TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 30.09.2008, 1Ob31/08b

OGH vom 30.09.2008, 1Ob31/08b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Einlagensicherung der Banken & Bankiers Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 42.257,88 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 14 R 169/07m-11, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 30 Cg 6/07h-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen deren mit 1.975,68 EUR (darin 329,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die nach § 92 Abs 3 BWG eingerichtete Sicherungseinrichtung für den Fachverband der Banken und Bankiers. Im Fall der Eröffnung des Konkurses über ein Kreditinstitut ist sie verpflichtet, die Anleger dieses Instituts bis zu einem festgelegten Höchstbetrag zu entschädigen. Über das Vermögen einer Bank wurde im Jahr 1995 der Konkurs eröffnet. Die Klägerin war verpflichtet, an die Anleger eine Entschädigungszahlung in Höhe von jeweils bis zu 14.534,57 EUR (= 200.000 ATS) zu leisten. Die Klägerin forderte die Beklagte im Jahr 1998 auf, ihr den Schaden, den sie durch die Auszahlungen an die zu entschädigenden Anleger erlitten hatte, zu ersetzen, weil für die Insolvenz der Bank ein - der Beklagten als Trägerin der Bankenaufsicht zuzurechnendes - schweres Fehlverhalten des Bankprüfers kausal gewesen sei. Nach Ablehnung dieser Forderung erfolgte die Einbringung einer Amtshaftungsklage als „Testprozess" mit einem Streitwert von 100.000 EUR. Gleichzeitig wurde der Beklagten der Gesamtschaden der Klägerin mit 10.348.241,15 EUR bekannt gegeben. Die Beklagte gab hinsichtlich des noch nicht eingeklagten Teils der behaupteten Forderung einen befristeten Verzicht auf den Einwand der Verjährung ab. Nachdem der (= SZ 2006/15), der Klägerin den Betrag von 100.000 EUR zugesprochen hatte, forderte die Klägerin die Finanzprokuratur mit Schreiben vom auf, nunmehr die volle Entschädigung an sie zu leisten. Am kam es zu einer Besprechung zwischen den Vertretern der Streitteile. Die Vertreterin der Beklagten erklärte, dass die Existenz allfälliger Gegenforderungen des Bundes gegenüber geschädigten Anlegern (insbesondere aufgrund einer Steuer- bzw Abgabenforderung) geprüft werde. Sie benötige deshalb von der Klägerin eine Aufstellung mit Namen und Adressen, nach Möglichkeit auch die Geburtsdaten bzw Sozialversicherungsnummern der Geschädigten, an die die Klägerin Zahlungen geleistet habe, sowie die Höhe der jeweils ausgezahlten Beträge. Seitens der Klägerin wurde damals zugesagt, eine Liste mit den Namen und Geburtsdaten der Anleger und den Auszahlungsbeträgen zu übermitteln. Gegenüber zwei geschädigten Anlegern, die von der Klägerin jeweils 200.000 ATS erhalten hatten, bestehen erhebliche - den ausgezahlten Betrag jeweils übersteigende - Steuerforderungen der Beklagten. Mit Schreiben vom sagte der Klagevertreter der Finanzprokuratur zu, die versprochenen Unterlagen umgehend zur Verfügung zu stellen, dies ohne Präjudiz, ob tatsächlich gegenüber der Einlagensicherung eine Aufrechnung mit offenen Ansprüchen gegen entschädigte Anleger in Betracht komme. Am übersandte die Klägerin der Finanzprokuratur eine Bestätigung der Masseverwalterin und eine Datei mit den Daten der betroffenen Anleger und den Angaben über die an diese ausgezahlten Beträge. Am teilte die Finanzprokuratur dem Klagevertreter mit, dass die Einzelprüfung der Forderungen außerordentlich aufwändig sei, sodass an einen Abschluss der Prüfung im Jahr 2006 nicht zu denken sei, sondern diese bis weit in das Jahr 2007 hineinreichen werde. Zwecks ehestmöglicher Finalisierung werde daher angefragt, ob für die Klägerin eine Lösung dahingehend in Betracht komme, dass sie auf eine Verzinsung des Ersatzanspruchs verzichte und der Bund im Gegenzug von einer Einzelprüfung und damit insbesondere von Kompensationsmöglichkeiten Abstand nehme. Die Kapitalforderung könnte im Fall einer solchen Lösung kurzfristig zur Anweisung gebracht werden. Mit Schreiben vom hielt die Finanzprokuratur gegenüber dem Klagevertreter fest, dass die Klägerin offenbar nicht an einer ökonomischen und unbürokratischen Finalisierung der Sache interessiert sei und die Abrechnung daher noch einige Zeit in Anspruch nehmen werde. Der Bund erstreckte daher die bereits vorliegende Verjährungsverzichtserklärung bis . Mit Schreiben vom teilte der Klagevertreter der Finanzprokuratur mit, dass sich bei Durchsicht der Unterlagen ergeben habe, dass die Klägerin im Rahmen der Einlagensicherung ab April 2004 weitere Auszahlungen von insgesamt 13.188,65 EUR geleistet habe. Am zahlte die Beklagte 13.826.539,74 EUR an die Klägerin. Über Aufforderung der Klägerin schlüsselte sie mit Schreiben vom diesen Betrag dahin auf, dass sie von dem von der Klägerin eingeforderten Betrag von 10.248.042,15 EUR insgesamt 29.069,02 EUR (= 400.000 ATS) in Abzug gebracht habe, weil gegen zwei Gläubiger Kompensationsforderungen des Bundes bestünden. Zusätzlich zum Kapitalbetrag von 10.219.172,02 EUR seien 4 % Zinsen aus diesem Betrag für den Zeitraum vom bis und vom bis , also 3.607.367,72 EUR ausgezahlt worden. Die Unterbrechung im Zinsenlauf wurde damit begründet, dass die anlässlich der Besprechung vom zugesagte Liste erst am übermittelt worden und dieser Verzug der Sphäre der Klägerin zuzurechnen sei. Weiters hielt die Beklagte in diesem Schreiben fest, dass mit der Zahlung des Betrags von 13.826.539,74 EUR sämtliche Ansprüche der Klägerin „in dieser Amtshaftungssache" beglichen seien. Mit ihrer am eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Zahlung von 137.636,61 EUR. Es bestehe eine unechte Solidarschuld der Streitteile. Die Beklagte könne keine Einreden gegenüber der Klägerin geltend machen, die diese gegenüber den zu entschädigenden Anlegern nicht habe erheben können. Der Abzug von 29.069,02 EUR wegen der Steuerschulden der beiden Sparer sei daher nicht gerechtfertigt. Es sei auch unberechtigt, mit der Behauptung von Verzögerungen bei der Erstellung der Anlegerlisten den Zinsenlauf „zu unterbrechen". Die Beklagte schulde daher auch die Verzugszinsen in Höhe von 95.378,94 EUR für den Zeitraum vom bis aus dem bereits bezahlten Kapitalbetrag von 10.219.172,02 EUR. Die Klägerin habe darüber hinaus ab dem weitere 13.188,65 EUR an geschädigte Anleger zahlen müssen. Die Beklagte sei auch zum Ersatz dieses Betrags verpflichtet.

