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OGH vom 18.09.1991, 1Ob32/91

OGH vom 18.09.1991, 1Ob32/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Janos *****, vertreten durch Dr.Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen restl. S 89.462,89, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 14 R 24/91-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom , GZ 52c Cg 1012/89-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.245 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist gebürtiger Ungar. Der Aktenlage nach ist er Flüchtling. Für ihn wurde am ein Konventionspaß ausgestellt. Nach seiner Flucht ist er in Wien wohnhaft.

Der Kläger wurde am wegen Verdachtes der Verbrechen des schweren Diebstahles durch Einbruch als Beteiligter und der Hehlerei in der Wohnung seiner Lebensgefährtin verhaftet. Bei der gleichzeitig durchgeführten Hausdurchsuchung wurde unter anderem im Schlafzimmerkasten eine weiße Leinentasche mit einem Bargeldbetrag von ungarische Forint (im folgenden: Ft) 1,361.950, von dem der Beschuldigte im Strafverfahren behauptete, er stamme aus einer Erbschaft - sein Vater sei vor ca 10 Jahren gestorben, erst im Sommer 1983 sei es ihm gelungen, Ft 900.000, vor einem Monat weitere Ft 450.000 nach Österreich zu

bringen - beschlagnahmt und dem Landesgericht für Strafsachen Wien übergeben (Standblatt Nr. 630/84, Postzahl 86). Mit Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , 25 c Vr 11145/83-74, wurde über ihn gemäß § 180 Abs 2 Z 1 und 2 StPO die Untersuchungshaft verhängt. Mit Beschluß der Ratskammer desselben Gerichtes vom , ON 111, wurde die über den Kläger verhängte Untersuchungshaft unter Anwendung der gelinderen Mittel des § 180 Abs 5 Z 1, 3, 4 und 5 StPO mit der Weisung aufgehoben, daß er sich alle 14 Tage bei Gericht zu melden habe. Gleichzeitig wurde der Konventionspaß zur weiteren Veranlassung dem Untersuchungsrichter übergeben. Mit Anklageschrift vom wurde dem Kläger das Verbrechen des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4 und 129 Z 1 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB zur Last gelegt, weil er im Juni 1983 mehreren Mitangeklagten ein Geschäftslokal als günstiges Einbruchsobjekt empfohlen habe. Während des anhängigen Strafverfahrens beantragte der Verteidiger des Klägers am die Ausfolgung des beschlagnahmten Geldbetrages. Er wies darauf hin, daß durch die Abwertung bereits ein erheblicher Schaden entstanden sei. Nach mehreren Urgenzen des Verteidigers des Klägers wurde die Ausfolgung der Tasche mit den Forintbeträgen verfügt. Zwischen Antragstellung und Ausfolgung gab es keine neuen Erhebungsergebnisse. Da es sich um einen umfangreichen Akt handelte, konzentrierte sich der zuständige Richter primär auf die Haftfragen. Am betrug der Umrechnungskurs für 100 Ft S 33,41, im März 1987 S 26,86.

Der Kläger begehrte den Betrag von S 309.496,13 sA. Die Sicherstellung sei gesetzwidrig gewesen. Der gesamte Kursverlust betrage S 244.980, sein Zinsenverlust S 64.516,13.

Die beklagte Republik wendete, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, ein, die Beschlagnahme sei nicht gesetzwidrig gewesen. Die Bestimmung des § 367 Abs 2 StPO stelle die Ausfolgung eines beschlagnahmten Gegenstandes in das Ermessen des Gerichtes. Für Währungsverfall werde nicht gehaftet. Es gelte das Nennwert- und nicht das Kurswertprinzip. Habe der Kläger denselben Nennwert an Forint ausgefolgt erhalten, der seinerzeit beschlagnahmt gewesen sei, so könne er aus dem Verfall einer Fremdwährung auf dem heimischen Devisenmarkt Amtshaftung nicht ableiten. Der primäre Zweck ungarischer Zahlungsmittel sei deren Verwendung in Ungarn, nicht aber der Erwerb österreichischer Valuta. Über den Verfall des Binnenwertes der Forint in Ungarn selbst fehlten Angaben in der Klage. Es wäre Sache des Klägers gewesen, zur Vermeidung von Kursverlust und eines Zinsentganges zeitgerecht die im Devisengesetz vorgesehene Vorgangsweise der Anbietung des Verkaufes an die Österreichische Nationalbank und allenfalls die fruchtbringende Anlegung des erlösten Schillingbetrages zu begehren. Diesfalls wäre ein allfälliger Kursgewinn nicht der beklagten Partei, sondern ihm selbst zugute gekommen.

