Besteuerung von EU- und Drittstaatsdividenden nach EuGH 10.2.2011, C-436/08 und BBG 2009
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/15/0071 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der PBH, vertreten durch LL, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes L vom betreffend Körperschaftsteuer 2003 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die festgesetzte Abgabe beträgt.
Körperschaftsteuer
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Bemessungsgrundlage | Abgabe | |||
Jahr | Art | Höhe | Art | Höhe |
2003 | Einkommen | 17.216,36 €
| Körperschaftsteuer Ausl. Steuer | 2.353,60 €
-29,63 €
|
Abgabenschuld | 2.323,97 €
|
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe ist dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bildet einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
A. (1) Mit Schreiben vom wurde eine Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2003 vom innerhalb offener (verlängerter) Rechtsmittelfrist eingebracht (Auszug):
a. Beantragt werde die Festsetzung der Körperschaftsteuer 2003 iHv 2.323,97 €, infolge Geltendmachung einer Steuerbefreiung für Auslandsdividenden iHv 7.911,21 €, analog zu § 10 Abs 1 KStG und unter Nichtberücksichtigung von Depotgebühren iHv 15,60 €. Auf Basis der Körperschaftsteuererklärung 2003 ergebe sich unter Berücksichtigung der Steuerfreistellung für Auslandsdividenden und der Nichtberücksichtigung der Depotgebühren eine Nachzahlung iHv 273,97 €. Ein offener Verlustabzug bleibe iHv 290.351,96 € bestehen.
b. Die Bw. habe im Veranlagungszeitraum 2003 Erträge aus inländischen Investmentfonds bezogen. In diesen Erträgen seien Dividenden von Gesellschaften mit Sitz im EU-Raum bzw in Drittstaaten enthalten.
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Stück | Ausländischer Dividendenanteil | Bruttoertrag gesamt | angerechnete Quellensteuer | |
Oberbank | 296.300 | 0,02670 | 7.911,21 | 948,16 |
Summe | 7.911,21 | 948,16 | ||
Depotgebühren | ||||
Oberbank | 296.300 | 15,60 | 15,60 | |
15,60 | 15,60 |
Aufgrund der nationalen Rechtslage seien diese Auslandsdividenden als steuerpflichtige Einkünfte angesetzt worden, da nach § 10 Abs 2 KStG die Voraussetzungen für eine Steuerfreistellung nicht vorgelegen seien. Im Hinblick darauf, dass vergleichbare Inlandsdividenden gemäß § 10 Abs 1 KStG steuerfrei gestellt worden seien, würden die Auslandsdividenden gegenüber den Inlandsdividenden diskriminiert. Das verstoße gegen Grundfreiheiten des EU-Rechtes, insbesondere die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 56 EGV. Das habe der UFS in der E , RV/0279-L/04 bejaht und sich dabei dem kritischen Schrifttum angeschlossen (zB Staringer/Tumpel, ÖStZ 1999, 231; Beiser, GesRZ 2003, 192).
Für eine Beschränkung des Kapitalverkehrs könnten lediglich die im EG-Vertrag selbst genannten Gründe ins Treffen geführt werden. Einschränkungen seien nur zulässig, wenn sie
- zwingenden Erfordernissen des Allgemeininteresses dienten,
- unterschiedslos wirkten,
- objektiv zur Sicherung des Allgemeininteresses geeignet und notwendig seien und
- nicht über das angemessene Maß hinausgingen, das zur Erreichung des Zieles unbedingt erforderlich sei.
Beantragt wurde die Zuständigkeit des gesamten Berufungssenates und eine mündliche Verhandlung.
(2) Am wurde die Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2003 dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.
B. Aufgrund des beim VwGH anhängigen Verfahrens (Zl. 2008/15/0064 - siehe nachfolgend, konnte die Berufung zunächst nicht erledigt werden; eine weitere Wartefrist ergab sich durch das EuGH-Verfahren Haribo/Saline vom - s nachfolgend).