Die Beklagte wendete Verjährung der Klagsforderung ein, weil die Klage erst am eingebracht, der Verjährungsverzicht aber nur bis abgegeben worden sei. Die Zahlung vom sei nicht als ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis zu werten. Für einen Regressanspruch der Klägerin müssten zwei Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich das Bestehen einer Solidarverpflichtung und die Zahlung. Wegen der Rechtswirkung des § 1438 ABGB habe eine solche Solidarverpflichtung gegenüber zwei Gläubigern nie bestanden, weshalb der Klägerin in Bezug auf Leistungen an diese Anleger ein Rückgriff gegen die Beklagte verwehrt sei. Wegen der Verzögerung der der Leistung der Beklagten vorausgehenden notwendigen Mitwirkung durch die Klägerin (Erstellung der Anlegerlisten) stünden dieser für den davon betroffenen Zeitraum keine Verzugszinsen zu. Der Anspruch auf Zahlung von 13.188,65 EUR sei mangels Erhebung einer Feststellungsklage ebenfalls verjährt. Das Erstgericht gab der Klage mit dem Hauptbegehren und einem Großteil des Zinsenbegehrens statt. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, Abzüge wegen (nur) ihr gegenüber geschädigten Anlegern zustehender Gegenforderungen vorzunehmen. Verzugszinsen für den Zeitraum vom bis stünden schon deshalb zu. Der Verjährungseinwand scheitere daran, dass der Rückgriffsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten nicht den Charakter eines Schadenersatzanspruchs habe. Demnach komme die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision zu.

Beim Regressanspruch des Solidarschuldners nach § 896 ABGB handle es sich um einen selbstständigen Anspruch, dessen Art und Umfang sich nach dem zwischen den Streitteilen bestehenden „besonderen Verhältnis" richte. Dieses könne auf rechtsgeschäftlichen Beziehungen zwischen den Mitschuldnern, aber auch auf schadenersatzrechtlichen Verflechtungen und sonst berücksichtigungswürdigen Umständen beruhen. Für Ausgleichsansprüche von Solidarschuldnern gelte die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist. Eine kürzere Verjährungsfrist gelte nach der ständigen Rechtsprechung allerdings dann, wenn aufgrund der besonderen Verhältnisse der Mitschuldner der Rückersatzanspruch auch als Schadenersatzanspruch zu beurteilen sei. Dies sei regelmäßig dann der Fall, wenn die Schädigung des Dritten gleichzeitig eine Vertragsverletzung gegenüber dem zahlenden Mitschuldner darstelle. Eine solche Beurteilung des geltend gemachten Regressanspruchs - als Schadenersatzanspruch - scheide aus, weshalb die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelange. Der Klagsanspruch sei daher nicht verjährt.