Das Erstgericht sprach dem Kläger unangefochten den Betrag von S 12.877,64 samt Anhang zu, das Mehrbegehren wies es ab. Unter Berücksichtigung der notwendigen Prüfung des Antrages ergebe sich ein dem Gesetz entsprechender Ausfolgungstermin mit . Zu diesem Zeitpunkt sei der Umrechnungskurs S 33,41 für 100 Ft gewesen. Bei Anlage des sich daraus ergebenden Schillingbetrages von S 455.027,49 zum Eckzinssatz von 3,75 % hätte der Kläger für das Jahr 1986 S 8.531,77 und bis zum Datum der Ausfolgung weitere S 4.345,87, somit insgesamt einen Betrag von S 12.877,64 an Zinsen erhalten. Gemäß § 367 Abs 2 StPO könne der beschlagnahmte Betrag nur auf Antrag vor dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens ausgefolgt werden. Ein Antrag auf Ausfolgung sei jedoch erst am erfolgt. Nach österreichischem Recht bestehe das Nennwert- und nicht das Kurswertprinzip. Ein Anspruch auf Entschädigung des Kursverlustes bestehe daher nicht. Die Ausfolgung auf Grund des Antrages vom sei jedoch erst nach dem erfolgt. Diese Verzögerung sei zumindest auf leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1 AHG, wonach jedes Organ den Sorgfaltsmaßstab nach § 1299 ABGB zu vertreten habe, zurückzuführen. In diesem Zeitraum habe es keine neuen Erhebungsergebnisse gegeben noch seien Erhebungsberichte ausständig gewesen. Es hätte daher die Ausfolgung schon unmittelbar nach dem Antrag erfolgen können, selbst unter Berücksichtigung der Prüfung des Antrages, Einsichtnahme der Staatsanwaltschaft, Aktenlauf usw spätestens zum . Der im Sachverhalt festgestellte Zinsverlust entstehe daraus, daß der Kläger unmittelbar nach Freigabe des Betrages diesen hätte verzinslich anlegen können. Dies sei ihm jedoch durch die Verzögerung der Ausfolgung nicht möglich gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die ordentliche Revision erklärte es nicht für zulässig. Wenn auch § 367 StPO auf den vorliegenden Fall nicht ohne weiteres anwendbar sei, weil es sich um keine Sache eines Privatbeteiligten handle, so leuchteten aus den Bestimmungen der §§ 367 ff StPO doch jene Grundsätze hervor, nach denen auch das amtswegige Verfahren nach § 613 GeO zu führen sei. Denn nach dieser Bestimmung sei vor Rechtskraft des Urteiles die Beschlagnahme dann zu beenden, wenn es die Sach- und Rechtslage eindeutig gestatte. Die Verdachtslage habe sich aber hinsichtlich der Hehlerei allenfalls verdünnt. Von einem klaren Wegfall des Verdachtes könne keinesfalls gesprochen werden, so daß für ein amtswegiges Vorgehen vor Rechtskraft des Urteiles kein Anlaß bestanden habe. Der vom Kläger bis zum unterlassene Ausfolgungsantrag stelle einen Rechtsbehelf nach § 2 Abs 2 AHG dar, der eine Anspruchsvoraussetzung bilde. Zutreffend habe das Erstgericht auch ausgeführt, daß die Rechtsprechung den Ersatz für Geldentwertung verweigere, soweit der Schaden allein in der Minderung der wirtschaftlichen Kaufkraft (dazu gehöre auch die Kaufkraft beim Ankauf stabilerer Währungen) ohne einen zu behauptenden, konkret eingetretenen Schaden bestehe.

Der Kläger bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes nur insoweit, als ihm nicht ein weiterer Betrag von S 89.462,89 samt Anhang zugesprochen wurde. Dieser Betrag resultiere aus dem Kursverlust durch verspätete Ausfolgung zwischen dem und dem .

Die Revision ist zwar zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren wird die zutreffende Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß vom Strafgericht in der Zeit vom bis rechtswidrig (§ 367 Abs 2 StPO; § 613 GeO) und schuldhaft die beschlagnahmte Tasche mit dem Forintbetrag von 1,361.950 an den Kläger nicht zurückgestellt wurde, nicht mehr bekämpft. Die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme fällt in den Bereich der Hoheitsverwaltung (vgl 1 Ob 331/56; Schragel AHG2 93 f, 257).

Strittig ist nur mehr, ob und in welcher Höhe dem Kläger dadurch ein nach § 1 AHG zu ersetzender Schaden entstanden ist. Gemäß §§ 256, 610 GeO waren die beim Kläger beschlagnahmten Forints als ausländisches Bargeld nicht etwa in österreichische Schillinge umzuwechseln und auf das Gerichtskonto zu legen, sondern gesondert zu verwahren. Der Kläger hatte, da das Eigentum durch die Beschlagnahme unberührt blieb (VfSlg 1662/1948; Schragel aaO 93 f; Walter-Mayer Verwaltungsverfahrensrecht4 Rz 852; Platzgummer, Grundzüge des österreichischen Strafverfahrens3 95), Anspruch darauf, daß ihm nach Aufhebung der Beschlagnahme dieselben Banknoten zurückgestellt werden. Dieser Anspruch auf Rückstellung des Forintbetrages ist durchaus vergleichbar mit einem privatrechtlichen Anspruch auf Zahlung einer in ausländischer Währung ausgedrückten Geldschuld (echte Fremdwährungsschuld), ohne daß dem Schuldner etwa, weil diese Zahlung nicht in Österreich erfolgen sollte, die Ersetzungsbefugnis des Art 8 Nr 8 EVHGB auf Zahlung in Schillingwährung zustünde.