(1) Die Entscheidung des , in welcher den Auslandsdividenden im Wege des Anwendungsvorrangs analog § 10 Abs 1 KStG eine Befreiung zugesprochen wurde, bestätigte die VwGH-E vom , 2008/15/0064 insoweit, als das Höchstgericht einen Verstoß gegen Art 56 EGV durch die Regelung des § 10 Abs 2 KStG bei ausländischen Beteiligungen annahm. Der VwGH ging allerdings davon aus, dass Unionsrecht nur in jenem Ausmaß verdrängt werden konnte, als es nötig war, um einen unionsrechtskonformen Zustand herzustellen. Nur durch die Anrechnungsmethode würde nach Ansicht des VwGH in das Konzept des österreichischen Gesetzgebers weniger eingegriffen. Die Verdrängung konnte daher nur in diesem Ausmaß angenommen werden. Da nach der Rechtsansicht des VwGH die vom UFS gewählte analoge Anwendung der Befreiungsmethode aus § 10 Abs 1 KStG nicht greifen konnte, wurde der Bescheid aufgehoben.
(2) Die Entscheidung des wurde im Fachschrifttum insbesondere im Hinblick auf das Konzept der "geltungserhaltenden Reduktion" und dessen Auswirkungen kritisch kommentiert.
(3) Am wurde vom UFS aus verschiedenen Gründen (s Laudacher, UFSjournal 12/2010, 420, UFS und ausländische Portfoliodividenden) im Zusammenhang mit dem fortgesetzten Verfahren () der Beschluss für eine Vorabentscheidung an den EuGH gefasst (zur Entwicklung s Laudacher, ; Prechtl SWI 11/2008, 497; Lang, SWI 5/2009, 216; Massoner/Stürzlinger, SWI 6/2009, 280; Laudacher, , "Neuformulierung der Vorabentscheidungsfragen in den Rs Haribo und Saline"; Laudacher, UFSjournal, 12/2010, 420).
(4) Am erging das Urteil des EuGH zur Rs Haribo/Saline, C-436/08 und C-437/08.
(5) Am wurde mit der Vertreterin des zuständigen Finanzamtes und den Vertretern der Bw. eine Erörterung abgehalten.
(6) Mit Schreiben vom zog die Bw. den Antrag auf Entscheidung durch den Berufungssenat und mündliche Verhandlung zurück.
Einkünfte und Körperschaftsteuer wurden wie folgt angegeben (Auszug):
- Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2003 gesamt 76.761,05 € (vor Berücksichtigung der Nichtabzugsfähigkeit der Depotkosten und der ausländischen Quellensteuern), Portfoliodividenden aus EU-Staaten und Drittstaaten 7.911,21 €, Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung einer Steuerbefreiung für die Auslandsdividenden anzusetzen, Nichtberücksichtigung der Depotgebühren von 15,60 € und der ausländischen Quellensteuer von 948,16 €.
Begründung:
Portfoliodividenden aus EU-Staaten seien gemäß § 10 Abs 1 Z 5 KStG (iVm § 26c Z 16 KStG auf alle offenen Verfahren anzuwenden) von der KÖSt befreit, sofern kein Besteuerungsvorbehalt nach § 10 Abs 5 KStG vorliege. Diese Regelung sei nach dem gemeinschaftsrechtskonform. Ob ein Fall des Besteuerungsvorbehalts vorliege, sei bei Beteiligungserträgen aus Investmentfonds auf Basis einer Länderaufstellung zu ermitteln, aus der die Herkunft der in den Ausschüttungen enthaltenen Beteiligungserträge unter Angabe des im jeweiligen Staat anzuwendenden KÖSt-Satzes ersichtlich sei. Die Bw. habe
- im Jahr 2003 Dividenden aus Frankreich, Niederlande, Deutschland, Italien, Großbritannien und Finnland bezogen, der Körperschaftsteuersatz sei 2002 (für die Ausschüttung 2003) zwischen 29% und 40,25% gelegen. Eine Niedrigbesteuerung nach § 10 Abs 5 KStG liege daher nicht vor. Die Dividenden seien zu befreien.