Zur Frage der Kompensation sei festzuhalten, dass die Beklagte gar nicht behauptet habe, vor Auszahlung der Beträge durch die Klägerin an die beiden Anleger diesen gegenüber die Aufrechnung mit Steuerschulden erklärt zu haben. Daraus folge, dass zum Zeitpunkt der von der Klägerin getätigten Zahlungen keine wirksame Kompensation vorgelegen sei und die Amtshaftungsansprüche der beiden Anleger noch nicht getilgt gewesen seien. Die Solidarverpflichtung der Streitteile habe daher damals bestanden.

Zu den geltend gemachten Verzugszinsen führte das Berufungsgericht aus, dass die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, nach Eintritt der Fälligkeit Aufstellungen über die von ihr erbrachten Leistungen vorzulegen, nicht zu einer Unterbrechung des bereits begonnenen Zahlungsverzugs hinsichtlich der von der Beklagten geschuldeten Beträge geführt habe.

Die Revision sei zuzulassen, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zu der Frage vorliege, ob der Regressanspruch der Einlagensicherung gegenüber dem Bund als Schadenersatzanspruch zu beurteilen sei, der die kurze Verjährungsfrist auslöse.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten erhobene Revision ist entgegen dem - gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Klägerin steht als Solidarschuldnerin, die Zahlung geleistet hat, gemäß § 896 Satz 1 ABGB ein Ersatzanspruch zu, der sich in erster Linie nach dem „besonderen Verhältnis" zwischen den Solidarschuldnern bestimmt. Die Beachtung der unterschiedlichen Haftungsgründe der Parteien führt hier eindeutig zu einem vollen Ersatzanspruch der Klägerin (1 Ob 268/05a).

Rückgriffsansprüche nach § 896 ABGB verjähren mangels besonderer Anordnung nach hA grundsätzlich gemäß § 1478 ABGB erst in 30 Jahren. Existiert ein besonderes Innenverhältnis, verdient dies aber auch verjährungsrechtlichen Vorrang (P. Bydlinski in KBB2 § 896 ABGB Rz 5). Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich beim Regressanspruch des Solidarschuldners nach § 896 ABGB um einen eigenen Anspruch, auf den eine allenfalls für die Forderung des Gläubigers geltende kürzere Verjährungsfrist keinen Einfluss hat. Eine kürzere Verjährungsfrist gilt nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn aufgrund des besonderen Verhältnisses der Mitschuldner der Rückersatzanspruch (auch) als Schadenersatzanspruch (beispielsweise eines Auftraggebers gegen seinen Subunternehmer) zu beurteilen wäre, weil die Schädigung des Dritten gleichzeitig eine Vertragsverletzung gegenüber dem zahlenden Mitschuldner wäre (7 Ob 19/05b mwN). Der Oberste Gerichtshof judizierte diesbezüglich etwa, dass der Regressanspruch des (dem Geschädigten insbesondere nach § 1313a ABGB haftenden) Arbeitgebers gegenüber dem schadensverursachenden Arbeitnehmer als Schadenersatzanspruch nach § 1489 ABGB verjähre, soweit nicht § 6 DHG zur Anwendung kommt (SZ 39/82). Gleiches gilt nach SZ 51/97 für Regressansprüche aufgrund eines Werkvertragsverhältnisses zwischen einem Generalunternehmer und seinem Subunternehmer (siehe auch Apathy/Riedler in Schwimann, ABGB3 § 896 Rz 9).

Im vorliegenden Fall kann von einem derartigen „besonderen Verhältnis" zwischen den Streitteilen nicht die Rede sein, war doch die Klägerin gesetzlich verpflichtet, geschädigten Anlegern bestimmte Beträge auszuzahlen. Bei den klagsgegenständlichen Ansprüchen handelt es sich weder um eigene Amtshaftungsansprüche der Klägerin gegen die Beklagte (vgl 1 Ob 269/06z), noch liegen rechtsgeschäftliche Beziehungen, die von der Beklagten verletzt worden wären, zwischen den Streitteilen als Mitschuldner, oder schadenersatzrechtliche Verflechtungen zwischen ihnen bzw sonstige berücksichtigungswürdige Umstände (vgl 2 Ob 78/06v mwN) vor, welche die Anwendung der kurzen Verjährungsfrist begründen würden.

Das Berufungsgericht hielt sich mit seiner Beurteilung, wonach im gegebenen Fall die allgemeine 30-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelange und der geltend gemachte Anspruch daher nicht verjährt sei, im Rahmen der ständigen Rechtsprechung zur Verjährung von Regressforderungen. Die Entscheidung ist daher mit keiner (grober) Fehlbeurteilung behaftet, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre. Die Revisionsausführungen der Beklagten werfen keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf; insbesondere enthalten sie nichts zu den anderen vom Berufungsgericht behandelten Rechtsfragen (keine wirksame Aufrechnungserklärung, Berechtigung eines Teils der Verzugszinsen), weshalb insoweit auf die nicht zu beanstandende Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz verwiesen werden kann.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.