Ebenso wie der Wertverlust bei verspäteter Übergabe einer Sache zu ersetzen ist (SZ 25/65; Binder in Schwimann, ABGB Rz 76 zu § 918; vgl Wiedemann in MünchKomm2 Rz 30 zu § 286 BGB), wäre zwar nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre auch der durch verschuldete verspätete Übergabe eines Fremdwährungsgeldbetrages entstehende Kursverlust, gemessen an dem Statut dieser Verpflichtung (Rsp 1930/234; Rsp 1929/335; Schwimann, IPR 106; derselbe in Rummel, ABGB Rz 9 vor § 35 IPRG; Binder aaO Rz 48 zu § 905 ABGB; Ehrenzweig-Mayrhofer aaO 53; Reichel in ZBl 1929, 509 f), hier also gemessen an der österreichischen Schillingwährung, zu ersetzen (SZ 16/234; SZ 14/177; SZ 7/153; GlU 4891; Reischauer in Rummel, ABGB Rz 8 zu § 1333; vgl BGH LM § 282 BGB, Nr 25; JW 1938, 946; RGZ 147, 377, 381; Heinrichs in Palandt50 356; Walchshöfer in MünchKomm Rz 6b zu § 286; Löwisch in Staudinger12, Rz 19 zu § 286 BGB). Ersetzt wird aber nur ein schon eingetretener Schaden. Ein wahrscheinlicher oder gar nur möglicher Schaden gibt noch keine Ersatzansprüche (SZ 52/146; SZ 41/172 ua, zuletzt 3 Ob 504/91; Deutsch, Haftungsrecht 420). Der vom Kläger behauptete Kursverlust konnte erst dann und nur insoweit zu seiner Schädigung geführt haben, wenn er den Forintbetrag bei rechtzeitiger Ausfolgung umgehend in inländische Währung umgetauscht hätte (Karsten Schmidt aaO D 337; Albert in NJW 1989, 614 mwN in FN 81). Würde der Kläger eine solche Umwechslung gar nicht in Betracht gezogen haben, etwa weil er mit dem Forintbetrag alte Verbindlichkeiten in ungarischer Währung abdecken oder diesen Geldbetrag so wie bisher bloß in einer Wohnung verwahren wollte, so konnte ein Kursverlust und damit ein Schaden nicht eingetreten sein. Damit reduziert sich die Frage, ob und welcher Kursverlust im konkreten Fall zu ersetzen ist, auf ein Behauptungs- und Beweislastproblem (Karsten Schmidt aaO; Löwisch in Staudinger12 Rz 16, 19 zu § 286 BGB). Der Kläger hätte daher die Behauptung aufstellen und auch beweisen müssen, daß er die Forintbeträge in österreichische Schilling umgewechselt hätte, wenn sie ihm rechtzeitig ausgefolgt worden wären. Ein Schaden läge dann in der Kursdifferenz (Löwisch aaO Rz 19, Walchshöfer aaO, Heinrichs aaO, aA Soergel-Wiedemann12 Rz 28 zu § 288 BGB, die aber ohne Begründung von der allgemein anerkannten Beweislastregel abgehen, und selbst ausführen, daß ein Kursverlustschaden dann nicht zu ersetzen sei, wenn mit dem ausländischen Geldbetrag ausländische alte Fremdschulden beglichen worden wären). Eine solche Behauptung hat der Kläger nicht einmal aufgestellt, so daß sich die Frage der Möglichkeit und Zulässigkeit eines prima facie-Beweises (so Strieder in Baumgärtl, Handbuch der Beweislast, Rz 4 zu § 286 BGB) nicht stellt. Im übrigen ließe sich ein allgemein gültiger Erfahrungssatz, daß der Kläger, der nach seinen Angaben vor der Beschlagnahme den größeren Teil des Geldbetrages schon monatelang in einer Tasche in einer Wohnung verwahrt hatte, die Forintbeträge bei rechtzeitiger Ausfolgung alsbald in Schillinge umgewechselt hätte, nicht aufstellen.

Damit mangelt es aber am Nachweis eines dem Kläger entstandenen Schadens, so daß die angefochtene Entscheidung im Ergebnis zutreffend und der Revision daher ein Erfolg zu versagen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.