Für Portfoliodividenden aus Drittstaaten sei die im österreichischen Recht vorgesehene Steuerpflicht nach dem und C-437/08, nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Vielmehr sei auch bei diesen Beteiligungserträgen eine Entlastung von der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung zu gewähren. Welche Methode zur Entlastung von der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung (Anrechnungs- oder Befreiungsmethode) heranzuziehen sei, müsse durch Auslegung ermittelt werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass das österreichische Recht in § 10 Abs 1 Z 5 und 6 KStG für ausländische Portfoliodividenden im Grundsatz eine bedingte Befreiung vorsehe. Daraus folge, dass zur Herstellung einer gemeinschaftsrechtskonformen Besteuerung auch Portfoliodividenden aus Drittstaaten befreit werden müssten, sofern kein Besteuerungsvorbehalt nach § 10 Abs 5 KStG vorliege. Diesbezüglich sei wiederum auf die Länderaufstellung zurückzugreifen (vgl KStR Rz 591a).
Die Bw. habe
- im Jahr 2003 Portfoliodividenden aus folgenden Drittstaaten bezogen: Schweiz, USA und Japan. Der KÖSt-Satz habe in diesen Ländern im Jahr 2002 (für die Ausschüttung 2003) zwischen 24,50% und 42% betragen. Eine Niedrigbesteuerung iSd § 10 Abs 5 KStG sei daher nicht gegeben. Die von der Bw. im Jahr 2003 bezogenen Portfoliodividenden seien daher unter Berücksichtigung des Anwendungsvorranges des Unionsrechtes von der KÖSt befreit. Da mit sämtlichen dieser Drittstaaten auch ein Abkommen bestehe, das eine Verpflichtung zur gegenseitigen Amtshilfe enthalte, sei auch aus diesem Grund keine Diskriminierung der Portfoliodividendenerträge zulässig.
Über die Berufung wurde erwogen:
A. Strittig ist im vorliegenden Fall die steuerliche Behandlung von Erträgen aus ausländischen Beteiligungen, wobei sich diese Erträge aus Dividenden von Kapitalgesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten der EU und mit Sitz in Drittstaaten zusammensetzen.
B. Rechtslage nach dem BBG 2009, BGBl I 52/2009, für EU/EWR-Dividenden:
(1) Während im Zeitpunkt der Berufung (zur Körperschaftsteuer 2003 vom ) die EU-Dividenden der vollen Besteuerung unterlagen, wurde im BBG 2009 die Besteuerung dieser Dividenden auf eine neue gesetzliche Basis gestellt.
(2) § 10 Abs 1 KStG sieht nunmehr in den Z 5 und 6 Befreiungen für EU- und EWR-Dividenden vor.
Nach der Z 5 sind Gewinnanteile im Sinne der Z 1 bis 4 aus einer Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft befreit, die die in der Anlage 2 zum EStG 1988 vorgesehenen Voraussetzungen des Art 2 der RL 90/435/EWG des Rates vom erfüllen und nicht unter Z 7 fallen (EU-Portfoliodividenden).
Nach der Z 6 sind Gewinnanteile iSd der Z 1 bis 4 aus einer Beteiligung an einer Körperschaft eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes befreit, die mit inländischen unter § 7 Abs 3 KStG fallenden Körperschaften vergleichbar sind, sofern mit deren Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amts- und Vollstreckungshilfe besteht, wenn sie nicht unter Z 7 fallen (EWR-Portfoliodividenden).
