § 214 Abs. 1 BAO zur Abdeckung des verbleibenden Rückstandes zu verwenden ist.

Der im Spruch angeführte Widerrufsvorbehalt ist für den Fall erforderlich, dass der durch die Nachsicht erwartete Sanierungseffekt ausbleibt (vgl. dazu Fischerlehner, ÖStZ 2003, 95 ff, Punkt 3.2.1). Eine Änderung oder Zurücknahme der bewilligten Nachsicht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 294 BAO bleibt davon unberührt.

2) Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO

Gemäß § 212 Abs. 1 erster Satz BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer ihm gegenüber auf Grund eines Rückstandsausweises (§ 229) Einbringungsmaßnahmen für den Fall des bereits erfolgten oder späteren Eintrittes aller Voraussetzungen hiezu in Betracht kommen, den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligen, wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird.

Eine erhebliche Härte liegt nach der Judikatur bei einer wirtschaftlichen Notlage oder einer finanziellen Bedrängnis vor (Ritz, BAO4, § 212 Tz 7 mit Hinweis auf ). Das Vorliegen derselben wurde im Rahmen des Nachsichtsverfahrens ausreichend dargetan.

Bei einer Gefährdung der Einbringlichkeit im Sinne des § 212 BAO handelt es sich um das Vorstadium eines Abgabenausfalles, in dem eine Tendenz erkennbar ist, dass die Abgabe nicht bezahlt werden wird. Schlechte Einkommens- und Vermögensverhältnisse, voraussehbar geringes künftiges Einkommen, Vermögenslosigkeit oder Vorbelastungen sind Gegebenheiten, die es im Allgemeinen rechtfertigen, eine Gefährdung der Einbringlichkeit anzunehmen (). Nach der zu § 232 BAO ergangenen Rechtsprechung sprechen etwa drohende Konkurs- oder Ausgleichverfahren, Exekutionsführung von dritter Seite, Auswanderungsabsicht, Vermögensverschiebungen ins Ausland oder an Verwandte für eine Gefährdung bzw. wesentliche Erschwerung. Dasselbe gilt für (laufende) Zahlungserleichterungsansuchen eines notleidenden Unternehmens, Berufungen gegen die solche Anträge abweisenden Bescheide und Anträge auf Entscheidungen über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wenn in ihnen nicht dargelegt und glaubhaft gemacht wird, dass die Einbringlichkeit der Abgaben nicht gefährdet ist, was dem Hervorkommen von Umständen, die die Einbringung einer Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen, gleich kommt ().

Im gegenständlichen Fall wurden sowohl die "Anzahlung" von 20.000,00 € als auch bisher die vom Berufungswerber angebotenen monatlichen Raten von 3.000,00 € entrichtet. Eine Tendenz, dass die rückständigen Abgaben nicht bezahlt würden, ist daher nicht erkennbar. Aus den im Veranlagungsakt erliegenden Jahresabschlüssen sind auch weder grundsätzlich schlechte Einkommensverhältnisse, noch voraussehbar geringes künftiges Einkommen als Zahnarzt ersichtlich. Die Teilnachsicht und die Ratenbewilligung dienen gerade dazu, ein Insolvenzverfahren zu vermeiden. Exekutionsführung von dritter Seite, Auswanderungsabsicht, Vermögensverschiebungen ins Ausland oder an Verwandte konnten nicht festgestellt werden. Das Finanzamt begründete die Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens allein damit, dass die angebotenen Raten im Verhältnis zum Rückstand zu gering wären. Dies betraf allerdings den Rückstand vor Gewährung der beantragten Teilnachsicht. Der verbleibende restliche Rückstand kann mit den gegenständlich bewilligten Raten durchaus in einem überschaubaren Zeitraum abgedeckt werden.

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 212 BAO liegen daher im gegenständlichen Fall vor. Auch die Bewilligung einer Zahlungserleichterung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Gegen eine positive Ermessensübung spräche etwa, wenn der Abgabepflichtige seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Abgabenbehörde in der Vergangenheit nicht oder nur unzureichend nachgekommen wäre. Dies ist jedoch hier nicht der Fall, vielmehr ist der Berufungswerber um eine Begleichung seiner Abgabenschulden bemüht, was aus den bisher bereits geleisteten Zahlungen ersichtlich ist. Rechtlich zulässig sind auch Zahlungserleichterungen über ein Jahr hinaus (z.B. 15 Monatsraten; Ritz, BAO4, § 212 Tz 17). Durch die Zahlungserleichterung wird den angespannten wirtschaftlichen Verhältnissen des Berufungswerbers Rechnung getragen und eine Abstattung des Rückstandes in einem Zeitraum erreicht, der auch das Interesse des Abgabengläubigers an einer möglichst zeitnahen Einbringung der ausständigen Abgabenforderungen noch ausreichend berücksichtigt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

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