(3) In § 10 Abs 5 KStG ist dabei folgende Beschränkung enthalten: Die Gewinnanteile der Z 5 und 6 sind nicht von der KÖSt befreit, wenn eine der folgenden Voraussetzungen zutrifft
- Die ausländische Körperschaft unterliegt im Ausland tatsächlich direkt oder indirekt keiner der österreichischen Körperschaftsteuer vergleichbaren Steuer.
- Die Gewinne der ausländischen Körperschaft unterliegen im Ausland einer der österreichischen Körperschaft vergleichbaren Steuer, deren anzuwendender Steuersatz um mehr als 10 Prozentpunkte niedriger als die österreichische Körperschaftsteuer gemäß § 22 Abs 1 KStG ist.
- Die ausländische Körperschaft ist im Ausland Gegenstand einer umfassenden persönlichen oder sachlichen Befreiung. Eine Befreiung im Sinne der Abs 1 und 3 bleibt unbeachtlich.
(4) Gemäß § 26c Z 16 Buchstabe b KStG sind die Regelungen des § 10 KStG in der Fassung BGBl I Nr. 52/2009 auf alle offenen Veranlagungen anzuwenden.
(5) Damit ist die Besteuerung der von der Bw. erklärten EU-Dividenden aus Frankreich, Niederlande, Deutschland, Italien, Großbritannien und Finnland gesetzlich vorgegeben, da eine offene Veranlagung vorliegt. Die bezeichneten Portfoliodividenden sind nach der neuen Rechtslage zunächst (bedingt) befreit. Wie die Bw. im Schreiben vom ausgeführt hat, unterliegen diese Dividenden auch nicht der Beschränkungsregelung des § 10 Abs 5 KStG, da eine ausländische KÖSt anfällt, die mit der österreichischen KÖSt vergleichbar ist und keine umfassende persönliche oder sachliche Befreiung vorliegt.
Die bezeichneten EU-Dividenden sind damit zur Gänze von der Befreiungsbestimmung des § 10 Abs 1 Z 5 KStG umfasst.
C. Rechtslage für Drittstaatsdividenden nach Haribo und Saline, C-436/08 und C-437/08:
(1) Auch Drittstaatsdividenden waren nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Berufung () von der vollen Besteuerung erfasst. Daran änderte sich durch die Neuregelung der Portfoliodividendenbesteuerung nach dem BBG 2009 nichts.
(2) Der EuGH hat im Urteil vom , Rs Haribo/Saline zur Besteuerung von EWR-Dividenden und Drittstaatsdividenden nachstehendes ausgeführt:
Bezüglich der EWR-Dividenden geht eine Vollstreckungshilfe nicht mit Art 63 AEUV konform, da die nationale Regelung die Erhebung der KÖSt in Österreich betrifft und deren Vollstreckung nicht der Hilfe ausländischer Behörden bedarf (Rn 73). Unionsrechtlich ist damit nur eine Amtshilferegelung zulässig, nicht aber eine umfassende Vollstreckungshilfe.
Zu den Portfoliodividenden aus Drittstaaten stellt der EuGH zunächst fest, dass eine Diskriminierung der Drittstaatsdividenden vorliegt: Da Dividenden in Drittstaaten, die nicht dem EWR angehören, schlechter behandelt werden als solche, die aus Gesellschaften mit Sitz in Österreich stammen, sind Anlagen in Drittstaaten weniger attraktiv (Rn 109); daher führt eine solche Regelung zur Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen Drittstaaten und Mitgliedstaaten (Rn 110). Diese Beschränkung ist
- weder durch eine mit dem Ort der Kapitalanlage zusammenhängende unterschiedliche Situation zu rechtfertigen (Rn 116),
- noch durch das Argument der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten (Rn 124),
- den Rückgang der Steuereinnahmen (Rn 126),
- die fehlende Gegenseitigkeit in den Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten (Rn 127),
- oder durch bestehende Unterschiede in der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten in der Union und mit Drittstaaten (Rn 133). Auch eine Direktinvestition liegt nicht vor (Rn 137).
Art 63 AEUV steht damit einer nationalen Regelung entgegen, die für Drittstaatsdividenden weder eine Steuerbefreiung noch ein System der Anrechnung der im Sitzstaat entrichteten Steuer vorsieht (Rn 138).
(3) Damit ist noch die Frage zu beantworten, welche der erwähnten Regelungen (Befreiungsmethode, Anrechnungsmethode) für die Besteuerung des offenen Berufungsfalles für den Zeitraum 2003 in Betracht kommt. Dazu sind unionsrechtliche als auch innerstaatliche Auslegungsmethodik zu verknüpfen.
a. Nach dem EuGH (Rs Haribo, zweite Frage - s Laudacher, ) muss eine Mehrfachbesteuerung nicht mit einer Befreiung verhindert werden, weil Befreiungs- und Anrechnungsmethode gleichwertig sind (Rn 86 zur bedingten Befreiung von EU- und EWR-Dividenden). Daher verstößt eine bedingte Befreiung mit allfälliger Anrechnung, wie in § 10 Abs 1 Z 5 und 6 KStG geregelt, nicht gegen Art 63 AEUV (Rn 104).
Der EuGH bestätigt damit die Methode der bedingten Befreiung im KStG für EU- und EWR-Dividenden und die grundsätzliche Gleichwertigkeit von Befreiungs- und Anrechnungsmethode. Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen auch die Anrechnungsmethode hätte wählen können (er hat sich aber mit dem BBG 2009 bewusst für die bedingte Befreiung entschieden).
Zur dritten Vorlagefrage (Rs Haribo) hält der EuGH fest, dass eine Regelung gegen Art 63 AEUV verstößt, die weder eine Steuerbefreiung noch ein System der Anrechnung für Drittstaatsdividenden vorsieht (Rn 138).
Zur vierten Frage (Rs Haribo, die im Zusammenhang mit der dritten Vorlagefrage steht) stellt der EuGH fest, dass es nicht gegen Art 63 AEUV verstößt, wenn nationale Steuerbehörden auf Dividenden aus Drittstaaten (EWR-Staaten und anderen Drittstaaten - s Rn 139) die Anrechnungsmethode anwenden, obwohl sie bei Überschreiten des Schwellenwerts (von 10%) die Befreiungsmethode anwenden (und bei Dividenden inländischen Ursprungs systematisch).
b. Aus der Entscheidung des EuGH ergibt sich zunächst nicht, welche Methode für Drittstaatsdividenden (aus Nicht-EU-Ländern) anzuwenden ist, geklärt wird nur die Gleichwertigkeit der Befreiungs- und Anrechnungsmethode und die Unionsrechtswidrigkeit einer vollen Besteuerung. Die Methode für die Begünstigung der Drittstaatsdividenden ist daher dem innerstaatlichen Recht zu entnehmen.
c. Der VwGH ist in seiner Entscheidung vom , 2008/15/0064 - noch zur Rechtslage vor dem BBG 2009 - zum Schluss gekommen, dass der uneingeschränkten Besteuerung von Dividenden aus ausländischen Minderheitsbeteiligungen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art 56 EGV entgegensteht. Die Verdrängung nationalen Rechts dürfe sodann nur jenes Ausmaß umfassen, das gerade noch hinreicht, um einen gemeinschaftsrechtskonformen Zustand herbeizuführen. Die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse seien in das nationale Gesetz hineinzulesen. Bei mehreren gemeinschaftsrechtskonformen Lösungen dürfe nur jene zur Anwendung gelangen, mit der "die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers so weit wie möglich erhalten bleibt". Weil der Gesetzgeber im Inlandsfall Entlastungen stets gewährt, muss auch für vergleichbare Auslandsfälle eine Entlastung gewährt werden, wobei es aus der Sicht des Gemeinschaftsrechtes einerlei bleibt, ob für die ausländische Dividende eine Steuerbefreiung oder eine Steueranrechnung gewährt wird.
Der Verstoß von § 10 Abs 2 KStG 1988 (vor dem BBG 2009) führt zu einer Verdrängung von nationalem Recht. Diese Verdrängung kann (wie im Urteil "Test Clairmants in the FII Group Ligitation" dargelegt) nur zu einer Steueranrechnung führen. Falls nämlich die Besteuerung im Ausland gleich hoch oder höher ist als im Inland, führen Anrechnungsmethode und Befreiungsmethode zum gleichen Ergebnis. Im Fall eines niedrigeren Steuerniveaus im Ausland vermag nur die Anrechnungsmethode zu bewirken, dass die im Ausland erzielten Kapitalerträge im Ergebnis gleich hoch besteuert werden, wie im Inland erzielte Erträge. Solcherart wird in das Konzept des österreichischen Gesetzgebers - der für ausländische Portfoliodividenden keine Begünstigungen vorgesehen hat - durch die Anrechnung der ausländischen Steuer weniger eingegriffen, als durch die Befreiungsmethode. Dies findet auch seine Bestätigung in der Wertungsentscheidung des Gesetzgebers, nämlich zwischen bloßen Kapitalbeteiligungen und Beteiligungen höheren Ausmaßes zu unterscheiden. Der Gesetzgeber wollte (nur) jenen inländischen Kapitalgesellschaften, deren Tochtergesellschaften aktiv in einem ausländischen Staat wirtschaften und nicht bloß Kapitalveranlagung betreiben, den Vorteil des niedrigeren ausländischen Steuerniveaus zukommen lassen. Bloßen Kapitalveranlagungen soll daher nur die Anrechnung zuteil werden.
d. Der Unabhängige Finanzsenat hat nunmehr zu beurteilen, wie diese unterschiedlichen Rechtspositionen mit Blick auf die Rechtslage seit dem BBG 2009 zu bewerten sind.
Im Vergleich mit der Rechtslage (vor dem BBG 2009), die der VwGH in der E vom , 2008/15/0064 zu bewerten hatte, sind wesentliche Änderungen eingetreten. Der VwGH stützte seine Formel von der "Erhaltung der Entscheidung des nationalen Gesetzgebers", die zum damaligen Zeitpunkt zur Anrechnungsmethode führte, darauf, dass
- nach dem Gemeinschaftsrecht eine Steuerbefreiung oder Steueranrechnung gleichwertig ist,
- der Gesetzgeber zwischen Portfoliobeteiligungen und höheren Beteiligungsausmaßen unterscheiden wollte und
- bei niedrigerem Steuerniveau im Ausland nur die Anrechnungsmethode zu gleichen Ergebnissen führt.
Die Gleichwertigkeit beider Methoden hat der EuGH in der Rs Haribo wiederum bestätigt, sodass sich insoweit (unionsrechtlich) keine Änderung ergeben hat.
Geändert hat sich aber die Rechtslage in Bezug auf die Besteuerung von Portfoliodividenden. Während im Zeitpunkt der besagten VwGH-E alle ausländischen Portfoliodividenden steuerpflichtig waren, hat der Gesetzgeber mit dem BBG 2009 eine Grundsatzentscheidung getroffen und EU-Dividenden sowie EWR-Dividenden bedingt befreit und zwar unter der Bedingung eines maximal 10%-Punkte niedrigeren Steuersatzes. Mit dieser Regelung sollte offenkundig eine gleichwertige Besteuerung gewährleistet sein. Damit ist der zu beurteilende Sachverhalt mit jenem im Zeitpunkt des Ergehens der VwGH-E 2008/15/0064 nicht mehr vergleichbar. Denn der Gesetzgeber hat nunmehr zum Ausdruck gebracht, dass er in steuerlicher Hinsicht Portfoliodividenden und höherwertigere Veranlagungen nicht mehr in jedem Fall unterschiedlich besteuern will. Somit ist eines der Hauptargumente der VwGH-E weggefallen.
Auch das zweite vom VwGH verwendete Argument - der Schutz vor niedrigerer ausländischer Besteuerung - ist im vorliegenden Fall vernachlässigbar, weil die Steuersätze (wie von der Bw. dargelegt) nicht mehr als 10%-Punkte unter und überwiegend sogar (weit) über dem österreichischen Steuerniveau liegen. Daher kann bei der Bw. auch die Befreiungsmethode und nicht nur die Anrechnungsmethode eine gleiche Besteuerung garantieren.
Da nach dem EuGH unionsrechtlich beide Methoden gleichwertig sind, ist durch Auslegung der innerstaatlichen Rechtslage zu erforschen, welche Methode anzuwenden ist. Im Bereich der EU/EWR-Dividenden wurden die Portfoliodividenden mit BBG 2009 durch Steuerbefreiung bedingt begünstigt. Da der Gesetzgeber in Verkennung der richtigen Auslegung des Art 63 AEUV, wie er dies auch in seinen Stellungnahmen im EuGH-Verfahren zum Ausdruck gebracht hat, davon ausging, dass Drittstaatsdividenden nicht in jenem Ausmaß begünstigt werden müssen, wie Dividenden aus Mitgliedstaaten, wurden im BBG 2009 die Portfoliodividenden aus Drittstaaten nicht begünstigt. Es stellt sich damit die Frage, welche Regelung der Gesetzgeber im Jahr 2009 getroffen hätte, wäre ihm die nunmehr vom EuGH festgestellte Rechtslage schon bewusst gewesen. Der Unabhängige Finanzsenat nimmt an, dass der Gesetzgeber auch für Drittstaatsdividenden dieselbe Regelung wie für EU/EWR-Dividenden normiert hätte. Denn für die in der VwGH-E angesprochenen Bedenken (eines niedrigeren Steuerniveaus) ist (bei analoger Anwendung) im Rahmen der bedingten Befreiung mit § 10 Abs 5 KStG 1988 ausreichend vorgesorgt, mit den meisten Drittstaaten bestehen zudem Regelungen über die Amtshilfe, sodass auch die Voraussetzungen der EWR-Regelung gegeben und auf die Besteuerung der Drittstaatsdividenden übertragbar sind.
Aus den angeführten Gründen geht der Unabhängige Finanzsenat davon aus, dass das vom VwGH im Erkenntnis 2008/15/0064 vorgebrachte Argument der "geltungserhaltenden Reduktion" infolge der geänderten Rechtslage nach dem BBG 2009 und dem EuGH-Urteil Haribo/Saline neu interpretiert werden muss. Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen, die 2008 beim VwGH zur Anwendung der Anrechnungsmethode geführt haben nicht mehr gegeben. Das BBG 2009 hat eine neue Rechtslage bezüglich der Besteuerung von ausländischen Portfoliodividenden geschaffen. Der Gesetzgeber hat sich dezidiert - auch für (EWR)Drittstaatsdividenden - zur (bedingten) Befreiungsmethode bekannt. Es besteht auch keine Gefahr einer günstigeren Besteuerung der Dividenden im Fall der Anwendung dieser bedingten Befreiungsmethode.
Die Drittstaatsdividenden (nicht aus EWR-Staaten stammende Dividenden) sind daher ebenfalls (analog zur Regelung in § 10 Abs 1 Z 5 und 6 KStG) steuerbefreit.
Die Steuerbefreiung erstreckt sich im Jahr 2003 auf Dividenden iHv 7.911,21 €, Depotgebühren iHv 15,60 € bleiben außer Ansatz.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Linz, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 10 Abs. 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 10 Abs. 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 10 Abs. 5 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 Mutter-Tochter-Richtlinie, RL 90/435/EWG, ABl. Nr. L 225 vom S. 6 |
Schlagworte | EU-Dividenden Drittstaatsdividenden Anrechnungsmethode Befreiungsmethode |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at